Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

2. Wasserstände

Der Wasserstand ist erfahrungsgemäß die Kenngröße, die am besten nachweisbar auf eine durch Fahrrinnenvertiefung veränderte Flusstopographie reagiert. Ohnehin kommt den hydrologischen Kenngrößen in Bezug auf die Beweissicherung eine wichtige Bedeutung zu, da die Lebensraumbedingungen im Naturraum Unterelbe mittelbar oder unmittelbar von den hydrologischen Verhältnissen mit ihren Schwankungen geprägt werden. Diese bilden insofern die Grundlagen und Rahmenbedingungen für den Zustand und die Entwicklung der Umwelt. Größere und nachhaltige Änderungen der hydrologischen Randbedingungen, insbesondere der Wasserstände, können unter Umständen den Bestand und die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt dieses Raumes beeinflussen. In der UVU zur Fahrrinnenanpassung wurde die prognostizierte ausbaubedingte Erhöhung des mittleren Tidehochwassers aufgrund des damit verbundenen Risikos einer Beeinträchtigung empfindlicher ufernaher Biotope als ein wichtiger ökologischer Wirkfaktor beschrieben. In einem vereinfachten Modell wurde bei einer prognostizierten Erhöhung des lokalen Tidehochwassers um (beispielsweise) 2 bis 3 cm pauschal eine flächenmäßige Beeinträchtigung von 3,5 % für ufernahe Biotoptypen (Auwald, Auengebüsch, Röhricht) angenommen.

Damit wird deutlich, dass das Ausmaß der Wasserstandsveränderungen ein wichtiger Indikator für die Intensität der Auswirkungen einer Fahrrinnenvertiefung ist. Es ist davon auszugehen, dass große Wasserstandsveränderungen einher gehen mit entsprechend starken Veränderungen der weiteren hydrologischen Parameter (z.B. Strömungen), die wiederum gemeinsam u.a. auf Erosion und Sedimentation, die Ufertopographie und weitere Schutzgüter wirken. Im Umkehrschluss folgt daraus, dass geringfügige Wasserstandsänderungen kaum zu nennenswerten Beeinträchtigungen der Umwelt führen werden.

Die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Fahrrinnenausbauten und Veränderungen der Wasserstände an der Elbe sind seit langem bekannt: Insbesondere im oberen Abschnitt des Ästuars kommt es zu einem Absinken der Tideniedrigwasserstände, während die Tidehochwasser ansteigen. Das Ausmaß der Änderungen ist charakteristischerweise im Bereich des Hamburger Stromspaltungsgebietes am deutlichsten ausgeprägt. In der UVU zur Fahrrinnenanpassung wurden dementsprechend auch die relativ stärksten ausbaubedingten Wasserstandsänderungen für den Hamburger Elbabschnitt vorhergesagt. Nach den Prognosen war hier mit einem Anstieg des mittleren Tidehochwassers (MThw) um bis zu 4 cm und einem Absinken des mittleren Tideniedrigwassers (MTnw) um bis zu 7 cm zu rechnen (Abb. 1).
Insbesondere dem ausbaubedingten Anstieg des MThw wurde in der UVU eine wichtige Bedeutung zugesprochen, da er - wie oben erläutert - zu einer Beeinträchtigung ufernaher Biotope führen kann.

Abb. 1: UVU-Prognose der ausbaubedingten Wasserstandsänderungen (vereinfacht)

Aus Erfahrungen mit früheren Fahrrinnenvertiefungen ist bekannt, dass die Wasserstände recht schnell auf eine Fahrrinnenvertiefung reagieren. Da die hauptsächlichen Vertiefungsarbeiten im Zuge der jüngsten Fahrrinnenanpassung im Jahr 1999 durchgeführt wurden, müsste sich eine hydrologische Reaktion auf diese Maßnahme also bereits aus den bis dato vorliegenden Wasserstandsdaten erkennen lassen.

Um feststellen zu können, ob dies der Fall ist, muss an dieser Stelle etwas weiter ausgeholt und auch die historische Entwicklung der Wasserstände betrachtet werden. Kennzeichnend für die Wasserstandsentwicklung in der Unterelbe in den letzten Jahrzehnten sind (Abb. 2)

  • ein mäßiger Anstieg des MThw im Mündungsgebiet (etwa 30 cm in 100 Jahren am Pegel Cuxhaven),
  • ein deutlicher Anstieg des MThw im oberen Ästuar (Pegel St. Pauli: etwa 50 cm in den letzten 100 Jahren),
  • ein recht stabiles MTnw im Mündungsbereich sowie
  • ein sehr deutlicher Abfall des MTnw im oberen Ästuar (Pegel St. Pauli: über 100 cm Absunk in den letzten 100 Jahren).

