Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

III.1.1.1 Tidewasserstände

Mittlere Wasserstände

Der Wasserstand ist erfahrungsgemäß die hydrologische Kenngröße, die am besten nachweisbar auf eine durch Fahrrinnenvertiefung veränderte Flusstopographie reagiert. Ohnehin kommt den Wasserständen in Bezug auf die Beweissicherung eine wichtige Bedeutung zu, da die Lebensraumbedingungen im Naturraum Unterelbe mittelbar oder unmittelbar von den hydrologischen Verhältnissen mit ihren Schwankungen geprägt werden. Diese bilden insofern die Grundlagen und Rahmenbedingungen für den Zustand und die Entwicklung der Umwelt. Größere und nachhaltige Änderungen der hydrologischen Randbedingungen, insbesondere der Wasserstände, können unter Umständen den Bestand und die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt dieses Raumes beeinflussen.

In der UVU zur Fahrrinnenanpassung wurde die prognostizierte ausbaubedingte Erhöhung des mittleren Tidehochwassers (MThw) aufgrund des damit verbundenen Risikos einer Beeinträchtigung empfindlicher ufernaher Biotope als ein wichtiger ökologischer Wirkfaktor beschrieben. In einem vereinfachten Modell wurde bei einer prognostizierten Erhöhung des lokalen Tidehochwassers um (beispielsweise) 2 bis 3 cm pauschal eine flächenmäßige Beeinträchtigung von 3,5 % für ufernahe Biotoptypen (Auwald, Auengebüsch, Röhricht) angenommen. Diese Annahme basiert auf der Tatsache, dass eine Verlagerung des Ufervegetationsgürtels landseitig nicht möglich ist, da dort meist Begrenzungen bestehen (Deich, bewirtschaftete Flächen, Randgräben etc.), die dies nicht zulassen. Der prognostizierte ausbaubedingte Absunk des Tideniedrigwassers (MTnw) wurde in der UVU hingegen nicht als gravierender Wirkfaktor eingestuft.

Bei den Modellierungen zur Ermittlung der maßnahmebedingten Änderungen der Wasserstände im Rahmen der UVU wurden verschiedene Tidebedingungen in Verbindung mit verschiedenen Oberwasserzuflüssen und Windsituationen untersucht, da das Ausmaß der durch die Fahrrinnenanpassung bedingten Wasserstandsänderungen u. a. abhängig vom Oberwasserzufluss und den astronomischen Bedingungen ist. Bei den Modelluntersuchungen ergab sich daher eine gewisse Bandbreite der durch den Fahrrinnenausbau hervorgerufenen Wasserstandsänderungen. In der UVU wurde prinzipiell vom ungünstigsten Fall der errechneten ausbaubedingten Änderungen ausgegangen, also von den Maximalwerten der ermittelten Tnw- und Thw-Änderungen ("äußerer Rand der Änderungsbänder"). Zusätzlich ist vom Fachgutachter ein auf der sicheren Seite liegender "worst case"-Fall abgeschätzt worden.

In der UVU wurden die relativ stärksten ausbaubedingten Wasserstandsänderungen für den Hamburger Elbabschnitt vorhergesagt. Nach den Prognosen war hier mit einem Anstieg des mittleren Tidehochwassers um bis zu 4 cm ("worst case": 5 cm) und einem Absinken des mittleren Tideniedrigwassers um bis zu 7 cm ("worst case": 10 cm) zu rechnen (Abb. III.1.1.1-1).

