Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

5.2.1 Schutzgut Tiere und Pflanzen - aquatische und terrestrische Lebensgemeinschaften

5.2.1.1 Ist-Zustand

Die Ausprägung des Schutzgutes Tiere und Pflanzen im Untersuchungsgebiet wird natürlicherweise durch die besonderen Gegebenheiten des Tideästuars bestimmt. Die wesentlichen prägenden Faktoren hierbei sind:

  • Tidedynamik,
  • Salzgehalt und
  • Relief.

Diese Faktoren bedingen eine deutliche Gliederung der Lebensbedingungen im Untersuchungsgebiet, die wiederum zu einer Gliederung der Lebensgemeinschaften führt. Zum einen wird das Untersuchungsgebiet in Längsrichtung durch den in Richtung auf die Nordsee zunehmenden Salzgehalt in verschiedene Bereiche gegliedert, die sich mit der Tidedynamik permanent verlagern. Zum anderen führen die, bedingt durch die Tidedynamik, stark schwankenden Wasserstände dazu, daß sich das Gebiet untergliedert in:

  • Bereiche aperiodischer Überflutungen (Überschwemmungsflächen),
  • Bereiche periodischer Überflutungen (Wattflächen) und
  • Bereiche permanenter Wasserbedeckung (Wasserflächen).

Diese Gliederung verläuft quer zur Hauptachse der Elbe (und der Nebenflüsse).

Die Abbildung 14 zeigt in stark vereinfachter Form den Zusammenhang dieser Faktoren mit den zugehörigen natürlichen Lebensgemeinschaften und ihre relative Lage im Untersuchungsgebiet. Insgesamt ist das Untersuchungsgebiet ein System, das in seiner natürlichen Ausprägung durch eine starke Dynamik gekennzeichnet ist. Deshalb sind die Grenzen der oben skizzierten Gliederung aufgrund der großen dynamischen Variabilität der bestimmenden Faktoren fließend. Exakte Abgrenzungen sind in der Realität nicht zu erkennen. Die Lebensgemeinschaften werden darüber hinaus wesentlich durch die jeweilige Nutzung der Flächen geprägt. In Abhängigkeit von diesen Parametern läßt sich folgende Zonierung entlang der Elbe erkennen:

  • Der Bereich oberhalb des Hamburger Hafens ist charakterisiert durch Süßwasser und das Vorkommen von Pflanzenarten aus dem kontinental geprägten Bereich der mittleren Elbe.
  • Der Bereich des Hamburger Hafens ist stark durch Nutzungen überprägt.
  • Unterhalb Hamburgs bis etwa Glückstadt wirkt sich der zunehmende Brackwassereinfluß noch nicht erkennbar auf die terrestrischen Lebensgemeinschaften aus. Die aquatischen Lebensgemeinschaften werden jedoch etwa ab Lühesand durch den zeitweiligen Salzeinfluß geprägt.
  • Unterhalb Glückstadts schließt sich der deutlich durch Brackwasser beeinflußte Bereich an.
  • Das äußere Ästuar schließlich ist am Nordufer etwa ab Neufeld und am Südufer ab Cuxhaven dem Wattenmeer zuzurechnen.

Abb. 14: Räumliche Verteilung der natürlichen Lebensgemeinschaften des Untersuchungsgebietes in Abhängigkeit von wichtigen Standortfaktoren (schematisch)

Pflanzen

Zur Beschreibung der Pflanzenwelt des Untersuchungsgebietes wurden Untersuchungen zu den beiden pflanzlichen Artengruppen der im Wasser lebenden (aquatischen) Lebensgemeinschaften sowie zu den Biotoptypen und ausgewählten, besonders typischen Artengruppen der im Uferbereich und an Land (terrestrischer Bereich) lebenden Pflanzen durchgeführt.

Folgende Artengruppen wurden zur Erfassung der im Wasser lebenden pflanzlichen Organismen untersucht:

  • Phytobenthos (Lebensgemeinschaft der am Gewässerboden lebenden Algen) und
  • Phytoplankton (Lebensgemeinschaft der frei im Wasser schwebenden Algen).

Zur Erfassung der im Uferbereich und an Land lebenden Pflanzen wurden folgende Lebensraumtypen und Artengruppen untersucht

  • Biotoptypen
  • gefährdete Pflanzenarten und
  • Stromtalmoose.

Die flächendeckende Biotoptypenkartierung bildet die Basis der durchgeführten Untersuchungen im terrestrischen Bereich des Untersuchungsgebietes. Auf dieser Grundlage wurde in der UVS eine "Zusammenfassende Darstellung der Biotoptypen" im Maßstab 1.25.000 erstellt (Karte 7.4 - 2 der UVS) (vgl. beispielhaft Abb. 15). In Tabelle 6 werden die durchgeführten Untersuchungen zu den Pflanzen des Untersuchungsgebietes und deren Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.

