Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6.2 Phytoplankton

In der Tideelbe ist ein artenreiches Phytoplankton anzutreffen, das je nach Jahreszeit hauptsächlich aus Kiesel-, Grün- und Blaualgen besteht (KIES et al., 1992). Die Artenzusammensetzung, Biomasse und Produktion des Phytoplanktons ändert sich sowohl im Längsschnitt der Elbe als auch im Jahresverlauf. Die Biomasse der planktischen Primärproduzenten ist im limnischen Teil der Tideelbe am größten, nimmt aber bereits vor dem Salzgradienten im vertieften Bereich der Tideelbe deutlich ab (KIES et al., 1996). Im Bereich der Brackwasserzone bleibt die Biomasse der Phytoplankter niedrig und erreicht erst im marinen Teil wieder etwas höhere Werte. In den Monaten Oktober bis März ist die biomasse- und produktionsarme Zeit, während im April bis September die biomassereiche und produktive Zeit des Phytoplanktons liegt. Ausführliche Beschreibungen zum Phytoplankton befinden sich in den Kapiteln 2.5, 3.1 und 5.2.2.

Die starke anthropogene Vertiefung des Strombettes der Tideelbe für die Belange der Großschiffahrt von ehemals 3 - 6 m Tiefe im limnischen Bereich durch Baggerungen in den letzten 150 Jahren auf heute 13,5 m unter MTnw, hat eine Reihe von negativen Folgen für das Ökosystem Tideelbe gehabt (vgl. KAUSCH, 1996a und 1996b; SCHIRMER, 1993; SCHUCHARDT, 1995). Für das Phytoplankton sind besonders die Verringerung der Flachwassergebiete, Erhöhung des Schwebstoffgehaltes, Verschlechterung des Verhältnisses von durchmischter Wassersäule zu euphotischer Zone und Verlagerung der Brackwasserzone weiter stromauf von Bedeutung. Der geplante Ausbau der Tideelbe, durch den erneut in das Flußökosystem eingegriffen werden wird, hat qualitativ Veränderungen mit fortgesetzt gleicher Tendenz zur Folge. Ihre Auswirkungen auf das Phytoplankton sollen im folgenden Text dargestellt werden.

6.2.1 Auswirkungen von Baggerung und Verklappung auf das Phytoplankton

6.2.1.1 Auswirkungen von Baggerungen

Zu Beginn soll auf die Auswirkungen der während der Baumaßnahme geplanten Baggerungen eingegangen werden. Sie finden, mit Ausnahme der Aushebung der Mergelklappgrube im Mühlenberger Loch, alle im Bereich der jetzigen Fahrrinne sowie aufgrund der Fahrrinnenverbreiterungen und der Überbaggerungen an den Rändern in den an die Fahrrinne angrenzenden Bereichen statt. Nähere Angaben über die zu baggernden Bereiche befinden sich in Kapitel 6.5.1.1. Abhängig von dem anstehenden Sediment werden entweder Eimerkettenbagger oder Hopperbagger eingesetzt. Zum Ausbaggern von schwer lösbaren Böden wie Ton und Mergel werden Eimerkettenbagger eingesetzt, für die Entnahme locker gelagerter, überwiegend sandiger Böden Hopperbagger, mit denen gemäß der Baumaßnahmenbeschreibung der Träger des Vorhabens der größte Teil der Sedimente gebaggert werden soll. Direkte Auswirkungen des Baggervorganges mit Eimerkettenbaggern werden nicht erwartet, da die Bagger nicht im eigentlichen Lebensraum des Phytoplanktons, dem Wasserkörper, eingreifen, sondern im Sediment. Beim Einsatz des Hopperbaggers kann es jedoch zu Schäden kommen. Dieser Baggertyp saugt mit seinen seitlich an Rohrleitungen geführten Saugköpfen ein Boden-Wasser-Gemisch auf. Die Anströmgeschwindigkeiten der Wasser-Sand-Gemische auf den Saugkopf können bis zu 6 m/s betragen. Die im Wasser enthaltenen Phytoplanktonalgen können durch den Ansaugvorgang mechanisch geschädigt und somit dezimiert werden. Dies gilt für alle Baggerbereiche. Das Ausmaß dieser Schädigung und der Verlust an Phytoplanktern ist nicht quantifizierbar.

Neben der oben beschriebenen Auswirkung sind auch Auswirkungen des Baggervorganges auf den Schwebstoffgehalt zu erwarten. Die Bearbeiter der Schwebstoffthematik in der vorliegenden UVU gehen in ihrem Gutachten (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe) davon aus, daß es aufgrund der ausbaubedingten zusätzlichen Materialumlagerungen zu keinem signifikanten Anstieg der Schwebstoffkonzentrationen in den einzelnen Untersuchungsabschnitten kommen wird. Es ist nicht damit zu rechnen, daß die Verklappungen und Baggerungen zu signifikanten Erhöhungen der Schwebstoffkonzentrationen über die Grundbelastung hinaus in den einzelnen Untersuchungsabschnitten führen werden (MATERIALBAND II). Das Fehlen von Naturmeßdaten erschwert jedoch die Einschätzung der Wirkungen der ausbaubedingten Sedimentumlagerungen.

Aus hydrobiologischer Sicht müssen allerdings auch lokal und zeitlich begrenzte Erhöhungen der Schwebstoffkonzentrationen in ihren Auswirkungen beurteilt werden, wie sie aufgrund der geplanten Bagger- und Verklappungstätigkeit zu erwarten sind.Aus

Während der Baggerungen können Teile des Baggergutes in Suspension gehen, mit der Strömung in andere Gebiete der Tideelbe verfrachtet werden und eine Veränderung des Schwebstoffgehaltes bewirken. Die Größe dieses Effektes hängt im wesentlichen von der Art des Baggergutes sowie von dem eingesetzten Baggertyp ab. Auch in diesem Fall sind bei dem Einsatz von Eimerkettenbaggern keine größeren Auswirkungen auf das Phytoplankton zu erwarten. Da sie für die Entnahme von schwer lösbaren bindigen Böden wie Ton und Mergel eingesetzt werden, kann man davon ausgehen, daß das Baggergut ohne größere Verluste in der Wassersäule in die Klappschuten überführt wird, so daß nicht mit einer Verfrachtung des Materials im Wasserkörper zu rechnen ist.

