Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6.4 Zooplankton

Die Lebensgemeinschaft der Zooplankter umfaßt alle diejenigen tierischen Organismen des Freiwassers, welche nur zu relativ geringer Eigenbewegung in der Lage sind. In Wasserkörpern, in denen höhere Strömungsgeschwindigkeiten auftreten, werden diese Organismen passiv verfrachtet, verhalten sich also eher wie Sedimentpartikel. Die Grenze zu den wirklichen "Schwimmern" ist fließend und wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich definiert. Schon bestimmte Kleinkrebse (Mysidaceen) erreichen im Wasser hohe Schwimmgeschwindigkeiten und können eigentlich nur in schnell strömenden Wasserkörpern als planktische Organismen angesehen werden. "Echte" Zooplankter werden jedoch im Fließgewässer mit der fließenden Welle transportiert, sind also nicht in der Lage, aktiv Orte verschlechterter Lebensbedingungen zu vermeiden bzw. solche mit vorteilhaften Bedingungen aufzusuchen. In einem Ästuar wie der Tideelbe zeigen Zooplankter daher Anpassungsmechanismen an verschiedenste Umweltfaktoren. Eine planktische Art kann sich nur so lange in einem Ästuar halten, wie sie in der Lage ist, Verluste durch Ausschwemmung ins Meer, Wegfraß und sonstige Mortalität durch Reproduktion auszugleichen (siehe auch Kap. 5.2.4.2). Der Reproduktionserfolg einer Art wird im Ästuar unter anderem bestimmt von der Salztoleranz, der Schwebstofftoleranz, dem Futterangebot und der Anzahl der Räuber. Eine Beschreibung der Auswirkungen der geplanten Fahrrinnenanpassung auf das Zooplankton ist schon deshalb problematisch, weil sich diese Lebensgemeinschaft aus völlig unterschiedlichen Tiergruppen mit unterschiedlichen Lebensgewohnheiten und Anpassungsmechanismen zusammensetzt. Zur Vereinfachung wird im folgenden Text nur auf drei der wichtigsten und auch am besten beschriebenen Organismengruppen eingegangen. Es handelt sich dabei um Rädertiere (Rotatorien), Blattfußkrebse (Cladoceren ) und Ruderfußkrebse (Copepoden). Mikrozooplankter (wie Ciliaten und Flagellaten) sowie die teilweise zum Plankton gerechneten größere Krebstiere bzw. ihre Jugendstadien werden nicht behandelt, auch wenn ihre Bedeutung für das Nahrungsgefüge im Ästuar nicht unterschätzt werden darf. Es kann davon ausgegangen werden, daß die ausbaubedingten Veränderungen sich in ähnlicher Weise auch auf die nicht beschriebenen Organismengruppen auswirken.

 

6.4.1 Auswirkungen von Baggerung und Verklappung auf das Zooplankton

Die meisten Arten der drei Hauptgruppen im Elbezooplankton ernähren sich filtrierend. Hierbei dienen verschiedenste Formen von Mundwerkzeugen dazu, zuerst die partikulären Bestandteile im Wasser "herauszusieben" und sie anschließen dem Mund zuzuführen. Verschiedene Arten zeigen in ihrem Filtrationsverhalten unterschiedlich hohe Selektivität, das heißt, bestimmte Arten sind in der Lage, zwischen nahrhaften und weniger nahrhaften Partikeln zu unterscheiden und ausschließlich diese herauszufiltrieren, wogegen andere wahllos alle Feststoffe im Wasser aufnehmen. Im allgemeinen werden planktische Algen als das optimale Futter für Zooplankter angesehen, es werden aber auch die organischen Komponenten der Schwebstoffe (absterbende Phytoplankter, Mikrozooplankter und Bakterien) als Nahrungsquelle genutzt. In der Regel findet ein Zooplanktonorganismus im Gewässer eine Mischung all dieser Nahrungskomponenten in unterschiedlicher Zusammensetzung vor. Verschiedene Autoren konnten zeigen, daß in Ästuaren die planktische Primärproduktion allein oft nicht ausreicht, um die Zooplankter zu ernähren (IRIGOIEN et al., 1993). Ein Nahrungsgefüge, in welchem die Schwebstoffe mit ihren organischen Bestandteilen eine Bedeutung haben, ist also für viele Ästuare typisch. Dennoch wird auch hier in den meisten Fällen die Produktivität der Zooplankter von der planktischen (und teilweise der benthischen) Primärproduktion gesteuert (HUMMEL et al., 1988).
Eine durch die Baumaßnahme erzeugte Belastung des Gewässers durch erhöhte Schwebstoffgehalte wirkt sich somit sowohl direkt als auch indirekt auf die Lebensgemeinschaft des Zooplanktons aus. Eine Erhöhung der Schwebstoffkonzentration verschiebt zum einen das Verhältnis von hochwertiger Nahrung (Phytoplankton) zu minderwertiger Nahrung, zum anderen kann sie im Extremfall sogar die Futteraufnahme mechanisch behindern, weil Sedimentpartikel die Mundwerkzeuge bedecken (CASTEL, 1984).
Außerdem beeinflußt die Schwebstoffkonzentration das Lichtklima im Gewässer und damit sowohl die benthische als auch die planktische Primärproduktion (siehe Kap. 6.2 und 6.3). Erhöht sich der Schwebstoffgehalt wird die Primärproduktion um ein bestimmtes Maß reduziert und das Nahrungsangebot für das Zooplankton verändert sich (HART, 1992).

