Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

2.5.4 Diskussion

Chlorophylluntersuchungen mit der HPLC-Technik wurden im Elbe-Ästuar erstmals 1990 durchgeführt (Fast, 1993). Der Vorteil gegenüber der herkömmlichen Methode, in der der gesamte Pigmentextrakt mit allen Chlorophyllabbau- und -umwandlungs-Produkten zusammen entweder photometrisch oder fluorometrisch gemessen wird (Holm-Hansen et al., 1965; Lorenzen, 1967; Nusch & Palme, 1975; Nusch, 1980), ist eine chromatographische Auftrennung der Einzelpigmente, die dann separat ebenfalls photo- bzw. fluorometrisch als Einzelpigmente gemessen werden. Gerade bei einem Gewässer wie der Elbe mit hohen Schwebstoffrachten und Pigmentabbauraten kann es bei der herkömmlichen Methode zu Überschätzung kommen, da viele Chlorophyllabbau-Produkte Licht bei derselben Wellenlänge absorbieren wie das Chlorophyllmolekül selbst (Jacobsen, 1978, Abaychi & Riley, 1979, Falkowski & Sucher, 1981, Mantoura & Llewellyn, 1983, Deventer, 1985, 1993, Murray et al., 1986, Jacobsen & Rai 1990, Neveux et al., 1990, Wilhelm et al., 1991, Meyns et al. 1994, QuiblieR et al., 1994).

Daß Chlorophyllgehalt zur Zellzahl nicht unbedingt proportional sein muß, konnten die ARGE ELBE (1977-1994), Kausch (1990), AGATHA et al. (1994) und Wolfstein & Kies (1995) demonstrieren (Kap. 2.5.1). Diese Diskrepanz kann nicht nur durch den unterschiedlichen Chlorophyllgehalt der verschiedenen Algenspezies erklärt werden (Jörgen-sen et al., 1991), sondern auch durch die Variation in der Pigmentzusammensetzung der einzelnen Arten in Abhängigkeit vom physiologischen Zustand der Algenzellen (Deventer, 1993) und dem vorherrschenden Lichtregime (Kohl & NiCklisch, 1988; KIES et al., 1992; Fast, 1993).

Ergebnisse aus der Literatur und eigene Untersuchungen konnten die wesentliche Bedeutung der Lichtes für die Produktion des Phytoplanktons in der Tideelbe belegen (Kap. 2.5.1, Kap. 3). Die maximale Tiefe der euphotischen Zone in der noch eine positive Nettophotosynthese möglich ist, liegt zwischen 30 cm in der Trübungszone bei Brunsbüttel und maximal 200 cm im limnischen Bereich (Abb. 2.5.4.1; Kap. 2.4.3; NÖTHLICH, 1972; ARGE ELBE, 1984; Kies et al., 1992). Wegen der hohen Trübung und starker Turbulenzen in der Tideelbe ist die Verweilzeit eines Phytoplankters in der euphotischen Zone sehr kurz, so daß nur etwa 20 % des Phytoplanktons zur biogenen Sauerstoffproduktion beitragen können (Fast 1993; Kap. 3.1). Gleichzeitig kann sich die Verweilzeit der Wasserkörper und damit des Planktons bei hoher Oberwasserführung im Ästuar auf wenige Tage verringern. Folglich verdriftet das Plankton durch die unterschiedlichen Halinitätszonen (mit erhöhter Sauerstoffzehrung), ohne daß es zu einer ausreichenden Regeneration der Phytoplanktonbestände durch Vermehrung kommen kann.