Tab. 6: Zusammengefaßte Ergebnisdarstellung der Untersuchungen zu den Pflanzen

  Untersuchungsinhalt Ergebnis
Pflanzen im aquatischen Bereich
Phytobenthos Auswertung verfügbarer Literatur
  1. Bisher sind in der Tideelbe insgesamt 152 Arten / Taxa nachgewiesen worden. Die Kieselalgen stellen dabei neben den Blaualgen den weitaus größten Teil dieser Lebensgemeinschaft.
  2. Neben den Salzgehalt beeinflußt der Sedimentcharakter die Ausprägung dieser Lebensgemeinschaft.
  3. Das Phytobenthos ist in seiner Ausbreitung auf die ufernahen Bereiche (Watt, Flachwasser) beschränkt, da die Lichtversorgung in größerer Wassertiefe keine Photosynthese mehr ermöglicht. Es entwickelt seine Hauptaktivitäten bei Tideniedrigwasser und ist ein wesentlicher Sauerstofflieferant der Wattflächen.
  4. Die Produktion und Biomasse des Phytobenthos ist in der unteren limnischen Region und (im Gegensatz zum Phytoplankton) im Brackwasserbereich besonders hoch. In diesem Bereich sind daher die Wattflächen für die Primärproduktion von großer Bedeutung.
Phytoplankton
  1. o Auswertung verfügbarer Literaturo Beprobung des Chlorophylls zur Erfassung der Biomasse des Phytoplanktons auf einem Längsschnitt mit 16 Probenahmenstellen in jeweils zwei Tiefen im Frühling, Sommer und Herbst 1993 sowie auf zwei Querschnitten (Lühesand und Pagensand) mit jeweils 4 Probenahmen monatlich (Mai - Dezember 1993) in zwei Tiefen.
  1. Das Phytoplankton der Tideelbe ist sehr artenreich (bis zu 390 Phytoplankton-Taxa). Je nach Jahreszeit besteht das Phytoplankton hauptsächlich aus Kiesel-, Grün- und Blaualgen.
  2. Die Artenzusammensetzung des Phytoplanktons wird in der Tideelbe vom Salzgehalt geprägt. Grünalgen (hauptsächlich koloniebildende Formen) beschränken sich z.B. weitgehend auf den limnischen Bereich, wobei sie eine geringe Erhöhung des Salzgehaltes ertragen. Sie stellen Indikatoren für Süßwassereinfluß dar.
  3. Gegenwärtig ist die Biomasse des Phytoplanktons in der limnischen Zone des Ästuars oberhalb des Hamburger Hafens am höchsten.
  4. Im Hamburger Hafen kommt es zu Sedimentationsprozessen. Hierbei wird ein erheblicher Anteil des Phytoplanktons irreversibel geschädigt. Im Hamburger Hafen und unterhalb von Hamburg findet ein hoher Chlorophyll-Abbau mit erhöhtem Sauerstoffverbrauch durch den Abbau von Primärproduzenten statt. Im Bereich der maximalen Trübung werden die meisten toten Algenzellen und die niedrigsten Chlorophyllwerte gefunden. Erst im Bereich der Außenelbe kann aufgrund eines günstigeren Lichtklimas wieder eine bessere Primärproduktion erfolgen, die aber nicht die Werte der oberen Tideelbe erreicht.
  5. Die gut belichteten Flachwassergebiete vor und auf den Watten und in den Nebenelben sind für den Populationserhalt des Phytoplanktons besonders wichtig.
Pflanzen im terrestrischen Bereich
Biotoptypen Flächendeckende Biotoptypenkartierung im Maßstab 1:5.000

- Kartierzeitraum 1993-1996/97 (Schwerpunkt der Kartierungen in 1994)

- Kartierung entsprechend dem niedersächsischen Kartierschlüssel für Biotoptypen

- in Teilbereichen Übernahme verfügbarer aktueller Kartierungen

  1. Es wurden insgesamt ca. 200 Biotoptypen kartiert.
  2. Wichtigste Biotopstrukturen des Untersuchungsgebietes sind Auwälder, Weidenauengebüsche, Röhrichte, Salzwiesen, Wattflächen, Grünland, Sand-Magerrasen und Ruderalfluren.
  3. Insbesondere die Biotoptypen der naturnahen Uferbereiche wie Auwälder, Weidenauengebüsche, Röhrichte, Salzwiesen, naturnahe Marschpriele, Wattflächen, naturnahe Sandstrände und Dünen sowie Magerrasen wurden überwiegend als wertvoll bis sehr wertvoll für den Naturhaushalt eingestuft.
  4. Die Kartierung ergab einen ungewöhnlich großen Flächenanteil besonders geschützter Biotope im Untersuchungsgebiet (ca. 40% der Gesamtfläche, ca. 30% der Gesamtfläche der landseitigen Biotopstrukturen).
Gefährdete Pflanzenarten Flächendeckende Kartierung der gefährdeten Pflanzenarten durch mehrmalige Begehung des gesamten Untersuchungsgebietes
  1. Insgesamt konnten 184 gefährdete Pflanzenarten gefunden werden.
  2. Viele der ursprünglich im Untersuchungsgebiet vorkommenden Arten konnten noch nachgewiesen werden (z.T. jedoch nur noch in geringen Stückzahlen).
  3. Die Arten höherer Gefährdung konzentrieren sich auf wenige Gebiete (z.B. Mündungstrichter der Ilmenau und die Elbinseln).
  4. Im Untersuchungsgebiet findet sich an wenigen Stellen noch der endemische, d.h. weltweit nur hier vorkommende und vom Aussterben bedrohte Schierlings-Wasserfenchel.
Stromtalmoose Kartierung der lebensraumtypischen Stromtalmoose auf Hartsubstraten (z.B. Steinschüttungen) in ausgewählten Bereichen
  1. Begehung der insgesamt 28 Untersuchungsflächen auf einer Länge von 50 m befestigter Uferkante
  2. zusätzliche Auswertung verfügbarer Unterlagen
  • Im Untersuchungsgebiet konnte eine große Zahl (18) charakteristischer Elbtalmoose nachgewiesen werden.
    Alle Stromtalmoose gelten heute zumindest als gefährdet, viele als stark gefährdet oder akut vom Aussterben bedroht.
  • V.a. ältere Deckwerke mit weichkantiger Natursteinschüttung sind als Lebensraum für Moose von besonderer Bedeutung.
  • Als Lebensraum besonders ungeeignet sind v.a. die in jüngster Zeit häufig verbauten, scharfkantigen Industrieschlacken mit oder ohne Asphaltüberguß.

