Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

4.2.1 Landwirtschaft

4.2.1.1 Weidenutzung, Acker und Obstanbau

Die in Kapitel 2.1 ermittelten größeren zusammenhängenden landwirtschaftlichen Flächen werden nun hinsichtlich ihrer Gefährdung durch die Baumaßnahme und ihrer hydromechanischen Folgen beurteilt. Die Aussagen zu den Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung auf die Landwirtschaft stützen sich im wesentlichen auf die MATERIALBÄNDE V und VI.

Grundsätzlich sind maßnahmebedingte hydromechanische Auswirkungen ausschließlich oberhalb von Fahrrinnen-km 688 N anzutreffen. Unterhalb davon sind die hydromechanischen Veränderungen ohne nachweisbare Wirkung auf die Vegetation und Böden (vgl. MATERIALBAND V, VI) und damit auch auf die landwirtschaftliche Nutzung. Gleiches gilt für die Oste. Flächen, die keinen Kontakt zur Uferlinie aufweisen, bleiben unberücksichtigt, da hier hydromechanische Einflüsse ebenso auszuschließen sind, wie Auswirkungen infolge einer Veränderung des Grundwassers. Eine erhöhte Gefährdung von landwirtschaftlich genutzten Flächen hinter Sommerdeichen infolge maßnahmebedingt erhöhter Sturmfluten ist angesichts ihrer prognostizierten Erhöhung von 1-3 cm (vgl. Kap. 4.2) ebenfalls als vernachlässigbar anzusehen. Für Weidenutzungs-, Acker- und Obstanbauflächen, die zwar ein naturnahes Ufer, aber gleichzeitig einen mehr oder minder breiten Röhricht- oder Gehölzsaum aufweisen, sind aufgrund dieser vorgelagerten Vegetationszonen keine infolge hydromechanischer Veränderungen verursachte Flächenverluste zu erwarten.

Die Untersuchungen zum Schutzgut Klima haben gezeigt, daß für die klimarelevanten Parameter keine oder keine nennenswerten ausbaubedingten Änderungen zu erwarten sind (vgl. MATERIALBAND VIII). Eine Beeinträchtigung der Nutzung auf Weide-, Acker- und Obstanbauflächen infolge maßnahmebedingter Änderungen klimarelevanter Parameter ist somit auszuschließen.

Die Nutzung auf Weide-, Acker- und Obstanbauflächen im Untersuchungsgebiet wird durch

  • die Beeinträchtigung der Schutzgüter "Tiere und Pflanzen - terrestrische Lebensgemeinschaften" und "Boden" infolge der landseitigen Aufspülungen von entnommenem Baggergut auf Pagensand und durch
  • die Beeinträchtigung des Schutzgutes Boden (Abbruch naturnaher Ufer) infolge der Änderung der Tidewasserstände

betroffen.

Spülfeld Pagensand

Durch die Errichtung eines Spülfeldes auf der Insel Pagensand gehen landwirtschaftliche Nutzflächen vollständig verloren. Hierbei handelt es sich um Weidenutzung (Grünland: Feucht- und Naßgrünland) mit einer Fläche von 20,3 ha. Darüber hinaus entstehen bei der

Abb. 9: Durch die Errichtung des Spülfeldes Pagensand betroffende landwirtschaftliche Fläche (Weidennutzung, Grünland)

Anlage von Spülfeldern Sickerwässer, die aus dem Spülfeld austreten und das oberflächennahe Grundwasser, das Oberflächenwasser und die angrenzenden Biotope und damit die landwirtschaftliche Nutzbarkeit der davon betroffenen Fläche insgesamt vermindern können. Während nach Einschätzung der AG Prof. Miehlich (vgl. MATERIALBAND V) keine erheblichen Beeinträchtigungen des oberflächennahen Grundwassers und des Oberflächenwasser zu erwarten sind, werden sich in einem an das Spülfeld angrenzenden ca. 10 m breiten Randstreifen die Nähr- und Schadstoffgehalte durch infiltrierende Sickerwässer erhöhen. Hierbei handelt es sich um Weidenutzung mit einer Fläche von ca. 0,4 ha (vgl. Abb. 9). Insgesamt wird durch die Errichtung eines Spülfeldes auf Pagensand ca. 20,7 ha landwirtschaftliche Nutzfläche betroffen.