Problematischer sieht es wiederum beim Einsatz der Hopperbagger aus. Sie werden für die Entnahme locker gelagerter, überwiegend sandiger Böden eingesetzt, mit denen nach Aussage der Träger des Vorhabens im wesentlichen im Einsatzbereich der Hopperbagger zu rechnen ist. Zwar herrschen nach den Ergebnissen der Sedimentuntersuchungen im Rahmen der UVU in der Fahrrinne Fein- bis Grobsande vor, jedoch sind in ihnen eingelagerte Schlickschichten durchaus nicht untypisch (MATERIALBAND III). Die während der Baumaßnahme eingesetzten Hopperbagger besitzen einen Überlauf, das bedeutet, das beim Saugvorgang mit angesaugte Wasser und das darin suspendierte Feinmaterial wird während des Ladevorganges seitlich über die Laderaumkante abgeleitet. Eine Studie der BfG (KUZ, 1994), in deren Rahmen verschiedene Baggertypen untersucht wurden, zeigt, daß Saugbagger mit Überlauf die höchste Schwebstoffbelastung im Gewässer bewirken. Beim Einsatz von Hopperbaggern ergibt sich im Umfeld der Baggerungen eine Erhöhung des Schwebstoffgehaltes, besonders wenn die beim Saugvorgang aufgenommenen Böden schlickige Anteile enthalten, da für die Verdriftung von Klappgut besonders die Feinstsedimentanteile in Frage kommen. Eine solche Schwebstoffahne breitet sich nach PAUL (1992, zit. in MATERIALBAND II) aus dem Überlauf des Hopperbaggers mit wachsender Entfernung vom Bagger aus, wobei der Schwebstoffgehalt jedoch mit zunehmender Entfernung deutlich abnimmt. Eine auf das Untersuchungsgebiet bezogene Abschätzung des hierdurch während der Ausbauphase erhöhten Schwebstoffgehaltes ist fachlich praktisch unmöglich (vgl. MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe).

Der Maßnahmenbeschreibung der Träger des Vorhabens ist nicht exakt zu entnehmen, wieviele Bagger gleichzeitig in einem oder mehreren Baggerabschnitten tätig werden. Die Dauer der Bauarbeiten in einzelnen Abschnitten von bis zu 18 Monaten, die zu baggernde Gesamtmenge und der geplante Einsatz von Hopperbaggern an sieben Tagen der Woche "rund um die Uhr" machen jedoch deutlich, daß zumindest mit dem Risiko erhöhter Schwebstoffgehalte im Wasser zu rechnen ist. Die Beeinträchtigungen dadurch werden im Bereich der Trübungszone, die bereits sehr hohe Schwebstoffgehalte aufweist, sicherlich kleiner ausfallen als in Bereichen mit geringerer Grundbelastung des Wassers mit Schwebstoffen. Für den limnischen Teil der Tideelbe, der im Jahresmittel niedrige Schwebstoffkonzentrationen aufweist und der auch die höchste Primärproduktion im Längsschnitt der Elbe aufweist, besteht das größte Risiko einer Beeinträchtigung.

Die Zunahme der Schwebstoffkonzentrationen im Wasserkörper können sich folgendermaßen auswirken: Durch ihre Erhöhung verringert sich die Eindringtiefe des Lichtes und vermindert somit direkt die Photosyntheseleistung der in der Wassersäule suspendierten Algen. Abbildung 6.2.1.1 zeigt, wie sich die Eindringtiefe des Lichtes ins Wasser in Abhängigkeit vom Schwebstoffgehalt verändert. Als Faustregel kann gelten, daß eine positive Primärproduktion bis zu einer Tiefe möglich ist, in die noch ein Prozent des Oberflächenlichtes gelangt. Diese Tiefe wird auch als euphotische Zone bezeichnet.

Für die vorliegende Grafik (modifiziert nach COLIJN, 1982) bedeutet das, daß z.B. bei einer Erhöhung des Schwebstoffgehaltes in der Wassersäule von 25 mg/l auf 100 mg/l diese sogenannte "Ein-Prozent-Tiefe" von 1,60 m auf ca. 80 cm abnimmt. Die Primärproduktion nimmt entsprechend den verminderten Lichtintensitäten in der Wassersäule ab. Die Untersuchungen von JOINT & POMROY (1981) im Bristol Kanal zeigen, daß bei ähnlichen Chlorophyllgehalten die Rate der Primärproduktion in den Bereichen größer ausfiel, in denen das Wasser trübstoffärmer war. Im limnischen Teil der Elbe ist die derzeitige euphotische Zone bis zu 200 cm tief, in der Trübungszone bei Brunsbüttel nur 30 cm (KIES et al., 1992). Erhöhungen des Schwebstoffgehaltes im limnischen Bereich haben also, wie schon oben erwähnt, weitreichendere Folgen. Zusätzlich zur Verringerung der Lichteindringtiefe wirken die an Huminstoffen reichen Schwebstoffe in der Elbe wie ein Farbfilter. Messungen haben gezeigt, daß der Blauanteil des Lichtes schon nach 25 cm vollständig absorbiert ist, danach folgt der Grünanteil, bis in 1,25 m Tiefe nur noch ganz schwaches rotes Licht herrrscht (KIES et al., 1992). Die Primärproduktion des Phytoplanktons kann also auch noch durch die Änderung der spektralen Zusammensetzung des Lichtes negativ beeinflußt werden. (FAST, 1993).

Abb. 6.2.1.1: Eindringtiefe des Lichtes in die Wassersäule in Abhängigkeit vom Schwebstoffgehalt (SPM), modifiziert nach COLIJN (1982)

Über die Erhöhung der Schwebstoffbelastung bzw. die daraus resultierende Abnahme der Lichttransmission im Wasser bei gröberem Material als Schlick liegen keine quantitativen Informationen vor. Die Tatsache, daß außerdem verschiedene Algenarten unterschiedlich gut an Schwachlicht-Situationen angepaßt sind, erschwert die Quantifizierung der Effekte erhöhter Schwebstofffrachten.

Zusammenfassend läßt sich sagen: Die Erhöhung des Schwebstoffgehaltes in der Wassersäule in Abhängigkeit vom gebaggerten Sedimenttyp verschlechtert lokal das Lichtklima für die Phytoplankter und führt zu einer niedrigeren planktischen Primärproduktion und damit zu einem geringeren biogenen Sauerstoffeintrag in die Elbe. Verringerungen in der Produktion des Phytoplanktons, die als Primärproduzenten an der untersten Stufe des Nahrungsnetzes stehen, greifen in das Nahrungsnetz der Elbe ein und haben auch Auswirkungen auf die darauffolgenden, aufbauenden Glieder (z.B. Zooplankton und Fische).

 

6.2.1.2 Auswirkungen von Verklappungen

Nach den Auswirkungen der Baggerungen sollen nun die möglichen Auswirkungen der Verklappungen auf das Phytoplankton beschrieben werden. Die Anzahl und Lage der im Rahmen der Fahrrinnenanpassung benutzten Klappstellen sind bei SIEFERT & FERK (1995) und bei WOLF & WITTEN (1995) näher beschrieben. Die folgenden Aussagen gelten auch für die geplanten Strombauwerke.