 

Abb. 15: Teilausschnitt der flächendeckenden Biotoptypenkartierung

Tiere

Zur Beschreibung der Tierwelt wurden repräsentative Tiergruppen ausgewählt, die für die untersuchten Lebensräume besonders typisch sind und damit Indikatoren für die lebensräumlichen Bedingungen darstellen. Die untersuchten Tiergruppen spiegeln eine Vielzahl qualitativer, räumlicher und zeitlicher Lebensraumansprüche wider, deren Analyse eine tierökologische Gesamtbewertung des Untersuchungsgebietes ermöglicht.

Zur Erfassung der im Wasser (aquatischer Bereich) sowie im Uferbereich und an Land (terrestrischer Bereich) lebenden Tiere wurden folgende Artengruppen untersucht

  • Zoobenthos (Lebensgemeinschaft der am oder im Gewässerboden lebenden Tiere),
  • Zooplankton (Lebensgemeinschaft der frei im Wasser schwebenden Tiere),
  • Fische,
  • Seehunde,
  • Brutvögel,
  • Rastvögel,
  • mausernde Eider- und Brandenten,
  • Nacht- und Kleinschmetterlinge sowie
  • uferberwohnende Käfer.

Der Schwerpunkt der Untersuchungen zur aquatischen Tierwelt liegt in der Bearbeitung des Zoobenthos, da die geplante Maßnahme direkt in deren Lebensraum (Gewässerboden) eingreift und diese Organismengruppe durch ihre substratgebundene Lebensweise am besten geeignet ist, Veränderungen anzuzeigen. Daneben wurden auch die Lebensgemeinschaften Zooplankton und Fische untersucht, um die aquatischen Lebensgemeinschaft insgesamt zu erfassen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen zur terrestrischen Tierwelt stehen die Vögel, weil die terrestrischen Außendeichsflächen aufgrund ihrer hohen Produktivität für diese Tiergruppe eine besondere Bedeutung als Jahres-, Brut-, Durchzugs-, Rast-, Mauser- und Überwinterungslebensraum haben. Begutachtet wurde insbesondere die Situation der Brutvögel, Rastvögel und mausernden Eider- und Brandenten. Seehunde wurden aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber Lage- und Größenveränderungen von Sandbänken und Verschiebungen im aquatischen Nahrungsangebot ausgewählt. Als typische Wirbellose der Außendeichsflächen und kleinräumig spezialisierte Bewohner der Röhrichte, Naßwiesen und Spülsäume wurden außerdem Nacht- und Kleinschmetterlinge sowie spülsaumgebundene Käfer untersucht.

In Tabelle 7 werden die durchgeführten Untersuchungen zu den Tieren des Untersuchungsgebietes und deren Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.