Abb. III.1.1.1-1: UVU-Prognose der ausbaubedingten Wasserstandsänderungen

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Zur besseren Einordnung dieser prognostizierten maßnahmebedingten Änderungen bietet sich ein Vergleich mit den nach dem vorletzten Fahrrinnenausbau (1974 bis 1978 auf 13,50 m unter KN) eingetretenen Wasserstandsänderungen an. So führte nach dem Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe 'Beweissicherung' die KN -13,50 m-Vertiefung beispielsweise am Pegel St. Pauli zu einer Tidehubvergrößerung von 48 cm (MTnw: -35 cm, MThw: +13 cm). Für diesen Pegel wird durch die geplante Fahrrinnenanpassung eine Tidehuberhöhung von maximal 11 cm vorhergesagt, d. h., diese ist rund viermal kleiner als die eingetretene Veränderung nach dem 13,50 m-Ausbau. Ähnliche Verhältnisse ergeben sich auch für andere Teile des Untersuchungsgebietes, wie Tabelle III.1.1.1-1 exemplarisch zeigt. Während sich die Wasserstandsänderungen beim KN -13,50 m-Ausbau in weiten Teilen der Unterelbe also im Dezimeter-Bereich bewegten, hat sich die Beweissicherung für die 1999er Fahrrinnenanpassung mit Wasserstandsänderungen auseinander zusetzen, die eher im Zentimeterbereich - und damit im Grenzbereich der Mess- und Auswertegenauigkeit - liegen.

Tab. III.1.1.1-1: Gegenüberstellung der prognostizierten Änderungen des MThb durch die letzte Fahrrinnenanpassung mit den eingetretenen MThb-Änderungen durch den KN -13,50 m-Ausbau (1974-1978)

  Prognostizierte Änderung
des MThb durch die letzte Fahrrinnenanpassung (1999)
Eingetretene Änderung
des MThb nach dem KN -13,50 m-Fahrrinnenausbau (1974 bis 1978) in der Hauptelbe für 1992 gegenüber dem Zeitraum 1969-1974 *)
Cuxhaven ±0 cm +4,7 cm
Glückstadt +4 cm +11,2 cm
Stadersand +7 cm +21,7 cm
St. Pauli +11 cm +48,0 cm
Zollenspieker +6 cm +35,6 cm

*) NIEMEYER, 1995, aus dem Abschlußbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe (BLAG) Beweissicherung der Unter- und Außenelbe zur Herstellung der Fahrwassertiefe von 13,5m unter KN, Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord.

Im Rahmen des Beweissicherungsverfahrens zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe sind gemäß Planfeststellungsbeschluss eine Reihe von Pegeln zu betrachten, entlang der Tideelbe allein zwanzig. Alle Pegel werden vorschriftsmäßig betrieben und ausgewertet (vgl. Kap. A.1.1 im Anlagenband). Aus Gründen der Übersichtlichkeit beschränken sich die Ausführungen dieses Kapitels zunächst auf einige wenige Standorte (vgl. rote Markierungen in Abb. III.1.1.1-2). Die gemäß Planfeststellungsbeschluss durchzuführende Schwellenwertbetrachtung der Tidewasserstände (Verfahren nach NIEMEYER, 1995) wird für alle Pegel im Kapitel III.1.1.1.1 vorgenommen.

Abb. III.1.1.1-2: Ausgewählte Pegel im Untersuchungsgebiet (rote Markierungen)

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Wasserstandsentwicklung allgemein

Kennzeichnend für die Wasserstandsentwicklung in der Tideelbe in den letzten Jahrzehnten sind (Abb. III.1.1.1-3 und III.1.1.1-4):

  • ein mäßiger Anstieg des MThw im Mündungsgebiet (Cuxhaven: etwa 15 cm seit 1950),
  • ein deutlicher Anstieg des MThw im oberen Ästuar (St. Pauli: etwa 40 cm seit 1950),
  • ein recht stabiles MTnw im Mündungsbereich sowie
  • ein sehr deutlicher Abfall des MTnw im oberen Ästuar (St. Pauli: etwa 75 cm seit 1950).