Abb. 2.5.4.1: Sauerstoffproduktion und Licht in der 2 m-Wasserschicht an den Meßstellen Grauerort am 15.6.1967 und Pagensand am 11.7.1967 (NÖTHLICH, 1972); O2-Produktion: ausgezogene Linie, Eindringtiefe des Lichtes: unterbrochene Linie

Während die Bioaktivität in der Tideelbe unterhalb von Hamburg insbesondere von Licht, Salzgehalt und Temperatur bestimmt wird, spielt im Hamburger Hafen die geringe Strömung für die Sedimentation der Algen eine erhebliche Rolle (Kap. 3). Dabei wird der Sauerstoffgehalt im limnischen Bereich oberhalb Hamburgs neben dem physikalischen Sauerstoff-eintrag überwiegend vom biogenen Sauerstoffeintrag bestimmt, unterhalb Hamburgs in der unteren limnischen Zone und in der oberen Brackwasserzone, bei Sichttiefen von wenigen Zentimetern (Kap. 2.4.3), weitgehend von der Respiration (Algendetritus: s.u.). Dies gilt besonders für die Fahrrinne, wo das Verhältnis von euphotischem (belichtetem) zu aphotischem (unbelichteten) Bereich sehr ungünstig ist. Einige Arten des Phytoplanktons im Elbe-Ästuar scheinen allerdings über zusätzliche Mechanismen zu verfügen, die ein Überleben im Dunkeln über längere Zeiträume ermöglichen, z.B. die Aufnahme von Kohlenhydraten (WOLFSTEIN, 1990).

Untersuchungen verschiedener Hafenbecken und der Norderelbe 1992/93 ergaben, daß Sauerstoffübersättigungen (O2- Gehalt höher als der aufgrund der physikalischen Bedingungen maximal mögliche Gehalt) im Hafengebiet nur zum Zeitpunkt der maximalen Frühjahrsblüte des Phytoplanktons auftreten und bei Wassertemperaturen unter 15 °C (Ortega et al., 1994). In der übrigen Zeit war das Elbewasser im Hafengebiet das ganze Jahr über mehr oder minder stark an Sauerstoff untersättigt. Der erste Einbruch im Sauerstoffgehalt der Tideelbe erfolgte mit dem Anstieg der Wassertemperatur auf Werte über 15 °C bei gleichzeitigem Rückgang des Abflusses am Pegel Neu Darchau unter 400-500 m³ s-1 15 . Im Verlauf des Sommers lagen dann die Sauerstoffgehalte bei Seemannshöft in der Regel um 4 mg O2 l-1 niedriger als die bei Bunthaus (vgl. auch drei eigene Längsschnitt). Bei Temperaturen oberhalb 15 °C entstehen durch den Hamburger Hafen Sauerstoffverluste von ca. 4 mg O2 l-1. Sommerliche, niedrige Sauerstoffwerte bei Bunthaus setzen sich aufgrund der Tidedynamik bis nach Seemannshöft fort. Darüber hinaus besteht nach Ortega et al. (1994) eine Beziehung zwischen Schwebstoff- und Sauerstoffgehalt, d.h. je größer der Schwebstoffgehalt, desto größer ist der Sauerstoffgehalt im Hafengebiet 16. KnautH & Schroeder (1994) machen für die Sauerstoffzehrung den durch absterbende Algen verfügbaren Kohlenstoff in den Schwebstoffen verantwortlich. Nach Nehls et al. (1993) ist eine Remobilisierung von Schwebstoffen und Sediment bei Flut aus dem Mühlenberger Loch an einer Sauerstoffabnahme um etwa 1,5 mg O2 l-1 am Sauerstoffloch beteiligt. Kerner et al. (1995) geben den Anteil der Nitrifikation (Kap. 2.4.2) mit etwa 20 % an. Neue Untersuchungen von WOLFSTEIN & KIES (1995) sehen gegenwärtig den Abbau abgestorbener Plankter als hauptsächliche Ursache für die Zehrung.