 

Direkte Auswirkungen des Klappvorganges auf das Phytoplankton bei Klappstellen werden nicht erwartet. Eine Ausnahme bildent die Aufspülungen auf Pagensand und auf der Brammer Bank:

Als Alternative zur Aufspülung von Klei und schluffigem Baggergut auf Pagensand wird von den Auftraggebern eine Aufspülung auf der Brammer Bank vorgesehen. Hierbei ist eine großflächige Aufspülung geplant, die das MThw um ca. 1,70 m überragen würde, mit der Folge, daß eine neue Insel in der Elbe entstehen würde, die ungefähr die Größe der Rhinplatte hätte. Ihre Grundfläche würde ca. 60 ha Flachwasserbereiche und ca. 138 ha Wattfläche vernichten (nach Berechnungen der PL-Nord). Flachwassergebiete mit Tiefen um 2 m zeichnen sich aufgrund ihres Lichtklimas (günstiges Verhältnis von euphotischer Zone zur Tiefe der durchmischten Wassersäule) durch eine gegenüber den tiefen Fahrwasserbereichen oft um ein Vielfaches erhöhte Primärproduktion aus. In ihnen verbringen die Algen weniger Zeit in der aphotischen (undurchlichteten) Zone und erreichen dadurch höhere Nettoproduktionen. Flachwasserzonen sind durch ihr mildes Strömungsklima wichtige Retentionsgebiete für planktische Organismen. Die Wattgebiete haben zumindest im Zeitraum ihrer Überdeckung eine entsprechende Bedeutung für das Phytoplankton. Berechnungen der ARGE ELBE (1984) haben gezeigt, daß zwischen 1900 und 1981/82 ca. 1327 ha Flachwasser- und Wattgebiete durch Baumaßnahmen verloren gegangen sind, was zu einem Sauerstoffverlust von 60 - 110 t O2 / d geführt hat. Neben dem Phytoplankton sind durch den Verlust der Flachwasser- und Wattbereiche auch alle anderen aquatischen Lebensgemeinschaften betroffen (vgl. Kapitel 6.3, 6.4, 6.5 und 6.6). Die Aufspülung auf der Brammer Bank wird als erheblicher und nachhaltiger Eingriff bewertet. Aus hydrobiologischer Sicht muß dieser Eingriff als besonders schwerwiegend beurteilt werden, da ein weiteres strukturreiches Watt -und Flachwassergebiet großflächig zerstört wird.

Durch die Aufspülung auf Pagensand werden nach Berechnungen der PL-Nord 2,1 ha Wattflächen vernichtet. Auch dieser Verlust wird aus den oben genannten Gründen als erheblich eingestuft.

Ebenso wie die Baggerungen wirken sich auch die Verklappungen auf den Schwebstoffgehalt aus. Über die lokale und zeitliche Begrenzung der Auswirkungen können keine Aussagen getroffen werden. Sie werden aber größer sein als die der Baggerungen. So zeigen die Verklappungsuntersuchungen der AWU (1994) mit sandigen Sedimenten (= relativ geringer Feinstmaterialanteil), daß auch in Entfernungen > 1500 Metern von der Klappstelle noch mit erhöhten Trübungswerten zu rechnen ist. Es kam zu einer Erhöhung der Trübung beim Durchgang der Schwebstoffwolke gegenüber der Grundbelastung um 25 Prozent. Für schlickige Sedimente konnte eine Studie der BfG (1995) zeigen, daß es bei der Verklappung in einer Wassertiefe von fünf bis sechs Metern zur Bildung einer deutlichen Schwebstoffwolke mit Schwebstoffgehalten von z.T. über 1000 g/ m³ in 500 Metern Entfernung vom Verklappungsort kam. Der Einsatz von Hopperbaggern mit Überlauf bewirkt auch hier die größten Belastungen, da diese das kompaktere Material ablassen. Erst in einer Entfernung von 6500 Metern konnte keine Veränderung des natürlichen Schwebstoffgehaltes durch die Verklappung festgestellt werden. Die räumliche und zeitliche Ausbreitung der Trübungswolke ist abhängig von der vorherrschenden Tidephase und davon, ob der Bagger während der Fahrt oder bei Stillstand verklappt. Die Untersuchungen der BfG ergaben, daß eine Verspülung des Klappmaterials gegen Ende der Ebbstrom-Phase die stärkste Belastung des Wassers mit Schwebstoffen bewirkt.

Bei einer Verklappung von feineren Sedimenten ist also mit einer deutlichen "Fernwirkung" des verklappten Materials auf Gebiete innerhalb der Umgebung der Klappstelle zu rechnen. Im Falle der Verklappung von Sanden wird sie zwar geringer ausfallen, aber dennoch festzustellen sein. Es kann nicht prognostiziert werden, "wo und in welchem Umfang Teilmengen der freigesetzten (verklappten) Sedimente langfristig zur Ablagerung kommen und dadurch die bereits vorhandene Sedimentation beschleunigen" (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen).

Viele der in der Baumaßnahmenbeschreibung genannten Klappstellen werden zwar heute schon im Rahmen der Unterhaltungsbaggerei für die Verklappung von Baggergut verwendet. Dies ist jedoch kein Grund, die Auswirkungen deshalb als vernachlässigbar anzusehen. Alle oben beschriebenen Auswirkungen der Ausbaubaggerungen und -verklappungen gelten für die bisherigen, für die in Zukunft stattfindenen sowie für die ausbaubedingt erhöhten Unterhaltungsmaßnahmen ebenso. Es stand bisher nur nie zur Diskussion, ob und wenn ja welche Beeinträchtigungen die Unterhaltungsbaggerei für das Flußökosystem hat. Außerdem ist zu bedenken, daß die während der Baumaßnahme anfallenden Bagger- und Verklappungsmengen die der Unterhaltung zum Teil deutlich übersteigen. So beträgt das Verhältnis Unterhaltungs- zu Ausbaubaggermengen für die einzelnen Zuständigkeitsbereiche folgende Werte:

- Hamburger Delegationsbereich 1 : 8
- Revierstrecke des WSA Hamburg 1 : 1
- Revierstrecke des WSA Cuxhaven 1 : 2,2

Gleiches gilt demnach für die Verklappungsmengen. Es wird Baggergut aus einem flächenmäßig großen Gebiet auf wenige, relativ kleine Bereiche konzentriert, die von den Baggern mit weit höherer Frequenz angelaufen werden. Hinzu kommt, daß gleichzeitig im gesamten Gebiet von Stromkilometer 624,4 bis 750 gebaggert und verklappt werden wird.

Bei den Veränderungen des Schwebstoffgehaltes durch die Verklappung wird es sich nicht um kurzfristige Schwankungen, wie sie im Bereich der Trübungszone natürlicherweise typisch sind, sondern um längerfristig anhaltende Belastungen handeln.

Die Auswirkungen der verklappungsbedingt erhöhten Schwebstoffgehalte auf das Phytoplankton werden grundsätzlich die gleichen sein, wie die schon oben bei den Baggerungen beschriebenen. Die Auswirkungen der Verklappungen auf das Phytoplankton werden jedoch als stärker eingeschätzt, da sich die Klappstellen im Vergleich zu den Baggergebieten näher an den Flachwasser- und Wattgebieten befinden. Die Tabelle 6.2.1.1 listet die Klappstellen auf, von denen Auswirkungen auf das Phytoplankton der Flachwasser- und Wattbereiche erwartet werden.

