Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

12 HINWEISE AUF AUFGETRETENE SCHWIERIGKEITEN BEI DER ZUSAMMENSTELLUNG DER ANGABEN UND AUF BESTEHENDE WISSENSLÜCKEN

In diesem Kapitel werden gemäß § 6 Abs. 4 UVPG die Schwierigkeiten bei der Zusammenstellung der Angaben und die bestehenden Wissenslücken dargestellt. Die Auflistung der Wissenslücken erfolgt unter bestimmten thematischen Gesichtspunkten und schutzgutbezogen.

Morphologische Entwicklung der Gewässersohle

Nach den Ausbaubaggerungen wird sich aufgrund der veränderten Tideverhältnisse und Strömungen eine morphologische Entwicklung bis zu einem neuen dynamischen Gleichgewicht einstellen. Dieser ausbaubedingte morphologische Nachlauf kann nach dem derzeitigen Stand des Wissens in seiner Intensität nicht eindeutig quantifiziert werden. Die morphologische Entwicklung der Gewässersohle nach dem Ausbau läßt sich somit nicht exakt prognostizieren, sondern nur abschätzen.

Topographie und morphologische Entwicklung des Vordeichlandes

Als eine wichtige Datengrundlage zur Prognose der Auswirkungen veränderter Tidewasserstände fehlen für die Beschreibung des Ist-Zustandes flächendeckende Informationen über die Topographie des Deichvorlandes. Darüber hinaus gibt es bislang keine systematischen Untersuchungen zur morphologischen Entwicklung der Vordeichsländer und hochgelegenen Watten im Bereich der Tideelbe. Insbesondere liegen keine Informationen über den Einfluß von Sedimentation und Erosion auf die Morphogenese der Vordeichsländer und Watten vor. Auf der Grundlage der zur Verfügung stehenden Daten lassen sich somit nur Entwicklungstendenzen ableiten, quantitative Abschätzungen als Grundlage für eine Prognose der maßnahmebedingten Auswirkungen auf die Topographie sind hingegen nicht möglich. Diese Wissenslücken wirken sich vor allem auf die Prognosen über die Auswirkungen der veränderten Tidedynamik auf die Schutzgüter Boden sowie Pflanzen und Tiere (Terrestrische Biotope). So erfolgt die Ermittlung der erheblich und nachhaltig beeinträchtigten Flächen nach einem groben Schätzverfahren.

Eine exakte Prognose der Flächengröße und die genaue Lokalisierung der von Uferabbruch betroffenen landwirtschaftlichen Flächen sind aufgrund fehlender Informationen über Topographie des Deichvorlandes und dessen langfristige morphologische Entwicklung nicht bzw. nur eingeschränkt möglich. Es können lediglich Bereiche genannt werden, die von Flächenverlusten durch Abbruch von Uferkanten infolge der ausbaubedingten Erhöhung des MThw betroffen sein könnten.

Schwebstoffregime

Der Stand des Wissens über das Schwebstoffregime der Unterelbe zeichnet sich trotz umfangreicher Forschungsaktivitäten weiterhin durch viele offene Fragen aus. So ist die Entstehung der Trübungszone zwar durch eine Reihe plausibler Hypothesen im Prinzip erklärbar, aber dennoch nicht vollständig verstanden. Hierzu zählt insbesondere die Tatsache, daß sich das Zentrum der Trübungszone bzw. der Bereich höchster Schwebstoffgehalte bei zunehmenden Oberwasserzufluß sehr schnell stromab verlagert und sich bei abschwächendem Zufluß erst langsam wieder an der alten Stelle aufbaut.

Darüber hinaus sind die Effekte der wasserbaulichen Materialumlagerungen auf die lokalen Schwebstoffverhältnisse mit den zur Verfügung stehenden Daten nicht ausreichend quantifizierbar. Zur exakten Beschreibung der Wirkungen fehlen hierzu bislang gezielte Experimente und numerische Simulationen für begrenzte Stromabschnitte. Folgende Aspekte des Wirkungskomplexes von Schwebstoffregime und wasserbaulichen Materialumlagerungen sind nur unzureichend erforscht und werden sich in naher Zukunft nicht vollständig klären lassen:

 Der Anteil der durch die Unterhaltungsbaggerei bedingten Feststoffumlagerungen am gesamten Feststoffumsatz in den einzelnen Untersuchungsabschnitten.

 Die Prozesse des Transports sowie der Sedimentation und Resuspension der umgelagerten Feststoffe. In diesem Zusammenhang ist bislang nicht bekannt, in welche Richtung und Entfernung die Feinanteile des Sediments verfrachtet werden und wo sie sich ablagern. Zudem fehlen Kenntnisse über die Dauer der Ablagerung und die mögliche Resuspension der Feststoffe durch das natürliche Tidegeschehen.