Der Verlust an Chlorophyll und damit an Primärproduzenten über das Hafengebiet wird auch aus den Längsprofilmessungen (1992, 1993) der ARGE ELBE (1977-1994) ersichtlich, woraus sich z.B. für 1992 und 1993 ein Verlust an Algenzellen von etwa 65 % errechnet. Als eine Ursache für den Verlust an Primärproduzenten und damit auch an Sauerstoff wird das Absinken der Primärproduzenten gesehen. Fast (1993) führte mittels der HPLC-Technik eine Pigmentauftrennung der Primärproduzenten durch und stellte fest, daß 40-45 % des Chlorophyll-a auch nach einer Stunde nicht in die unteren Schichten sedimentierten. Etwa ein Drittel des Chlorophylls sedimentierte dagegen sehr schnell ab. Bei Sinkgeschwindigkeiten größer als 0,29 cm s-1 konnte bei Annahme einer strömungsarmen Zeit um die Kenterpunkte in einer Stunde ein Drittel der Phytoplankton-Biomasse 8-10 m absinken. Dabei war Chlorophyll-c (Pigment der Kieselalgen) hauptsächlich an langsam absinkende Partikel gebunden. Nur 14 bis 17 % des Chlorophyll-c war an schnell sinkende Partikel gebunden. Im Gegensatz hierzu waren die Abbauprodukte des Chlorophylls in starkem Maße (38-60%) an schnell sinkende Partikel gebunden. Daraus schloß Fast, daß Abbauprodukte in hohem Maße an schnellsinkende Flocken gebunden vorkommen oder abgestorbene Algen schneller absinken als lebende. Nach Kies et al. (1994) ist der Anteil an frei im Wasser lebenden Algen kleiner als der derjenigen Algen, welche in Flocken inkorporiert sind (Kap. 2.5.1). Flocken, die aus dem Bereich der maximalen Trübung (Kap. 2.4.3) entnommen wurden, enthielten nur noch wenige lebende Algen.

Ortega et al. (1994) hat in den Jahren 1992 und 1993 Untersuchungen im Hafengebiet durchgeführt und festgestellt, daß etwa 10-30 % des Chlorophyll-a sedimentiert und die höchsten Zellzahlen mit ganz oder teilweise erhaltenen Chloroplasten an Probestellen gefunden wurden, an denen viel Hafenschlick anfiel. Ihre Laborversuche zur Sedimentation im Elbewasser bestätigten, daß Algenbiomasse sedimentiert. Nach FAST (1993) und ORTEGA et al. (1994) ist ein Verlust an Primärproduzenten im Hafen und damit eines Sauerstofflieferanten hauptverantwortlich für die Sauerstoffdefizite. Da sich das Verhältnis von Oberfläche zu Tiefe verändert, von 2-3 m Tiefe bei Bunthaus auf etwa 10-15 m Tiefe im Hafengebiet, verringert sich auch die Fließgeschwindigkeit des Wasserkörpers. Das wiederum bewirkt ein verstärktes Absinken der Primärproduzenten aus der euphotischen Zone (Kap. 2.5.1). Außerdem trägt der Verdünnungseffekt, d.h. ein vergrößertes Wasservolumen17 unterhalb Bunthaus zum "Verlust" an Primärproduzenten bei. Ein Absterben der Algen durch toxische Substanzen kann nach Kerner et al. (1995) ebenfalls als Ursache mit in Betracht gezogen werden. Für weitere Verluste ist nach Kerner & Gram (1995) eine verstärkte Aggregatbildung, d.h. größere Flockenbildung, verantwortlich, in die das Phytoplankton eingebunden ist. Nach einer erhöhten Aggregatbildung konnten sie eine um den Faktor 10 erhöhte Zehrung nachweisen. Untersuchungen von Yasseri & Karbe (1995) zur Sauerstoffproblematik der Elbe zwischen Bunthaus und Blankenese (km (A) 634) zeigen Unterschiede in den Bakterienzahlen, der Aminosäure-Zusammensetzung und dem heterotrophen Potential, d.h. der Abbaufähigkeit von organischem Material durch Bakterien zwischen den beiden Stationen.