Tab. 7: Zusammengefaßte Ergebnisdarstellung der Untersuchungen für die Tiere

  Untersuchungsinhalt Ergebnis
Tiere im aquatischen Bereich
Zoobenthos
  1. Drei Querschnitte oberhalb Hamburgs mit Beprobungen im Frühjahr und Herbst 1993 an je drei bis vier Probestellen,
  2. zwei Querschnitte (Lühesand, Pagensand) mit monatlichen Beprobungen (Mai- Dezember 1993) an je 10 Probestellen,
  3. ein Längsschnitt (Ostemündung bis Scharhörn) mit Beprobungen im Frühjahr und Herbst 1993 an 15 Probestellen,
  4. einmalige Beprobung von 16 Klappstellen an je bis zu 5 Probestellen zwischen 1993 und 1995,
  5. Probeahmen in drei Fahrrinnenbereichen unterschiedlicher Baggerintensität mit je bis zu 5 Probestellen 1994 und
  6. für 7 Nebenflüsse (Este, Lühe, Schwinge, Oste, Pinnau, Krückau, Stör) Längsschnittbeprobungen im Frühjahr und Herbst 1993 an je 5 Probestellen. Für die Ilmenau wurden entsprechende Untersuchungen 1996 durchgeführt.
  7. für 4 Nebengewässer (Bützflether Süderelbe, Ruthenstrom, Wischhafener Süderelbe, Freiburger Hafenpriel) einmalige Beprobung an 2 bzw. 4 Probenahmestellen im Mai 1997.
  1. Insgesamt konnten 110 Taxa aus der Gemeinschaft der wirbellosen Fauna des Gewässerbodens im Flach- bis Tiefwasserbereich des Untersuchungsgebietes nachgewiesen werden. Davon kommen 51 Taxa in der Außenelbe und 74 Taxa in der Unterelbe vor.
  2. Die unterschiedlichen hydrologischen Verhältnisse, insbesondere der Salzgehalt, führen zu einer deutlichen Differenzierung der aquatischen Lebensraumbedingungen und damit der Artenzusammensetzung.
  3. Das Zoobenthos der Unterelbe und der oberen Tideelbe kann als verarmt bezeichnet werden - dies betrifft in erster Linie Muscheln und Schnecken. Auch die Artenvielfalt der Außenelbe ist im historischen Vergleich rückläufig. Charakteristisch für den Ist-Zustand sind Organismen, die sich den veränderten Lebensbedingungen (anthropogene Überformung) optimal angepaßt haben.
  4. Besonders betrachtet wurde die Fahrrinne als der von der geplanten Maßnahme am intensivsten betroffene Bereich. Die Ergebnisse belegen eine durchgängige Besiedlung der Fahrrinne mit Zoobenthosorganismen. Die wirbellose Bodenfauna in der Fahrrinne setzt sich aus Populationen zusammen, die den extremen Randbedingungen (z.B. hohe Strömungsgeschwindigkeiten und Lageunbeständigkeit des Sohlenmaterials) gut angepaßt sind.
  5. Die Auswertung der Benthosprobenahmen zeigt die Bedeutung der Fahrrinne als Siedlungsraum für Opportunisten, aber auch Spezialisten, die sich durchsetzen können, da es an Konkurrenten fehlt.
Zooplankton Auswertung verfügbarer Literatur
  • In der Tideelbe sind weit mehr als 250 Zooplanktonarten vertreten. Die Zooplanktongemeinschaft der Tideelbe ist qualitativ nicht verarmt, sondern repäsentiert eine stabile Lebensgemeinschaft. Das Zooplankton setzt sich im wesentlichen aus den Tiergruppen der Rädertiere, Blatt- und Ruderfußkrebse zusammen.
  • Das Artenspektrum verschiebt sich im Längsschnitt von einem rein marinen zu einem limnischen. Im Übergangsbereich dominieren Formen, die an die besonderen Verhältnisse im Brackwasser angepaßt sind.
  • Die höchsten Individuenzahlen und die größte Biomasse des Zooplanktons werden im limnischen Bereich der Elbe unterhalb Hamburgs beobachtet.
  • Die in der gesamten Unterelbe in hohen Individuenzahlen auftretende Ruderfuß- und Spaltfußkrebse stellen eine entscheidende Nahrungsgrundlage für die Elbfische dar.
Fische Auswertung der umfangreichen vorliegenden Literatur
  • In der Tideelbe kann gegenwärtig von einem Arteninventar von 76 Fischarten ausgegangen werden. Unter den nachgewiesenen Fischarten befinden sich 31 Süßwasserarten, 35 Arten von Meeresfischen und 10 Brackwasserarten.
  • 69 Arten gehören zu den einheimischen und sieben zu den eingebürgerten oder eingewanderten Fischarten.
  • Sehr häufig treten Stint, Kaulbarsch und Flunder in der Tideelbe auf. Die Vorkommen von Aal, Dreistachligem Stichling, Finte und Hering sind als häufig zu bezeichnen. 20 weitere Fischarten sind regelmäßig in der Tideelbe anzutreffen, während für weitere 20 Arten die Fundhäufigkeit unter 5% liegt. 29 Fischarten wurden als Einzelfunde bzw. nur in wenigen Exemplaren nachgewiesen.
  • Die Arten Stint, Finte, Flunder und Hering repräsentieren zusammen im Durchschnitt ca. 90% der Individuenzahlen und der Biomasse.
  • Seit 1989 ist eine Zunahme des Gesamtfischbestandes der Tideelbe festzustellen. Dies ist v.a. auf die starke Zunahme der Stintpopulation zurückzuführen, bedingt durch die seit 1990 verbesserten Sauerstoffbedingungen in den Laich- und Aufwuchsgebieten der Stinte.
  • Wichtige Rückzugs- und Aufwuchsgebiete für verschiedene Fischarten sind Flachwasserbereiche wie Mühlenberger Loch, Hahnhöfer- und Lühesander Nebenelbe, der Bereich vor der Este-, Lühe- und Schwingemündung, Haseldorfer Binnenelbe und Ostemündung.
Seehunde
  1. Auswertung der Ergebnisse mehrjähriger Flugzählungen zwischen 1990 und 1995 zur Bestandsabschätzung
  2. ergänzende Geländeuntersuchungen der potentiellen Liegeplätze am Elbufer / an den Elbrändern zwischen Brunsbüttel und Finkenwerder
  1. Bestände mit traditionellen Liegeplätzen und regelmäßiger Fortpflanzung finden sich nur im Wattenmeerteil des Untersuchungsgebietes. Im Sommer werden hier maximal 370 Tiere gezählt. Die wichtigsten Jungtierbänke liegen in der Schatzkammer.
