Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

3.2 Auswirkungen nach Fertigstellung der Maßnahme

Im Gegensatz zu den möglichen Beeinträchtigungen der Fischerei während der Bauphase, die sich aus den geplanten Baggermaßnahmen und der Umlagerung des Baggergutes ableiten, sind für die Betrachtung der Auswirkungen nach Fertigstellung der Maßnahme die dauerhaften Veränderungen der Morphologie und der hydrographischen Bedingungen im Untersuchungsgebiet sowie das veränderte Schiffsaufkommen entscheidend. Diese permanenten Veränderungen können sich sowohl auf die fischereilich genutzten Bestände (Fische und Krebse), als auch auf die Praktikabilität der Fischerei auswirken.

Nach Angaben von FLÜGGE et al. in MATERIALBAND I (1997) und BOEHLICH et al. (1997) ist durch die geplante Maßnahme (Anpassung der Fahrrinne und strombauliche Maßnahmen) nur mit sehr geringen Veränderungen der hydrographischen Parameter zu rechnen. So sollen die Veränderungen des Salzgehaltes unter 1 E/EE liegen, und die Strömungsänderungen sollen demnach maximal 0,11 m/sec im Bereich der Fahrrinne und der angrenzenden Gebiete betragen. Diese Veränderungen liegen deutlich unter den natürlichen Schwankungen (siehe hierzu Berichte der ARGE ELBE 1992, 1994), die durch wechselnde Oberwasserabflüsse und/oder Windeinflüsse entstehen. Diese geringfügigen ausbaubedingten Veränderungen der Hydrographie sind für die Praktikabilität der Fischerei von untergeordneter Bedeutung. Es muß jedoch beachtet werden, daß sich die Veränderungen nicht nur auf die jeweiligen Ausbaustrecken beschränken, sondern daß der gesamte Untersuchungsbereich betroffen sein kann. Dieses gilt insbesondere für strömungsbedingte Verstärkungen der Erosion in Bereichen von Übertiefen (FLÜGGE et al. in MATERIALBAND I, 1997). Ferner muß die der hydraulischen Modellierung zugrundeliegende Annahme berücksichtigt werden, daß im Bereich der Ausbaustrecken von einem Seitenzuschlag der Baggerungen von jeweils +15 m sowie von einer Nachentwickeln der Böschungen (teilweise auf eine Neigung von 1 : 10) auszugehen ist (FLÜGGE et al. in MATERIALBAND I, 1997).

In der Summe bedeutet dieses, daß technische Aspekte der fischereilichen Nutzung dauerhaft durch die geplante Anpassung der Fahrrinne beeinflußt werden können.

Darüber hinaus kommt es zu Beeinträchtigungen der genutzten Resourcen (Fisch- und Krebsbestände). Als ausbaubedingte Beeinträchtigungen der Fischfauna werden von Kausch et al. in MATERIALBAND VII (1997) folgende Punkte aufgeführt:

  • Verlust von Flachwasserbereichen, die z. T. wichtige Funktion als Laichplatz und /oder Jungfischlebensraum haben, auch durch geringe Absenkungen des MTnw;
  • Weitere Verkleinerung des limnischen Lebensraums durch die Verlagerung der Brackwassergrenze stromaufwärts;
  • Auch die geringen prognostizierten Erhöhungen der Strömungsgeschwindigkeit wirken sich nachteilig auf Kleinfischarten und Jungfische aus;
  • Störungen des Laichgeschäfts und direkte Schädigung von Jungfischen, Brut und Eiern durch schiffsbedingte Wellen und Strömungen.
  • Verluste von Nahrungsresourcen durch die starke Beeinträchtigung der Benthosfauna.

Die oben genannten Beeinträchtigungen werden zwar nicht quantitativ dargestellt, da dieses nur durch ein umfangreiches Monitoring (Beweissicherung) möglich ist, es wird jedoch darauf hingewiesen, daß alle genannten Faktoren in die "gleiche Richtung" wirken, und durch den Summationseffekt starke Beeinträchtigungen der Fischfauna nicht auszuschließen sind (Kausch et al. in MATERIALBAND VII, 1997).