Neueste Untersuchungen von Wolfstein & Kies (1995) bestätigen den Verlust an Chlorophyll über das Hamburger Hafengebiet. Sie fanden im Mai 1993 bei km (A) 611 sogar 32 µg l-1 und bei km (A) 632 nur noch etwa 2 µg l-1, was einen Chlorophyllverlust von 30 µg l-1 im Hafengebiet bedeutet. Eigene Meßergebnisse lagen in der gleichen Größenordnung und bestätigen somit die Angaben der obigen Autoren.

Wolfstein & Kies (1995) untersuchten die Elbe auch unterhalb Hamburgs bis Pagensand (km (A) 665) und fanden minimale Chlorophyll-Konzentrationen von 0,5 µg l-1, was auch in dieser Arbeit nachgewiesen werden konnte. Nach Wolfstein & Kies (1995) führt ein kompletter Chlorophyllabbau von 30 µg l-1 über das Hafengebiet zu einem Sauerstoffverbrauch von 1,9 mg l-1, was im Bereich unterhalb Hamburgs etwa einem Defizit von ca. 30-50 % entspricht. Es kommt dabei zu einem Absinken der in Flocken inkorporierten Algen. Bei allen Untersuchungen war die Chlorophyll-Konzentration in den schneller sinkenden Flocken niedriger als in langsam sinkenden Fraktionen mit Chlorophyll-Konzentrationen, die geringer als 5,2 µg l-1 waren. Diese Beobachtung wurde von den Autoren für den gesamten untersuchten Abschnitt von Hamburg bis Glückstadt gemacht. Dabei wurden in der schnell sinkenden Fraktion viele tote Diatomeen (Kieselalgen) gefunden. Im Vergleich der schnell und langsam sinkenden Fraktionen fanden die Autoren mehr Grünalgen in der langsam sinkenden Fraktion und mehr Kieselalgen in der schnell sinkenden Fraktion.

Im Bereich des Trübstoffmaximums, der auch als "Sinkstoffalle und Sterbezone" sowohl für limnische als auch marine Organismen bezeichnet wird (NÖTHLICH, 1967), besteht das Seston zu einem wesentlichen Anteil aus abgestorbenem Plankton, besonders Kieselalgen (Abb. 2.5.4.2; Kap. 2.5.1, Kap. 3.1; u.a.; FAST, 1993). Nach Nehls et al. (1993) befindet sich im Mühlenberger Loch an schneller sinkenden Flocken weniger organisches Material und damit auch weniger inkorporierte Algen als an langsam sinkenden. Dagegen fanden WOLFSTEIN & KIES (1995) im Bereich des ansteigenden Trübstoffmaximums der Elbe (u.a. km (A) 665) unten mehr Chlorophyll in den Schwebstoffen als an der Wasseroberfläche, was sich in eigenen Untersuchungen nicht nachweisen ließ (Kap. 2.5.3). Schwebstoffflocken bestehen aus schleimartigen Matrixsubstanzen, sauren Mucopolysacchariden, in die Plankter eingebettet sind, sowie aus wechselnden Anteilen mineralischer Partikel (Greiser; 1988, Kies, et al. 1992). Aufgrund des hohen Anteils an verwertbaren Substanzen stellen Schwebstoffe ein gutes Nahrungsangebot für Seston-Fresser (Kap. 2.6.) und ein hohes Potential für den biologischen Abbau dar (Kap. 2.4.2). Gleichzeitig stellt die Flocke eine Mikrobiozönose aus Bakterien, Pilzen, Algen und tierischen Protozoen dar (s.o.; ZIMMERMANN, mdl. Mitt.).