Änderung der Tidewasserstände

Landwirtschaftliche Flächen mit einem naturnahen Ufer sind mehr oder minder ungeschützt dem Einfluß des hydromechanischen Geschehens ausgesetzt. Sie müssen somit gegenüber den infolge der Fahrrinnenanpassung eintretenden hydromechanischen Veränderungen als potentiell gefährdet eingestuft werden. Die Veränderungen der Tidewasserstände sind zwar zu gering, als daß dadurch komplette zusammenhängende landwirtschaftliche Flächen verloren gehen könnten. Die im MATERIALBAND V vorgenommenen Abschätzungen ergeben, daß durch Erosion entlang der Kliffkanten landwirtschaftliche Flächen (außer Binsengewinnung) in einer Größenordnung von ca. 2,6 ha verlorengehen. Eine exakte Prognose der Flächengröße und die genaue Lokalisierung der betroffenen Flächen sind aufgrund fehlender Informationen über Topographie des Deichvorlandes und dessen langfristige morphologische Entwicklung nicht möglich.4 Ohne daß jeder im folgenden genannten Fläche ein exakter Anteil an dieser prognostizierten Flächengröße zugeordnet werden kann, ist es zumindest möglich, größere zusammenhängende landwirtschaftliche Flächen (ohne Binsengewinnung) zu benennen, die von eventuell eintretenden Flächenverlusten betroffen sein können (vgl. hierzu Karte 3). Hierbei handelt es sich um:

  • Weidenutzung auf Grünlandflächen
    - an den Unterläufen von Stör, Krückau und Pinnau (Schleswig-Holstein),
    - auf dem Altengammer Vordeichsland (Hamburg),
    - am Allwöhrdener Außendeich sowie auf dem Brammer Sand,
    - auf dem Asseler Sand und
    - auf Krautsand (jeweils Niedersachsen).
  • Ackerbaulich bestellte Flächen im Bereich
    - von Krautsand (Niedersachsen)
  • Obstanbauflächen im Bereich
    - der Stör- und Krückaumündung (Schleswig-Holstein)
    - Krautsand
    - an den Unterläufen von Schwinge, Lühe und Este und
    - im Bereich Grünendeich (jeweils Niedersachsen).

Ob und in welchem Umfang bei den vom Abbruch der Uferkanten betroffenen Obstanbauflächen nicht nur die Fläche selbst, sondern auch Obstbäume betroffen sein werden, kann nicht ermittelt werden.

Schiffserzeugte Belastungen

Die durch vorbeifahrende Schiffe erzeugten Wellen und Strömungen verursachen kurzfristig wirksame, aber mitunter starke Belastungen der Böden und der Vegetation im Uferbereich. Diese Belastungen können an vegetationslosen, naturnahen Uferabschnitten direkt zu Bodenverlusten durch Erosion, Rückverlegung des Ufers und Ausbildung von Kliffs oder steilen Uferabschnitten führen. An den bewachsenen naturnahen Uferabschnitten kommt es zu Beeinträchtigungen und durch den verstärkten Wellenangriff möglicherweise zu Verlusten der Vegetation, wodurch wiederum die Erosionsgefährdung der Ufer steigt.

Nach den Berechnungen der BAW können Schiffswellen und Rückströmungen mit derartigen Folgen nur bei Schiffsgeschwindigkeiten über 12 (in der Unterelbe) bzw. 10 Knoten (kn) (im Bereich des Hamburger Hafens) auftreten (MATERIALBAND I). In Bereichen mit bereits vorhandenen Übertiefen, in denen keine Ausbaumaßnahmen stattfinden und es damit zu keiner Querschnittserweiterung kommt, werden bei Überschreitung dieser Geschwindigkeiten - wie schon im Ist-Zustand - überproportional erhöhte schiffserzeugte Belastungen auftreten, die Beeinträchtigungen der naturnahen Ufer und somit Bodenverluste auch von landwirtschaftlichen Flächen durch Erosion verursachen können (MATERIALBAND I).