Tab. 6.2.1.1: Klappstellen in Nähe von Flachwasser- und Wattgebieten

Klappstellenbezeichung
Mergel-Klappgrube Mühlenberger Loch
Südspitze Rhinplatte
Brammer Bank (Alternative zur Aufspülung Pagensand)
Osteriff km A 706
Neufelder Rinne km A 711
Otterndorf km A 714
Klappbereiche km A 733, 737, 741
Strombauwerk TwielenflethStrombaudeponiewerk Twielenfleth
Strombauwerk KrautsandStrombauwerk Hollerwettern-Scheelenkuhlen
Strombauwerk Hollerwettern-Scheelenkuhlen

Die Lage der Mergelklappgrube in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mühlenberger Loch, einem hochproduktiven Watt- und Flachwasserbereich, der im Sommer, wenn im Bereich der Fahrrinne der Sauerstoffgehalt stark absinkt, noch hohe Sauerstoffübersättigungen durch den biogenen Sauerstoffeintrag des Phytoplanktons und -benthos aufweist (CASPERS, 1984), wird als bedenklich angesehen. Hier sollen eine Million m³ Sand mit Hopperbaggern gebaggert werden und die dann entstandene Klappgrube soll anschließend mit 650.000 m³ Geschiebemergel verfüllt werden. Die Abdeckung des Mergels erfolgt vermutlich innerhalb eines Jahres durch das natürliche morphologische Geschehen (WOLF & WITTEN, 1995). Das Mühlenberger Loch wird über einen Zeitraum von einem Jahr zuzüglich der Dauer der Bagger- und Verklappungsarbeiten gestört werden. Die Mergelverklappungen weisen einen relativ großen Tonanteil zwischen 24 und 45 Prozent auf. Für die Verdriftung von Verklappgut kommen besonders die Feinstsedimentanteile (Ton/Schluff) in Frage. Auch wenn die bindigen Mergel-Böden teils als kompakte Einheit vom Klappschiff zur Sohle sinken, so ist damit zu rechnen, daß mengenmäßig relevante Feinsedimentanteile bereits während des Durchsinkens der Wassersäule herausgelöst werden und in Transport gelangen. Diese Gefahr besteht besonders bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten (vgl. MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen). Dieses Risiko scheint auch von Seiten der Auftraggeber gesehen zu werden, denn sie planen, daß "die Verklappungen in die Grube zu solchen Tidephasen vorzunehmen (sind), bei denen möglichst wenig Material in Schwebe in das Mühlenberger Loch gelangt" (SIEFERT & FERK, 1995). Um die Auswirkungen der Störung gering zu halten, ist zu wünschen, daß die dortigen Baggerungen und Verklappungen unbedingt auf die Tidephasen beschränkt werden, in denen die "Fernwirkung" der Maßnahme minimal ist. Verringerungen in der Produktion der Phytoplankter, die als Primärproduzenten an der untersten Stufe des Nahrungsnetzes stehen, durch eine Erhöhung des Schwebstoffgehaltes im Mühlenberger Loch, greifen in das dortige Nahrungsnetz ein. Sie haben indirekt Auswirkungen auf die darauffolgenden, aufbauenden Glieder des Nahrungsnetzes (z.B. Zooplankton und Fische). Dies kann weitreichende Einschränkungen dieses hochproduktiven Flachwassergebietes bedeuten, deren negative Folgen nicht prognostizierbar sind.

In der obenstehenden Tabelle 6.2.1.1 sind einige der Klappstellen als Strombauwerke bezeichnet. Hierbei handelt es sich um Klappstellen, die aus strombaulichen Gründen im Gegensatz zu den anderen Umlagerungsstellen als dauerhafte Strombauwerke geplant sind. Im Falle von Krautsand und Twielenfleth sollen sie eine Minderung der Unterhaltungsbaggerung, im Falle von Hollerwettern-Scheelenkuhlen eine ReduzierungAbnahme der Uferbelastung durch eindie Reduzierung der dortigen Strömungsgeschwindigkeiten bewirken. Sofern weitere als die oben beschriebenen Auswirkungen der Strombaumaßnahmen auf das Phytoplankton zu erwarten sind, wird in den entsprechenden Unterkapiteln von Kapitel 6.2.2 darauf eingegangen. Grundlage hierfür sind die Untersuchungen der BAW zu den Strombaumaßnahmen (MATERIALBAND I, Strombaumaßnahmen). Es wurden nur die drei obengenannten Strombaumaßnahmen berücksichtigt. Die genaue Beschreibung der jeweiligen Strombaumaßnahme befindet sich in Kap. 6.5.1.2.1.

Bei allen oben beschriebenen Auswirkungen der Baggerungen und Verklappungen ist eine Vermeidung nicht möglich. Minderungen wären denkbar, wenn die Maßnahmen zu Jahrezeiten mit geringer Phytoplanktonproduktion stattfinden würden. In der Praxis wird dies allerdings kaum eingehalten werden können, da auch bei anderen Organismengruppen der Elbe zur Minderung der Beeinträchtigung Baggerungen und Verklappungen zu bestimmten Jahreszeiten unterbleiben sollten. Im Endeffekt wird also u. U. nur eine kurze Zeit des Jahres für die Durchführung der Arbeiten unbedenklich sein. Berücksichtigt man zudem die Forderung, die Auswirkungen auf den Schwebstoffgehalt gering zu halten, indem Baggerungen und Verklappungen auf Tidephasen beschränkt werden, in denen die "Fernwirkung" der Maßnahme minimal ist, verlängert sich die Bauphase immens.

 

6.2.2 Auswirkungen der veränderten Gewässermorphologie und davon abhängiger Parameter auf das Phytoplankton

Im folgenden Text werden die Auswirkungen der veränderten Gewässermorphologie und der davon abhängigen Parameter auf das Phytoplankton der Tideelbe beschrieben. Die Grundlage all dieser Überlegungen bilden die Ergebnisse der hydronumerischen Modellrechnungen der BAW (MATERIALBAND I, Tidedynamik). Die ausbaubedingten Veränderungen der Hydrodynamik werden von der BAW aufgrund der errechneten geringen Größenänderungen überwiegend als unerheblich eingestuft. In den nachstehenden Kapiteln wird nur auf die Parameter eingegangen, durch deren Änderungen Beeinträchtigungen des Phytoplanktons möglich sind. Alle anderen Kenngrößen werden nicht behandelt. Ihre Auswirkungen sind zwar meist gering, doch setzen sie oft die tendentielle Beeinträchtigung des Lebensraumes durch frühere Baumaßnahmen fort.