Wie bedeutend auch kleinskalige Veränderungen der Umweltbedingungen für Fische seien können, geht aus den umfangreichen Untersuchungen von MÖLLER et al. (1990) zur Fluchtgeschwindigkeit von Elbfischen hervor. Diese Studie belegt eindeutig, daß sich auch geringe Erhöhungen der Strömungsgeschwindigkeiten (# 10 cm/sec.) stark auf Elbfische auswirken, wenn die vorherrschenden Strömungsgeschwindigkeiten am Standort bereits nahe an oder über der maximalen Schwimmgeschwindigkeit der jeweiligen Fischart liegen. Einige typische Maximalschwimmgeschwindigkeiten für Elbfische sind nach MÖLLER et al. (1990): Stint 0.38 - 0,50 m/sec, Flunder 0,49 - 0,78 m/sec., Aal 0.61 - 0,82 m/sec.

Ferner müssen die ausbaubedingten Veränderungen des Schiffsverkehrs im Untersuchungsgebiet berücksichtigt werden. Nach vorliegenden Daten der Nutzen-Kosten-Untersuchung (PLANCO, 1991) wird sich das Aufkommen der Containerschiffe über 3.600 TDW auf der Tideelbe nach der Anpassung der Fahrrinne nahezu verdoppeln (Tab. 6). Der überwiegende Anteil des gesteigerten Containerschiffsverkehrs entfällt dabei auf große Einheiten (ab 40.000 TDW), deren Anzahl (Passagen) um 178% (1988-2010) bzw. um 90% (1994-2010) ansteigen wird. Die daraus resultierenden Beeinträchtigungen der Fischerei, insbesondere der Hamenfischerei, sind in der häufiger auftretenden Erhöhung der Ankerkräfte durch schiffserzeugte Rückströmungen sowie durch Schiffswellen zu sehen. Die Stärke der Beeinträchtigungen hängt von der vorherrschenden Gewässermorphologie sowie von der Schiffsgeschwindigkeit und dem Tiefgang des Schiffes (bzw. Schiffsgröße) ab. Ferner spielt die Fahrtrichtung (Aufkommer oder Abgänger) eine Rolle.

Tabelle 6: Derzeitiger (Stand 1994) und prognostizierter Containerschiffsverkehr auf der Tideelbe (Prognosezeitraum 1988 - 2010) für Containerschiffe über 3.600 TDW. Datenquellen: PLANCO, 1991; Angaben Amt Strom- und Hafenbau (Schiffsdatendatei 1994).

Schiffsklasse

TDW

Stand

1988

Stand

1994

Prognose

2010

Änderung

1988/1994

Änderung

1994/2010

Änderung

1988/2010

bis 10000 955 492 825 -463 +333 -130
bis 20000 695 494 1.455 -201 +961 +760
bis 30000 768 742 803 -26 +61 +35
bis 40000 490 630 1.282 +140 +652 +792
bis 50000 812 760 1.779 -52 +1.019 +967
bis 60000 128 502 570 +374 +68 +442
bis 70000 0 106 243 +106 +137 +243
Summe 3.848 3.726 7.264 "0% +95% +89%

