Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

2.2 Anforderungen an die Methodik

Für die Ermittlung der Landschaftsbildqualität im Rahmen einer UVU läßt sich nicht auf allgemein anerkannte oder gar standardisierte Methoden zurückgreifen. Vielmehr entwickeln die meisten Autoren ihre Methode im Hinblick auf den vorgesehenen Eingriff und das jeweilige Untersuchungsgebiet (vgl. GAREIS-GRAHMANN 1993). Deshalb muß hier im Vorwege auf einige Besonderheiten des Untersuchungsgebietes und der Maßnahme eingegangen werden:

  • Ausdehnung und Schnitt: Das Untersuchungsgebiet ist mit einer West-Ost-Erstreckung von rund 128 km und einer Fläche von ca. 940 km2 sehr groß (Zum Vergleich: Die Fläche des Hamburger Stadtgebietes beträgt 755 km2). Die Breite des Untersuchungsgebietes beträgt in vielen Bereichen nur zwischen einigen hundert Metern und wenigen Kilometern. Im Stromspaltungsgebiet bilden viele kleine hochwasserfreie Bereiche Inseln im Untersuchungsgebiet der UVU. Die Außengrenze des Untersuchungsgebietes ist mit einer Länge von 780 km im Verhältnis zu seiner Fläche sehr lang.
  • Verhältnis von Wasser- und Landflächen: Wasser bedeckt rund 81% der Fläche des Untersuchungsgebietes (bei MThw). Etwa 35% des Untersuchungsgebiet sind Wattflächen. Nur an den Rändern des Untersuchungsgebietes befinden sich meist schmale Streifen festen Landes.
  • Visuelle Einflüsse von außerhalb des Untersuchungsgebietes: Obwohl das Untersuchungsgebiet in der Regel nach außen durch Deiche begrenzt ist, bestehen visuelle Einflüsse von jenseits der Untersuchungsgebietsgrenze, vor allem im Bereich des Hamburger Hafens, entlang der Geest und punktuell durch bauliche Großobjekte.
  • Verschiedenartige Landschaftscharaktere: Kleinräumig grenzen Bereiche, die durch Großstadt- und Industriebebauung geprägt sind und Bereiche mit naturnahem Charakter aneinander. Auch im Verlauf des gesamten Untersuchungsgebietes verändert sich der Landschaftscharakter grundlegend - hier schmale Vordeichsflächen an der oberen Tideelbe, dort die Weite der Nordseeküste.

Die Größe des Untersuchungsgebietes, das Nebeneinander naturnaher und anthropogen geprägter Bereiche mit individuellem Charakter und die Tatsache, daß in manchen Bereichen die starken visuellen Einflüsse von außerhalb des Untersuchungsgebietes seinen Charakter prägen, machen ein differenziertes Erfassungs- und Bewertungssystem erforderlich. Es muß folgende Anforderungen erfüllen:

  • Die Maßstäblichkeit der Untersuchung muß trotz der Größe des Untersuchungsgebietes fein genug sein, um mögliche Veränderungen des Landschaftsbildes durch die Baumaßnahme zu erfassen.
  • Die Maßstäblichkeit der Untersuchung muß so gewählt werden, daß auch großräumige Strukturen erfaßt werden.
  • Die Erfassung von Merkmalen des Landschaftsbildes muß einheitlich erfolgen, damit die Vergleichbarkeit innerhalb des Untersuchungsgebietes gewährleistet ist.
  • Die erfaßten Merkmale müssen für die verschiedenen Bereiche des Untersuchungsgebietes Aussagekraft besitzen, so daß deren unterschiedliche Landschaftsbildqualitäten widergespiegelt werden.
  • Die maßgeblichen äußeren visuellen Einflüsse müssen erfaßt und bewertet werden.

Die geplante Maßnahme findet weitgehend unter der Wasseroberfläche statt, ist also für den Betrachter direkt nicht wahrnehmbar. Bedeutung für das Landschaftsbild haben also vor allem die Maßnahmen, die sich auf die Landflächen des Untersuchungsgebietes auswirken. Zu dieser räumlichen Besonderheit der Auswirkungen der Maßnahme kommt die zeitliche: Etwaige Landschaftsbildveränderungen können mit zeitlicher Verzögerung eintreten. Um diese Folgen und deren räumlichen Wirkungsbereich abschätzen zu können, ist ein anderes Vorgehen erforderlich als bei der Erfassung und Bewertung von Landschaftsbildveränderungen, die direkt von Eingriffen ausgehen:

  • Die Untersuchung muß das gesamte Untersuchungsgebiet behandeln, da keine mit Sicherheit unbeeinflußten Bereiche ausgegrenzt werden können.
  • Zur Ermittlung langfristig wirkender Prozesse ist die Aufarbeitung der historischen Landschaftsentwicklung notwendig.

Da im Bereich der Landschaftsbildanalyse beträchtliche begriffliche Unsicherheiten bestehen, seien zuletzt die in dieser Untersuchung verwandten Begriffe definiert:

  • Landschaftsbild: Das Landschaftsbild ist die Gesamtheit der äußeren, sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen in einem durch natürliche und/oder anthropogene Faktoren geprägten Landschaftsraum inklusive der Beziehungen zwischen dem sinnlich Wahrgenommenen und den damit verbundenen physischen und psychischen Prozessen. Synonym zum Begriff Landschaftsbild wird in dieser Arbeit auch der Begriff Landschaftserleben verwendet.
  • Landschaftsbildelemente: Ausstattungselemente der Landschaft, die Landschaftsbildrelevanz haben und im Rahmen dieser Untersuchung berücksichtigt werden.
  • Landschaftsbildräume: Großräumige Abschnitte des Untersuchungsgebietes, die sich durch die Eigenart des Landschaftsbildes deutlich voneinander unterscheiden (vgl. Kap. 2.5.1).
  • Landschaftsbildbereiche: Räumliche Untereinheiten der Landschaftsbildräume, die anhand von drei Breitenklassen ermittelt werden (vgl. Kap. 2.5.2).