Die Auswirkungen beziehen sich alle auf den Zeitraum nach der Baumaßnahme und sind in ihrem Wirkungszeitraum unbegrenzt.

 

6.2.2.1 Auswirkungen von Veränderungen der Watt- und Flachwasserbereiche

Durch die von der BAW prognostizierten Änderungen der Tidewasserstände (MATERIALBAND I, Tidedynamik) kommt es in der Tideelbe zu Absenkungen des MTnw von < 1 cm (unterhalb Kugelbake) bis zu 710 cm (bei St. Pauli). Die Änderungen des MThw betragen < 1 cm (unterhalb Brunsbüttel) bis zu 45 cm (bei St. Pauli). Das Verfahren der mathematisch-numerischen Modellierung erhält eine Reihe von Annahmen und Näherungen, die es notwendig machen, bei den Änderungen der Tidewassergrößen einen Sicherheitszuschlag zu berücksichtigen (MATERIALBAND I, Tidedynamik). Aus diesem Grund werden nicht die Rechenwerte verwendet, sondern im Sinne einer "worst-case" Betrachtung die Prognosewerte.

Die von der BAW prognostizierten MTnw - Absenkungen können zu Verlagerungen der an der MTnw-Linie definierten Flachwasserbereiche (MTnw minus 2 m) und zu Änderungen ihrer Flächengröße führen. Das Gutachten der BAW liefert keine quantitativen Aussagen zur Veränderung der Flachwasserbereiche. Von der PL-Nord wurde auf der Grundlage der auf den Peilplänen aufgezeigten Isolinien von MTnw, MTnw minus 2m und MTnw minus 4m eine vereinfachte Modellbetrachtung der Gegebenheiten durchgeführt (vgl. UVS ???PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE + UMWELT NORD, 1997). Aus dem Abstand der Linien zueinander kann auf die durchschnittliche Neigung der Flachwasserbereiche und der unterhalb anschließenden Bereiche geschlossen werden. Je nach Neigung kann es entweder zu gleichbleibenden Flächengrößen, Flächenverkleinerungen oder Flächenvergrößerungen der Flachwasserbereiche kommen. Erste überschlägige Betrachtungen bezogen auf die Uferlänge ermöglichen die Bereiche zu ermitteln, für die die Abnahmetendenzen überwiegen. Eine Überlagerung dieser Bereiche mit denen der ökologisch bedeutsamen Flachwasserbereiche ermöglicht eine Abschätzung, welche von ihnen ??? betroffen sein können. Deutliche Abnahmetendenzen bestehen ies gilt für die folgenden Gebiete:

- Mühlenberger Loch und Hahnöfer Nebenelbe
- Nordspitze Pagensand und Haseldorfer Binnenelbeund Haseldorfer Binnenelbe
- Nordspitze Schwarztonnensand und dortige Nebenelbe
- Brammer Bank
- Böschrücken
- Störmündung
- Ostemündung

Eine Überlagerung dieser Bereiche mit denen der ökologisch bedeutsamen Flachwasserbereiche ermöglicht eine Abschätzung der Gebiete, für die erhebliche Beeinträchtigungen entstehen können. Hierzu gehören insbesondere die Bereiche des Mühlenberger Loches, der Hahnöfer Nebenelbe und der Brammer Bank. Um eine Vorstellung über die Größe der Abnahme zu erhalten, wurden von der PL-Nord exemplarisch einige Beispielschnitte konstruiert und die jeweilige Veränderung errechnet (vgl. PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE + UMWELT NORD, 1997UVS ???). Für die Beispielschnitte im Mühlenberger Loch wurde unter Annahme einer MTnw-Absenkung um gut 6 cm eine maximale Breitenabnahme des vorhandenen Flachwasserbereiches um ca. 56,6 m festgestellt. Zwei andere Querschnitte im Mühlenberger Loch ergaben Breitenabnahmen von 16,3 m bzw. 37,8 m. Die entsprechenden Werte für den Bereich Brammer Bank betragen 4,9 m. Diese Zahlen machen deutlich, daß zumindest in den Gebieten mit maximalen ausbaubedingten Veränderungen der Tidewasserstände teilweise größere Flächen an Flachwasserbereichen verloren gehen können. Berücksichtigt man, daß die PL-Nord für ihre Berechnungen nicht die Prognosewerte sondern lediglich die Rechenergebnisse der BAW verwendet hat, kann man davon ausgehen, daß die Breitenabnahmen eher noch größer ausfallen werden.

Flachwasserbereiche stellen wichtige Produktions- und Retentionsgebiete für das Phytoplankton dar. Auf ihre ökologische Bedeutung ist im Rahmen dieses Gutachtens schon mehrfach hingewiesen worden. Eine Verringerung der Flachwasserbereiche bedeutet einen Verlust an wertvollem Lebensraum für das Phytoplankton und damit eine Verschlechterung ihrer Lebens- und Produktionsbedingungen in der Tideelbe mit Folgen für den Sauerstoffhaushalt durch die Abnahme des biogenen Sauerstoffeintrages. Verringerungen in der Produktion des Phytoplanktons, die als Primärproduzenten auf der untersten Ebene des Nahrungsnetzes stehen, greifen in das Nahrungsgefüge der Elbe ein und haben auch Auswirkungen auf die Organismen höherer Ebenen des Nahrungsnetzes (z.B. Zooplankton und Fische).

Flachwasserzonen waren und sind durch Strombaumaßnahmen am stärksten gefährdet. Während der letzten rund 100 Jahre betrugen die Flachwasserverluste am Nordufer der Unterelbe 31,2 % und am Südufer 8,3 % (SCHIRMER, 1994 nach ARGE ELBE, 1984). Jeder weitere Verlust ist als bedenklich anzusehen.

Eine Flächenbilanz der Abnahme der Flachwasserbereiche ist leider nicht möglich. Die größten Veränderungen wird es dort geben, wo die Absenkungen des MTnw am höchsten ausfallen. Dies betrifft besonders die Untersuchungsabschnitte II und III. Die in diesem Kapitel beschriebenen Auswirkungen sind alle nicht zu vermeiden. Eine Minderung der Beeinträchtigungen ist ebenso nicht möglich.

 

6.2.2.2 Auswirkungen von Veränderungen des Salzgehaltes

Durch das Zusammentreffen von Fluß- und Meerwasser kommt es im Ästuar zur Bildung einer Brackwasserzone, deren Lage durch den Oberwasserabfluß und die Gezeiten bestimmt wird. Mit der Flut dringt salzhaltiges Wasser, aufgrund der größeren Dichte vor allem in den tieferen Schichten der Hauptrinne, in das Ästuar ein. Bei langanhaltenden, niedrigen Oberwasserabflüssen, die in der Elbe im Sommer und Herbst typisch sind, kann die Brackwasserzone bis in den Bereich Stadersand/Wedel vordringen (MATERIALBAND I, Tidedynamik). Erhöhtes Oberwasser kann die Zone, die mehrere Wochen zum Vordringen benötigt, innerhalb weniger Tiden wieder stromab bewegen. Große Salzgehaltsvariationen sind demnach charakteristisch für das Elbeästuar.