Abb. III.1.1.1-3: Jährliches MThw Zollenspieker, St. Pauli, Schulau, Stadersand, Brokdorf, Brunsbüttel, Cuxhaven und Helgoland von 1950 bis 2002

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Abb. III.1.1.1-4: Jährliches MTnw Zollenspieker, St. Pauli, Schulau, Stadersand, Brokdorf, Brunsbüttel, Cuxhaven und Helgoland von 1950 bis 2002

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Die Abbildungen III.1.1.1-5 und III.1.1.1-6 verdeutlichen diese Entwicklungen für die Jahre 1985 bis 2002. Die MThw entwickeln sich an den Pegeln der Unterelbe in diesem Zeitraum recht ähnlich, d. h. mit fast dem gleichen Anstiegstrend; dieser ist im Vergleich zu den vorangegangen Jahrzehnten allerdings deutlich schwächer ausgeprägt. Auch beim MTnw ist der negative Trend generell nicht so stark wie von 1950 bis 1985, im oberen Bereich des Ästuars aber nach wie vor augenfällig. So liegt seit Anfang der 1990er-Jahre das MTnw St. Pauli auf der Höhe des MTnw Cuxhaven, in den letzten Jahren sogar darunter.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang zudem, dass das Niedrigwasser in Cuxhaven sogar eine leicht positive Tendenz aufweist. Längerfristige Betrachtungen zeigen, dass dieser Anstieg erst seit Beginn der 1980er-Jahre zu beobachten ist. Über die Ursachen kann vorerst nur spekuliert werden. Eine Ursache könnte das Durchwandern des Westausganges der Medemrinne vor Cuxhaven sein. 1980 befand sich der Westausgang etwa vor Altenbruch, zurzeit liegt dieser vor dem Radarturm Cuxhaven. Das Zusammentreffen der beiden Ebbströme durch die Hauptrinne und die Medemrinne vor Cuxhaven kann dort während der Ebbe zu einem etwas höheren Wasserstand führen.

Abb. III.1.1.1-5: Jährliches MThw St. Pauli, Schulau, Stadersand, Brokdorf, Brunsbüttel und Cuxhaven von 1985 bis 2002

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Abb. III.1.1.1-6: Jährliches MTnw St. Pauli, Schulau, Stadersand, Brokdorf, Brunsbüttel und Cuxhaven von 1985 bis 2002

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Für die beschriebenen Wasserstandsentwicklungen waren und sind mehrere Faktoren verantwortlich. Die Wasserstandsverhältnisse in Tideflüssen wie der Unterelbe sind vielfältigen, sowohl natürlichen Faktoren (z. B. Meeresspiegelentwicklung der Nordsee, astronomische Variationen, morphologische Veränderungen) als auch durch den Menschen hervorgerufenen Einflüssen (Wirkungen von Baumaßnahmen wie Vordeichungen, Absperrungen von Nebenflüssen oder Fahrrinnenvertiefungen) unterworfen. Diese wirken sich in charakteristischer Weise auf die Wasserstände in den Flüssen aus (Abb. III.1.1.1-7).

Abb. III.1.1.1-7: Einflussfaktoren auf den Wasserstand im Ästuar (nach: BAW-DH 2001)

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Um die Auswirkungen einer Fahrrinnenanpassung genauer bestimmen zu können, ist es daher notwendig, diese externen Beeinflussungen der Wasserstände zu berücksichtigen. Eine "Bereinigung" von Einflüssen aus der Nordsee (astronomische Gezeiten, große Teile des Klima- und Wettereinflusses) kann durch Bildung der Wasserstandsdifferenzen zwischen dem betrachteten Elbe-Pegel und einem vom Ästuar möglichst unbeeinflussten Nordsee-Pegel erfolgen. In der Beweissicherung ist hierfür generell der Hochseepegel Helgoland vorgesehen.

Die "Bereinigung" des Einflusses des Oberwassers erfolgt durch eine Normierung der Wasserstandsdaten auf mittlere Abflussverhältnisse. Die Bestimmung des Einflusses des Oberwassers auf die Wasserstände kann zum einen empirisch-statistisch bestimmt werden, zum anderen können hierzu hydronumerische Modelle genutzt werden. Für die Tideelbe liegen mehrere aktuelle Modellergebnisse der Bundesanstalt für Wasserbau, Dienststelle Hamburg (BAW-DH), vor. Ein Beispiel für ein derartiges Modellergebnis zeigt Abbildung III.1.1.1-8:

Abb. III.1.1.1-8: Ermittlung des Oberwassereinflusses auf die Wasserstände im HN-Modell (aus: BAW-DH 2001)

