Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

9.8 Mensch

Als relevante Wirkfaktoren, die sich über Wechselbeziehungen auch auf den Menschen auswirken, wurden im Rahmen der Bearbeitung der einzelnen Schutzgüter die Sachverhalte Lärm, Verklappung von Sediment, Änderung des Tidenhubs sowie schiffserzeugte Belastungen identifiziert (vgl. Kap. 9.3, 9.4.1, 9.6 und 9.10). Betroffen sind davon die Wechselbeziehungen "Belastungsfaktor und Einschränkung der Erholung zum Schutzgut Luft", "Nahrung zu den Schutzgütern Tiere und Pflanzen" und "Produktionsgrundlage für Nutzpflanzen zum Schutzgut Boden" (vgl. Kap. 10.3.1). Bei der Beurteilung der Auswirkungen auf die Nutzungen ergeben sich keine die Lebensgrundlage des Menschen über die Umweltbelastungen beeinträchtigenden Folgen (vgl. Kap 9.10). Die geplante Fahrrinnenanpassung der Unter- und Außenelbe hat somit keine direkten umweltrelevanten Auswirkungen auf das Schutzgut Mensch. Die möglichen Beeinträchtigungen wirtschaftlicher Lebensgrundlagen sind nicht originärer Gegenstand einer UVS, werden aber teilweise unter dem Kapitel Nutzungen behandelt.

9.8.1 Veränderung der Lärmimmissionen

9.8.1.1 Auswirkungen während der Bauphase

Für die bei der geplanten Fahrrinnenanpassung eingesetzten Hopper- und Eimerkettenbagger werden auf Messungen basierende Schalleistungspegel von 75 dB(A) und 119 dB(A) zugrunde gelegt (vgl. Kap 7.6.2).

Bei der Bewertung der Schallimmissionen wurden die Tages- und Nachtrichtwerte der AVV Baulärm aufgrund der als "seltenes Ereignis" anzusehenden Bauphase vom Fachgutachter um jeweils 5 dB(A) auf 55 dB(A) tags und 40 dB(A) nachts erhöht. Die im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke nur tagsüber eingesetzten Eimerkettenbagger werden mit Werten von maximal 59,0 dB(A) den erhöhten Richtwert von 55 dB(A) überschreiten, was einer hohen Lärmbelastung entspricht. Dies führt zu einer signifikanten Erhöhung der Lärmbelastung an den Immissionspunkten. Die Lärmbelastung wird im wesentlichen die ufernahen Wohngebiete zwischen Othmarschen (Övelgönne/Neumühlen) und Nienstedten (Hafen) betreffen und ist als hoch anzusehen. Sie stellen für diese Bereiche eine erhebliche Beeinträchtigung dar. An dem in Nienstedten gelegenen Immissionspunkt IP 5 kann nach Berechnungen des GERMANISCHEN LLOYDS (MATERIALBAND IX) an bis zu 23 zusammenhängenden Tagen der Richtwert von 55 dB(A) überschritten werden. Bei einer Beauftragung von Fremdfirmen, die erfahrungsgemäß Eimerkettenbagger mit Schalleistungspegeln von mehr als 119 dB(A) einsetzen, wäre sogar mit einer höheren Lärmbelastung zu rechnen, die den Richtwert an mehr als 23 zusammenhängenden Tagen überschreitet. Während die Schallimmisionen am Tage fast ausschließlich von den Eimerkettenbaggern herrühren, kommt nachts der Einfluß der Hopperbagger zum Tragen. Die Hopperbagger erhöhen die durch den Schiffsverkehr bestehende Lärmbelastung nur unwesentlich. Die zwischen 31,6 dB(A) und 35,8 dB(A) liegenden Beurteilungswerte für ufernahe Wohnbebauung bleiben unter dem erhöhten Richtwert von 40 dB(A) und entsprechen einer geringen bis mittleren Lärmbelastung.