Abb. 2: Jährliches MThw und MTnw an den Pegeln Cuxhaven und Hamburg-St. Pauli seit 1900

Die gemessenen Wasserstände sind mehr oder minder stark von der Wasserspiegelentwicklung der Nordsee sowie den Schwankungen des Oberwasserzufluss geprägt. Um die Auswirkungen einer Fahrrinnenanpassung genauer quantifizieren zu können, ist es daher notwendig, diese beiden "externen" Beeinflussungen der Wasserstände zu berücksichtigen. Die "Bereinigung" des Nordseeeinflusses kann durch Bildung der Wasserstandsdifferenzen zwischen dem betrachteten Elbe-Pegel und einem unbeeinflussten Pegel (hier: Helgoland) erfolgen. Die "Bereinigung" des < Oberwasserzuflusses erfolgt durch eine entsprechende Normierung der Daten 2. Die Analyse derart "bereinigter" Daten ergibt bezüglich der Wasserstandsentwicklung am Pegel St. Pauli, für den in der UVU die relativ größten Wasserstandsänderungen prognostiziert wurden, folgendes Bild:

Die bereinigte MThw-Differenz ist seit Jahren recht konstant (Abb.3). Ein Anstieg durch die jüngste Fahrrinnenanpassung ist bislang nicht zu verzeichnen. Eher deutet sich seit einigen Jahren eher eine abnehmende Tendenz des MThw an.

Abb. 3: Um den Oberwassereinfluss normierte MThw-Differenzen zwischen St. Pauli und Helgoland seit 1980

Die Betrachtung der bereinigten MTnw-Differenzen ergibt ein etwas differenziertes Bild. Abb. 4 zeigt, dass seit Mitte der 1980er Jahre, insbesondere aber seit etwa 1990, offenbar kein stabiler hydrologischer Zustand der Tideelbe vorliegt: Das MTnw unterliegt, obwohl in diesem Zeitraum keine nennenswerten baulichen Eingriffe im Tideregime der Unterelbe stattfanden, einer deutlich abnehmenden Tendenz (seit 1985 insgesamt etwa 20 cm, im Mittel also > 1 cm/Jahr).

Abb. 4: Um den Oberwassereinfluss normierte MTnw-Differenzen zwischen St. Pauli und Helgoland (3-jährige übergreifende Mittel) seit 1953

Nach ersten Erklärungsansätzen ist dieses Phänomen auf umfängliche morphologische Umlagerungsvorgänge im Gebiet der Unter- und Außenelbe zurückzuführen. Besonderes Augenmerk wird seit einiger Zeit auf den Bereich der Medemrinne im Mündungsgebiet der Elbe gerichtet. So führt die Bundesanstalt für Wasserbau zu diesem Thema aus:

"Die Medemrinne hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aufgeweitet und nach Norden verlagert. [Abb. 3] zeigt am Beispiel der Tiefenänderungen die Dimension dieses Prozesses. Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der Medemrinne, die insbesondere ebbstromorientiert wirksam ist, ist auch eine Absenkung der Tideniedrigwasserstände in der Tideelbe eingetreten.

Die morphodynamische Entwicklung der Medemrinne ist nicht durch die Fahrrinnenausbaumaßnahmen bedingt. Durch die Vertiefung der Fahrrinne der Elbe wird die hydraulische Leistungsfähigkeit des Hauptquerschnittes gestärkt mit der Folge, dass der Durchfluss der Medemrinne schrumpft. Die morphodynamische Entwicklung der Medemrinne verdeutlicht, dass die natürlichen Gestaltungsvorgänge (Gezeiten, Seegang und Sturmfluten) im Elbmündungsgebiet dominant sind und die Wirkungen der Fahrrinnenvertiefungen überdeckt werden."

[Abb.3] Morphologische Entwicklungen im Elbmündungsbereich (1970 bis 1995)

(Quelle: BAW/DH [2001]: Potenzialuntersuchung zur Unter- und Außenelbe. Prinzipielle Vorabschätzungen zu möglichen Auswirkungen einer weiteren Fahrrinnenvertiefung. Hamburg 2001)

Die abnehmende Tendenz des MTnw hält bis dato an (Abb.5). Ob und in welchem Maße die jüngste Fahrrinnenanpassung dazu beiträgt bzw. beigetragen hat, kann derzeit nicht gesagt werden. Hierzu ist eine weitere Verfeinerung der Analysemethoden und möglichenfalls eine stärkere Berücksichtigung meteorologischer Effekte erforderlich. Wahrscheinlich ist, dass der Absunk der letzten drei Jahre (1999, 2000, 2001) größtenteils ebenfalls auf natürliche Vorgänge im Ästuar zurückzuführen ist, da

  • das Thw in diesem Zeitraum augenscheinlich keine Reaktion auf den Ausbau gezeigt hat (s.o.), und
  • nicht anzunehmen ist, dass die natürlichen Umlagerungsvorgänge im Ästuar mit ihren hydraulischen Wirkungen in den letzten Jahren schlagartig nachgelassen haben.

Allerdings: Selbst wenn man den gesamten Tnw-Absunk seit 1998 allein auf die Fahrrinnenanpassung zurück führt, wäre die eingangs erwähnte UVU-Prognose von 7 cm Tnw-Absenkung am Pegel Hamburg - St. Pauli nicht übertroffen.

Abb. 5: Um den Oberwassereinfluss normierte MTnw-Differenzen zwischen St. Pauli und Helgoland seit 1980

Fußnoten:

2

Gemäß Planfeststellungsbeschluss erfolgt die genaue zahlenmäßige Quantifizierung der ausbaubedingten Wasserstandsänderungen mit einem bestimmten statistischen Rechenverfahren. Für diesen Kurzbericht wird aufgrund der besseren Anschaulichkeit das skizzierte vereinfachte Verfahren verwendet.