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Auf Grundlage derartiger Modellergebnisse der BAW (vgl. BAW-DH, 2001; BAW-DH, 2002 und BAW-DH, 1999) werden die Einflüsse des Oberwassers auf die Wasserstände der Tideelbe wie in Tabelle III.1.1.1-2 bestimmt. Der Einfluss des Oberwassers auf die Wasserstände ist im oberen Teil des Ästuars naturgemäß am größten und nimmt stromab ab. Diese Werte stimmen im Übrigen gut mit den in der Literatur veröffentlichten Angaben überein, die auf empirisch-statistischem Wege ermittelt wurden (z. B. SIEFERT und JENSEN, 1993; STROM- UND HAFENBAU und WSA HAMBURG, 1996).

Ein Beispiel für eine Normierung einer Wasserstands-Zeitreihe auf mittlere Abflussverhältnisse zeigt Abbildung III.1.1.1-9 am Beispiel der monatlichen MTnw-Werte des Pegels Zollenspieker von November 1993 bis Oktober 1996. Bei niedrigen Abflüssen (unter dem langjährigen Mittelwert von rd. 700 m³/s) werden die gemessenen Wasserstände gemäß den Faktoren in Tabelle III.1.1.1-2 nach "oben" korrigiert, während sie bei hohen Abflüssen (>700 m³/s) entsprechend nach unten gesetzt werden. Die um den Oberwassereinfluss bereinigte Wasserstandsganglinie enthält somit einen ausgeglicheneren Verlauf.

Tab. III.1.1.1-2: Einfluss des Oberwassers auf die Wasserstände in der Tideelbe (Quelle: BAW-DH 2001, BAW-DH 2002, BAW-DH 1999)

Pegel Elbe-km Einfluss des Oberwassers
je 100 m³/s je 100 m³/s
Tnw (cm) Thw (cm)
Zollenspieker km 598,2 15,0 5,5
St. Pauli km 623,1 2,0 1,0
Schulau km 641,0 1,3 0,9
Stadersand km 654,8 0,9 0,8
Brokdorf km 684,2 0,5 0,4
Brunsbüttel km 695,5 0,4 0,3
Cuxhaven km 724,0 0,2 0,1

Abb. III.1.1.1-9: Monatliches MTnw Zollenspieker mit und ohne Oberwasser-Bereinigung

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Die um den Oberwassereinfluss bereinigten MTnw- bzw. MThw-Differenzen zwischen einem Elbe-Pegel und dem Referenzpegel Helgoland erlauben bezüglich einer Interpretation der Wasserstandsentwicklung in der Tideelbe weitergehende Rückschlüsse als die bloße Betrachtung "roher" Wasserstandszeitreihen. Durch eine solche Aufbereitung werden wesentliche "externe" Einflussgrößen aus den Daten beseitigt, so dass so gewonnene Zeitreihen die Entwicklungen und Veränderungen in der Elbe selbst präziser widerspiegeln. Allerdings kann auch auf Grundlage einer solchen Aufbereitung nur bedingt darauf geschlossen werden, ob eine beobachtete Entwicklung von Elbe-spezifischen Wasserständen auf anthropogene Vorgänge im Ästuar oder aber auf natürliche Einflüsse (z. B. lokale morphologische Veränderungen oder Wechselwirkungen zwischen Tide und Oberwasser) zurückzuführen sind. Gleichwohl liefert eine solche Analyse zugleich eine gut geeignete Grundlage für die Bestimmung des Referenzzeitraums für die Schwellenwertbetrachtung (vgl. Kap. III.1.1.1.1).

Die aufbereiteten Daten zeigen beispielsweise für die Pegel St. Pauli und Schulau seit 1980 das in Abbildung III.1.1.1-10 dargestellte Bild.