Durch Vertiefungen und den intensiven Stromausbau und -umbau der letzten 100 Jahre hat sich die Brackwasserzone immer weiter stromaufwärts verlagert, vom Böschrücken und der Ostemündung (km (A) 705 -710, Mitte voriges Jahrhundert) über Glückstadt (km (A) 675, Mitte heutiges Jahrhundert) bis zur heutigen, oben genannten Lage (KAUSCH, 1996a und MATERIALBAND I, Tidedynamik). Da durch die Errichtung des Wehrs Geesthacht der limnische Bereich der Tideelbe stromauf begrenzt worden ist, wird er durch das Vordringen der Brackwassserzone immer mehr verkleinert, mit der Folge, daß das vertiefte Ästuar immer salziger wird (KAUSCH, 1996a).

Die Ergebnisse der Modellrechnungen der BAW liefern nur sehr geringe ausbaubedingte Veränderungen im Salzgehalt. Sie liegen zwischen ± 0,1 ‰ und maximal 0,3 ‰, bleiben aber alle deutlich unter 0,2 % der in den jeweiligen Bereichen auftretenden maximalen Salzgehalte (MATERIALBAND I, Tidedynamik). Für die Brackwasserzone wird eine leichte Verlagerung stromaufwärts prognostiziert, die nach Angaben aus MATERIALBAND II (Schwebstoffe u. gelöste Stoffe) 500 m beträgt. Bei Wedel nimmt der Salzgehalt um 0,02 ‰, bei Stadersand um 0,05 ‰ und bei Glückstadt um ca. 0,1 ‰ zu.

Die Verteilung der Phytoplanktonarten im Längsprofil der Tideelbe macht deutlich, daß die Artenzusammensetzung vom Salzgehalt geprägt wird (vgl. Kapitel 2.5.1). Die von SCHULZ (1961) aufgestellten Plankton-Gesellschaften der verschiedenen Halinitätszonen werden gültig bleiben.Verändern wird sich nur ihre geographische Lage im Ästuar. Auswirkungen auf das Phytoplankton sind aufgrund der geringen Veränderungen nur insoweit prognostizierbar, als durch die Verlagerung der oberen Brackwassergrenze stromaufwärts der limnische Bereich der Tideelbe, der nach oben durch das Wehr Geesthacht künstlich begrenzt ist, weiter verkleinert wird. Der Lebensraum für limnische Phytoplankter wird eingeschränkt. Es kommt zu Einschränkungen in der Primärproduktion und damit über den Sauerstoffhaushalt und das Nahrungsnetz auch zur Einschränkung der Folgeproduktion. Der Verlust von Lebensraum setzt die tendentielle Beeinträchtigung des Teilabschnittes im Zuge früherer Ausbaumaßnahmen fort. Eine Vermeidung und Minderung dieser Auswirkung ist unmöglich.

 

6.2.2.3 Auswirkungen von Veränderungen des Schwebstoffregimes

Während in Kapitel 6.2.1 bereits die Auswirkungen des erhöhten Schwebstoffgehaltes durch die Baggerungen und Verklappungen diskutiert worden sind, soll in diesem Kapitel auf die Ergebnisse der Schwebstofftransportmodellierung, die auf den Ergebnissen der hydromechanischen Modellierung aufbaut, eingegangen werden. Die Art der Beeinträchtigung des Phytoplanktons durch erhöhte Schwebstoffe ist die gleiche, wie die bei den Baggerungen und Verklappungen beschriebene und soll hier nicht nochmals erläutert werden.

Über das gesamte Untersuchungsgebiet gemittelt bewegen sich die Änderungen unter 5 Prozent. In der Deckschicht (0 - 2 m) in Randbereichen des Mühlenberger Loches, bei Neßsand, bei Hetlingen und am Südufer gegenüber Brunsbüttel kommt es nach dem Ausbau zu Konzentrationserhöhungen von 10 - 40 Prozent. Lokale Erhöhungen der Bodenbelegungsdichte gibt es um die Insel Hanskalbsand/Neßsand, am gegenüberliegenden Nordufer der Elbe und großräumiger in den Wattgebieten im Cuxhavener Bereich (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe). Im größten Teil der für Phytoplankter generell wichtigen Lebensräume der Nebenelben und Flachwasserbereiche sind keine ausbaubedingten Veränderungen zu erwarten.

Die Beeinträchtigung des Phytoplanktons gilt für alle Gebiete, in denen es zu Zunahmen der Schwebstoffgehalte oder der Bodenbelegung kommt. Das Mühlenberger Loch, in dessen südöstlichem Teil die Konzentrationen in der Deckschicht sich maximal um 20 Prozent erhöhen werden, ist als besonders beeinträchtigt anzusehen, da in ihm schon durch die Baggerungen und Verklappungen Auswirkungen auftreten (siehe oben, u.a. durch die besondere Nähe zu Klappstellen). Hinzu kommt, daß es sich hier um einen bedeutsamen Bereich für das Phytoplankton der Elbe handelt (s.o.).

Im Erosions- und Sedimentationsgeschehen sind laut Prognose MATERIALBAND II keine flächendeckenden Veränderungen zu erwarten. Signifikante Änderungen gibt es jedoch in der Hahnöfer Nebenelbe , in der mit einer Zunahme der Deposition zu rechnen ist und am Nordufer von Hanskalbsand, wo es zu einer dauerhaften Sedimentation kommt. Langzeiteffekte, wie z.B. die Verschlickung ökologisch wertvoller Flachwassergebiete, können nicht vorhergesagt werden.

Eine Vermeidung und Minderung der oben genannten Auswirkungen ist unmöglich.

 

6.2.2.4 Auswirkungen von Veränderungen des Lichtklimas

Die Einschränkungen des Lichtklimas für das Phytoplankton durch Veränderungen im Schwebstoffgehalt sowie durch den Verlust von Flachwassergebieten, als Bereiche mit günstigem Lichtklima, sind schon in den Kapiteln 6.2.1, 6.2.2.1 und 6.2.2.3 beschrieben worden und sollen hier nicht nochmals erläutert werden.

In diesem Kapitel sollen die direkten Auswirkungen der Vertiefungen auf das Lichtklima beschrieben werden. Wie schon mehrfach erwähnt (vgl. Kap. 3.1 und 5.2.2.2) ist das Phytoplankton der Tideelbe nicht nährstoff- sondern lichtlimmitiert. Infolge hoher Schwebstoffgehalte, kommt es in der Elbe zu einer starken Attenuation (Schwächung) des eindringenden Lichtes in der Wassersäule. Die daraus resultierende geringe Tiefe der euphotischen Zone (definiert als die Wassertiefe, in die noch ein Prozent des an der Oberfläche gemessenen Lichtes vordringt und in der eine positive Primärproduktion möglich ist) im Verhältnis zur Tiefe der gesamten durchmischten Wassersäule bewirkt eine ganzjährige Lichtlimitierung der Produktion des Phytoplanktons. Die durch die Baumaßnahmen der Vergangenheit bewirkten Vertiefungen der Elbe, haben das Verhältnis von euphotischer Zone zu durchmischter Wassersäule zusätzlich verschlechtert, damit ebenfalls zu einer Einschränkung des Lichtgenusses der Algen geführt und zur weiteren Lichtlimitierung beigetragen.