  2. Während der Jahre 1991-1995 lebten im Untersuchungsgebiet etwa 3,6% der gesamten Wattenmeerpopulation.
  3. Im Vergleich zum sonstigen Wattenmeer handelt es sich um das reproduktionsschwächste Gebiet an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Dennoch haben die Bestände in den letzten Jahren überdurchschnittlich zugenommen (Zuwanderung) was vermutlich auf das gute Nahrungsangebot zurückzuführen ist (verhältnismäßig reiche Fischvorkommen).
Tiere im terrestrischen Bereich
Brutvögel
  1. flächendeckende Erfassung der Brutvögel im Untersuchungsgebiet mit Ausnahme des Hamburger Hafens (in Schleswig-Holstein und Hamburg dreimalige Begehung der Flächen, in Niedersachsen sechs Begehungen).
  2. Auswertung vorhandener Daten (sofern methodisch vergleichbar und nicht älter als 5 Jahre).
  3. quantitative Erfassung der gefährdeten und gebietstypischen Brutvögel (insbesondere Arten der Küsten- und Ästuarlebensräume, Arten innerhalb von Küstenvogelkolonien)
  1. Insgesamt wurden im Untersuchungsgebiet 110 Brutvogelarten nachgewiesen, darunter Brutvorkommen zahlreicher gefährdeter Vogelarten.
  2. 18 der nachgewiesenen Brutvogelarten werden in mindestens einer der zugrunde gelegten Roten-Listen als vom Aussterben bedrohte Art geführt.
  3. Das Untersuchungsgebiet stellt mit 21 Brutrevieren des weltweit gefährdeten Wachtelkönigs eines der bedeutensten Brutgebiete in der BRD dar.
  4. Im Bereich der Nebenflüsse ist das Spektrum ästuartypischer Vogelarten in hohem Grad durch Sperrwerksbau und enge Eindeichungen beeinträchtigt.
Rastvögel
  1. Auswertung verfügbarer Literatur sowie größtenteils unveröffentlichter Beobachtungsdaten
  2. flächendeckende Bearbeitung des Untersuchungsgebietes
  1. Entlang der Unterelbe befinden sich zahlreiche Flächen mit großer Bedeutung für ziehende Vogelarten. Rastgebiete internationaler Bedeutung sind z.B. die Wedeler- und Haseldorfer Marsch, das Vordeichland St. Margarethen, das Vordeichland zwischen Neufeld und Trischendamm, der Nordkehdinger Außendeich, der Hullen sowie das Mühlenberger Loch und das Hamburger Wattenmeer.
  2. Die Unterelbe ist als Rastgebiet von Bedeutung für Watvögel, pflanzenfressende Enten- und Gänsevögel sowie fischfressende Arten.
  3. Das Ästuar bietet verschiedenen Vogelarten aufgrund seiner langanhaltenden Niedrigwasserphasen einmalig günstige Bedingungen für die Nahrungsaufnahme.
  4. Die Unterelbe zwischen Barnkrug und Otterndorf stellt mit rund 10% des Weltbestandes des Zwergschwanes und etwa 20-30% der an der Nordsee durchziehenden Weißwangengänse einen der bedeutensten Rast- und Überwinterungsplätze an der deutschen Küste dar.
Mausernde Eider- und Brandenten
  1. Auswertung der Eiderenten- und Brandentenzählungen aus den Jahren 1986-1995 (nur Sommermonate)
  2. ergänzende Literaturauswertung zur Bestandsabschätzung zwischen Herbst und Frühjahr
  3. Betrachtungsraum ist ausschließlich das äußere Ästuar der Elbe unterhalb der Ostemündung
  1. Für den Wattenmeerteil des Untersuchungsgebietes wurde ein mittlerer Winterbestand von 5.000 Eiderenten und ein mittlerer Sommerbestand von 6.000 Tieren ermittelt. Mehrere Zählungen erbrachten Bestände von mehr als 10.000 Eiderenten, wodurch dieser Teil des Untersuchungsgebietes als national bedeutendes Mauser- und Überwinterungsgebiet eingestuft wird.
  2. Für die Brandenten hat der betrachtete Teil des Untersuchungsgebietes eine herausragende Bedeutung als Mausergebiet und ist als international bedeutend gemäß Ramsar-Konvention einzustufen. In dem Wattenmeerteil des Untersuchungsgebietes fliegen jährlich bis zu 150.000 Brandenten ein, um dort in den Monaten Juli und August zu mausern (dies entspricht nahezu der Hälfte der nordeuropäischen Population).
Nacht- und Klein-schmetterlinge Kartierung der Nacht- und Kleinschmetterlinge mit Hilfe von Lichtfallen an 42 repräsentativen Standorten entlang der Elbe (1993), ihrer Nebenflüsse und der Zwischendeichsflächen (1994)
  1. Insgesamt konnten 395 Arten nachgewiesen werden.
  2. Die Artenzahlen nehmen an der Elbe und den Nebenflüssen Oste und Stör flußabwärts kontinuierlich zu. Die Standorte südlich der Elbe verfügen im Mittel über höhere Artenzahlen (81 Arten) als das Nordufer (49 Arten).
  3. Wichtige Lebensräume für Nacht- und Kleinschmetterlinge im Untersuchungsgebiet sind Quellerfluren, Sandstrände, Röhrichte, Hochstauden und Krautfluren sowie Auengebüsche und Auwälder.Das gesamte Untersuchungsgebiet ist für nachtaktive Schmetterlinge ein besonders wertvoller Lebensraum von überregionaler Bedeutung.
Uferbewohnende Käfer Untersuchung der Käfer anhand 44 für das Untersuchungsgebiet typischer Fangstellen (wie z.B. Salzwiesen, Grünland, Röhrichte, Marschgräben, Auwälder) zwischen Mai 1993 und Juni 1994, wobei jede Fangstelle mindestens dreimal begangen wurde.
  1. Es konnten im Untersuchungsgebiet insgesamt 583 Käferarten (davon 154 Laufkäfer) nachgewiesen werden, wobei 131 Arten in den Roten Listen von der BRD oder Schleswig-Holstein geführt werden.
  2. Salzwiesen und deren natürliche Abbruchkanten, Röhrichte, Dünen, Spülsäume auf Sand, Auwälder mit oder ohne Tideeinfluß und Wattflächen sind besonders bedeutsame Lebensräume für die Käfer.
  3. Die im Untersuchungsgebiet nachgewiesenen Arten und Artengemeinschaften der Käfer weisen den Unterlauf der Elbe als einen Raum von gesamtstaatlicher Bedeutung aus.