Abb. III.1.1.1-10: Um den Oberwassereinfluss normierte jährliche MTnw- und MThw-Differenzen zwischen St. Pauli und Helgoland sowie Schulau und Helgoland seit 1980 (3-jährige übergreifende Mittel)

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Die bereinigten MThw-Differenzen sind an beiden Pegeln seit Jahren recht konstant und schwanken nur um wenige Zentimeter. Offenbar ist also der in Abbildung III.1.1.1-3 und III.1.1.1-5 erkennbare Anstieg des MThw seit 1980 gänzlich auf Nordsee-Einflüsse (Stichwort: säkularer Meeresspiegelanstieg) zurückzuführen. Ein Anstieg durch die jüngste Fahrrinnenanpassung (1999) ist bislang nicht zu verzeichnen.

Die bereinigten MTnw-Differenzen zeigen dagegen ein anderes Verhalten: Das Niedrigwasser unterliegt in St. Pauli einer deutlich abnehmenden Tendenz, seit 1980 über 25 cm, im Mittel also >1 cm/Jahr. Auch in Schulau zeigt sich ein - allerdings schwächer ausgeprägter - Absunk. Die bereits in Abbildung III.1.1.1-4 und III.1.1.1-6 gezeigten Absink-Tendenzen des Tideniedrigwassers sind also - nahezu in der gleichen Größenordnung - auch in obiger Abbildung III.1.1.1-10 zu erkennen. Das heißt, dass die jüngere Entwicklung des Niedrigwassers der Tideelbe augenscheinlich in erster Linie durch Entwicklungen im Ästuar gesteuert wird. Dieser Befund ist zunächst bemerkenswert, da in diesem Zeitraum - bis zum Beginn der letzten Fahrrinnenanpassung in 1999 - keine nennenswerten baulichen Eingriffe im Tideregime der Unterelbe stattfanden, die ursächlich für diese Entwicklung sein könnten. Gegen den Einfluss einzelner Baumaßnahmen spricht auch die Tatsache, dass es sich augenscheinlich um einen konstanten, lang anhaltenden Trend ohne größere Sprünge und Schwankungen handelt.

Erste Erklärungsansätze für dieses Phänomen, die umfängliche morphologische Umlagerungsvorgänge im Außenelbegebiet (vor allem im Bereich der Medemrinne) als eine wesentliche Ursache ansehen, haben sich mittlerweile bestätigt. So führt die Bundesanstalt für Wasserbau (BAW)(2001) zu diesem Thema aus:

"Die Medemrinne hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte aufgeweitet und nach Norden verlagert. [Abb. 3] zeigt am Beispiel der Tiefenänderungen die Dimension dieses Prozesses. Mit der zunehmenden Leistungsfähigkeit der Medemrinne, die insbesondere ebbstromorientiert wirksam ist, ist auch eine Absenkung der Tideniedrigwasserstände in der Tideelbe eingetreten.

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Die morphodynamische Entwicklung der Medemrinne ist nicht durch die Fahrrinnenausbaumaßnahmen bedingt. Durch die Vertiefung der Fahrrinne der Elbe wird die hydraulische Leistungsfähigkeit des Hauptquerschnittes gestärkt mit der Folge, dass der Durchfluss der Medemrinne schrumpft. Die morphodynamische Entwicklung der Medemrinne verdeutlicht, dass die natürlichen Gestaltungsvorgänge (Gezeiten, Seegang und Sturmfluten) im Elbmündungsgebiet dominant sind und die Wirkungen der Fahrrinnenvertiefungen überdeckt werden." (BAW/DH 2001, S. 6)

Festzuhalten ist in jedem Fall, dass im Gegensatz zum MThw bezüglich des MTnw in großen Teilen der Unterelbe schon weit vor der letzten Fahrrinnenanpassung kein stabiler hydrologischer Zustand vorgelegen hat. Die absinkende Tendenz des MTnw hält bis dato an. Ob und in welchem Maße die jüngste Fahrrinnenanpassung zu einer Zunahme dieses Trends beiträgt oder beigetragen hat, soll im Folgenden abgeschätzt werden. Dazu werden in den Abbildung III.1.1.1-11 bis III.1.1.1-14 die monatlichen oberwassernormierten MThw-Differenzen sowie in den Abbildung III.1.1.1-15 bis III.1.1.1-18 die monatlichen oberwassernormierten MTnw-Differenzen zwischen dem Referenzpegel Helgoland und den Pegeln

  • Brunsbüttel
  • Stadersand
  • Schulau und
  • St. Pauli

von 1986 bis einschließlich 2002 dargestellt. Der farblich hinterlegte Balken in den Graphiken zeigt jeweils den Zeitraum der Haupt-Baggerarbeiten der letzten Fahrrinnenanpassung (Februar bis Dezember 1999) an.

