Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

4 BESCHREIBUNG DER AUSWIRKUNGEN DES VORHABENS AUF DIE KULTURGÜTER

Für die Gefährdungsabschätzung werden die bei der Beschreibung der Kulturgüter (vgl. Kap. ) erarbeiteten Objekttypen herangezogen. Die in den jeweiligen Objekttypen zusammengefaßten einzelnen Kulturgüter weisen eine gleiche Empfindlichkeit gegenüber negativen Einwirkungen auf.

Die möglichen Gefährdungen für Kulturgüter bestehen aus:

  • Wasserstandsänderung (Tideänderung): hieraus resultieren Gefährdungen für hölzerne Bauteile, die durch sinkenden Wasserstand für kurze Zeit um Tnw vermehrt der Luft ausgesetzt sind und deshalb verrotten könnten. Besondere Bedeutung kommt diesem Aspekt bei Pfahlgründungen von Gebäuden, Kaianlagen, Schleusen und sonstigen Uferbefestigungen zu.
  • Grundwasserstandsänderung könnte zu Setzung und Quellung des Bodens führen. Kulturgüter in diesen Bereichen könnten durch Sackung oder Auftrieb negativ beeinflußt werden.
  • Änderung der Sedimentation und Erosion wird durch mögliche Strömungsgeschwindigkeitsänderungen denkbar und könnte für Häfen oder in ungeschützten Erosionslagen befindliche Kulturgüter negative Auswirkungen ergeben.
  • Direkte Auswirkungen durch Baggerung sind nicht zu erwarten, da diese ausschließlich in der Fahrrinne stattfinden (vgl. hierzu MATERIALBAND XI). Landseitige Verklappung von Baggergut würde gegebenenfalls ein Kulturgut überdecken, aber nicht zerstören.
  • Morphologischer Nachlauf (natürliche Einregelung des Systems "Elbe" auf die neue Tiefe der Fahrrinne) könnte in den Hangbereichen der Fahrrinne zu Rutschungen des Hangmaterials über und unter Wasser führen. Auswirkungen durch morphologischen Nachlauf werden nur für die Fahrrinne und die direkt angrenzenden Bereiche erwartet.

Nachfolgend werden die möglichen Auswirkungen auf die in Kapitel beschriebenen Kulturgüter auf ihre Erheblichkeit hin untersucht.

Besteht zwischen der geplanten Maßnahme mit ihren zu erwartenden Auswirkungen und dem jeweiligen Objekttyp kein direkter Zusammenhang, sind diese als nicht relevant eingestuft. So ist z. B. die Wasserstandsänderung in bezug auf die Deiche nicht relevant, da nachgewiesen ist, daß die Standsicherheit und -festigkeit der Deiche und Hänge durch die Auswirkungen der Maßnahme nicht gefährdet ist (mündliche Vorabinformation im Rahmen der gutachterlichen Tätigkeit, Enders und Dührkop 1996; später MATERIALBAND XIII). Für Kulturdenkmale deutlich oberhalb oder außerhalb des Wasserkörpers der Elbe (z. B. Brücken) gilt dies ebenso. Eine langfristige Einwirkung auf die im Wasserschwankungsbereich befindlichen Kulturgüter ist durch die derzeit vorhandene Tide bereits gegeben und in ihrer Auswirkung in Kapitel  beschrieben.

Ein negativer Einfluß auf die Kulturgüter durch veränderten Wellenschlag (vgl. MATERIALBAND I) ist nicht zu erwarten. Die natürlichen Wellen werden sich nur unwesentlich erhöhen. Eine ausbaubedingte Änderung der bereits gegenwärtig bestehenden schiffserzeugten Belastung bzw. Beeinträchtigung durch Wellen und Strömung ist nach den Untersuchungen der BAW-AK bei Schiffsgeschwindigkeiten unter 12 Knoten (in der Unterelbe) bzw. 10 Knoten (im Bereich des Hamburger Hafens) auszuschließen. In Bereichen mit bereits vorhandenen Übertiefen, in denen keine Ausbaumaßnahmen stattfinden und es damit zu keiner Querschnittserweiterung kommt, werden bei Überschreitung dieser Geschwindigkeiten - wie schon im Ist-Zustand - überproportional erhöhte schiffserzeugte Belastungen auftreten (MATERIALBAND I).