Bei Baggerung und Verklappung der in der Elbe anstehenden Sedimente wird sich in der Umgebung der eingesetzten Bagger- und Verklappungsfahrzeuge die Schwebstoffkonzentration erhöhen. Wie stark diese Erhöhung ist und in welcher Entfernung vom eingesetzten Bagger- oder Verklappungsfahrzeug sie noch wirksam wird, hängt von verschiedenen Faktoren ab, die in den vorangegangenen Kapiteln bereits ausführlich beschrieben worden sind und hier nochmals kurz zusammengefaßt werden.
Während der Baggerung bewirken verschiedene Baggertypen unterschiedliche Schwebstoffbelastungen in ihrer unmittelbaren Umgebung. Die höchste Belastung entsteht beim Einsatz von Hopperbaggern (KUZ, 1994) mit Überlauf.
Entscheidend ist weiterhin die Konsistenz des gebaggerten Sedimentes: Je höher der Feinkornanteil des Baggergutes, desto höher und vor allem langanhaltender und räumlich ausgedehnter die Belastung des Gewässers mit Schwebstoffen. Auch bei dem laut Baumaßnahmenbeschreibung anstehenden überwiegend sandigen Sediment ist damit zu rechnen, daß bei der Baggerung eine gewisse Menge feinkörniger Sedimente (Schlick) über den Überlauf des Hopperbaggers in die Wassersäule gelangt.
KIØRBOE & MØLENBERG (1981) beobachteten in der unmittelbaren Nähe des Einsatzes eines Saugbaggers in sandigem Sediment eine Erhöhung der Schwebstoffkonzentration auf bis zu 5000 mg/l. In 150 m Entfernung war noch eine Erhöhung von über 100 mg/l feststellbar und der Umgebungswert stellte sich erst in einer Entfernung von einem Kilometer von der Baggerstelle ein. Bei der Baggerung von schwer löslichen, bindigen Sedimenten (Ton, Schluff und Mergel) mit Eimerkettenbaggern wird nur in geringem Maße mit erhöhten Schwebstoffbelastungen in der Wassersäule gerechnet.
Baggerungen mit Hopperbaggern wirken sich noch auf eine weitere Art auf die Zooplankter aus. Im Bereich des Saugkopfes wird beim Baggervorgang ein Boden-Wasser-Gemisch angesaugt. Das Wasser wird einschließlich der suspendierten Sedimente in den Laderaum überspült. Es ist offensichtlich, daß alle Zooplankter, die in den Einzugsbereich des Saugkopfes geraten, von diesem mit angesaugt werden, und bei hohen Durchstromgeschwindigkeiten in den Rohrleitungen in einem Milieu extrem hoher Sedimentgehalte mit Sicherheit mechanisch geschädigt, wenn nicht sogar getötet werden. Untersuchungen hierzu liegen bisher nicht vor. Es ist außerdem nicht bekannt, welche Wasservolumina von dem geschilderten Vorgang betroffen sind. Daher lassen sich keine quantitativen Angaben über die Anzahl durch die Baggerung getöteter Zooplankter machen. Gemessen am Wasservolumen der einzelnen Untersuchungsabschnitte und der Anzahl der darin lebenden Organismen, ist dieser Effekt unter Umständen vernachlässigbar.

Untersuchungen der AWU (1994) über die Schwebstoffbelastung im Wasser bei der Verklappung von sandigen Sedimenten zeigen, daß bei entsprechenden Strömungsgeschwindigkeiten Trübungswolken noch in 1500 m Entfernung von der Klappstelle nachgewiesen werden können. Eine Studie der BfG (1995) zeigt, daß bei der Verklappung von Schlick in einer Wassertiefe von fünf bis sechs Metern eine deutliche Schwebstoffwolke mit Schwebstoffgehalten von z.T. über 1000 g / m³ in 500 Metern Entfernung vom Verklappungsort beobachtet wird. Die höchsten Belastungen entstehen beim Einsatz von Hopperbaggern mit Überlauf, da diese das kompaktere Material ablassen. Erst in einer Entfernung von 6500 m konnte keine Veränderung des natürlichen Schwebstoffgehaltes durch die Verklappung festgestellt werden.

Bei der Verklappung von Mergel mit einem relativ hohen Anteil an Feinmaterial sinkt der Großteil des Baggergutes als kompakte Einheit zu Boden. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß mengenmäßig relevante Feinsedimentanteile während des Absinkens vor allem bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten aus dem Baggergut herausgelöst werden und damit eine erhöhte Trübung erzeugen (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen). Dieser Ansicht sind offensichtlich auch die Maßnahmeträger, die schon in der Baumaßnahmenbeschreibung darauf hinweisen, daß die Verklappungen auf der Mergelklappgrube Mühlenberger Loch zur Vermeidung des Schwebstoffeintrages in das Mühlenberger Loch auf bestimmte Tidephasen reduziert werden soll.

Die räumliche und zeitliche Ausbreitung einer Trübungswolke beim Verklappungsvorgang ist abhängig von der Tide und davon, ob die Verklappung während der Fahrt oder bei Stillstand des Baggers stattfindet. Die stärkste Belastung des Wassers mit Schwebstoffen entsteht nach den Untersuchungen der BfG (1995) bei Verspülung des Materials gegen Ende der Ebbstrom-Phase.

Verschiedene Zooplankter sind unterschiedlich gut in der Lage, sich an veränderte Schwebstoffgehalte in ihrer Umgebung anzupassen. Grundsätzlich entsteht für einen Organismus, der seine Nahrung aus dem Wasser herausfiltriert, ein Problem, wenn der relative Anteil nahrhafter Partikel (z.B. Phytoplankton) im Wasser durch eine Erhöhung des Schwebstoffgehaltes sprunghaft abnimmt. Wenn der betroffene Zooplankter nicht zu selektivem Fressverhalten in der Lage ist, ist er gezwungen seine Filtrationsrate ("durchsiebtes" Flüssigkeitsvolumen pro Zeiteinheit) zu erhöhen, um den für seinen Metabolismus erforderlichen Energiebedarf zu decken. Genügt diese Anpassung an die veränderten Umstände nicht, um ausreichende Nahrungsmengen aufzunehmen, wird der Organismus in seiner Lebensfähigkeit eingeschränkt. Kann der betroffene Organismus aktiv zwischen wertvoller und wertloserer Nahrung unterscheiden, so wird er sich dieses Verhaltens bedienen, um nicht unnötig hohe Mengen anorganischer Feststoffe beim Filtrieren mit aufzunehmen. Dieses Verhalten ist allerdings energieaufwendig, da es neben dem eigentlichen Filtrationsvorgang das "Testen" der Nahrungspartikel und das Entfernen wertloserer Partikel aus den filtrierenden Mundwerkzeugen erforderlich macht. Ein solches Verhalten lohnt sich also nur dann, wenn der Energiegewinn durch die Aufnahme hochwertiger Nahrung den Energieaufwand für das Selektionsverhalten selbst zumindest ausgleicht. Bei überdurchschnittlich hohen Schwebstoffkonzentrationen wird ein selektives Fressen sich aus energetischen Gründen nicht lohnen, da der Aufwand, einen hochwertigen Nahrungspartikel zu finden zu hoch ist.