Bei den Abbildungen III.1.1.1-11 bis III.1.1.1-14 ist zunächst erwähnenswert, dass sich die Amplituden der monatlichen Schwankungen des mittleren Tidehochwassers im Laufe der letzten 17 Jahre scheinbar vergrößert haben; an allen Pegeln ist ab etwa Anfang der 1990er Jahre eine solche Vergrößerung erkennbar, die bemerkenswert sprunghaft eingetreten ist. Ansonsten zeigen die Abbildungen für das MThw das bereits aus Abbildung III.1.1.1-10 bekannte Bild: An keinem betrachteten Pegel der Tideelbe ist in den letzten 17 Jahren eine nennenswerte Erhöhung des Hochwassers zu verzeichnen gewesen. Zumeist ist die Entwicklung bemerkenswert stabil, teilweise ist sogar ein schwaches Absinken des Hochwassers zu verzeichnen. Eine ausbaubedingte Erhöhung des Tidehochwassers durch die letzte Fahrrinnenanpassung in 1999 ist an keinem Pegel zu erkennen.

Demgegenüber zeigen die Abbildungen III.1.1.1-15 bis III.1.1.1-18 für das MTnw eine differenzierte Entwicklung. So ist am Pegel Brunsbüttel Ende der 1980er/Anfang der 1990er-Jahre ein sprunghafter Anstieg des Niedrigwassers zu verzeichnen. Seitdem verläuft es recht konstant ohne nennenswerte Sprünge und Trendwechsel. In Stadersand, Schulau und St. Pauli war der Trend über den Betrachtungszeitraum hinweg negativ, wobei die Entwicklung in St. Pauli am deutlichsten ausgeprägt ist. Hier zeigt sich auch ein erkennbarer Sprung im Trend, der zeitlich eng mit dem letzten Fahrrinnenausbau übereinstimmt. Abbildung III.1.1.1-19 verdeutlicht diese Entwicklung am Pegel St. Pauli durch die zusätzliche Darstellung der separaten Trendlinien bis vor dem Ausbau (blau) und nach dem Ausbau (rot). Hier zeigt sich offenbar eine Ausbauwirkung: Nach den Hauptarbeiten zur Fahrrinnenanpassung (also ab Januar 2000) verläuft die Ausgleichsgerade auf einem erkennbar niedrigeren Niveau, weist aber fast exakt die gleiche Neigung auf wie die Trendlinie vor dem Ausbau. Allerdings muss der erkennbare Effekt nicht zwangsläufig gänzlich auf die Fahrrinnenanpassung zurückzuführen sein, da im gleichen Zeitraum andere bauliche Maßnahmen an der Tideelbe - insbesondere im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke - stattgefunden haben.

Die auffallend unterschiedliche Entwicklung von Tidehoch- und Niedrigwasser in der Unterelbe wird noch mal auf den Abbildungen III.1.1.1-20 und III.1.1.1-21 anhand der oberwasserbereinigten Differenzen zwischen St. Pauli und Stadersand (hier ausnahmsweise einmal als "Referenzpegel" verwendet) veranschaulicht. Während die Niedrigwasserentwicklung durch einen lang anhaltenden Absunk und einen sehr markanten Sprung während des 1999er Fahrrinnenausbaus gekennzeichnet ist (III.1.1.1-20) verläuft das Tidehochwasser wiederum sehr stabil und zeigt offenbar keine Reaktion auf den jüngsten Fahrrinnenausbau (oder andere Vorgänge).9

Die gemäß Planfeststellungsbeschluss durchzuführende Schwellenwertbetrachtung zu möglichen ausbaubedingten Änderungen der Tidewasserstände (Verfahren nach NIEMEYER, 1995) wird für alle Elbepegel im Kapitel III.1.1.1.1 vorgenommen.