Im Bereich der Unterelbe erfolgt die Prognose aufgrund der nur in Ausnahmefällen einzusetzenden Eimerkettenbagger lediglich für Hopperbagger. Für die im Bereich Wedel ca. 200 m vom Baggerfeld entfernt liegende Wohnbebauung kann es nachts zu Beurteilungspegeln von bis zu 42,6 dB(A) kommen, was mit einer Überschreitung des erhöhten Richtwertes von 2,6 dB(A) zu einer hohen Belastung führt. Aufgrund der als seltenes Ereignis eingestuften Bauphase wird die Einwirkung nicht als erheblich angesehen. Für eine ca. 400 m vom Baggerfeld Lühesand entfernt liegende Wochenendhaussiedlung ergibt sich aufgrund der größeren Entfernung auch nachts mit 37,7 dB(A) keine Überschreitung des erhöhten Vergleichswertes. Die prognostizierte Lärmbelastung ist mit einer Unterschreitung des Vergleichswertes von 2,3 dB(A) als mittel anzusehen.

Für die zur Freizeit und Erhohlung aufgesuchten Flächen ist in Bereichen, in denen Eimerkettenbagger zum Einsatz kommen, mit Lärmbelästigungen zu rechnen (vgl. Kap. 9.10).

9.8.1.2 Auswirkungen des zukünftigen Schiffsverkehrs

Für das Jahr 2010 wird eine Zunahme des Schiffsverkerhs um ca. 35 % prognostiziert. Die Beurteilungspegel in den ufernahen Wohngebieten der Hamburger Delegationsstrecke werden sich gegenüber der aktuellen Belastung nicht ändern und auch in Zukunft tagsüber zwischen 45 dB(A) und 50 dB(A) liegen. Die maximalen Veränderungen der Beurteilungspegel werden sich an den Immisionspunkten IP 8 und IP 10 mit einer Erhöhung von 1,2 dB(A) auf 50,0 dB(A) bzw. 50,1 dB(A) ergeben. Obwohl nachts damit der Richtwert um bis zu 10,1 dB(A) überschritten wird, ist aufgrund der hohen Vorbelastung nicht von einer erheblichen Beeinträchtigung auszugehen.

Im Bereich der Unterelbe führt die prognostizierte Zunahme des Schiffsverkehrs von 35 % zu einer Erweiterung des Bereiches um die Fahrrinne mit hohen Lärmbelastungen um 100 m von derzeit 300 m auf zukünftig 400 m. Aufgrund der größeren Entfernung der Wohngebiete zur Fahrrinne sowie ihrer teilweise deichgeschützten Lage ist nicht von erheblichen Beeinträchtigungen auszugehen (vgl. Kap. 9.6).

Ob kurzfristige Überschreitungen der Richtwerte zu nachhaltigen Beeinträchtigungen beim Menschen führen, kann im Rahmen dieser Studie nicht geklärt werden. Nach der Musterverwaltungsvorschrift zur Ermittlung, Beurteilung und Vermeidung von Geräuschimmissionen (LAI 1995) treten schädliche Umwelteinwirkungen erst auf, wenn u.a. an mehr als zehn Tagen eines Kalenderjahres der Beurteilungspegel aller durch Anlagen hervorgerufenen Geräusche tagsüber 70 dB(A) überschreitet. Aufgrund der Nichtberücksichtigung anderer Schallquellen wie z. B. Straßenverkehr lassen sich Aussagen zur Gesamtlärmbelastung der durch Richtwertüberschreitungen betroffenen Gebiete nicht treffen.

9.8.1.3 Auswirkungen der Baggergutverbringung sowie der Änderung des Tidenhubs

Die Verklappung von Sediment kann zur vollständigen Vertreibung der Fischfauna in den unmittelbaren Verklappungsarealen führen. Wenn Klappstellenbereiche als Laichplätze für Fische genutzt werden, werden diese durch Überdeckung des Laichsubstrats beeinträchtigt.