Eine Erhöhung des Schwebstoffgehaltes im Wasser ist zunächst grundsätzlich als Belastung für die Zooplankter anzusehen. Weniger stark wirkt sich diese Belastung dort aus, wo schon natürlicherweise hohe Schwebstoffkonzentrationen anzutreffen sind, also vor allem in der Trübungszone der Tideelbe. Die dort vorkommenden Zooplankter sind an solche Bedingungen voradaptiert und werden nicht im selben Maße betroffen sein, wie Organismen, die in Gebieten niedriger Schwebstoffgehalte leben. Plötzlich auftretende Schwankungen der Futterbedingungen, wie sie vor allem bei Verklappungen auftreten, erfordern eine schnelle Anpassung des Fressverhaltens. Ein solch schnelle Anpassung ist für viele Zooplankter nicht zu leisten (REEVE & WALTER, 1977).
Die negativen Auswirkungen von erhöhten Schwebstoffgehalten auf Zooplankter, sei es über mechanische Schädigung, Beeinträchtigung des Fressverhaltens oder auch der Schwimmaktivität (CASTEL, 1984) sind vielfach beschrieben.
LALANCETTE (1984) untersuchte die Auswirkungen eines Saugbaggereinsatzes in einem See mit anschließender Deposition der gebaggerten Sedimente am Ufer. Das verklappte Sediment hatte einen Schlickanteil von weniger als 20 %. Dennoch waren die Effekte deutlich meßbar. Die Häufigkeit der Rädertiere (Rotatorien) nahm während Baggerung und Deposition ab, ebenso die Häufigkeit der Blattfußkrebse (Cladoceren). Ruderfußkrebse (Copepoden) reagierten weniger empfindlich auf die Maßnahme. Der Diversitätsindex nahm während der Umlagerungen ab. Alle Effekte waren jedoch reversibel und der Normalzustand stellte mit Beendigung der Maßnahme wieder ein. SELLNER & BUNDY (1987) konnten auch bei Copepoden eine deutliche Reaktion auf erhöhte Schwebstoffgehalte zeigen. Schon bei Konzentrationen über 350 mg/l sank die Überlebensrate der Tiere, und verschiedene Reproduktionsparameter (Eizahl pro Weibchen, Schlupferfolg u.a.) waren negativ beeinflußt. WHITE & DAGG (1989) untersuchten die Auswirkungen erhöhter Sedimentgehalte auf die Copepoden Acartia tonsa und Eurytemora affinis, zwei Arten, die auch für die Elbe typisch sind. Wenn die Futterversorgung der Tiere nicht optimal war, sank mit zunehmenden Sedimentkonzentrationen die Eiproduktion. Waren die Tiere gut ernährt, hatten erhöhte Sedimentgehalte keinen negativen Effekt auf die Eiproduktion. Allgemein stellten die Autoren fest, daß erhöhte Schwebstoffgehalte die Kohlenstoffassimilation der Copepoden behindert.
Es zeigt sich also, daß durch Baggerung und Verklappung das Risiko einer Beeinträchtigung für alle drei Hauptgruppen des Zooplanktons in der Tideelbe entsteht. Die geplante Maßnahme mit ihren Belastungen des Gewässers erstreckt sich über einen längeren Zeitraum, als dies die übliche Unterhaltungsbaggerung und Verklappung tut. Es kann zu Verschiebungen im Artenspektrum des Zooplanktons kommen, da eine längeranhaltende Erhöhung des Schwebstoffgehaltes solche Arten bevorteilt, die gut ausgebildete Selektionsmechanismen besitzen, und solche benachteiligt, die passive Filtrierer sind (KIRK, 1991). Außerdem bietet stärker getrübtes Wasser besseren Schutz vor Räubern, die ihre Beute optisch ausfindig machen, bevorteilt also große Zooplankter (HART, 1988).

Als besonders stark müssen die Beeinträchtigungen des ökologischen Systems durch Baggerung und Verklappung in den Gebieten mit normalerweise niedrigen Schwebstoffgehalten angesehen werden, also vor allem im limnischen Bereich (Untersuchungsabschnitt II und III) und im polyhalinen Bereich (Untersuchungsabschnitt VI und VII).

Untersuchungen, die die ökologischen Auswirkungen anhaltend erhöhter Schwebstoffkonzentrationen durch Baggerung und Verklappung auf das Zoooplankton beschreiben (z.B. im Gebiet Mühlenberger Loch und bei den Klappstellen im Außenelbebereich) liegen zur Zeit nicht vor. Die Datenbasis über die Zusammensetzung des Zooplanktons der Tideelbe ist relativ umfangreich, deutliche Verschiebungen im Artenspektrum wären ein Indikator für eine Beeinträchtigung der Artengemeinschaft.

Die Aushebung der Mergelklappgrube in unmittelbarer Nähe zum Mühlenberger Loch sowie ihre anschließende Verfüllung mit 650000 m³ Geschiebemergel bedeuten eine Beeinträchtigung dieses Gebietes mit einer bekanntermaßen hohen Zooplanktonproduktion. Die möglichen Effekte dieser Klappgrube, die nach der Verklappung des Mergels sich selbst überlassen wird und die u. U. die Hydrodynamik im Mühlenberger Loch über einer längeren Zeitraum verändert, sind nicht abzusehen.

Die Organismen im Bereich der Trübungszone sind an höhere Schwebstoffkonzentrationen angepaßt. Für sie wird die Beeinträchtigung durch verklappungsbedingte Erhöhung der Schwebstoffgehalte als unerheblich eingeschätzt.

Im marinen Bereich wird die Schwebstoffbelastung im Bereich der Klappstellen gegenüber der üblichen Belastung durch die Unterhaltungs-Verklappung deutlich zunehmen. Bei einem Einsatz von Hopperbaggern rund um die Uhr an sieben Tagen in der Woche muß lokal mit Beeinträchtigungen der Zooplankter gerechnet werden. Da das Zooplankton im Mündungsbereich der Tideelbe aber in starkem Austausch mit marinen Populationen steht, sind diese Schädigungen als weniger gravierend anzusehen.

 

Die geplante Nutzung der Brammer Bank als Alternative zum Spülfeld auf Pagensand kann aus hydrobiologischer Sicht nicht gutgeheißen werden und muß als erheblicher und nachhaltiger Eingriff in das Gewässer gewertet werden. Zwar befindet sich die Brammer Bank in einem Bereich der Tideelbe, der für die Zooplanktonproduktion nicht von herausragender Bedeutung ist, dennoch sind Verluste in der Größenordnung von 249 ha aquatischem Lebensraum (davon 60 ha Flachwasserbereich und 138 ha Watt, Berechnungen der PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE + UMWELT NORD) in einem ohnehin schon stark kanalisierten Gebiet nicht hinzunehmen. Es kann ausgeschlossen werden, daß die durch die Verklappung entstehende Insel und Nebenrinne für die aquatischen Lebensgemeinschaften einen ähnlichen ökologischen Wert hat, wie die Brammer Bank. Bei einer Aufspülung des Baggergutes auf Pagensand ist die erheblich und nachhaltig betroffene Fläche (Wattverlust) lediglich 2,1 ha groß.