Abb. 2.5.4.2: Schwebstoff-Flocke (GREISER, 1988)

Aufgrund der hohen Respiration, besonders im Frühjahr und Frühsommer, entstehen in der Fahrrinne der Stromelbe periodisch Sauerstoffdefizite, z.B. im Jahre 1990 (ARGE ELBE, 1977-1994). Im Gegensatz zur Fahrwassermitte tritt in den flachen Wattbereichen nicht nur eine positive Sauerstoffbilanz auf, sondern es kommt zeitweise am Tagesende sogar zu hohen Übersättigungen (CASPERS, 1984). Allerdings hat sich die Sauerstoffsituation der Elbe in den letzten Jahren generell verbessert, was sich an einer Auswertung von Tagesgangmessungen 1988-1993 der ARGE ELBE (1977-1994) an Dauermeßstellen von Geesthacht bis Cuxhaven aufzeigen läßt (Tab. 2.5.4.1). Aus der Anzahl der Tage mit kritischen Sauerstoffwerten von £ 3 mg O2 l-1 wird ersichtlich, daß mit Erreichen des Hamburger Hafens und weiter über Seemannshöft, Blankenese bis teilweise Grauerort in den achziger Jahren Sauerstoffzehrungen stattgefunden haben, die öfter über einen vollen Monat Sauerstoffgehalte unter 1 bzw. teilweise sogar 0 mg O2 l-1 aufwiesen. In den eigenen Messungen auf den Längs- und Querprofilen wurde als Minimum 2,5 mg O2 l-1 ermittelt (Kap. 2.4.1).

Tab. 2.5.4.1: Anzahl der Tage im Jahr (1985-1993) mit Sauerstoffgehalten £ 3 mg O2 l-1 (ARGE ELBE, 1977-1994)

StationCuxh.Bruns.Grauer.Blanke.Seemh.Altenw.Bunth.Geesth. Abfluß[m³ s-1]
km (A)725,2692,7660,5634,3628,9620,4609,8585,9Mai-Okt.Jahres-mittel(1926-1984)
Jahr           
198501965*16716210200445558722
198607104*12910852215619716722
19870032*41180***08131.130722
1988000135867464479874722
19890224153150130**5028344520722
19900025858464**61318447722
199100020291100308381722
1992000545338110321515722
199300063443620386510722

* Werte für km (A) 657,2 (Bützfleth), ** Werte für km (A) 622,6 (Niederhafen), *** Werte ab Juni ausgefallen

Nach einer Bilanzierung der ARGE ELBE (1984) haben die Flachwasserbereiche und Watten durch ihre biogenen Sauerstoffeinträge einen entscheidenden Anteil an der Sauerstoffbilanz des Elbe-Ästuars (Tab. 2.5.4.2, Tab. 2.5.4.3). Für die Wattgebiete wird aufgrund der Tideverhältnisse ein Sauerstoffeintrag nur während der Überflutungszeit angenommen, was zu etwa 50 % reduzierten Werten führt. Deshalb sind neben dem Phytoplankton auch die benthischen Primärproduzenten der Watten und Flachwasserbereiche (Kap. 2.5.2) wichtige Sauerstofflieferanten (Kap. 3).

Tab. 2.5.4.2: Biogene Sauerstoffeinträge im Elbe-Ästuar (ARGE ELBE, 1984)

Flachwasserbereich limnisch0,076 t O2 ha-1 d-1
Flachwasserbereich brackig0,015 t O2 ha-1 d-1
Wattzone limnisch0,044 t O2 ha-1 d-1
Wattzone brackig0,009 t O2 ha-1 d-1

Tab. 2.5.4.3: Atmosphärischer Sauerstoffeintrag im Elbe-Ästuar über die Wasseroberfläche bei 20°C und Windstille unter Annahme unterschiedlicher Sauerstoffsättigungsraten (ARGE ELBE, 1984)

Sauerstoffsättigung (%) 0204060
Flachwasserbereiche (t O2 ha-1 d-1)0,0960,0760,0580,038
Watten (t O2 ha-1 d-1) 0,0480,0380,0290,019