Diese Einschränkungen des Lichtgenusses der Phytoplankter durch die bisherigen wie auch die geplanten Vertiefungen der Fahrrinne lassen sich anhand der folgenden Formel für Imix berechnen:

Imix= 100 (1 - e -(k • z) ) / k • z

 

Imix = die Lichtintensität in Prozent der Oberflächenstrahlung , die auf eine Alge innerhalb der Vermischungszone einwirkt.
k = Attenuationskoeffizient, k = 1,87 + 0,039 • SPM , SPM = Schwebstoffgehalt in mg/l (FAST, 1993)
z = Vermischungstiefe (in der limnischen bis oligohalinen Zone der Elbe ist die Wassersäule durch die hohe Turbulenz bis zum Grund durchmischt)

Um flächenbezogene Aussagen zu erhalten, benötigt man für die Tideelbe die flächenhaften Angaben der Wassertiefen des Ist-Zustandes sowie die des Ausbauzustandes, da die Veränderungen von Imix sowohl von der Ausgangstiefe als auch von der Differenz zum Ausbauzustand abhängen. Diese Daten liegen in Form der Topographie des Ist-Zustandes sowie der ausbaubedingten Veränderungen bei der BAW vor. Berechnungen der Imix - Werte liegen den Gutachtern nicht vor, so daß hier nur ein paar mögliche Änderungen an einem Beispielschnitt aufgezeigt werden können. Von der PL-Nord wurde anhand der CD-Daten (MATERIALBAND I) ein Querschnitt im limnischen Bereich der Tideelbe ausgewählt, der möglichst große Differenzen zwischen Ist-Zustand und Ausbauzustand aufweist. Diese treten durch eine Verbreiterung der Fahrrinne und den morphologischen Nachlauf auch noch am Fahrrinnenrand in den flacheren Bereichen auf. Da der Schwebstoffgehalt sich durch den Ausbau nicht ändern wird (MATERIALBAND II), wurde mit einem konstanten Attenuationskoeffizienten von 3,04 basierend auf einem SPM von 30 mg/l gerechnet. Die Tabelle 6.2.2.1 zeigt die berechneten Abnahmen von Imix .

Tab. 6.2.2.1: Berechnungen von Imix für einen Querschnitt bei Wedel

Vermischungstiefe Attenuationsoeffizient Schwebstoffgehalt Lichtintensität Abnahme von Baggertiefe
z [m] k SPM [mg/l] Imix [%] Imix (bezogen auf [m]
16,14 3,04 30 2,04 Anfangstiefe) [%]  
17,14 3,04 30 1,92 5,83 1
17,74 3,04 30 1,85 9,02 1,6
3 3,04 30 10,96    
5 3,04 30 6,58 39,99 2
4,6 3,04 30 7,15    
8 3,04 30 4,11 42,50 3,4

Auf dem Querschnitt bei Wedel werden in der Fahrrinne bei Vertiefungen von max. 1 Meter prozentuale Abnahmen von Imix von max. 9,02 % auftreten. In den Randbereichen werden bei Vertiefungen von 2 bis 3,4 Metern prozentuale Abnahmen von Imix von max. 42,5 % auftreten. Dies macht deutlich, daß Vertiefungen in flacheren Bereichen größere Auswirkungen haben als in den bereits tieferen.

Die bisher in der Elbe stattgefundenen Vertiefungen von ehemals 4 Metern Wassertiefe im limnischen Bereich der Tideelbe auf 13,5 m unter MTnw haben bereits zu einer Abnahme von Imix um rund 70 Prozent geführt und mit bewirkt, daß die Chlorophyllgehalte heute bereits weit oberhalb des Salzgradienten zurückgehen. Auch REHBEHN et al. (1993) konnten zeigen, daß die flußabwärts liegende Verbreitungsgrenze von Actinocyclus normanii im Ästuar hauptsächlich durch Lichtlimitierung und nicht durch hyperosmotischen Stress bedingt ist.

Eine Erhöhung der Lichtlimitierung der Phytoplankter verschlechtert die Produktionsbedingungen der Algen und verringert dadurch den biogenen Sauerstoffeintrag ins Gewässer. Eine Nettoprimärproduktion ist nicht mehr möglich, Zehrungsprozesse können überwiegen und es kommt zu Verschlechterungen im Sauerstoffhaushalt und über das Nahrungsnetz auch zu Einschränkungen der Folgeproduktion. Eine quantitative Einschätzung dieser Effekte ist aufgrund fehlender Berechnungen nicht möglich. Die Zunahme der Lichtlimitierung setzt die tendentiellen Beeinträchtigungen der Primärproduktion im Zuge früherer Ausbaumaßnahmen fort. Grundsätzlich sind alle zu baggernden Bereiche einschließlich des morphologischen Nachlaufs (vgl. Topographie Ausbauzustand auf CD, MATERIALBAND I) beeinträchtigt. Besonders betroffen ist der limnische Bereich, in dem die Schwebstoffgehalte noch am geringsten und die Primärproduktion am höchsten sind. Eine Vermeidung dieser Auswirkungen ist unmöglich, eine Minderung wäre durch die Schaffung von Flachwasserbereichen im betroffenen Gebiet möglich.

Durch die geplanten Strombauwerke Hollerwettern-Scheelenkuhlen, Krautsand und Twielenfleth werden zwar nach der getroffenen Definition keine neuen Flachwasserbereiche geschaffen, doch werden sich in den Gebieten der Aufhöhung nach Beendigung der Strombaumaßnahmen die Lichtbedingungen durch eine Erhöhung von Imix aufgrund geringerer Wassertiefen verbessern.

 

6.2.3 Null-Variante

Ausgangspunkt für diese Betrachtung ist die Beschreibung des Ist-Zustandes und die daraus abgeleitete Bewertung. Der Ist-Zustand ist das Resultat vielfältiger, natürlicher und anthropogener Einflüsse, die das Fließgewässer so geformt haben, wie es sich heute darstellt. Für eine Nullvariante kann deshalb allein der bisherige Trend fortgeschrieben werden.

Die Nullvariante für das Phytoplankton basiert im wesentlichen auf den Veränderungen der produktionsbestimmenden Parameter Schwebstoff, Salzgehalt und Lichtangebot. Des weiteren werden die geplanten Baumaßnahmen im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke und der WSÄ hinterfragt. Zum Schluß wird auf die Auswirkungen möglicher Klimaänderungen und des Meeresspiegelanstiegs auf das Phytoplankton eingegangen.