Einige der für die Verklappung vorgesehenen Bereiche sind als sogenannte Strombaumaßnahmen geplant. Sie sollen als Unterwasserbauwerke die Morphologie der Tideelbe so verändern, daß langfristig Uferbereiche gesichert werden (Strombauwerk Hollerwettern-Scheelenkuhlen) bzw. die Geschiebetransportkapazität in der Hauptrinne erhöht wird, sodaß der zukünftige Unterhaltungsaufwand reduziert wird (Strombauwerke Krautsand und Twielenfleth). Die von den TDV gewünschten hydrodynamischen Veränderungen werden unter bestimmten Bedingungen (MATERIALBAND 1, Strombaumaßnahmen) erreicht. Die möglichen Folgen der Veränderung von Morphologie und Strömungsregime für das Zooplankton werden in Kapitel 6.4.2.1 und 6.4.2.4 beschrieben.

Generell muß für das Zooplankton der Baggervorgang gegenüber der Verklappung als der weniger schädliche Teil der Maßnahme angesehen werden, da es sich bei den Baggerungen nur um jeweils kurze Belastungen an häufig wechselnden Positionen handelt. Dagegen wird das gebaggerte Material nur auf wenigen Stellen verklappt, es kommt also zu einer Konzentration der Aktivitäten in bestimmten Gebieten, die dann über eine längeren Zeitraum Beeinträchtigungen hinnehmen müssen.

Die Wirkungen von Baggerung und Verklappung auf die aquatischen Primärproduzenten sind in Kapitel 6.2.1 und 6.3.1 ausführlich beschrieben. Indirekt wirken sich die Störungen in den beschriebenen Gebieten auch auf das Zooplankton aus, da ein vermindertes Algenwachstum die Ernährungsbedingungen für die Zooplankter verschlechtert. Störungen im limnischen Bereich der Tideelbe sind hier besonders entscheidend, weil hier das Hauptgebiet der benthischen und planktischen Primärproduktion liegt.

Die bei Baggerung und Verklappung freigesetzten Schwebstoffe können zwar auch einen gewissen Nährwert haben, ersetzen aber keinesfalls pflanzliche Nahrung. Die Sedimente mit den höchsten organischen Anteilen sind schlickige Sedimente, die vor allem im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke und des WSA Hamburg anstehen.
Eine Freisetzung von Schadstoffen aus Sedimenten während der Baggerungen und Verklappungen und eine daraus entstehendes Risiko für das Zooplanktons lassen sich nicht ausschließen.

Aus den Gutachten der BAW-AK (MATERIALBAND I, Tidedynamik) und der GKSS (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe) geht hervor, daß die Belastung der aquatischen Lebensgemeinschaften aufgrund ausbaubedingt erhöhter Unterhaltungsbaggerung zumindest in einigen Elb-Abschnitten vorübergehend zunimmt.

Laut Gutachten ist mit einer vorübergehenden Zunahme der Unterhaltungsbaggerung in den Bereichen der Revierstrecke Hamburg und des WSA Hamburg (km 638,9-641; 645-654 und 658-666) zu rechnen. Diese Aussage trifft für diejenigen Bereiche zu, in denen ausbaubedingt geringere Strömungsgeschwindigkeiten und damit verbunden geringere Transportkapazitäten die Tendenz zu Sedimentation erhöhen. Weiterhin fällt zusätzliches Baggergut überall dort an, wo zunehmende Vertiefung, Verbreiterung bzw. der morphologische Nachlauf den Gefällegradienten an der Fahrrinnenkante gegenüber dem Ist-Zustand erhöht, und damit gravitativ geprägte Abgleitungen von Sedimenten in den Fahrrinnenbereich bewirkt (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen). Ausbaubedingt erhöhte Unterhaltungsbaggerung und Verklappung stellen für das Zooplankton die eingangs geschilderten Risiken dar.

 

6.4.2 Auswirkungen der veränderten Gewässermorphologie und davon abhängiger Parameter auf das Zooplankton

6.4.2.1 Auswirkungen der Veränderungen der Watt- und Flachwasserbereiche

Obwohl das Zooplankton den gesamten Wasserkörper eines Fließgewässers besiedelt, sind doch bestimmte Bereiche im Gewässer von herausragender Bedeutung für diese Organismengruppe. Es sind dies zunächst die Gebiete, in denen das Nahrungsangebot überdurchschnittlich reichhaltig ist und die sich daher besonders gut für die Vermehrung eignen. Zum anderen ist für die Zooplankter im Fließgewässer entscheidend, daß sie in diesen bestimmten Abschnitten des Flusses ein mildes Strömungsklima vorfinden. Sollten die Organismen aus diesen Abschnitten schneller ausgeschwemmt werden, als sie sich vermehren können, so wird es ihnen auf die Dauer unmöglich sein, eine Population im Fluß aufrecht zu erhalten. Ein tidebeeinflußtes Fließgewässer bietet dem Zooplankton grundsätzlich bessere Aufwuchsbedingungen, da der Wasserkörper im Tiderhythmus hin und her pendelt und die Aufenthaltszeiten daher prinzipiell länger sind, als in einem Fließgewässer ohne wechselnde Fließrichtung. Wie aus den Darstellungen von BERGEMANN et al. (1996) deutlich wird, verlängern sich die für das Zooplankton so entscheidenden Aufenthaltszeiten von Hamburg zur Mündung hin. Da durch anthropogene Eingriffe in jüngerer Zeit die Tideelbe zunehmend kanalisiert wurde, haben die Strömungsgeschwindigkeiten im Hauptstrom stark zugenommen. Um so wichtiger werden vor allem in den Bereichen mit ohnehin kürzeren Aufenthaltszeiten (Untersuchungsabschnitt I und III) die Gebiete mit milderem Strömungsklima. Aus dem Zusammenspiel aus guten Ernährungsbedingungen (siehe auch Kapitel 6.2 und 6.3) und ruhigerem Strömungsklima (siehe auch CD zu MATERIALBAND I) erklärt sich die große Bedeutung, welche die Watt- und vor allem die Flachwassergebiete im limnischen Bereich der Tideelbe haben. Viele Untersuchungen zur Zooplanktonverteilung in der Elbe (KAFEMANN, 1992; PEITSCH, 1992; FIEDLER, 1991) zeigen die Bedeutung des limnischen Abschnittes der Tideelbe für die Zooplanktonproduktion. Eine mögliche Verkleinerung von Flachwassergebieten durch die geplante Fahrrinnenanpassung wird sich daher in einer Reduktion der Produktivität des Zooplanktons auswirken.