Die Ergebnisse der Untersuchungen dokumentieren eindrucksvoll die große Bedeutung des Untersuchungsgebietes für den Arten- und Biotopschutz. In Abbildung 16 werden abschließend die Bereiche dargestellt, denen nach heutigem Stand des Wissens eine besondere Bedeutung für die aquatischen Lebensgemeinschaften zukommt. Berücksichtigt werden dabei Laich-, Aufwuchs-, Nahrungs- und Rückzugsgebiete sowie Bereiche hoher Primärproduktion, die für einzelne Lebensgemeinschaften bzw. für die aquatischen Lebensgemeinschaften insgesamt von herausragender Bedeutung sind. Diese Bereiche sind aufgrund ihrer besonderen Funktionen für die aquatischen Lebensgemeinschaften besonders empfindlich gegenüber Störungen.

Die in der UVU dokumentierten Untersuchungsergebnisse kennzeichnen das Außendeichsgebiet der Elbe trotz jahrhundertelanger Überformung durch den Menschen als einen Großlebensraum von besonderer Bedeutung für den Naturhaushalt. Insbesondere weist das Untersuchungsgebiet im Vergleich mit den eingedeichten Marschenbereichen noch viele gefährdete Arten und hochwertige Biotoptypen auf. Dies gilt insbesondere für die folgenden sechs Bereiche:

  • Die Auwälder und -gebüsche der Außendeichsflächen. Sie sind überwiegend sehr wertvoll bzw. von hervorragendem Wert für den Arten- und Biotopschutz.
  • Die Küsten-, Brackwasser- und Süßwasserwatten mit und ohne Röhricht oder Queller sind ebenfalls sehr wertvoll bzw. von hervorragendem Wert für den Arten- und Biotopschutz.
  • Die Sandstrände sind, soweit sie nicht als kleine vollkommen vegetationslose Sandflächen vor Uferverbauen im Hafen auftreten, ebenfalls sehr wertvoll.
  • Als Besonderheiten sind alte Mauern im Hamburger Hafen wegen ihrer Moos- bzw. Farnbesiedlung von hervorragendem Wert.
  • Im Bereich der Zwischendeichsgebiete (z.B. Krautsand, Gauensieker-, Asseler Sand) gibt es prielartige Marschflüsse, die wegen ihrer natürlichen Ufer und ihres natürlichen Verlaufs von hervorragendem Wert für den Naturhaushalt sind.
  • Im Mündungstrichter der Ilmenau befinden sich sehr viele Biotope der Wertstufen 1 und 2. Insgesamt ist der ganze Mündungstrichter als sehr wertvoll zu bezeichnen.

Andererseits sind jedoch auch deutliche Verschlechterungstendenzen zu erkennen. So sind in der Vergangenheit z.B. sowohl durch die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung als auch durch das Brachfallen die oft sehr wertvollen extensiv genutzten Flächen stark zurückgegangen. Die Intensivierung der landwirtschaftlich genutzten Außendeichsflächen ist insbesondere unterhalb Hamburgs stark vorangeschritten.

Weit vorangeschritten ist außerdem der großräumige Verlust an periodisch überfluteten Lebensräumen im Bereich der Nebenflüsse und Zwischendeichsgebiete durch die Errichtung von Sturmflutsperrwerken. Die über dem zugelassenen Hochwasserstand liegenden Flächen wandeln sich in für das Binnenland typische Biotoptypen um und gehen den Tieren und Pflanzen der Außendeichsflächen als Lebensraum verloren. Die außendeichs verbleibenden Flächen sind aufgrund ihrer oft geringen Breite vor allem als Rückzugsraum für Tiere (z.B. Kampfläufer) entwertet. Am schleswig-holsteinischen Ufer der Unterelbe existieren bis auf die Vorländer von Neufeld und St. Margarethen, Eschschallen zwischen Krückau und Pinnau sowie Fährmannssand/Juelssand so gut wie keine Außendeichsländereien mehr. Auch auf niedersächsischer Seite haben sie kaum größere Ausdehnung und finden sich nur noch auf dem Belumer Außendeich, dem Allwöhrdener Außendeich und im Ostteil des Asseler Sandes.

Die Unterelbinseln verfügen wegen zahlreicher Aufspülungsmaßnahmen zwar kaum noch über naturnahe, dafür aber über ungestörte Lebensräume. Während die wenigen tief liegenden Teilflächen überwiegend sehr wertvolle Biotope beherbergen, sind durch die künstliche Aufsandung Sekundär-Lebensräume für typische Bewohner der Sandmagerrasen entstanden, die das Elbtal allerdings natürlicherweise nur in geringer Zahl besiedelt haben.

Abb. 16: Bereiche besonderer ökologischer Bedeutung für die aquatischen Lebensgemeinschaften

 

5.2.1.2 Prognose der ökologischen Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung

Die Tiere und Pflanzen im Untersuchungsgebiet werden bei Verwirklichung des Vorhabens insbesondere durch

  • Auswirkungen der Baggerungen
  • Auswirkungen der Baggergutverbringung
  • Auswirkungen der Änderungen der Tidewasserstände und
  • Auswirkungen der Änderung des Salzgehaltes

betroffen.

Auswirkungen der Baggerungen

Die Lebensgemeinschaft des Zoobenthos ist am unmittelbarsten von den geplanten Ausbaubaggerungen betroffen, da direkt in deren Lebensraum, die Sedimente des Gewässerbodens, eingegriffen wird. Mit den Sedimenten werden auch die darin befindlichen Organismen entnommen und das Zoobenthos auf diesen Flächen wird nahezu vollständig beseitigt. Dies gilt unabhängig von der Baggertiefe oder der Menge des entnommenen Materials, da die nur wenige Zentimeter starke belebte oberste Sedimentschicht in jedem Fall entnommen wird. Die Gesamtfläche dieser Baggerbereiche umfaßt 2.240 ha.