 

6.2.3.1 Veränderungen produktionsbestimmender Parameter

Die produktionsbestimmenden Parameter Schwebstoffgehalt und Salzgehalt werden sich nach Aussagen des Gutachtens zu den Schwebstoffen (MATERIALBAND II) im Rahmen der Nullvariante nicht verändern. Die bekannten Schwankungsbreiten der Brackwassergrenze und die Schwebstoffverteilung in der Tideelbe durch variierende Oberwasserabflüsse bleiben bestehen. Bei Annahme unveränderter klimatischer und wasserbaulicher Randbedingungen ist mit keiner signifikanten Veränderung in der Unterhaltungsbaggerei zu rechnen und somit auch nicht mit stärker erhöhten Schwebstoffgehalten. Die Auswirkungen der Unterhaltungsbaggerungen werden die gleichen wie im Ist-Zustand sein. Da es keine Veränderungen im Schwebstoffgehalt geben wird und außer den unter 6.2.3.2 diskutierten Strombaumaßnahmen keine weiteren Ausbauten im Rahmen der Nullvariante zu berücksichtigen sind, wird das Lichtklima entsprechend dem Ist-Zustand bestehen bleiben. Da sich keiner der Parameter verändern wird, wird es auch beim Phytoplankton zu keiner außer den unten beschriebenen Auswirkungen kommen.

 

6.2.3.2 Strombaumaßnahmen

Von den Strombaumaßnahmen wird nur auf diejenigen eingegangen, die Auswirkungen auf das Phytoplankton haben können.

Das Zuschütten von Hafenbecken bedeutet eine Vernichtung von Lebensraum für das Phytoplankton. ORTEGA et al (1984) haben in ihren Untersuchungen auf den besonderen (bio-) ökologischen Wert der Hafenbecken hingewiesen. Das fortgesetzte Zuschütten von Hafenbecken bedeutet eine Abwertung des offenen Systems Stromelbe - Hafenbecken.

Die Maßnahmen im Zuge der Hafenerweiterung Altenwerder, die Öffnung der Alten Süderelbe und der Bau des Estesperrwerks können nicht bewertet werden. Für sie sind eigenständige UVUen in Bearbeitung, deren Ergebnisse den Gutachtern nicht vorliegen, die aber alle im Zusammenhang untereinander gesehen werden müßten. Die Öffnung der Alten Süderelbe wie auch der Bau des Este-Sperrwerks im unmittelbaren Bereich des Mühlenberger Loches werden sicherlich Folgen für dieses hochproduktive Gebiet des Phytoplanktons haben, die aber nicht abgeschätzt werden können.

Beim Bau der Mehrzweckumschlagshalle im Amerikahafen (Cuxhaven) sind Auswirkungen auf das Phytoplankton nicht untersucht worden, so daß hierzu keine Aussagen getroffen werden können. Die Verlegung des Ostefahrwassers nach Süden zur Sicherung des Osteriff-Stacks wird in Gänze von der BfG (1990) als umweltverträglich betrachtet. Die Kurvenabflachung im Bereich des Leitdammes Kugelbake wird während der Bauzeit zu Beeinträchtigungen des Schwebstoffgehaltes und damit zu den in Kapitel 6.2.1 beschriebenen Auswirkungen auf das Phytoplankton führen.

 

6.2.3.3 Anstieg des Meeresspiegels

Die hydrologischen Folgen möglicher Klima- und Meeresspiegeländerungen für die Tideelbe werden von SIEFERT (1995) beschrieben. Die vorhersehbaren Auswirkungen durch Klimaänderungen auf die Ökologie des Elbe-Ästuars sind Thema des Artikels von KAUSCH (1996b). Wichtig für das Phytoplankton sind Veränderungen in der Oberwasserführung, die den Salzgehalt beeinflussen, der Anstieg des Meeresspiegels (mean sea level = MSL) sowie eine Temperaturerhöhung.

Eine Verlagerung der Klimazonen Richtung Norden wird zu höheren winterlichen und geringeren sommerlichen Niederschlägen führen, mit der Folge, daß sich das Abflußverhalten der Tideelbe wie folgt ändert: Die winterlichen Abflüsse werden größer, die sommerlichen kleiner als heute und dadurch bedingt wird die Brackwasserzone über weitere Strecken hin und her wandern als heute. Im Winter werden größere Abflüsse sie weiter in das äußere Ästuar drängen, im Sommer werden kleinere Abflüsse ein stärkeres Vordringen stromauf ermöglichen (KAUSCH, 1996b). Für die Trübungszone, deren Auftreten mit dem Salzgradienten gekoppelt ist, gilt ähnliches. Ob es durch jährlich wiederkehrende hohe Abflüsse möglich sein wird, daß sich die Trübstoffgehalte der Elbe verringern, muß erst noch geklärt werden. In den Sommermonaten wird eine Erhöhung der Schwebstoffgehalte eintreten mit den in Kapitel 6.2.2.3 beschriebenen Auswirkungen für das Phytoplankton. Durch die Verlagerung der Brackwasserzone wird der Lebensraum der limnischen Phytoplankter der Tideelbe, der durch das Wehr Geesthacht stromauf künstlich begrenzt wird, verkleinert und damit auch der Bereich der höchsten Produktion. Der Meeresspiegelanstieg (realistische Größe + 25 cm in den nächsten hundert Jahren; SIEFERT, 1995) bewirkt eine Zunahme der Flachwasserbereiche auf Kosten der Wattgebiete. Generell ist dies positiv für das Produktionsgeschehen des Phytoplanktons zu sehen. Es bleibt aber zu berücksichtigen, daß sich in den tieferen Bereichen die Wassertiefen weiter vergrößern und damit die Effekte wieder ausgleichen werden. Außerdem hätte der Verlust der Watten Konsequenzen für das gesamte Flußökosystem und kann deshalb nicht positiv gesehen werden.

Höhere Wassertemperaturen werden die Umsatzgeschwindigkeit aller biologischen Prozesse in der Elbe steigern. Mit steigenden Temperaturen steigt die Respiration, das Verhältnis von Produktion zu Respiration sinkt, die heterotrophen Prozesse sind bevorteilt. Das heißt: Die Trophie wird abnehmen, die Saprobie zunehmen (KAUSCH, 1996b).

Die höheren Wintertemperaturen und die fehlende Eisbedeckung im zeitigen Frühjahr können eine Vorverlegung des Frühjahrsmaximums des Phytoplanktons von heute März - April auf Anfang bis Mitte Februar bewirken. Die Primärproduktion wird nach wie vor lichtlimitiert sein (FAST, 1993). Durch die Erwärmung wird es zu Verschiebungen der Artenzusammensetzung kommen: Wärmeliebende Arten werden von Süden zuwandern, kälteliebende werden nach Norden abgedrängt.