Im Gutachten zur Hydromechanik (MATERIALBAND I) werden als Folge der ausbaubedingten morphologischen Anpassung der Fahrrinne Veränderungen der Tidewasserstände und damit verbunden des Tidehubes prognostiziert. Daraus resultieren vor allem in den Gebieten mit den größten Tidehubänderungen (Bereich um St. Pauli) Flächenveränderungen in den Watt- und Flachwasserbereichen.

Überschlägige Abschätzungen ergaben, daß auf 24% der Uferlänge zwischen Hamburg und der Oste tendenziell mit einer Abnahme der Flachwassergebiete zu rechnen ist (siehe auch Planungsgruppe Ökologie + Umwelt Nord, 1997; Kap. 9.1 und MaterialBAnd VII, Kap. 6.3.2.1).

Größere Gebiete, in denen eine deutliche Tendenz zur Flächenabnahme von Flachwasser-gebieten besteht, sind:

- Mühlenberger Loch und Hahnöfer Nebenelbe
- Nordspitze Pagensand
- Nordspitze Schwarztonnensand
- Brammer Bank
- Böschrücken
- Störmündung
- Ostemündung

Außerdem wurden anhand von Peilkarten exemplarisch einige Querschnitte erstellt, um in Abhängigkeit von der tatsächlichen Böschungsneigung und der prognostizierten Absenkung des MTnw zu ermitteln, in welcher Größenordnung die Verluste in den Flachwassergebieten liegen könnten. Tabelle 6.3.2.1 zeigt die Ergebnisse dieser Auswertungen für die einzelnen Querschnitte.

Besonderes Augenmerk muß aber in diesem Zusammenhang vor allem auf den Bereich um das Mühlenberger Loch, die Hahnöfer Nebenelbe und die Brammer Bank gerichtet werden. Bezogen auf die Gesamtfläche des Untersuchungsgebietes mag der prozentuale Verlust von Flachwasserbereichen zwar gering erscheinen (Prognose MATERIALBAND I, Tidedynamik), es muß aber in dieser Betrachtung berücksichtigt werden, wo diese Verluste zu verzeichnen sind. Nach den überschlägigen Berechnungen, die in Zusammenarbeit mit der PLANUNGSGRUPP ÖLOLOGIE + UMWELT NORD angestellt wurden, kann es sich zum Beispiel im Mühlenberger Loch durchaus um Verluste von Flachwasserstreifen mit einer Breite von bis zu 50 m handeln (Tab. 6.3.2.1). Auch mögliche Verluste in dieser Größenordung dürfen in ihrer Bedeutung für das Zooplankton (und die Konsumenten des Zooplanktons) auf keinen Fall unterschätzt werden und müssen als erhebliche Auswirkung des geplanten Eingriffs gesehen werden. Da eine flächenbezogene Darstellung dieser Effekte bisher nicht vorliegt, kann die vorliegende Betrachtung nur eine ungefähre Vorstellung von den zu erwartenden Veränderungen liefern.

Besondere Brisanz gewinnt die ausbaubedingte weitere Verkleinerung der Flachwasserbereiche, wenn man die Entwicklung dieses wertvollen Lebensraumes in den letzten 100 Jahren betrachtet. In diesem Zeitraum haben sich z.B. die Flachwassergebiete im Untersuchungsabschnitt III nahezu halbiert (siehe Kap. 5.2). Die Entwicklung dieser Flächen nach der Baumaßnahme sollte daher genauestens beobachtet werden.

Im Zusammenhang mit den geplanten Strombaumaßnahmen (MATERIALBAND 1, Strombaumaßnahmen, Differenztopographie Abb. 3.18, 3.27 und 3.33) sind in den Bereichen Hollerwettern-Scheelenkuhlen, Krautsand und Twielenfleth angrenzend an Watt- und Flachwassergebiete Aufhöhungen bis auf NN minus 4,40 m geplant. Diese morphologischen Veränderungen bedeuten zwar keine Vergrößerung des Lebensraumes Flachwasser (im Rahmen der vorliegenden UVU definiert als MTnw bis MTnw minus 2 m, entspricht ca. NN minus 3,40 m), führen aber in den aufgehöhten Bereichen zu einer Verringerung der Durchmischungstiefe. Bei entprechend verbesserter planktischer Primärproduktion, verbessert sich auch die Nahrungsgrundlage für das Zooplankton. Diese Effekte sind allerdings bei den Strombaumaßnahmen im Bereich der Trübungszone (Strombauwerke Hollerwettern-Scheelenkuhlen und Krautsand) mit ihrer ohnehin niedrigen planktischen Primärproduktion als sehr gering einzuschätzen.

 

6.4.2.2 Auswirkungen von Veränderungen des Salzgehaltes

Die Verteilung der Zooplankter im Elbelängsschnitt wird neben anderen Faktoren auch durch den Salzgehalt mitbestimmt. Im Außenelbebereich (Untersuchungsabschnitt VI und VII) dominieren marine Arten, im limnischen Bereich entsprechend die Süßwasserformen. Der Übergangsbereich zwischen marinem und limnischen Milieu (Salzgradient) wird von solchen Arten besiedelt, die eine höhere Toleranz gegenüber Schwankungen im Salzgehalt haben als die reinen Süß- oder Salzwasserformen. Je nach Oberwasserabfluß und Tidegeschehen verändert der Salzgradient sowohl seine Ausdehnung als auch seine Position im Ästuar. Langfristig haben in der Vergangenheit auch anthropogene Eingriffe in die Morphologie des Flusses eine Bedeutung für die Ausprägung des Salzgradienten gewonnen (BERGEMANN, 1995). Es zeigt sich, daß sich in den letzten 40 Jahren (bei Oberwasserabflüssen < 400 m³/s) die Grenze zwischen oligohalinem und limnischen Bereich um bis zu 20 km stromauf verlagert hat. In der vorliegenden Untersuchung wurde die obere Brackwassergrenze gemäß ihrer Bedeutung für die aquatischen Organismen definiert (Kap. 5.1.4). Der Übergang vom oligohalinen Bereich zum limnischen ist danach die Position im Ästuar, in welcher des Salzgehalt 0,5‰ unterschreitet. Diese Grenze liegt heute nach den Modellierungen der BAW-AK (MATERIALBAND I, Tidedynamik) in Höhe der Wedeler Au bei Elbekilometer (A) 645 (Siehe auch Karte A1, Anhang). Es kann davon ausgegangen werden, daß sich diese Grenze in den letzten Jahren ebenfalls in der von BERGEMANN (1995) beschriebenen Größenordnung verschoben hat.

