Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

Kapitel 1 - Inhalt

1 EINLEITUNG

1.1 Vorgehensweise

Bei der Bearbeitung der nach dem UVPG zu den Schutzgütern gehörenden "Sonstigen Sachgüter" tritt das Problem auf, daß weder das UVPG noch die EG-Richlinie über die UVP den Begriff der "Sachgüter" eindeutig definieren. Auch die Allgemeine Verwaltungsvorschrift zur Ausführung des UVPG (UVPVwV) vom 26.04.95 (BMU 1995) enthält keine konkreten Hinweise zur Berücksichtigung der Sachgüter im Rahmen der UVP1).

Die Auswertung weiterer UVP-Fachliteratur zeigt, daß sich die aktuelle Diskussion über den Begriff "Sachgüter" durch sehr unterschiedliche Herangehensweisen auszeichnet. Zum einen wird auf die Bearbeitung der Sachgüter grundsätzlich verzichtet, da sie als ökonomische Aspekte nicht Gegenstand einer UVP sondern der Kosten-Nutzen-Analyse sind. In diesem Zusammenhang führt beispielsweise die UVPVwV unter Ziffer 0.4.3 aus, daß wirtschaftliche, gesellschaftliche oder soziale Auswirkungen des Vorhabens für die Durchführung einer UVP unerheblich sind. Die AG UVP-GÜTESICHERUNG (1992) betont ebenfalls, daß Sachgüter im Rahmen der UVP nicht unter ökonomischen Aspekten zu betrachten sind. Hier wird der Begriff der Sachgüter vor allem auf die Bereiche der Nutzung natürlicher Potentiale (z.B. Trinkwasservorkommen, Kiesabbau) sowie auf Schutzgebiete bezogen, wobei hierzu auch die Schutzgebiete mit einem nutzungsspezifischen Hintergrund zählen (z.B. Wasserschutzgebiete, Vorrangflächen für die Land- und Forstwirtschaft).

Zum anderen werden Sachgüter bei den Kulturgütern mit abgehandelt, wobei sich die Bearbeitung nur auf solche Gegenstände beschränkt, die per Definition dem Oberbegriff "Kulturgüter" zugeordnet werden können. So schreiben ERBGUTH & SCHINK (1992, S.127ff) in dem Kommentar zum UVPG: "Mit Kultur- und sonstigen Sachgütern sind demzufolge vornehmlich geschützte oder schützenswerte Kultur-, Bau- oder Bodendenkmäler, historische Kulturlandschaften und Landschaftsteile von besonders charakteristischer Eigenart, m.a.W. der visuelle bzw. historisch bedingte Landschaftsschutz i.S.d. Landespflege wie auch die umweltspezifische Seite des Denkmalschutzes gemeint."

Diese Interpretation deckt sich zum Beispiel mit der UVP-Leitlinie Niedersachsen vom Oktober 1993 (NIEDERSÄCHSISCHES UMWELTMINISTERIUM 1993) sowie der Verwaltungsvorschrift der Wasser- und Schiffahrtsverwaltung des Bundes (VV-WSV) über die Umweltverträglichkeitsprüfung an Bundeswasserstraßen (BMV 1994). Die in Anlage 2 der VV-WSV zitierten, von der BfG Koblenz erarbeiteten Prüfungsmethoden und Orientierungswerte erwähnen lediglich Bau- und Bodendenkmäler als Untersuchungsgegenstände bei dem Schutzgut Kultur- und sonstige Sachgüter. Übereinstimmend führt die BfG in dem Bewertungsverfahrens zur UVU an Bundeswasserstraßen aus, daß für das Schutzgut Kultur- und sonstige Sachgüter nur die denkmalgeschützten Objekte betrachtet werden (BFG 1994).