 

4.1 Beschreibung der Auswirkungen des Vorhabens auf Baudenkmale

Die potentiellen Auswirkungen durch die Maßnahme auf Baudenkmale sind in der folgenden Tabelle nach den oben genannten Objekttypen (vgl. Kap. 2) zusammengefaßt.

Tab. 3:Potentielle ausbaubedingte Auswirkungen auf Baudenkmale

Wirkfaktor

Kulturgut (Objekttyp)

Wasserstandsänderung (Tidehub)Grundwasser
-standsänderung
Verklappung / Morphologischer NachlaufErosion und Sedimentation
Gebäude auf Steinfundamentenkeine RelevanzSetzungRutschungkeine Relevanz
Gebäude auf PfahlgründungenPfähle könnten der Luft ausgesetzt seinPfähle könnten der Bodenluft ausgesetzt sein, SetzungRutschungkeine Relevanz
Brückenkeine RelevanzSetzungkeine Relevanzkeine Relevanz
WerftenGefährdung hölzerner Bauteilekeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanz
Kranekeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanz
Leuchttürme / Seezeichenkeine RelevanzSetzungRutschungkeine Relevanz
Schleusenanlagen / WehreGefährdung hölzerner Bauteilekeine Relevanzkeine Relevanzverstärkte Sedimentation
HafenanlageGefährdung hölzerner Bauteilekeine Relevanzkeine Relevanzverstärkte Sedimentation
sonstige Baudenkmalekeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanz

Die prognostizierten Tidewasserstandsveränderungen weisen ihr Maximum im Bereich des Pegels St. Pauli auf. Die Absenkung des MTnw wird dort rund 7 cm und der Anstieg des

mittleren MThw rund 4 cm betragen. Dadurch erhöht sich der mittlere Tidehub um rund 11 cm (vgl. MATERIALBAND I).

Die Flut- und Ebbdauer bleiben praktisch unverändert und erfahren die größte Veränderung bei Glückstadt. Von den hier gegebenen 3 min Verlängerung (Flut) und 3 min Verkürzung (Ebbe) nimmt die Veränderung auf jeweils ca. 1 min bei St. Pauli ab. Die Flut- und Ebbstromdauer verändert sich ebenfalls um bis zu 3 min und erreicht dieses Maximum im Bereich Brunsbüttel. All diese Veränderungen sind unmaßgeblich.

Die Oberkanten der Holzpfahlgründungen im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke weisen im allgemeinen eine Höhe um etwa NN (vereinzelt bis höchstens NN + 0,15 m) auf. Diese gegen Austrocknung empfindlichen Holzkonstruktionen sind pro Tide ca. 7 Stunden voll unter Wasser eingetaucht. Die bei Flut auf das Holz einwirkende Wassersäule von ca. 1,8 m bewirkt selbst bei ungünstigen Tideverläufen auch über die Austauchzeit eine Fasersättigung1 von über 150%. Die Erhöhung des Tidehubes (hier insbesondere durch das Tnw; vgl. Abb. 2) verändert nicht den zeitlichen Ablauf einer vollen Tide (Ebbe und Flut). Die Abbildungen 2 und 3 verdeutlichen die verkürzten Verweildauern bei den derzeitigen Wasserständen, die dann von den prognostizierten Wasserständen beansprucht werden. Die Summe aller Verweildauern bleibt natürlich gleich.

Abb. 22: Wasserstandsverweildauer im unteren Tidebereich in dm-Stufen (nach SIEFERT 1996, geändert)

 

Abb. 23: Wasserstandsverweildauer im oberen Tidebereich in dm-Stufen (nach SIEFERT 1996, geändert)

Für die Beurteilung des Trockenfallens von derzeit noch ständig unter Wasser befindlichen Teilen von Kulturgütern sind wegen ihrer Kürze weniger die Verweildauern als vielmehr die Häufigkeiten der Unterschreitung von Wasserständen heranzuziehen. Es ist zu klären, ob es maßnahmebedingt zu einem vermehrten Austauchen hölzerner Bauteile von Kulturgütern kommt.

Der Wasserstand um NN (Pegelnull + 500 cm) wird gegenwärtig rund 696 mal jährlich vom Tnw unterschritten. Die Abbildung 4 verdeutlicht die Verteilung der Unterschreitungshäufigkeiten im Bereich Hamburgs. Die untere Kurve zeigt den prognostizierten Zustand des Tnw. Eine Veränderung der Häufigkeit von Wasserstandsunterschreitungen ist praktisch nur zwischen Wasserstandshöhen von etwa Pegelnull (PN) +4,2 m bis PN +2,9 m zu erkennen. Die Veränderung tritt also am stärksten im Schwankungsbereichs um MTnw auf. Die extrem hohen oder niedrigen Wasserstände weisen hingegen sehr geringe oder keine Veränderungen auf.