Im Gegenwärtigen Ausbauzustand der Fahrrinne passieren Containerschiffe der IV. Generation (PANMAX, Tiefgang = 12,8 m) z. B. den Bereich der Lühemündung mit Geschwindigkeiten zwischen 7 und 20 Kn über Grund (ULICZKA & WALTER in MATERIALBAND I, 1997). Im Gegensatz dazu haben die TdVs für den genannten Bereich Geschwindigkeiten von 8 Kn bis 12 Kn vorausgesetzt. Das vorliegende Gutachten (ULICZKA & WALTER in MATERIALBAND I, 1997). kommt zu dem Schluß, daß bei Einhaltung der vorgegebenen Geschwindigkeiten keine wesentlichen Änderungen in den schiffserzeugten Belastungen durch die Anpassung der Fahrrinne auftreten. Sollten die von den TdVs angegebenen Geschwindigkeiten jedoch überschritten werden, so kann es zu starken Beeinträchtigungen der Fischerei kommen, da die Ausprägung der schiffserzeugten Wellen (besonders des Absunks) und Strömungen stark mit der Geschwindigkeit ansteigen. Alle Fangplätze, die sich direkt neben dem Fahrwasser befinden, wären dann wesentlich stärkeren schiffsbedingten Belastungen ausgesetzt. Desweiteren ist in der Verdoppelung der Containerschiffsfrequenz eine eindeutige Steigerung der schiffsbedingten Belastungen zu sehen.

In der Summe sind nach Fertigstellung der Fahrrinnenanpassung Beeinträchtigungen der Fischerei im Untersuchungsgebiet nicht auszuschließen.

 

3.2.1 Auswirkungen auf die Baumkurrenfischerei

Die ausbaubedingten Auswirkungen auf die Fanggebiete der Krabbenfischer zwischen Scharhörn und der Ostemündung (Elbe-km (N) 750 bis km (N) 706) beschränken sich weitgehend auf den Bereich der Fahrrinne und die angrenzenden Regionen. Da jedoch neben den Prielsystemen auch dieser Bereich fischereilich genutzt wird, treten permanente Beeinträchtigungen der Krabbenfischerei in diesen Gebieten auf.

Durch die Veränderungen der Strömungsgradienten im Bereich des Übergangs von der Fahrrinne zu den angrenzenden Bereichen aufgrund der deutlich unterschiedlichen Rauheit der Gewässersohle, sind Beeinflussungen der dort lebenden Tiere (Makrozoobenthosorganismen sowie Krebse und Fische) möglich. Daher sind Ertragseinbußen auf den Fangplätzen in Fahrwassernähe denkbar. Ferner können die Fangplätze im Bereich der Fahrrinne durch die Erhöhung des Schiffsverkehrs nur noch deutlich weniger genutzt werden. In der Summe sind diesem Gebiet daher mäßige Auswirkungen (Wertstufe 3) zuzuordnen.

Die ausbaubedingten Beeinträchtigungen der Seezungenfischerei sind weitgehend von der Entwicklung der Verbringungsorte am Großen Vogelsand (Mittelrinne) abhängig. Findet in diesem Bereich nach Abschluß der Baumaßnahmen eine schnelle Wiederbesiedlung durch Benthosorganismen statt und läßt die Beschaffenheit des Gewässergrundes eine erneute Ausübung der Fischerei zu, so ist lediglich mit geringen Auswirkungen (Wertstufe 2) zu rechnen. Findet aufgrund verstärkter Umlagerungsprozesse des eingebrachten Baggergutes im Bereich der Verbringungsorte und auf den angrenzenden Flächen jedoch keine Wiederbesiedlung innerhalb einer Vegetationsperiode statt, so ist damit zu rechnen, daß sich die Verteilung der Fische im genannten Gebiet verändert und eine wirtschaftliche Seezungenfischerei nur noch bedingt möglich ist. Da die Fangplätze für Seezungen nur sehr begrenzte Areale umfassen (vgl. Karte III), ergäbe sich eine erhebliche Beeinträchtigung (Wertstufe 4).

In der Summe ergeben sich für die Baumkurrenfischerei geringe bis mäßige Auswirkungen (Wertstufe 2 - 3) nach Fertigstellung der Baumaßnahme.