Betroffen werden von dieser Entwicklung vor allem die stenohalin limnischen (also wenig bis nicht salztoleranten) Arten, deren Lebensraum in der Tideelbe sich ständig verkleinert. Hierzu zählen vor allem die Rotatorien (Rädertiere) und Cladoceren (Blattfußkrebse), deren Verbreitungsschwerpunkt bis auf wenige Ausnahmen im limnischen und oligohalinen Bereich der Tideelbe liegt.

Die Prognose zur Veränderung der Tidedynamik (MATERIALBAND I) ergibt minimale Veränderungen in der tidengemittelten Salzgehaltsverteilung. Für niedrigen Oberwasserabfluß liegen die lokalen Veränderungen des minimalen bzw. maximalen Salzgehaltes bei ± 0,1 ‰. Dabei liegen die Veränderungen immer unter 0,2 % des jeweils auftretenden maximalen Salzgehaltes. Die Analyse der Veränderung der maximalen Salzgehalte zeigt aber auch, daß sich die Brackwasserzone um ca. 500 m weiter stromauf verlagern wird. Dies bewirkt z.B. eine Zunahme der maximalen lokalen Salzgehalte bei Wedel um 0,02‰, bei Stadersand um 0,05‰ und bei Glückstadt um rund 0,1‰. Diese minimalen Veränderungen sind zwar für rein limnische Zooplanktonorganismen kaum von Bedeutung, generell beschreiben sie aber die Fortsetzung der Tendenz zur Verkleinerung des tidebeeinflußten limnischen Lebensraumes, die aus ökologischer Sicht als weitere Denaturierung eines ohnehin stark anthropogen überformten Systems angesehen werden muß.

 

6.4.2.3 Auswirkungen von Veränderungen des Schwebstoffregimes

Das Elbe-Ästuar ist, vor allem im Bereich der sogenannten Trübungszone, durch hohe Schwebstoffgehalte im Wasser charakterisiert. Diese sind zum Teil Resultat geologischer und tidedynamischer Verhältnisse, andererseits aber auch anthropogener Natur. Die zunehmende "Kanalisierung" der Tideelbe führt zu Veränderungen im Strömungsregime und diese wiederum bestimmen maßgeblich die Erosions-, Resuspensions- und Sedimentationsprozesse. Das Zusammenwirken dieser Prozesse steuert den Schwebstoffhaushalt, dessen Bedeutung für die Primärproduktion in Kapitel 6.2. und 6.3 und für das Zooplankton in Kapitel 6.4.1 ausführlich beschrieben wurde.

Im Rahmen der vorliegenden UVU werden auch die Auswirkungen der ausbaubedingten morphologischen Veränderungen auf den Schwebstoffhaushalt prognostiziert (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe).

Diese Modellierungen zum Schwebstoffhaushalt der Tideelbe und dessen Veränderungen stellen zwar keine realistische Nachbildung der Natur dar, lassen aber Trends bestimmter Veränderungen im Schwebstoffhaushalt erkennen. Eine ausführliche Aufstellung der Ergebnisse liegt für des Spring-Nipp-Szenario (Q0 = 200 - 400 m³/s) vor, welches auch Grundlage für die Bewertung des Ist-Zustandes der aquatischen Lebensgemeinschaften war (Kap. 5.1.2).

Es liegen Informationen zu Veränderungen der Schwebstoffkonzentration in der 2m-Deckschicht sowie der Bodenbelegung vor. Letzterer Parameter ist für die beschriebenen drei Zooplanktongruppen ohne Bedeutung,. Er kann aber für Arten entscheidend werden, die meroplanktisch, also zum Teil im Freiwasser und zum Teil am Boden leben (z.B. Amphipoden bzw. Flohkrebse und Mysidaceen bzw. Schwebgarnelen).

Dargestellt sind jeweils der Ist-Zustand sowie die prognostizierte prozentuale Abweichung vom Ist-Zustand. Angaben zu den absoluten Werten der Veränderungen liegen nicht vor und lassen sich aus den grafischen Darstellungen nicht ermitteln.

Da das Zooplankton den gesamten aquatischen Lebensraum besiedelt, bieten die überschlägigen Betrachtungen der Veränderungen in den ausgewählten Gebieten (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe) eine sinnvolle Grundlage für die Beurteilung ökologischer Folgen für das Zooplankton. Kleinräumige Veränderungen innerhalb eines Bereichs sind für das Zooplankton von untergeordneter Bedeutung.

Generell besteht die Tendenz zu einer Verminderung der Schwebstoffgehalte in der Fahrrinne und einer leichten Erhöhung in den Randbereichen.

Im Bereich des Mühlenberger Lochs (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u.gelöste Stoffe, Abb. SN.1.1.DIFF) nimmt der Schwebstoffgehalt auf 19% der Fläche zu. Allerdings sind nur auf weniger als einem Prozent der Fläche die Zunahmen größer als 40%.

Im Gebiet von Wedel (Abb. SN 1.2.DIFF) nimmt der Schwebstoffgehalt nur auf 3% der Gesamtfläche zu. Auch hier werden Zunahmen über 40% auf weniger als einem Prozent der Gesamtfläche prognostiziert.

Die Veränderungen im Gebiet um Glückstadt sind vernachlässigbar.

Im Gebiet Brunsbüttel (Abb. SN.1.4.DIFF) nimmt der Schwebstoffgehalt auf 87% der Fläche zu, wobei auf 15% der Gesamtfläche die Veränderungen größer als 5% sind. Betroffen sind die Gebiete am Südufer der Elbe gegenüber des Nord-Ostsee-Kanals. Hier werden großflächig Erhöhungen des Schwebstoffgehaltes um bis zu 10% prognostiziert. Die in diesem Bereich lebenden Zooplankter sind allerdings an relativ hohe Schwebstoffgehalte (Ist-Zustand, Spring-Nipp-Szenario ca. 200 mg/l) angepaßt. Es wird nur mit einer geringen Beeinträchtigung der Zooplankter gerechnet.

Im Gebiet Cuxhaven (Abb. SN.1.5.DIFF) nehmen die Schwebstoffgehalte auf 97% der Fläche zu. Allerdings sind die Veränderungen auf 64% der Gesamtfläche kleiner als 5%.

Insgesamt kann davon ausgegangen werden, daß die leichten Erhöhungen der Schwebstoffgehalte nach der Baumaßnahme nur geringe Konsequenzen für das Zooplankton haben werden.