Abb. 24: Unterschreitungshäufigkeiten der Tnw 1988/92 (nach SIEFERT 1996, verändert)

Nach Betrachtung der Häufigkeiten von Wasserstandsunterschreitungen kann festgestellt werden, daß durch die ständige, ca. zweimal täglich erfolgende Wiederüberflutung die hölzernen Pfähle wassergesättigt bleiben und keiner maßnahmebedingten negativen Beeinflussung ausgesetzt sein werden.

Auf weitere hölzerne Bauteile, etwa Teile von Schleusen oder Häfen und Werftanlagen, wirkt die gesamte ausbaubedingte Veränderung der Tide ein. Bei Tnw-Ständen besteht analog zu den Pfahlgründungen (s. o.) eine ausreichende Wassersättigung. In bezug auf die Thw-Stände wird hier auf die natürliche Schwankungsbreite aufgrund astronomischer und mittlerer meteorologischer Einflüsse hingewiesen (vgl. Abb. 5). Die prognostizierten MThw-Veränderungen nehmen sich vor diesem Hintergrund als nicht nennenswert groß aus.

Abb. 25:Wasserstandshäufigkeiten für Thw am Pegel Stadersand in 2 dm Schritten (nach SIEFERT 1996, geändert)

Die mittlere Veränderung der Flut- und Ebbstromgeschwindigkeiten wird in einer Größenordnung von ± 3 cm/s liegen. Im Bereich der Fahrrinne nimmt die Strömung tendenziell zu, im Bereich der Nebenfahrwasser verringert sie sich (MATERIALBAND I). Die Veränderungen sind örtlich jedoch sehr variabel. Nach BAW-AK (MATERIALBAND I) ist aufgrund einer tendenziellen Verstärkung der Strömung in den Elbnebenflüssen nicht mit einer Begünstigung von Verschlickung in den Nebenflüssen zu rechnen. Nach GKSS (MATERIALBAND II a) wird sich im Bereich der Nebenflüsse und der Landes- und Kommunalhäfen das Sedimentationsverhalten, wenn überhaupt nur geringfügig ändern. Eine nennenswerte Veränderung der gegebenen mittleren Sedimentationsraten ist nicht zu erwarten. Somit sind für die Schleusen- und Hafenanlagen, Wehre und Spülgräben keine maßnahmenbedingten Auswirkungen durch veränderte Sedimentationsraten zu erwarten.

Die prognostizierten Strömungsgeschwindigkeitsänderungen (MATERIALBAND I) sind zu gering, um eine verstärkte Erosion zu bewirken. Es ist daher nicht mit einer maßnahmenbedingten Auswirkung durch veränderte Erosion auf untergegangene Siedlungen und geowissenschaftliche Objekte zu rechnen.

Der Grundwasserstand ist in einem begrenzten Bereich beidseitig des Stromes mit den Wasserständen der Elbe gekoppelt. Die Amplitude der Tide wird bei Eintritt in den an den Strom angrenzenden Boden deutlich gedämpft. Die Reichweite der Tideschwankung der Elbe im Grundwasser beträgt gemäß einem Beispiel an der Süderelbe 2 bis 3 km (MATERIALBAND IV). In etwa 300 m Entfernung zur Elbe ist die Amplitude um etwa 50% verringert, in etwa 1.000 m Entfernung beträgt sie nur noch etwa 13% des Tidehubs.

Ausgehend von einer maximalen Änderung des mittleren Tidehochwassers um 3-4 cm und 4-7 cm im mittleren Tideniedrigwasser ergeben sich demgemäß in 300 m Entfernung zur Elbe ca. 2 cm bzw. 3,5 cm Anstieg bzw. Absinken des Grundwasserstandes. In 1.000 m Entfernung beträgt die maximale, prognostizierbare Änderung weniger als 1 cm. In diesen Größenordnungen auftretende Änderungen sind kleiner als die natürliche mitteljährige Grundwasserspiegelschwankung und hydraulisch nicht in dem Maße wirksam, daß Sackungen oder Setzungen zu erwarten wären. Auswirkungen durch maßnahmebedingte Grundwasserstandsänderungen in Form von Bodenquellungen und -sackungen sind also demnach nicht zu erwarten.