Abb. III.1.1.1-11: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MThw-Differenzen zwischen Brunsbüttel und Helgoland seit 1985

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Abb. III.1.1.1-12: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MThw-Differenzen zwischen Stadersand und Helgoland seit 1985

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Abb. III.1.1.1-13: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MThw-Differenzen zwischen Schulau und Helgoland seit 1985

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Abb. III.1.1.1-14: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MThw-Differenzen zwischen St. Pauli und Helgoland seit 1985

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Abb. III.1.1.1-15: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MTnw-Differenzen zwischen Brunsbüttel und Helgoland seit 1985

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Abb. III.1.1.1-16: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MTnw-Differenzen zwischen Stadersand und Helgoland seit 1985

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Abb. III.1.1.1-17: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MTnw-Differenzen zwischen Schulau und Helgoland seit 1985

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Abb. III.1.1.1-18: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MTnw-Differenzen zwischen St. Pauli und Helgoland seit 1985

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Abb. III.1.1.1-19: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MTnw-Differenzen zwischen St. Pauli und Helgoland seit 1985 (mit Abschätzung der Ausbauwirkung)

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Abb. III.1.1.1-20: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MTnw-Differenzen zwischen St. Pauli und Stadersand seit 1985

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Abb. III.1.1.1-21: Um den Oberwassereinfluss normierte monatliche MThw-Differenzen zwischen St. Pauli und Stadersand seit 1985

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Entwicklung des Tideverlaufs

Neben der Analyse der Veränderung von mittleren Tidescheitelwerten ist im Rahmen der Beweissicherung auch die Entwicklung des Ablaufs der gesamten Tide von Interesse.

In Abbildung III.1.1.1-22 sind die mittleren Tidekurven des Pegels St. Pauli für die Jahre 1998, 1999, 2000, 2001 und 2002 übereinander gezeichnet. Zur besseren Unterscheidung der einzelnen Kurvenverläufe wurden die Tideniedrigwasserhöhen auf ein einheitliches Niveau von 350 cm PN (= NN -150 cm) bezogen. Wie beschrieben, haben sich die Scheitelwerte Thw und Tnw in diesem Zeitraum nur geringfügig verändert. Augenfällig ist allerdings eine Veränderung des Tideverlaufs in der Flutphase: Hier zeichnet sich eine Aufsteilung des - ohnehin schon recht steil ausgeprägten - Flutastes bei den Tidekurven für die Jahre 2000 und 2001 ab. Die mittlere Tidekurve des Jahres 2002 bestätigt diesen Trend allerdings nicht - sie verläuft deutlich flacher als die Kurven der vorangegangenen Jahre, was wahrscheinlich auf die außergewöhnlichen Oberwasserabflussverhältnisse des Jahres 2002 zurückzuführen ist.

Dennoch ist es von großer Wichtigkeit, die Veränderungen des Tideverlaufs weiter zu beobachten, da dies vor allem in Bezug auf Sedimenttransportvorgänge im Elbeästuar von besonderer Bedeutung sein kann. Die Bundesanstalt für Wasserbau (2001) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass "durch eine Fahrrinnenvertiefung grundsätzlich der Flutast aufgesteilt und damit der Stromauf-Transport der Sedimente (Sedimenttransport und suspendierter Transport) verstärkt wird. Die Folge kann ein drastischer Anstieg der Unterhaltungsbaggermengen in der Fahrrinne aber auch im Hamburger Hafen (Senke) sein" (BAW/DH 2001, S. 2).

Inwieweit vor diesem Hintergrund die beschriebenen Veränderungen des Tideverlaufs zu der im Kapitel A.1.8.2 des Anlagebandes erwähnten Erhöhung der Unterhaltungsaufwendungen im Hamburger Hafen im Jahre 2000 und 2001 beigetragen haben, bedarf einer gesonderten Betrachtung.