 Der Einfluß des Schwebstoffregimes auf die Ausbildung und Lage von Unterhaltungsbaggerstellen und die dort erforderliche Intensität der Unterhaltungsbaggerungen.

Gewässergüte

Die möglichen Auswirkungen der geplanten Fahrrinnenanpassung auf den Sauerstoffhaushalt der Tideelbe lassen sich nach dem derzeitigen Stand des Wissens nicht genau prognostizieren. Die Querschnittsveränderungen verursachen möglicherweise eine Verschlechterung der Lichtverhältnisse und eine Veränderung der hydrodynamischen Bedingungen (geringere Turbulenz bei größeren Wassertiefen). Aufgrund der schlechteren Lichtverhältnisse kann einerseits der biogene (d.h. der von den Algen durch Photosynthese produzierte) Sauerstoffeintrag abnehmen. Andererseits können die Prozesse der Sauerstoffzehrung im Wasserkörper beim Abbau der Algenbiomasse zunehmen. Somit kann die Sauerstoffkonzentration infolge der reduzierten biogenen Sauerstoffproduktion und der erhöhten Sauerstoffzehrungsprozesse beim Sedimentieren und Absterben des Phytoplanktons abnehmen.

Grundwasser

Die maßnahmebedingten Effekte auf den Grundwasserhaushalt im Bereich der Nebenflüsse lassen sich nicht exakt prognostizieren, weil für die meisten Nebenflüsse keine Informationen darüber vorliegen, ob ein durchgehender hydraulischer Kontakt zwischen den Nebenflüssen und dem Grundwasser besteht. Bei der Untersuchung wurden jedoch ungünstige Annahmen getroffen, so daß die Abschätzung der Beeinträchtigung zur sicheren Seite hin erfolgte.

Aquatische Lebensgemeinschaften

Es fehlen Informationen über den Umfang und die Intensität der Schädigung von Organismen durch den Baggervorgang. Insbesondere ist nicht bekannt, in welchem Maße Organismen, die sich im freien Wasser aufhalten, durch den Saugvorgang der Hopperbagger angesaugt und geschädigt werden.

Nach dem derzeitigen Stand des Wissens ist zudem die genaue Lage der Laichplätze einiger Fischarten nicht ausreichend bekannt. Insbesondere fehlen detaillierte Erkenntnisse, ob und wenn ja, welche Fischarten direkt auf den Baggergutablagerungsflächen laichen. Hierbei ist insbesondere die Frage von Bedeutung, welche Bedeutung die im Hauptlaichgebiet der europaweit gefährdeten Finte liegende Baggergutablagerungsfläche "Twielenfleth" für die Reproduktion dieser Art aufweist.

Die Auswirkungen der Querschnittsaufweitungen auf das Lichtklima lassen sich nicht quantifizieren, da diesbezüglich keine Berechnungen durchgeführt wurden.

Schließlich läßt sich nach dem derzeitigen Stand des Wissens nicht abschätzen, inwiefern mehrere als geringfügig eingestufte Auswirkungen in ihrer Summe zu gravierenden Auswirkungen auf die aquatischen Lebensgemeinschaften führen können (synergistische Effekte).

Terrestrische Lebensgemeinschaften

Der Kenntnisstand über Veränderungen der terrestrischen Lebensgemeinschaften durch ausbaubedingte Änderungen der Tidedynamik ist nicht ausreichend, um quantifizierbare Progenoseaussagen zu ermöglichen. Quantitative Ergebnisse der Beobachtung von Flächenveränderungen der Uferbiotope aufgrund von Tidehochwasser-, Wellenschlags- und Strömungsänderungen fehlen bisher. Insbesondere fehlen langfristige Beobachtungen, die eine Zuordnung der einzelnen Faktoren zu den beobachteten Veränderungen ermöglichen würden. Veränderungen der Vegetation sind daher nach derzeitigem Stand des Wissens nicht sicher vorherbestimmbar.

Kulturgüter

Die für die Kulturdenkmäler zuständigen Landesämter der Länder Schleswig-Holstein, Hamburg und Niedersachsen weisen darauf hin, daß die zur Verfügung gestellten Daten zu den Kulturgütern dem derzeitigen Wissensstand entsprechen und nicht mit Sicherheit vollständig sein müssen. Denn die Bau- und Bodendenkmale sind nicht überall im Untersuchungsgebiet flächendeckend, vollständig und abschließend erfaßt. Insbesondere im Bereich der archäologischen Kulturgüter ist eine vollständige Erhebung nicht möglich, da nach dem heutigem Stand der Technik nur begrenzt tief in den Boden "geblickt" werden kann. Neue Funde lassen sich daher nicht ausschließen.