Bodenfeuchte

Die maßnahmebedingte Veränderung der Tidewasserstände kann sich zudem auf den Bodenwasserhaushalt der Vordeichsböden auswirken. Einerseits kann die aus dem Anstieg des Thw resultierende häufigere Überflutung der Böden zur Folge haben, daß die Bodenfeuchte aufgrund der stärkeren Infiltration von Wasser während der Überstauung zunimmt. Andererseits kann die Absenkung des MTnw eine stärkere Austrocknung einzelner Flächen nach sich ziehen. Die Intensität der Auswirkungen auf den Bodenwasserhaushalt hängt im wesentlichen von der Bodenart bzw. der Wasserleitfähigkeit der Böden, der Höhenlage, der Entfernung zum Vorfluter sowie dem lokalen Entwässerungssystem durch Priele und Grüppen ab (vgl. MATERIALBAND V).

Nur bei nahezu wassergesättigten Böden (Wasserhaushaltstyp A 1 - ganzjährig vernäßt) kann es zu dauerhaften und erheblichen Beeinträchtigungen des Bodenwasserhaushaltes kommen. Bei diesen Böden kann sich die Verringerung des Luftvolumens negativ auf bestimmte Biotoptypen auswirken. Diese potentiellen Beeinträchtigungen der Vegetation sind bereits bei der Abschätzung der Bodenverluste infolge des Abbruchs von Uferkanten im Zuge der maßnahmebedingten Erhöhung des MThw berücksichtigt.

Verschiebung der Brackwasserzone

Durch die flußaufwärts gerichtete Verschiebung der Brackwasserzone wird sich der Salzeintrag in Vordeichsböden erhöhen. Veränderungen der Salzgehalte sind in dem gesamten Bereich unterhalb der zukünftigen oberen Brackwassergrenze zu erwarten (MATERIALBAND I). In derzeit rein limnisch geprägten Gebieten hat eine Erhöhung des Salzeintrags den Verlust von süßwasserbeeinflußten Flußmarschen und die Entwicklung der entsprechenden brackwasserbeeinflußten Böden zur Folge. In bereits heute salzbeeinflußten Vordeichsböden wirkt sich eine Erhöhung der Salzgehalte auf bestimmte Bodeneigenschaften aus. Während der zunehmende Salzeintrag in den gering salzbeeinflußten Böden zu Veränderungen des Nährstoffhaushaltes führt, erhöht sich in den stärker salzwasserbeeinflußten Böden in den Bereichen der unteren Tideelbe (ab Strom-km 677 (A)) und der Außenelbe die Mobilität verschiedener Schwermetalle (MATERIALBAND V). Es ist jedoch nicht anzunehmen, daß diese Veränderungen eine erhebliche Beeinträchtigung von Bodenfunktionen und damit der landwirtschaftlichen Nutzung darstellen.

4.2.1.2 Reet- und Binsengewinnung

Röhrichtpflanzen sind durch die, im Verlauf des Elbästuars unterschiedlich stark eintretenden, Wasserstandsänderungen des MThw betroffen (vgl. MATERIALBAND VI). Eine detaillierte Betrachtung der prognostizierten Thw-Erhöhung (vgl. MATERIALBAND I) im Bereich der Binsennutzung zeigt für die Elbe oberhalb der Störmündung (Fahrrinnen-km 678 N) ca. 2 cm und ab Pagensand (Fahrrinnen-km 663 N) ca. 3 cm Pegelanstieg. Für Röhricht, zu dem auch die genutzten Binsen (hier Schoenoplectus lacustris und Schoenoplectus tabernaemontani) gehören, werden Auswirkungen ab einer Wasserstandserhöhung von 2 cm prognostiziert. Für die Abschätzung der zu befürchtenden Flächenverluste werden bei einem MThw-Anstieg von 2 bis 3 cm ca. 3,5% und bei 3 bis 4 cm ca. 5% der Fläche angenommen.

In welchem Umfang die in der Karte 1 dargestellten Bereiche der Binsennutzung derzeit auch in Anspruch genommen werden, kann im Rahmen dieses Gutachtens nicht abschließend geprüft werden.