Ca. ein Viertel dieser Flächen sind durch intensive Unterhaltungsbaggerungen der vergangenen Jahre so stark vorbelastet, daß die Ausbaubaggerungen vermutlich zu keinen deutlichen Änderungen der Besiedlungsstruktur führen. Die übrigen 1.632 ha werden als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Diese Beeinträchtigungen werden vermutlich nicht dauerhaft wirksam sein, da die geschädigten Flächen wahrscheinlich innerhalb eines Zeitraumes von ein bis maximal drei Jahren nach Durchführung der Ausbaubaggerungen dem Ausgangszustand entsprechend wiederbesiedelt sein werden.

Als Folgewirkung der Querschnittsveränderung im Bereich der Fahrrinne ist abschnittsweise von erhöhtem Unterhaltungsaufwand nach Abschluß der Maßnahme auszugehen, da in Bereichen mit Vertiefungen und/oder Verbreiterungen der Fahrrinne in den ersten Jahren nach dem Ausbau ein erhöhter Geschiebetransport und Sedimenteintrieb von den Flanken zu erwarten sein wird. Diese Bereiche überlagern sich teilweise mit den durch Ausbaubaggerungen erheblich beeinträchtigten Flächen. Die Teilflächen von 278 ha, auf denen sich diese Auswirkungen überlagern, werden aufgrund der daraus resultierenden Langfristigkeit der Auswirkungen als erheblich und nachhaltig beeinträchtigt eingestuft, während die verbleibenden 100 ha als erheblich, aber nicht nachhaltig beeinträchtigt eingestuft werden.

Darüber hinaus wird sich in Teilbereichen von 156 ha der Sedimenttyp der Fahrrinnenböschung verändern. Da hierbei die vorhandene Sanddeckschicht durch bindigen und sehr festen Geschiebemergel ersetzt wird, siedelt anschließend eine arten- und individuenverarmte Zoobenthosgemeinschaft. Die Änderung des Sedimenttyps wird daher als erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung eingestuft.

Auswirkungen der Baggergutverbringung

Die Verbringung des anfallenden Baggergutes erfolgt im wesentlichen im Gewässer. Auf den betroffenen Flächen kommt es zu deutlichen ausbaubedingten Beeinträchtigungen der Zoobenthoslebensgemeinschaften. Diese Beeinträchtigungen werden vermutlich nicht dauerhaft wirksam sein, da die geschädigten Flächen wahrscheinlich innerhalb eines Zeitraumes von ein bis maximal drei Jahren nach Durchführung der Baggergutverbringung dem Ausgangszustand entsprechend wiederbesiedelt sein werden. Diese 538 ha werden als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Für drei der so eingestuften Klappstellen ist allerdings mit langfristigen Änderungen des Sedimenttyps zu rechnen, so daß hier von deutlich veränderten Milieubedingungen für die Zoobenthoslebensgemeinschaften auszugehen ist. Diese 34 ha umfassenden Flächen werden daher zusätzlich als nachhaltig beeinträchtigt eingestuft.

Das geplante Spülfeld Pagensand nimmt einschließlich der Böschungen eine Fläche von rd. 32 ha in Anspruch. Betroffen sind hiervon im wesentlichen Intensivgrünland (ca. 11 ha), Ackerflächen (ca. 9 ha) und Ruderalfluren (ca. 8 ha). Die von dem geplanten Spülfeld in Anspruch genommene Fläche wird als erheblich und nachhaltig beeinträchtigt eingestuft. Mit der Flächeninanspruchnahme ist auch der Verlust gefährdeter Pflanzenarten verbunden.

Auswirkungen der Änderungen der Tidewasserstände

Die in der Abbildung 13 als schraffierte Bänder dargestellten Bereiche kennzeichnen die ausbaubedingten Veränderungen der Tidewasserstände, die regelmäßig und häufig eintreten werden und somit für das Ökosystem maßgeblich sind. Für die Prognose werden jeweils die Maximalwerte der Bereiche zugrunde gelegt. Danach betragen die durch die BAW-AK prognostizierten ausbaubedingten Änderungen der Tidewasserstände für die Erhöhung des Tidehochwassers (Thw) maximal 3 bis 4 cm (zwischen dem Wehr Geesthacht und der Elbinsel Pagensand) und für die Absenkung des Tideniedrigwassers (Tnw) maximal 6 bis 7 cm (zwischen der Bunthäuser Spitze und der Elbinsel Lühesand).

Insbesondere die prognostizierten Thw-Erhöhungen haben Auswirkungen auf die Vegetation im Uferbereich, da hier Überflutungsdauer und -höhe als ökologische Standortfaktoren die Lebensräume von Pflanzengesellschaften und damit auch die Lebensraumsituation der Tiere maßgeblich beeinflussen. Selbst kleinste Änderungen der Überflutungsdynamik ziehen merkliche Veränderungen der räumlichen Ausdehnung und Lage von Pflanzengesellschaften nach sich.

Empfindlich gegenüber Veränderungen des Tidehochwassers sind v.a folgende Biotoptypen: Salzwiesen, Röhrichte und Uferstaudenfluren sowie Weidenauwälder und Weidenauengebüsche.

Um eine Abschätzung der zu erwartenden Biotopflächenverluste vornehmen zu können, werden je nach Stärke der prognostizierten Änderung des Thw folgende Flächenverluste der oben aufgeführten Biotope zugrunde gelegt:

  • prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen < 1 cm: keine Biotopflächenverluste, da unterhalb des festgesetzten Schwellenwertes
  • prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 1 bis 2 cm: Biotopflächenverluste von 2%, jedoch nur für Auwald und Auengebüsch, da nur der für diese Biotope geltende Schwellenwert überschritten wurde
  • prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 2 bis 3 cm: Biotopflächenverluste von 3,5% für alle betroffenen Biotoptypen
  • prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 3 bis 4 cm: Biotopflächenverluste von 5% für alle betroffenen Biotoptypen

Salzwiesen werden damit durch die maßnahmebedingten Auswirkungen nicht beeinträchtigt, da die prognostizierten maximalen Erhöhungen der Tidehochwassers im Bereich ihres Vorkommens deutlich unter 1 cm liegen.