 

3.2.2 Auswirkungen auf die Hamenfischerei

Die zu erwartenden ausbaubedingten Veränderungen der hydrographischen Bedingungen sowie die prognostizierte Nachentwicklung der Böschungen werden teilweise zu Beeinflussungen von Hamenfangplätzen führen. Dieses gilt insbesondere für Fangplätze im Bereich oder im Umfeld von Baggergutablagerungsflächen, die eine dauerhafte Veränderung der gegenwärtigen Störmungsverhältnisse am Standort darstellen. Betroffen sind folgende Fangplätze: Tonne 66 (km (N) 688 - km 687,5), Tonne 81 - 83 (Krautsand Reede, km (N) 674,2 - km 672,5), Tonne 105 - 107 (km (N) 654,1 - km 653), Tonne 109 (km (N) 652,2 - 651,5).

Darüber hinaus muß für diejenigen Fangplätze, die sich in unmittelbarer Nähe des Fahrwassers befinden, mit einer ausbaubedingten Steigerung der Beeinträchtigung durch den Schiffsverkehr gerechnet werden, da sich die Anzahl der Containerschiffspassagen nahezu verdoppeln wird und höhere Geschwindigkeiten der passierenden Schiffe nicht auszuschließen sind. Dieses betrifft mit Ausnahme der Fangplätze bei Tonne 125 - 127 (Elbe-km (N) 639 - 637,7) und im Köhlbrand (Tonne KS 4) alle derzeit genutzten Fangplätze zwischen der Insel Pagensand (ca. Elbe-km (N) 660) und Hamburg. Gleiches gilt für den Fangplatz bei Tonne 62 (km (N) 691,4 - 689,3) und den Bereich zwischen den Tonnen 28 bis 32b (km (N) 734,5 - 726,5). Alleine stromaufwärts von Pagensand sind 7 Fangstellen betroffen: Tonne 110 - 112 (km (N) 651,6 - 649,4), Tonne 116 - 120 (km (N) 648,7 - 650,4), Tonne 119 (km (N) 645,2 - 644,2), Tonne 122 - 124 (km (N) 640,7 - 637,5), Tonne 115 - 117 (km (N) 647,6 - 645,5), Tonne 132 (km (N) 630 - 629), Tonne 133 (km (N) 632,5 - 632).

Zusammenfassend muß davon ausgegangen werden, daß der überwiegende Teil der derzeit genutzten Hamenfangstellen sowie die im Küstenalmanach 1993 ausgewiesenen Fangplätze mit Sondergenehmigungen (vgl. Karte III) dauerhaft durch die Anpassung der Fahrrinne an die Containerschiffahrt beeinträchtigt wird. Da die beschriebenen Auswirkungen eine wirtschaftliche Ausübung der Hamenfischerei auf den derzeit genutzten Fangplätzen nur noch sehr begrenzt zulassen, ergibt sich eine Bewertung der Auswirkungen der Wertungsstufe 5 (nachhaltige Auswirkungen).

 

3.2.3 Auswirkungen auf die Reusenfischerei

Nach Abschluß der Bauphase ist lediglich in den unter Punkt 3.1.3 genannten Verbringungs- und Ablagerungsorten mit einer geringen Beeinträchtigung der Reusenfischerei zu rechnen, da in den genutzten Fanggebieten die für die Ausübung der Fischerei relevanten hydrographischen Parameter (Überflutungsdauer, Geschiebetransport und Strömung) nach Angaben der BAW (FLÜGGE et al. in MATERIALBAND I, 1997) nur sehr geringe Änderungen zeigen. Der Bereich oberhalb Hamburgs bis zur Grenze des Untersuchungsgebietes am Wehr Geesthacht wird vollkommen unbeeinträchtigt bleiben. Die ausbaubedingten Beeinträchtigungen der Reusenfischerei im Untersuchungsgebiet sind somit als gering (Wertstufe 2 ) zu bewerten.

 

3.2.4 Auswirkungen auf die Angelfischerei

Anhaltende Auswirkungen auf die Angelfischerei sind nach Abschluß der Baumaßnahme nicht zu erwarten.