Im Mittel wird für das Untersuchungsgebiet keine erhöhte Bodenbelegung prognostiziert. In Bereichen oberhalb Glückstadts kommt es aber als Folge verminderter Überflutungsdauer und verlängerter Flutstromdauer zu erhöhten Sedimentationsraten und damit auch zu erhöhter Bodenbelegung. Diese können lokal zu Beeinträchtigungen der bodennah lebenden Organismen (Amphipoden, Mysidaceen) führen. Die Veränderung betrifft vor allem die Flachwasserbereiche vor Schweinesand/Neßsand, die Hahnöfer Nebenelbe, den Wedeler Jachthafen, das Nordufer von Hanskalbsand und die Wedeler Au. Da die vor Hanskalbsand und auf der Wedeler Au vorausgesagten Ablagerungsprozesse mit einer dauerhaften Konsolidierung des deponierten Materials einhergehen, ist in diesen Bereichen tendenziell mit Verlandungsprozessen, also mit Verlust von Flachwasser- und Wattgebieten, zu rechnen. Solche Verluste aquatischen Lebensraumes sind als bedenklich anzusehen (siehe auch Kap. 6.4.2.1). Auch im Bereich von Glückstadt treten ausbaubedingt kleinräumig Erhöhungen der Bodenbelegung auf der Brammer Bank auf.

Die Wirkung der prognostizierten Veränderungen im Schwebstoffregime auf das Zooplankton besteht vor allem im Einfluß des Schwebstoffs auf die Primärproduzenten (Kap. 6.2 und 6.3) und in der, wenn auch kaum meßbaren, Fortsetzung des Trends zu Sedimentations- und damit Verlandungsprozessen in den Seitenbereichen.

 

6.4.2.4 Sonstige Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung

- Veränderung der schiffserzeugten Belastung
Laut der Prognose zur ausbaubedingten Änderung der schiffserzeugten Belastung (MATERIALBAND I) ist in Abhängigkeit von der Schiffgeschwindigkeit lokal mit erhöhten Wellen- und Strömungsbelastungen durch moderne große Containerschiffe im Untersuchungsgebiet zu rechnen. Erhöhte Turbulenzen erhöhen die metabolische Aktivität (Nahrungsaufnahme und Exkretion) von Zooplanktern und können lokal über eine Veränderung der Altersstruktur zur Reduktion der Zooplanktonbiomasse führen (ALCARAZ et al. 1988). Die stärksten Veränderungen der Wellenbelastung werden jedoch für den Bereich der Fahrrinnenkante prognostiziert. Die für die Zooplanktonproduktion entscheidenden Gebiete liegen jedoch überwiegend in größerer Entfernung von der Fahrrinne, so daß eine Beeinträchtigung der Zooplankter ausgeschlossen werden kann.

- Veränderung der Strömungsgeschwindigkeiten
Veränderungen der Strömungsgeschwindigkeiten sind für das Zooplankton nur von Belang, wenn durch sie die Aufenthaltszeiten im Gewässer verändert werden (siehe hierzu Kap. 5.2.4.2) oder es zu Veränderungen des Sedimentationsgeschehens kommt (Kap. 6.4.2.3). Laut Prognose (MATERIALBAND 1, Tidedynamik) kommt es insgesamt im Becken der Tideelbe zu Verlängerungen der Aufenthaltszeiten unter 2%. Verlängerte Aufenthaltszeiten begünstigen den Populationserhalt der Zooplankter. Durch die Tendenz einer Konzentration der Strömung in der Hauptrinne verringert sich der Austausch mit den Randbereichen, die in der Tideelbe als Orte höchster Zooplanktonproduktion gelten. Die "Versorgung" der Hauptrinne mit Zooplankton wird daher leicht abnehmen. Die beschriebenen Effekte der Baumaßnahme gelten lokal begrenzt ebenfalls für die als Strombauwerke geplanten Verbringungsorte für Baggergut bei Hollerwettern-Scheelenkuhlen, Krautsand und Twielenfleth. Das Strombauwerk Twielenfleth bewirkt eine Verringerung der Flutstromgeschwindigkeiten an der Einmündung zur Lühesander Nebenelbe um bis zu 15 cm s-1. Dieser Effekt könnte eine Veränderung des Sedimentationsgeschehens in der Lühesander Nebenelbe zur Folge haben. Mögliche Erhöhungen der Sedimentation in diesem ökologisch wertvollen Seitenarm der Tideelbe sollten vermieden werden, daher wird empfohlen, die Entwicklung dieses Gebietes nach Durchführung der Strombaumaßnahme wenn möglich zu überwachen.

 

6.4.3 Nullvariante

Die Beurteilung der Auswirkungen aller unabhängig von der Baumaßnahme stattfindenden Veränderungen im Bereich der Tideelbe gliedert sich in folgende drei Abschnitte:

- Auswirkungen der zukünftig erwarteten Unterhaltungsbaggerungen
- Auswirkungen der geplanten Baumaßnahmen im Bereich der Bundeswasserstraße Elbe
- Auswirkungen des prognostizierten säkularen Meeresspiegelanstieges

6.4.3.1 Unterhaltungsbaggerung- und Verklappung

Die Höhe der im Untersuchungsgebiet anfallenden Baggermengen sowie die Lage der Stellen, an welchen Unterhaltungsbaggerungen nötig sind, werden heute wie und auch in Zukunft vor allem vom Abflußgeschehen bestimmt. Ein Trend zu erhöhten Baggermengen läßt sich aus den Daten der letzten Jahre nicht ablesen. Da ohne Baumaßnahme also nicht mit einer Erhöhung der Unterhaltungsbaggerung gerechnet werden muß, bleiben die ökologischen Risiken (siehe Kap. 6.4.1) für das Zooplankton unverändert. Grundsätzlich verschiebt sich der Schwerpunkt der Unterhaltungsbaggerung im Ästuar mit dem Oberwasserabfluß in der Form, daß bei niedrigen Abflüssen höhere Baggermengen im Hamburger Raum anfallen, bei höheren Abflüssen eher im Gebiet des WSA Cuxhaven. Das Zooplankton ist von Baggerungen im limnisch/oligohalinen Bereich der Tideelbe am stärksten betroffen.

Es wird empfohlen, Verklappungen zu Zeitpunkten der Tidephasen durchzuführen, in welchen die Wirkung der erzeugten Schwebstoffwolke auf einen möglichst kleinen Raum beschränkt bleibt.

6.4.3.2 Strombaumaßnahmen

Baumaßnahmen in Ober- und Mittelelbe
Die geplanten Fahrrinnenvertiefungen im tidefreien Bereich der Elbe bewirken kurzfristig erhöhte Schwebstoffgehalte im Bereich der Tideelbe (NEUMANN & WOLF, 1996). Sollten diese zur Zeit der Frühjahrsblüte des Phytoplanktons auftreten und die planktische Primärproduktion in den Untersuchungsabschnitten I und II mindern, so ist mit einer Beeinträchtigung des Zooplanktons in diesen Abschnitten zu rechnen.