Bei den Bilanzierungen lagen unterschiedliche Beurteilungen vor. Lange vor der Wiedervereinigung stellte CASPERS (1984) für das Flachwassergebiet Mühlenberger Loch ein hohes Sauerstoffproduktionspotential fest, das je nach Tidezeit zwischen 8,7 und 41,3 t O2 in 6 Stunden zur biogenen Belüftung beiträgt. Für die 3 km der Stromelbe vor dem Mühlenberger Loch wurde hingegen ein Nettosauerstoffdefizit von 6 t O2 in 6 Stunden errechnet. Nach der Wiedervereinigung kamen Posewang-Konstantin et al. (1992) während ihrer Untersuchungen im Mühlenberger Loch zu keinen Werten, die unter der (fisch-) kritischen Sauerstoffgrenze von 3 mg O2 l-1 lagen. Im Gegensatz dazu ermittelten Nehls et al. (1993) bei ihrer Sauerstoffbilanzierung durch Einbeziehung der Sauerstoffzehrung lagestabiler und resuspendierter Sedimente bei Flut eine Negativbilanz für das Mühlenberger Loch.

Die Bedeutung der Flachwasserbereiche bei ungünstigen Sauerstoffverhältnissen in der Stromelbe läßt sich auch aus den Daten von Längsschnittmessungen der ARGE ELBE (1977-1994) im Vergleich für die Jahre 1988-1993 ersehen. Dafür wurde der Zeitraum mit den höchsten Jahrestemperaturen von Mai - September ausgewählt. Die Daten belegen in 90 von 120 Messungen höhere Sauerstoffgehalte der Nebenelben gegenüber der Stromelbe (Kap. 3). Betrachtet man den Einfluß des Oberwasserabflusses (Q) auf den Sauerstoffgehalt der Neben-elben beispielsweise im Juni 1988 (relativ hoher Q)18 und im Juni 1989 (niedrigen Q), so zeigen sich, abgesehen von den temperaturabhängig leicht veränderten Sauerstoffsättigungspotentialen, keine bedeutenden Unterschiede im Sauerstoffgehalt in den jeweiligen Nebenelben. Damit scheint der Oberwasserabfluß auf die Nebenelben, bedingt durch deren günstiges Verhältnis von Wasseroberfläche zu Tiefe, einen geringeren Einfluß auszuüben als dies für die Stromelbe der Fall ist. Ein Gesamtvergleich über die verschiedenen Jahre zeigt eine geringere Differenz der Sauerstoffwerte zwischen den Nebenelben und der Stromelbe in 1993 gegenüber den zurückliegenden Jahren. Aus den eigenen Messungen auf den Querschnitten Lühesand und Pagensand 1993 lassen sich für das gesamte Datenkollektiv keine signifikanten Unterschiede zwischen Strom- und Nebenelben ableiten, wenn auch die Sauerstoff-Konzentrationen im Sommer in den Flachwasserbereichen tendenziell höher waren (Kap. 2.4.1).

Fußnoten:

15.) Die Abhängigkeit des Sauerstoffgehaltes vom Oberwasserabfluß wird von GREISER (1995) diskutiert.
16.) (Dieses gilt nur für den oberen limnischen Bereich des Ästuars, da hier die Schwebstoffe aus aktiven Primärproduzenten bestehen. Im unteren Bereich des Ästuars führen dagegen hohe Schwebstoffgehalte zu einer erhöhten Zehrung, da dort die Schwebstoffe aus Algendetritus bestehen! s.o.)
17.) Querschnitt bei Bunthaus: Tnw 1.500 m², Thw 2.900 m²; Teufelsbrück: Tnw 4.400 m², Thw 5.700 m²; mdl. Mitt. BERGEMANN, 1995.
18.) mittlerer (für den Sommer relativ hohen) Q=707 m³ s-1 im Juni 1988 und einen niedriger Q=298 m³ s-1 im Juni 1989.