4.2.1.3 Zusammenfassung

In der folgenden Tabelle sind sowohl die maßnahmebedingt betroffenen landwirtschaftlichen Flächengrößen als auch ihr prozentualer Anteil an der landwirtschaftlichen Gesamtfläche im Untersuchungsgebiet dargestellt.

Tab. 11: Aufstellung vom maßnahmebedingt betroffenen landwirtschaftlichen Flächen.

Ort / Bereich im Untersuchungsgebiet

Landwirtschaftliche Nutzungsart

Wirkfaktor

Art der Beeinträchtigung

Flächengröße (in ha)

% Anteil an landwirtschaftlicher Gesamtfläche

PagensandWeidenutzung (Grünland)Aufspülung mit Baggergut (Spülfeld)Überdeckung von landwirtschaftlicher Nutzfläche

ca. 20,3

ca. 0,18%

PagensandWeidenutzung (Grünland)Sickerwasseraustritt aus dem SpülfeldSchadstoffeintrag in Randstreifen der angrenzenden landwirtschaftlichen Nutzfläche

ca. 0,4

ca. 0,003%

oberhalb Fahrrinnen-km 688 (N) und Nebenflüsse mit Ausnahme der Oste, Flächen mit naturnahem Ufer ohne nenneswerten Schilf- oder GehölzsaumWeidenutzung (Grünland), Acker, ObstanbauÄnderung der TidewasserständeVerlust von ufernaher landwirtschaftlicher Nutzfläche

ca. 2,6

ca. 0,02%

oberhalb Fahrrinnen-km 688 (N) und Nebenflüsse mit Ausnahme der OsteReet- und BinsengewinnungÄnderung der TidewasserständeVerlust von Nutzungsbereichenkeine Angabekeine Angabe
Gesamtfläche

ca. 23,3

ca. 0,203%

Erläuterungen: Die landwirtschaftliche Gesamtfläche im Untersuchungsgebiet beträgt ca. 11.511 ha.

Maßnahmebedingt sind Auswirkungen auf ca. 23,3 ha landwirtschaftlicher Fläche zu erwarten. Bei ca. 11.511 ha landwirtschaftlicher Gesamtfläche werden so ca. 0,203% maßnahmebedingt betroffen werden.

Die durch Änderung der Tidewasserstände betroffene Fläche beträgt 2,6 ha oder 0,02% der landwirtschaftlichen Gesamtfläche. Hierbei handelt es sich jedoch nicht um eine klar abgrenzbare Fläche, sondern um Uferabbruchkanten. Von diesen Flächenverlusten betroffen sind die Weidenutzung auf Grünlandflächen, Obstanbaugebiete und ackerbaulich bestellte Flächen. Auch wenn für Einzelflächen keine Aussage getroffen werden kann, dürften die Auswirkungen infolge der Änderung der Tidewasserstände, bezogen auf die einzelne Fläche, kaum spürbar sein. Darüber hinaus ist zu erwarten, daß Bereiche der Reet- und Binsennutzung maßnahmebedingt betroffen sein werden. Doch konnte der Umfang der von Flächenverlusten betroffene Anteil an der gesamten Reet- und Binsennutzung nicht ermittelt werden.

Mit der Errichtung eines Spülfeldes auf Pagensand werden ca. 20,7 ha landwirtschaftliche Nutzfläche (rund 0,18% der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche im Untersuchungsgebiet) betroffen, wovon durch Überdeckung 20,3 ha komplett verloren gehen und ca. 0,4 ha durch den Austritt von Spülfeld-Sickerwasser beeinträchtigt sind. Mit knapp 90% der von der Maßnahme insgesamt betroffenen landwirtschaftlichen Fläche stellt die Spülfelderrichtung auf Pagensand den flächenmäßig mit Abstand größten Eingriff in die landwirtschaftliche Nutzung dar und ist der einzige Bereich, in dem eine größere zusammenhängende landwirtschaftliche Fläche betroffen ist.

Fußnoten:

4.) Zur Herleitung der Methode zur Einschätzung der durch die Veränderung der Tidedynamik betroffenen Flächen vgl. MATERIALBAND V.