Abb. III.1.1.1-22: Mittlere Tidekurven St. Pauli 1998, 1999, 2000, 2001 und 2002 (bezogen auf ein einheitliches Tnw von 350 cm PN; erste Flutphase)

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Sturmfluten

Die hydronumerischen Modellrechnungen im Rahmen der UVU ergaben, dass Sturmflutscheitelhöhen durch den Fahrrinnenausbau kaum verändert werden. So wurde für die Tideelbe ein ausbaubedingtes Ansteigen der Hochwasserstände bei "normalen" schweren Sturmfluten um maximal 2,5 cm berechnet, bei der extremen Bemessungssturmflut sogar nur um rund 1 cm (Abb. III.1.1.1-23).

Abb. III.1.1.1-23: UVU-Prognose der ausbaubedingten Wasserstandsänderungen bei Sturmfluten

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Grundsätzlich gilt: Je höher ein Hochwasser aufläuft, desto geringer ist die durch einen Fahrrinnenausbau bedingte Wasserstandsänderung, denn: Je höher eine Sturmflut aufläuft, desto größer wird der durchströmte Querschnitt des Flusses, desto relativ kleiner wird gleichzeitig aber auch der Einfluss der Vertiefung an der Gewässersohle der Fahrrinne. Aus diesem Grunde ergeben sich bei mittleren Tideverhältnissen prinzipiell größere ausbaubedingte Wasserstandsänderungen als bei Sturmfluten. Dies gilt nach den UVU-Modelluntersuchungen auch für andere Parameter:

"Zusammenfassend ist festzustellen, dass die ausbaubedingten Erhöhungen der Sturmflutscheitelwasserstände deutlich geringere Werte erreichen als bei mittleren Tidebedingungen (Nipp-Spring-Zyklen). Bei höheren Sturmflutwasserständen ist ein deutlich größerer Durchflussquerschnitt wirksam, so dass sich die ausbaubedingte Querschnittserweiterung an der Fahrrinnensohle in geringerem Maße auswirkt als bei mittleren Tideverhältnissen. Die ausbaubedingten Änderungen der Sturmflutverläufe sind so gering, dass sich die Wasserstandsverweildauern bezogen auf Höhenhorizonte NN + 2 m bis NN + 6 m nur um wenige Minuten ändern (Zunahmen bis 5 Minuten, Abnahmen bis rd. 9 Minuten). Für die Bemessungssturmflut ergeben sich maximale Verweildauerzunahmen von + 1,5 Minuten. Diese Veränderungen sind so gering, dass der Betrieb der Sperrwerke nicht geändert werden muss. Auswirkungen auf die Nebenflüsse und dahinter liegenden Überschwemmungsgebiete sind nicht zu erwarten."

(Quelle: BAW-DH: UVU zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe; Zusammenfassendes Gutachten Hydromechanik. Hamburg 1996, S. 54)

Die Ermittlung möglicher ausbaubedingter Wasserstandsänderungen bei Sturmfluten nach dem gemäß Planfeststellungsbeschluss zu verwendenden Verfahren von NIEMEYER (1997) wurde bislang aufgrund fehlender Datengrundlagen (unzureichende Anzahl von Sturmfluten im Zeitraum nach der Fahrrinnenanpassung; siehe auch Kap. III.1.1.1.2) nicht durchgeführt.

Die in den Kapiteln III.1.1.1 und III.1.1.1.1 dargelegte Ermittlung der eingetretenen ausbaubedingten Thw-Änderungen bei mittleren Tideverhältnissen zeigt jedoch, dass beim Tidehochwasser bislang keine nachweisbare Reaktion auf den jüngsten Fahrrinnenausbau zu verzeichnen ist. Da ausbaubedingte Wasserstandserhöhungen bei Sturmfluten aber generell geringere Werte erreichen als bei mittleren Tidebedingungen, kann gefolgert werden, dass auch die Sturmflutscheitelwasserstände durch den jüngsten Fahrrinnenausbau nicht erhöht worden sind.