Das Hauptlaichgebiet der gefährdeten Finte wird durch die Lage der Baggergutablagerungsfläche Twielenfleth möglicherweise beeinträchtigt. Durch die möglicherweise höheren Schwebstoffgehalte und damit verbunden möglichen Verschlechterungen der Ernährungssituation im Umfeld der Unterbringungsstellen ist eine Beeinträchtigung des für Fische zu den wichtigsten Reproduktions- und Aufwuchsgebieten zählenden Mühlenberger Lochs nicht auszuschließen. Da das Zoobenthos auf den Klappstellen geschädigt wird, kommt es in den Verklappungsbereichen ebenfalls zu einem Verlust an Nahrungsplätzen. Damit ist möglicherweise eine Reduzierung der Fangmengen verbunden. In der Angel- und Reusenfischerei muß vorwiegend während der Bauphase mit lokalen Ertragseinbußen aufgrund zurückgehender Fangmengen gerechnet werden. Für die Baumkurren- und Hamenfischerei sind sowohl während der Bauphase als auch nach Beendigung der Maßnahme Ertragseinbußen zu erwarten. Für die Baumkurrenfischer ist eine Ausweitung ihrer Fanggebiete nicht möglich, da sie bereits im gesamten Gebiet, in dem sie rechtlich zulässig und durchfürbar ist, praktiziert wird. Von den 22 derzeit von den Hamenfischern genutzten Fangstellen werden 13 beeinträchtigt. Für die Hamenfischer ist ein Ausweichen in andere Bereiche nur beschränkt möglich. Für die Baumkurren- und Hamenfischer ist mit erheblichen, die wirtschaftliche Existenz bedrohenden Ertragseinbußen zu rechnen.

Durch die Errichtung eines Spülfeldes auf Pagensand gehen ca. 20,3 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche durch Überdeckung vollständig verloren und ca. 0,4 ha werden durch austretendes Spülfeld-Sickerwasser beeinträchtigt.

Durch Anstieg des MThw und der damit verbundenen Verlängerung der Überflutungsdauer kann es zum Absterben der Vegetation in empfindlich reagierenden ufernahen Biotopen kommen. Dadurch erhöht sich zum einen der Bereich unbewachsener Wattflächen und zum zweiten die Erosionsgefährdung der Böden aufgrund des Wegfalls der strömungsberuhigenden Wirkung der Pflanzen. Beides führt zu einem Verlust an Pflanzenstandorten für Acker- und Obstanbau und Weidenutzung (MATERIALBAND VI). Eine exakte Prognose über die Flächengröße und Lage möglicherweise betroffener Flächen ist aufgrund fehlender Informationen über die Topogrphie des Deichvorlandes und dessen langfristige morphologische Entwicklung nicht möglich. Flächen, deren Nutzung durch Erosion beeinträchtigt werden könnten, liegen vor allem entlang der Nebenflüsse Stör, Krückau, Pinnau, Schwinge, Lühe und Este sowie auf Krautsand (vgl. Kap. 9.10).

Sowohl die Reduzierung der Fangmengen als auch der Verlust an Pflanzenstandorten für die landwirtschaftliche Nutzung sind nicht als umwelterhebliche Beeinträchtigungen des Schutzgutes Mensch anzusehen. Hierbei handelt es sich um Auswirkungen, die über Sekundärwirkungen zu wirtschaftlichen Einbußen führen können. Die damit möglicherweise verbundene Beeinträchtigung der wirtschaftlichen Lebensgrundlage einzelner Menschen ist nicht Gegenstand einer UVS.

Ausbaubedingte Änderungen der bereits gegenwärtig bestehenden schiffserzeugten Belastungen sind nach den Berechnungen der BAW-AK bei Schiffsgeschwindigkeiten unter 12 Knoten (in der Unterelbe) bzw. 10 Knoten (im Bereich des Hamburger Hafens) auszuschließen (vgl. Kap. 5.6). In Bereichen mit bereits vorhandenen Übertiefen, in denen keine Ausbaumaßnahmen stattfinden (keine Querschnittserweiterung), werden bei Überschreitung dieser Geschwindigkeiten, wie schon im Ist-Zustand, überproportional erhöhte schiffserzeugte Belastungen auftreten, die zu Beeinträchtigungen der im direkten Uferbereich stattfindenden Freizeit- und Erholungsnutzungen führen können.