 

4.2 Beschreibung der Auswirkungen des Vorhabens auf Bodendenkmale

Tab. 4: Potentielle ausbaubedingte Auswirkungen auf Bodendenkmale

Wirkfaktor

Kulturgut (Objekttyp)

Wasserstandsänderung (Tidehub)Grundwasser
-standsänderung
Baggerung / Verklappung / morphologischer NachlaufErosion und Sedimentation
Untergegangene Siedlungenkeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanz
Wurtenkeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanz
Archäologische Fundstellenkeine Relevanzkeine RelevanzRutschungkeine Relevanz
Uferbefestigungenkeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanz
Geowissenschaftliche Objektekeine Relevanzkeine Relevanzkeine Relevanzdirekt am Wasserkörper
Deichekeine RelevanzSetzungRutschungkeine Relevanz

Die oben genannten Wasserstandsänderungen des Tidehubs führen nicht zu einer nennenswert größeren Überflutung von Bodendenkmalen über das derzeitige Maß hinaus.

Wie in Kapitel 4.1 gezeigt wird, sind keine maßnahmenbedingten Auswirkungen durch Grundwasserstandsänderungen zu erwarten. Somit ergibt sich durch diesen Wirkfaktor auch keine maßnahmenbedingte Gefährdung für Bodendenkmale.

Durch Baggerung und Verklappung sind keine derzeit bekannten Bodendenkmale direkt betroffen. Eine Beeinträchtigung von Kulturgütern durch von der Maßnahme hervorgerufene Schwingungseinflüsse, über die Luft, das Wasser oder den Boden, ist im Untersuchungsgebiet nicht zu erwarten. Nach der Anpassung der Fahrrinne auf die angestrebte Tiefe wird sich die Unterwassertopographie der Elbe im Zuge des morphologischen Nachlaufs neu einregeln. Von besonderem Interesse für das Schutzgut Kulturgüter und hier speziell für die Bodendenkmale ist die Standsicherheit des sogenannten "Schulauer Ufers" bei Wittenbergen/Tinsdal. Die Abbildungen 6 und 7 verdeutlichen die Lage und die Unterwassertopographie in diesem Bereich.

Abb. 26: Lage des Schnittes "A - B" bei Schulau / Tinsdal

 

Abb. 27: Schematischer Schnitt "A - B" (3fach überhöht!)

Nach mündlicher Mitteilung durch Herrn Dr. Flügge (BAW-AK, Telefonat vom 03.09.1996) wird sich die Hangneigung wie derzeit gegeben (ca. 1:3) erhalten und etwa im Schnittpunkt der vorhandenen Topographie (rote, durchgezogene Linie) mit der gedachten Verlängerung (dünne, grüne Strichlinie; Sollhangneigung) der Hangneigungslinie (braune Strichlinie) wieder einstellen. Der dargestellte Schnitt ist 3fach überhöht, die Hangneigung ist in der Natur also wesentlich (3mal) flacher! In einer Untersuchung aus dem Jahre 1972 zur Standsicherheit genau dieses Hangbereichs zum 13,5 m-Ausbau der Elbe wurde die Standsicherheit des Hangs bis zu einer theoretischen Fahrrinnentiefe von 18 m geprüft und festgestellt (vgl. MATERIALBAND XIII). Die Grundparameter der damaligen Begutachtung, Hangmaterial, Hangneigung und Lage der Fahrrinne, haben sich nicht geändert, und die damals getroffenen Aussagen haben damit weiterhin Gültigkeit. Demnach ist keine Gefährdung für den Hangbereich des Schulauer Ufers gegeben. Zur Standsicherheit der Hangbereiche von Blankenese und Nienstedten, die außerhalb des hier betrachteten Untersuchungsgebiets liegen, sei auf den MATERIALBAND XIII verwiesen.

Fußnoten:

1.) Holzfasern können im Normalfall Wasser bis zur Sättigung aufnehmen (Fasersättigung 100%). Bei Wasserüberdargebot (Beregnung oder im Wasser) wird zusätzlich Luft aus den im Holz befindlichen Hohlkammern durch Wasser verdrängt - es entstehen Fasersättigungen über 100%, maximal 180 bis 190%. Die kritische Fasersättigung für Kiefernholz, welches fast ausschließlich für Pfahlgründungen verbaut wird, liegt bei ca. 120%, erst eine geringere Sättigung kann zu negativen Beeinträchtigungen des Holzes führen.