Unter Zugrundelegung der Verlustanteile und der prognostizierten Erhöhung ergibt sich insgesamt ein Biotopflächenverlust von 95 ha (betroffen sind ca. 6 ha Auwald, ca. 21 ha Auengebüsch und ca. 68 ha Röhricht/Uferstaudenfluren). Durch die Änderung der Tidewasserstände werden überwiegend wertvolle (z.B. Auengebüsch, Auenwald) und sehr wertvolle Biotoptypen (z.B. Flußwattröhricht) erheblich und nachhaltig beinträchtigt.

Durch den Teilverlust dieser Biotoptypen geht röhrichtbrütenden Vogelarten, Nacht- und Kleinschmetterlingen sowie uferbewohnenden Käfern Lebensraum verloren. Darüber hinaus werden durch höhere Wasserstände potentielle Nistplätze ufernah brütender Vögel (z.B. Wachtelkönig, Säbelschnäbler, Kampfläufer) eingeschränkt. Röhrichtbrütende Vogelarten wie z.B. der Drosselrohrsänger müssen ihre Nester höher im Schilf befestigen, so daß die Nestaufhängungen instabiler werden.

Auswirkungen der Änderungen der Salzgehalte

Angesichts der hohen natürlichen Salzgehalte und ihrer Schwankungsbreite in der Brackwasserzone sind die prognostizierten Zunahmen der Salzgehalte von maximal 0,1 0/00 vermutlich unerheblich. Da jedoch Weiden-Auengebüsche sowie alte Weiden und Kopfweiden sich im Bereich St. Margarethen bis Glückstadt und auf dem Außendeichland des Wischhafener Sandes unmittelbar an der Grenze ihres Überlebens befinden, können hier erhebliche Beeinträchtigungen dieser Biotoptypen durch vorhabenbedingte Verschiebungen der Brackwasserzone nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sind Umwandlungen von Flußwattröhricht zugunsten Brackwasserröhricht zu erwarten.

Darüber hinaus bestehen eine Reihe von Beeinträchtigungsrisiken, die einzeln betrachtet nicht als erhebliche Beeinträchtigungen eingestuft werden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß verschiedene Faktoren in der Summe ihrer Wirkungen lokal zu erheblichen Beeinträchtigungen der Tiere und Pflanzen führen. Verschiedene Teilbereiche des Untersuchungsgebietes, wie z.B. das Mühlenberger Loch und der limnische Bereich der Tideelbe, sind von einer Vielzahl von Risiken betroffen, die sich z.B. über die Nahrungskette oder den biogenen Sauerstoffeintrag auch auf nicht direkt betroffene Tiere und Pflanzen auswirken können.

Durch die Ausbaggerungen, den erhöhten Unterhaltungsaufwand, ökologisch ungünstige Sedimenttypenänderungen, die Baggergutverbringung sowie die Veränderung der Tidewasserstände werden für die aquatischen und terrestrischen Lebensgemeinschaften insgesamt 2.553 ha als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Davon werden 595 ha zusätzlich nachhaltig beeinträchtigt.

5.2.1.3 Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung, Ausgleich und Ersatz

Terrestrische Lebensgemeinschaften

Zur Minderung der Auswirkungen auf die am Land ansässigen Lebensgemeinschaften sind folgende Maßnahmen denkbar.

In ökologisch empfindlichen Bereichen können schiffswellenbedingte Schäden durch Anpassung der Geschwindigkeiten gemindert oder ganz vermieden werden. Der Flächenverbrauch bei Baustelleneinrichtungen für Spülfelder sollte auf das Nötige begrenzt werden.

Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können in der Wiederanbindung von Flächen an das Tidegeschehen, der Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und der Entwicklung naturnaher Uferstrukturen bestehen.

Aquatische Lebensgemeinschaften

Durch die nachfolgend genannten Maßnahmen lassen sich die Beeinträchtigungen der im Wasser angesiedelten Lebensgemeinschaften mindern.

Die Beeinträchtigungen können durch Koordination der Baggerungen mit den Lebenszyklen der im Wasser vorkommenden Lebensgemeinschaften gemindert werden. Das bedeutet, daß möglichst in der Zeit von April bis September auf Baggerungen und Verklappungen verzichtet werden sollte, um ein ungestörtes Laichen und Heranreifen der neuen Generationen zu gewährleisten. Durch Reduzierung der Anzahl der Baggerungen lassen sich die Zeiten zur Wiederbesiedlung verlängern. Auf die Nutzung der Baggergutablagerungsfläche "Twielenfleth" sollte während der Laichperiode der Finte (stark gefährdete Fischart) von Anfang Mai bis Mitte Juni verzichtet werden. Vorübergehende Aussparungen von Teilbereichen der Fahrrinnensohle bei den Unterhaltungsbaggerungen ermöglichen eine zügige Wiederbesiedlung.

Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können in der Sicherung von Flachwasser- und strömungsberuhigten Bereichen bzw. von Bereichen mit Verschlechterungstendenzen, der Verbesserung der Passierbarkeit des Wehres Geesthacht für wandernde Arten, der Entwicklung naturnaher Uferstrukturen sowie der Wiederanbindung ehemals tidebeeinflußter Gewässer an das Tidegeschehen bestehen.