Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

2.3 Hydrologische Verhältnisse

Nach ROHDE (1971) wird die Elbe hydrographisch in die obere Elbe, die Mittelelbe und die Tideelbe gegliedert. Durch die definierte Abgrenzung des Untersuchungsraumes beschränkt sich die Beschreibung des Status quo auf das Gebiet der Tideelbe.

Das Ästuar ab Staustufe Geesthacht (Strom-km (A) 586) bis auf Höhe Scharhörn (Strom-km (A) 756) birgt in sich verschiedene Teilsysteme.

Die obere Tideelbe reicht vom Wehr Geesthacht bis zur Stromspaltung in Norder- und Süderelbe bei Bunthaus (Strom-km (A) 609). In diesem Flußabschnitt überwiegt, vorwiegend bei höheren Oberwasserabflüssen, ein Ebbstrom-orientierter Transport, so daß sich keine langen Verweilzeiten der Wasserkörper und keine bedeutenden Sedimentationsprozesse ergeben. Im hamburgischen Stromspaltungsgebiet erfolgt unterhalb der Elbbrücken eine erhebliche Aufweitung der Querschnitte in den beiden Flußarmen. Zusätzlich resultieren aus der offenen Anbindung der Hafenbecken langfristig tide-bedingte Verweilzeiten, wobei es insbesondere zu verstärkter Sedimentation kommt.

Der Bereich unterhalb Elbestrom-km (A) 625,6 (Zusammenfluß von Norderelbe und Köhlbrand) bis Cuxhaven (Strom-km (A) 727,7) wird als Unterelbe bezeichnet. In dem Abschnitt bis Glückstadt werden die Wasserstände und Strömungen in erster Linie durch die Gezeitenbewegung bestimmt. Im weiteren Verlauf bis Cuxhaven ist neben dem Tideeinfluß der Vermischungsvorgang von Süß- und Salzwasser ausschlaggebend. Charakteristisch ist außerdem die sog. Trübungszone, die mit ihren Ausläufern weit in den vorgenannten Abschnitt hineinreicht.

Als Übergangsbereich zur Nordsee ist die Außenelbe zu betrachten. Hier überlagern sich die Einflüsse aus der Elbe mit denen der Wattgebiete.

Die Größe des Oberwasserabflusses ist ein gewichtiges Regulativ für die Konzentration der gelösten An- und Kationen im durch die Tidedynamik geprägten Wasserkörper. Darüber hinaus hat die abfließende Oberwassermenge eine elementare Wirkung auf die Lage der oberen Brackwassergrenze1 im Fluß und infolgedessen eine übergreifende Bedeutung für die Verbreitung limnischer und mariner Organismen im Elbe-Ästuar (vgl. Kap. 2.6.1.1). Beispielsweise kann sich die Position der oberen Brackwassergrenze, je nach hydrologischen Randbedingungen, über eine Strecke von annähernd 80 km erstrecken (BERGEMANN 1995). Obwohl der Oberwasserabfluß im Vergleich zu den tidebedingten Durchflüssen (z. B. bis 20.000 [m3 s-1] bei Strom-km (A) 675) sehr klein ist, wird allein durch die resultierende seewärts gerichtete Verdriftung der Nettotransport gelöster und suspendierter Stoffe bedingt. Die Wasserkörper pendeln mit der Tide "sägeartig" stromauf und stromab. Bei niedrigen Oberwasserabflüssen ergibt sich für eine bestimmte Fließstrecke eine lange Verweilzeit und damit auch ein intensiver, sauerstoffzehrender Abbau.

In Abb. 2.3.1 sind die Tagesmittelwerte des Abflusses (gemessen am Pegel Neu Darchau, Mittelelbe Strom-km (A) 536,42) für 1993 und vier weitere, ausgewählte Jahre im Vergleich zu den langjährigen Monatsmitteln (MMQ1926-1989) dargestellt.

Abb. 2.3.1 :Abfluß am Pegel Neu Darchau - Tagesmittel ausgewählter Jahre und langjähriges Monatsmittel (1926-1989)

Gegenüber 1992 lag der Mittelwert des Abflusses im Untersuchungsjahr 1993 auf annähernd gleichem Niveau: MQ1992 515 [m3 s-1] zu MQ1993 510 [m3 s-1]. Rückblickend gelten die Jahre 1989 bis 1993 allgemein als sehr trocken für das Elbeeinzugsgebiet. Ende Dezember 1993 und in der ersten Jahreshälfte 1994 wurde die Serie erstmals seit 1987 wieder durch drei Hochwasserwellen mit vergleichbaren Abflüssen von mehr als 2.000 [m3 s-1] unterbrochen. Ab Juli 1994 (Probenahmen Ende Juli und Anfang September 1994) entsprach die Kurve der Tagesmittelwerte jedoch in etwa der Ganglinie des letzten Halbjahres 1993 (vgl. Abb. 2.3.1 oberes, rechtes Fenster). Insgesamt gesehen war der Jahresmittelwert 1994 mit 861 [m3 s-1] allerdings um ca. 40 [%] höher als 1993.

Der Vergleich beider Untersuchungsjahre mit dem langjährigen Mittel (MQ 1926-1989) zeigt unterschiedliche Resultate; wie überhaupt der Wechsel zwischen abflußreichen und abflußarmen Perioden nichts Ungewohntes zu sein scheint. In der nachfolgenden Aufstellung (Tab. 2.3.1) ist dieser Zusammenhang für den Zeitraum 1983 bis 1994 exemplarisch dargestellt.

Tab. 2.3.1: Mittlere Jahresabflußdaten 1983-1994 im Vergleich zum langjährigen Mittel von 724 [m3 s-1] der Abflußjahre 1926-1989

Abflußjahr

1983

1984

1985

1986

1987

1988

1989

1990

1991

1992

1993

1994

MQ [m3 s-1]

623

582

558

716

1130

874

520

447

384

515

510

861

%D zu MQ1926-1989

- 14

- 20

- 23

- 1

+ 56

+ 21

- 28

- 38

- 47

- 29

- 30

+ 19

Betrachtet man noch weiter zurückliegende Zeiträume, z. B. zu Beginn des Jahrhunderts von 1900 bis 1920, so wiederholen sich diese Zyklen aperiodisch. So war 1904 ein abflußarmes Jahr, speziell das vorwiegend trockene Sommerhalbjahr. Am 01. und 02.09.1904 wurde ein täglicher Abfluß von 128 [m3 s-1] als Extremwert gemessen. Dieser Abfluß wurde in den folgenden Jahrzehnten nicht mehr unterschritten. Allerdings waren tägliche Abflüsse um 200 [m3 s-1] für die Sommermonate nicht außergewöhnlich.

Aus den beispielhaft zitierten Daten wird deutlich, daß der Oberwasserabfluß eine sehr variable Meßgröße darstellt. Inwieweit dieser Parameter die Verbreitung limnischer und mariner Organismen begrenzt oder erweitert hat, wird in den nachfolgenden Kapiteln zu diskutieren sein; insbesondere in Zusammenhang mit den seit 1950 (1936) erfolgten Fahrrinnenvertiefungen.

Im übrigen verdeutlicht dieser kurze Überblick des hydrologischen Sachverhaltes die enorme Komplexität der Elbe, die insbesondere im Ästuarbereich zum Tragen kommt.

Fußnoten:
1.) der erste seewärtige Anstieg des Salzgehaltes (Salinität oder Chlorid) gilt als obere Brackwasser- bzw. untere Süßwassergrenze.
2.) am Pegel Neu Darchau wird der Abfluß aus rd. 90 [%] des Einzugsgebietes erfaßt.