Baumaßnahmen auf der Hamburger Delegationsstrecke
Die Vertiefung des Freihafens und der Süderelbe verändern in der schon in Kapitel 6.2 beschriebenen Weise das Verhältnis von durchlichteter zu undurchlichteter Wassersäule. Die Folgen für die planktische Primärproduktion sind hinreichend beschrieben. Der Bereich des Hamburger Hafens gilt allgemein als das Gebiet, in welchem es aufgrund der gegenüber Untersuchungsabschnitt I zunehmenden Wassertiefen zu einer Schädigung der Phytoplankter kommt. Entsprechend wird sich durch weitere Vertiefungen die Nahrungsgrundlage für das Zooplankton weiter verschlechtern.

Die Verfüllung von Hafenbecken im Zuge der Hamburger Hafenerweiterung bedeuten einen vollständigen Verlust von Lebensraum für das Zooplankton und die davon abhängige Folgeproduktion (Fische). ORTEGA et al. (1994) haben in ihrem Bericht nachdrücklich auf den ökologischen Wert der Hafenbecken für bestimmte Organismengruppen hingewiesen.
Die geplante Öffnung der Alten Süderelbe läßt sich in ihren Auswirkungen nicht prognostizieren. Sicher ist, daß diese Maßnahme das hydrologische Geschehen im Mühlenberger Loch verändern wird, wobei unklar ist, ob diese Veränderung langfristig positiv oder negativ sein wird. Das Ausmaß der Störung des Status quo läßt sich schon deswegen nicht einschätzen, weil noch unklar ist, in welcher Weise die Öffnung erfolgen soll. Hydromechanische Modellierungen sowie Berechnungen zu den davon abhängigen Parametern (Tidegeschehen, Strömungskenngrößen, Sedimentation und Erosion) sind nötig, um einen Eindruck von den ökologischen Auswirkungen der Maßnahme zu erhalten. Ohne diese Hintergrundinformationen bleiben Prognosen reine Spekulation.

Der Neubau des Este-Sperrwerks wird während der Bauzeit (1996-1999) zu deutlichen Störungen des Zooplanktons im Mühlenberger Lochs führen, deren Intensität sich aber vor dem Hintergrund der gleichzeitig geplanten Öffnung der Alten Süderelbe nicht einschätzen läßt.

Veränderungen der Deichführung sind für das Zooplankton ohne Bedeutung.

Baumaßnahmen im Bereich des WSA Hamburg
Den Gutachtern liegen keine Informationen über biologische Parameter im Bereich des Nordhafens in Stade-Bützfleth vor. Daher läßt sich nicht beurteilen, ob die geplante Vertiefung einen ökologisch wertvollen Bereich trifft. Grundsätzlich wirken sich Vertiefungen in der oben beschriebenen Weise aus. Andere Baumaßnahmen in diesem Gebiet sind ohne Bedeutung für das Zooplankton.

Baumaßnahmen im Bereich des WSA Cuxhaven
Die Maßnahmen zur Sicherung des Osteriff-Stacks gegen rückwärtige Erosion könnten während der Bauzeit zu kurzzeitigen Störungen des Zooplanktons im Bereich der Watt- und Flachwasserbereiche und der Buhnenfelder führen. Verschlechterungen der Wasserqualität im unmittelbaren Einzugsbereich sind nicht auszuschließen.

Der Ausbau des Amerikahafens Cuxhaven (Mehrzweckumschlagsanlage) hat bereits begonnen, die entsprechenden Umlagerungen von Sand und Schlick und damit die direkte Störung des ökologischen Systems sind abgeschlossen. Dem Gewässer sind jedoch Flächen verloren gegangen. Ersatzmaßnahmen sind der SB4 Studie Nr. 2 (NEUMANN & WOLF, 1996) zu entnehmen.

Die Kurvenabflachung und Breitenreduzierung der Fahrrinne im Bereich des Leitdamms Kugelbake hat keine ökologischen Folgen für das Zooplankton.

6.4.3.3 Anstieg des Meeresspiegels

Die Auswirkungen eines Anstiegs des globalen Meeresspiegels (MSL) um 25 cm (SIEFERT, 1995) für das Zooplankton hängen von verschiedenen Parametern ab.
Eine wesentliche Rolle spielen zunächst die Flächenverluste bzw. -gewinne im Bereich der Watt- und Flachwassergebiete, deren Bedeutung für die Produktivität eines Gewässers bereits beschrieben wurde. Bei einem Anstieg des Meeresspiegels bei gleichbleibendem Tidehub wird sich auf jeden Fall das Watt in Richtung Deichlinie verschieben. Dies kann nur auf Kosten der Vordeichsländer geschehen. Wo eine solche Verschiebung nicht möglich ist, werden sich die Wattflächen entsprechend verkleinern. In Abhängigkeit von der Geländeneigung ist lokal sowohl mit Zu- als auch mit Abnahmen der Flachwasserflächen zu rechnen, wobei gerade im limnischen Bereich der Tideelbe Verluste der Flachwassergebiete teilweise rückgängig gemacht werden. Da sich aber mit dem MSL-Anstieg auch der Tidenhub weiter erhöht (SIEFERT, 1995) ist anzunehmen, daß sich Wattflächen vor allem in den Bereichen des größten Tidehubs weiter vergrößern, sofern die Geländemorphologie dies zuläßt.
Neben dem Anstieg des MSL wird in Folge der klimatischen Veränderungen eine Zunahme der Niederschläge prognostiziert. Die daraus resultierenden veränderten Oberwasserabflüsse steuern neben dem Tidegeschehen Position und Ausdehnung des Salzgradienten und der Trübungszone. Sollte sich das Klima in der von KAUSCH (1996b) beschriebenen Weise ändern (höhere Niederschläge im Winter, trockenere Sommer), würde sich im Zusammenspiel mit dem Tidegeschehen der Salzgradienten in seiner Ausdehnung vergrößern. Bei niedrigen Oberwasserabflüssen würde salzhaltiges Wasser weiter als bisher in Richtung Hamburg vordringen, bei hohen Abflußraten würde die Grenze der Brackwasserzone weiter als bisher in den Außenelbebereich verlagert werden. Damit vergrößert sich der Lebensraum der salztoleranten, relativ artenarmen Zooplanktongemeinschaft im Salzgradienten. Diese speziell angepaßte Artengemeinschaft ist zwar ästuartypisch, ihre Verbreitung hat sich aber vor allem aufgrund menschlicher Eingriffe in den letzten 100 Jahren bereits deutlich ausgedehnt.