Bei GASSNER & WINKELBRANDT (1990, S. 178) fehlt ebenfalls eine klare Abgrenzung zwischen den Kultur- und den Sachgütern. Sie definieren Sachgüter als "gesellschaftliche Werte, die z.B. eine hohe funktionale Bedeutung hatten oder noch haben: z.B. historische Fördertürme im Ruhrgebiet oder Brücken, Türme, Tunnel, aber auch Gebäude, Geräte u. dgl. Aufgrund der Funktionsbedeutung dieser Sachgüter oder aber weil ihre Konstruktion bzw. ihre Wiederherstellung selbst unter hohen Umweltaufwendungen erfolgte (Baumaterial usw.), sind sie zu erhalten. Hinzuzurechnen sind auch noch Güter, die die naturhistorische Entwicklung dokumentieren (Gletscherschliffe, Versteinerungen usw.)."

In der UVU-Praxis überwiegt die letztgenannte Herangehensweise, d.h. die Bearbeitung des Themas "Sachgüter" umfaßt lediglich die Kulturgüter, ohne daß auf Sachgüter im eigentlichen Sinne eingegangen wird.

In Anlehnung an WEILAND (1995) werden für diese UVU "Sachgüter" als bauliche Anlagen jeder Art definiert. Die Bearbeitung dieses Themenkomplexes soll innerhalb der UVU zur Fahrrinnenanpassung zunächst die Bestandsaufnahme der im Auswirkungsbereich der Maßnahme vorhandenen Sachgüter umfassen, wobei eine Bewertung des Schutzgutes Sachgüter entfällt. Vor dem Hintergrund des am Optimum der natürlichen Standortverhältnisse erstellten Leitbildes der UVS würde die Zielformulierung für die Sachgüter zu einem Zielkonflikt zwischen den ökonomischen Nutzungsfunktionen der Sachgüter und der optimalen Ausprägung der anderen Schutzgüter führen.

In Ergänzung zur Bestandsaufnahme werden spezielle Sachverhalte im Rahmen von zwei Fachgutachten untersucht. Die Ingenieursgesellschaft ENDERS UND DÜHRKOP untersuchte die Auswirkungen der geplanten Fahrrinnenanpassung auf die Standsicherheit von Unter- und Überwasserböschungen (MATERIALBAND XIII, Teil B). Das Ingenieurbüro WKP KÖNIG UND PARTNER führte eine Untersuchung zur Betroffenheit der erdverlegten Kreuzungsbauwerke (Düker) im Zuge der Fahrrinnenanpassung durch (MATERIALBAND XIII, Teil C).

Die in den Fachgutachten prognostizierten Auswirkungen auf die Sachgüter werden in der UVU berücksichtigt, sofern sie andere Schutzgüter betreffen beziehungsweise mit diesen in Wechselwirkung stehen. So werden mögliche Auswirkungen auf die Ufervegetation infolge des Abbruchs von Unterwasserböschungen bei den Schutzgütern Pflanzen und Tiere dargestellt, mögliche Beeinträchtigungen der Speicherstadt entsprechend bei den Kulturgütern.

1.2 Datengrundlage

Für die Bestandsaufnahme der im Untersuchungsgebiet vorhandenen Sachgüter wurden im wesentlichen folgende Daten und Unterlagen herangezogen:

  • Untersuchung zur Betroffenheit der erdverlegten Kreuzungsbauwerke im Zuge der Anpassung der Fahrrinne der Unter- und Außenelbe an die Containerschiffahrt (WKP KÖNIG UND PARTNER 1997)
  • Auswirkungen der geplanten Fahrrinnenanpassung auf die Standsicherheit der Unter- und Überwasserböschungen (ENDERS UND DÜHRKOP 1997)
  • Aufnahme des verbauten Uferbefestigungsmaterials im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke (RIECKHOFF 1992, 1993)
  • Kartierung der Uferbefestigungen im Rahmen der Biotoptypenkartierung (1993-1995) durch das Büro für Biologische Bestandsaufnahmen Dr. Kurz (MATERIALBAND VI)
  • Luftbilder des Untersuchungsgebietes aus dem Jahr 1992
  • Topographische Karten 1:25.000 und 1:50.000 (1987-1996)

Fußnoten:

1.) Richtlinie des Rates vom 27. Juni 1985 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten