Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

8 AUSWIRKUNGEN DER ÄNDERUNGEN

8.1 Temperatur

Wie bereits erwähnt, wird unter der Voraussetzung keines Luftmassenwechsels und einer schwachwindigen Strahlungswetterlage die Lufttemperatur im wesentlichen durch den Untergrund bestimmt. Die Oberflächentemperatur dieses Untergrundes wird nach Gleichung (5) u.a. durch den Wärmefluß im Boden bestimmt. Maßgeblich ist hier die Wärmeleitfähigkeit l:

(11)

[Wm-1K-1]

mit

h : Temperaturleitzahl [m2s-1]

(rc)b : Volumenwärme des Bodens [Jm-3K-1]

Jeder natürliche Boden setzt sich zusammen aus der eigentlichen Substanz des Bodens, dem beweglichen Wasser im Boden und aus der die Poren des Bodens erfüllenden Luft. Die Dichte ?b läßt sich aus den drei Bestandteilen berechnen,

(12)

[kgm-3]

wobei vs und vw die prozentualen Volumenanteile der Bodensubstanz bzw. des Wassers sind, ?s ist die Dichte der Bodensubstanz. Der Anteil der Luft kann aufgrund seiner geringen Masse vernachlässigt werden. Darüber hinaus ist die Dichte für Wasser mit ?w=1 berücksichtigt.

Die Volumenwärme des Bodens ergibt sich aus

(13)

[Jm-3K-1]

mit cs als spezifischer Wärme der Bodensubstanz und cw als spezifischer Wärme des Wassers.

Mit der Fahrrinnenanpassung werden sich die Bodenarten mit ihren Dichten und spezifischen Wärmen nicht ändern. Die Wärmeleitfähigkeit des Bodens kann sich also an einem vorgegebenen Ort lediglich durch eine Änderung des Wasseranteiles, der Bodenfeuchte verändern, da cw ebenfalls unverändert bleibt. Der Abschnitt 7.2.3 hat gezeigt, daß sich geringe Änderungen in der Bodenfeuchte in keinen nennenswerten Änderungen der Bodenoberflächentemperaturen bei windschwachen, nächtlichen Strahlungswetterlagen äußern. Nach Kapitel 6 ist kaum damit zu rechnen, daß sich der Wassergehalt des Bodens und somit seine Bodenfeuchte in größerem Umfang ändert.

So wird sich die Temperatur an der Oberfläche des Untergrundes nicht wesentlich ändern und damit ebenfalls nicht die Lufttemperatur. Entsprechendes gilt damit auch für die Spätfrostgefährdung in den Obst- und Gemüseanbaugebieten.

Wie eben gezeigt, ändert sich die nächtliche Kaltluftentstehung nicht wesentlich. Durch den Ausbau werden keine zusätzlichen Mulden an Land geschaffen, in denen sich Kaltluft stauen könnte. Ebenfalls wird die Neigung des Geländes nicht modifiziert. Also werden die bisherigen Gegebenheiten für die Kaltluft sowie für die Kaltluftflüsse auch weiterhin bestehen bleiben.

BEINHAUER [1985] und DUENSING [1972] haben das Entstehen von kleinräumigen Zirkulationssystemen zwischen warmer Elbe und kühlen Grünlandflächen bei windschwachen Strahlungswetterlagen bei Temperaturdifferenzen zwischen Elbe und Grünland größer 10 K gemessen, die durch Austauschprozesse zu einer gewissen Erhöhung der Temperatur über dem Grünland führen. Diese Zirkulation kann besonders zur Zeit der Spätfrostgefährdung in den Obst- und Gemüseanbaugebieten zu einer Frostminderung führen. Da weder für die Wassertemperatur, noch für die Temperatur über Land eine Änderung durch den Elbausbau zu erwarten ist, wird das Auftreten dieses Zirkulationssystems nicht durch die Fahrrinnenanpassung beeinflußt.

 

8.2 Luftfeuchtigkeit

Die Luft kann als ein Gasgemisch der Anteile trockener Luft und Wasserdampf angesehen werden. Der Wasserdampf verhält sich in der Atmosphäre wie ein ideales Gas. Er wird über Verdunstung und Transpiration von feuchten Oberflächen (insbesondere Gewässern und Vegetationsflächen) der Atmosphäre zugeführt. Die Industrie, der Hausbrand und der Verkehr sind anthropogene Wasserdampfproduzenten.

Die Aufnahmefähigkeit der Luft für Wasserdampf hängt von der Temperatur ab: Sie ist umso größer, je wärmer es ist. Wieviel die Luft dann aufnimmt, ist von dem Wasserangebot einer feuchten Oberfläche abhängig. Ein Transport von Wasser in die Atmosphäre erfolgt bis Sättigung eintritt. Der bei diesem Zustand ausgeübte Partialdruck des Wasserdampfes wird als Sättigungsdampfdruck bezeichnet.

Unter der relativen Feuchte ist das Verhältnis zwischen dem tatsächlich vorhandenen Wasserdampf zu dem maximal möglichen zu verstehen bzw. das Verhältnis von aktuellem Dampfdruck zum Sättigungsdampfdruck. Bei Sättigung beträgt die relative Feuchte 100%.

Die Verdunstung ist eng mit der Energiebilanz verknüpft (s. Kapitel 8.7). Wie gezeigt, werden sich die lokal temperaturbestimmenden Randbedingungen durch den Elbausbau nicht verändern. Da die Wasserdampfaufnahme temperaturabhängig ist, dieser Parameter aber keiner Änderung unterliegen wird, ist auch für die Luftfeuchtigkeit mit keiner maßnahmenbedingten Beeinflussung zu rechnen.

 

8.3 Bewölkung und Sonnenscheindauer

Wolken sind Anhäufungen von Wassertropfen oder Eiskristallen oder von beiden gleichzeitig. Voraussetzung ist eine ausreichend hohe Luftfeuchtigkeit und das Vorhandensein von sogenannten Kondensationskernen. Das sind in der Luft schwebende Teilchen, an denen sich Wasserdampf- sowie Eismoleküle ablagern können und Tröpfchen bzw. Eiskristalle bilden. Wolken entstehen bei der Hebung von Luft und gleichzeitiger Abkühlung unter die Temperatur, bei der Sättigung der Luft mit Wasserdampf eintritt. Die Hebung von Luft kann auf verschiedene Weise verursacht werden:

  1. durch Aufsteigen erwärmter Luft (Konvektion)
  2. durch erzwungenes Aufsteigen an orographischen Hindernissen (z.B. Gebirge)
  3. durch Aufgleiten (Hebung) über eine kältere, also dichtere (schwerere) Luftmasse.

Die Sonnenscheindauer eines Tages ist die Zeit, in der direkte Strahlung auf die Erdoberfläche auftritt. Die maximal mögliche Sonnenscheindauer wird lediglich von der Jahreszeit und der geographischen Breite einer Station bestimmt. Die registrierte Sonnenscheindauer ist hingegen von einer möglichen Horizonteinschränkung sowie von der Bewölkung abhängig. Je größer der Anteil der bedeckten Himmelsfläche ist, desto kürzer ist auch die aktuelle Sonnenscheindauer.

Eine Temperaturerniedrigung an der Erdoberfläche wirkt stabilisierend, d.h. die Aufwärtsbewegung der Luft wird gebremst oder gar ganz unterbunden. Die Temperatur-erhöhung fördert dagegen die Vertikalbewegung. Mit dem ersten ist entsprechend eine Bewölkungsminderung und damit eine Zunahme der Sonnenscheindauer verbunden. Umge-kehrtes gilt im zweiten Fall. Untersuchungen wie sich Temperaturänderungen auf die Bewölkung (Sonnenscheindauer) in Abhängigkeit des Änderungsbetrages äußern, sind aus dem Gebiet der Stadtklimatologie bekannt. Die grundsätzliche Wirkungsweise unterschiedlicher Oberflächentemperaturen auf Bewölkung, Sonnenscheindauer und Niederschlag (siehe nachfolgendes Kapitel) auch bezogen auf Wasser- und Landflächen lassen sich z.B. an der Nordseeküste ablesen.

Auch wenn versiegelte Flächen und Wasserflächen ein anderes physikalisches Verhalten aufweisen, kommt es bei der Betrachtung einer Änderung der Bewölkung und der Sonnenscheindauer zunächst nur auf die Frage der Wirkungsweise einer geänderten Flächentemperatur auf die beiden meteorologischen Parameter sowie auf den Betrag der Temperaturänderung an. Diesbezüglich können die Stadtklimauntersuchungen für die Beurteilung des vorliegenden Falles hilfreich sein.

Wolken über städtischen Gebieten werden zum einen durch die erhöhte Konvektion über den Wärmeinseleffekt beeinflußt sowie durch die dortige enorme Produktion von Kondensations-kernen. An diesen beginnt die Kondensation, wenn die Luft mit Wasserdampf gesättigt ist.

Im erwärmten Gebiet wird die Auslösetemperatur für Konvektion früher erreicht, die Bewölkung bildet sich demgemäß früher. Die Sonne wird entsprechend früher auch von den Wolken abgeschattet. LANDSBERG [1981] faßt für die Stadt eine Bewölkungszunahme von 5 - 10 % zusammen, für die Sonnenscheindauer eine Abnahme von 5 - 15 %. Für das mittlere jährliche Mittel der Temperatur wird für eine Stadt eine Erhöhung von 0,5 bis 3 K angegeben.

Eine erwärmte Wasserfläche führt ebenfalls zu früherer Konvektion und damit zu früherer Wolkenbildung bzw. Beschattung der Erdoberfläche, eine kühlere Wasserfläche mindert die Wolkenbildung ebenso wie eine "naturierte" ehemals versiegelte Fläche.

Unterschiede bestehen zwischen Stadt- und Wasserflächen hinsichtlich eines ausgeprägteren Tages- und Jahresganges der Temperatur über der Stadt aufgrund des unterschiedlichen thermischen Verhaltens der Untergründe und einer höheren Produktion von Kondensationskernen in der Stadt.

Eine Stadtfläche wird gegenüber ihrem natürlichen Umland meist wärmer sein, sommers wie winters, überwiegend tags aber auch nachts. Dies trifft für eine Wasserfläche nicht zu.Sie wird z.B. sie an einem sommerlichen Strahlungstag tagsüber gegenüber dem Umland zu einer Wärmesenke werden, nachts zu einer Wärmequelle. Die Konvektion wird dann nachts bei einer erhöhten Wassertemperatur früher und stärker bzw. bei verringerter Wassertemperatur später und gemindert auftreten. Es wird aber auch im Sommer kühle Tage gegeben, an denen die Elbe eine vergleichsweise höhere Temperatur besitzt als das Umland und als Wärmequelle wirksam ist.

Die möglichen ausbaubedingten Temperaturänderungen der Wasseroberfläche der Elbe werden diese Tages- und Jahresgänge nicht so beeinflussen, daß die qualitativen Unterschiede in bezug auf das Umland geändert würden.

Die Bewölkungszunahme über der Stadt hängt, wie bereits erwähnt, auch von der größeren Anzahl hier vorhandener Kondensationskerne ab. Bei gleicher Temperaturerhöhung fiele dann bei niedrigerer Kondensationskernkonzentration die Bewölkungsänderung geringer aus. Insofern ist über einer erwärmten Wasserfläche eine geringere Bewölkungszunahme als über der städtischen Fläche zu erwarten.

Temperaturänderungen des Elbwassers im Umfang einer städtischen Wärmeinsel mit entsprechenden Auswirkungen für Bewölkung und Sonnenscheindauer werden nicht angenommen (siehe Kapitel 6). Sie werden, falls überhaupt auftretend, deutlich unter diesem Betrag liegen, so daß die Ausbaumaßnahme für die Bewölkung und die Sonnenscheindauer keine Änderung hervorruft.

 

8.4 Niederschlag

Niederschlag setzt zunächst Wolken voraus. Wolken sind die sichtbare Anhäufung von Wassertropfen und/oder Eiskristallen, die durch Kondensation bzw. Sublimation des atmosphärischen Wasserdampfes an Kondensationskernen entstehen. Das aus den Wolken als Tropfen oder in fester Form (Schnee, Hagel) ausfallende Wasser wird als Niederschlag bezeichnet. Der Niederschlag wird in Millimetern (mm) gemessen: die Niederschlagshöhe von 1 mm entspricht einem Niederschlagsvolumen pro Flächeneinheit von 1 Liter pro Quadratmeter.

Der durch erzwungene Hebung an orographischen Hindernissen bzw. durch Aufgleiten auf eine kältere (dichtere) Luftmasse verursachte Niederschlag ist großräumig gleichmäßiger verteilt. Bei durch Konvektion (Aufsteigen von am Erdboden erwärmter Luft) ausgelösten Niederschlägen (Schauer, Gewitter) ist die örtliche Aufheizung des Bodens, also die Beschaffenheit der Erdoberfläche von Bedeutung. So können bereits sehr kleinräumig markante Unterschiede in der Niederschlagshöhe und -dauer sowie in der Niederschlagsintensität auftreten.

Änderungen in der Niederschlagshöhe, die durch Eingreifen in die Natur verursacht wurden, untersuchte man im Rahmen der Auswirkungen von Städten auf meteorologische Parameter näher. Der wichtigste lokalklimatische Einfluß auf die Niederschlagshöhe über einer Stadt ist dem Wärmeinseleffekt zuzurechnen. Diesem ist ein verstärktes Aufsteigen von über den versiegelten Flächen erwärmter Luft zuzuordnen, was sich bei bestimmten Wetterlagen in kräftigerer Konvektionsbewölkung äußert und bei entsprechenden Voraussetzungen auch in stärkeren Niederschlägen. Ein zweiter Aspekt erhöhter Niederschläge über städtischem Gebiet sind die dort geänderten Rauhigkeitsverhältnisse. Das Vorankommen eines Niederschlagsgebietes wird gebremst und verweilt so länger über dem Stadtgebiet. Der dritte Punkt ist das erhöhte Angebot von Kondensationskernen in der Luft über der Stadt.

Nach LANDSBERG [1981] ergibt sich über der Stadt ein etwa 5 - 15 % höherer Niederschlagsbetrag.

Eine ausreichend große Wasserfläche - die Fläche der Elbe ist eine solche - wirkt bei einer Temperaturerhöhung ähnlich wie eine erwärmte Stadtfläche, d.h. über ihr wird sich verstärkt Konvektion einstellen. Im Rahmen der Fahrrinnenanpassung wird sich die Rauhigkeit in der Umgebung und über der Elbe nicht verändern und auch die Anzahl der Kondensationkerne wird keine Änderung erfahren. Somit wäre auch bei gleicher Erhöhung der Wassertemperatur wie über den Flächen der Stadt im Bereich der Wasserflächen von einer geringeren Niederschlagserhöhung auszugehen. Die für die Elbe anzunehmenden ausbaubedingten Änderungen in der Wassertemperatur werden weit, wenn überhaupt gegeben, unter den Temperaturänderungen des städtischen Wärmeinseleffektes bleiben. Damit sind keine oder nicht nennenswerte Änderungen durch die Fahrrinnenanpassung der Elbe in Hinsicht auf die Niederschlagshöhen zu erwarten.

 

8.5 Nebel

Bei der Sichtweite handelt es sich um die horizontale Sichtweite. Bei Dunkelheit wird die sogenannte Feuersicht bestimmt: Sie ist die horizontale Entfernung, in der punktförmige, ungerichtete weiße Lichtquellen (keine Scheinwerfer) sichtbar sind.

In der Luft kondensierter Wasserdampf, also in der Luft schwebende Wassertröpfchen, führen zu Sichtreduzierungen. Auch in der Luft befindliche Aerosole können die Sichtverhältnisse verringern.

Gemäß internationaler Richtlinien spricht man von Nebel, wenn die horizontale Sichtweite weniger als 1000 m beträgt. Nebel besteht aus einer Anhäufung winziger, mikroskopisch kleiner Wassertröpfchen, die in der Luft schweben und die Sichtweite an der Erdoberfläche herabsetzen.

Die Entstehung von Nebel läßt sich auf drei Prozesse zurückführen:

  1. Abkühlen der Luft unter die Taupunkttemperatur
  2. Mischen verschieden temperierter Luftmassen
  3. Verdunsten von Wasser in kühlere Luft.

Bei windschwachen Strahlungswetterlagen kann nachts über Landflächen bei ausreichender Luftfeuchte die Temperatur in der untersten Luftschicht unter den Taupunkt absinken, womit Kondensation und Nebelbildung einsetzt. Die auch bei dieser Wetterlage gegebene schwache Luftbewegung kann den Nebel auf die Elbe treiben. Dieser Nebel kann in seiner Intensität gemindert oder gar aufgelöst werden, wenn die Wassertemperatur größer als die Lufttemperatur ist. Umgekehrt wird der bestehende Nebel noch verstärkt, wenn die Temperatur des Wasser unter der der Luft liegt. Beim Mischungsnebel wird durch das Zusammentreffen von feuchtwarmer Luft mit feuchtkalter Luft ebenfalls die Taupunktstemperatur unterschritten.

Im Rahmen von Kühlwassereinleitungen in die Elbe haben SCULTETUS und REIDAT [1975, 1976] die Nebelbildung hinsichtlich von Verdunstung von Wasser in kühlere Luft untersucht (Dampfnebel). Sie kamen zu dem Ergebnis, daß in diesem Fall die Zahl der zusätzlichen Nebelstunden bei einer Erwärmung des Wassers bis zu 2 K nicht ins Gewicht fällt. Die wenigen zusätzlichen Stunden (20 Stunden pro Jahr bei 1 K Erwärmung) schließen sich größtenteils an die vorhandenen Dampfnebelperioden an.

Diese Zunahme an Dampfnebelstunden muß nicht auch eine Zunahme hinsichtlich der Gesamtnebelstunden über das Jahr bedeuten, da andere Nebelformen durch wärmeres Wasser, wie oben erwähnt, abgeschwächt oder aufgelöst werden können.

Diese Untersuchung deutet an, wie die Nebelbildung auf Änderungen der Wassertemperaturen reagiert. In dem hier vorliegenden Fall sind keine oder nur äußerst geringe Wassertemperaturänderungen zu erwarten, die bedeutend niedriger als die hier erwähnten Änderungen liegen. Somit wird die Nebelbildung vom geplanten Ausbau der Elbe gar nicht oder nur unbedeutend beeinflußt.

Über den Landflächen werden sich infolge gleichbleibender Untergrundtemperaturen ebenfalls keine Änderungen in der Nebeldichte und -häufigkeit ergeben.

8.6 Wind

Wind ist bewegte Luft. Die Luftbewegung wird durch verschiedene auf die Luftpartikel wirkende Beschleunigungskräfte verursacht. In der sogenannten freien Atmosphäre, deren Untergrenze im Mittel zwischen 500 und 1000 m über Grund liegt, besteht im wesentlichen ein Gleichgewicht zwischen der Druckgradient- und der Corioliskraft (geostrophischer Wind). Letztere ist eine durch die Erdrotation erzeugte Kraft, die nur auf sich bewegende Körper - wie die beschleunigten Luftpartikel der Atmosphäre - nicht jedoch auf ruhende Körper wirkt.

Im unteren 500 - 1000 m mächtigen Teil der Atmosphäre, der planetarischen Grenzschicht oder Reibungsschicht, wirkt auf die Luftpartikel zusätzlich die Reibungskraft. Mit der vertikalen Abnahme der Reibungskraft geht eine Windgeschwindigkeitszunahme einher, die in den untersten Dekametern der Atmosphäre einem logarithmischen Gesetz folgt:

(14)

[ms-1]

mit
uz : Windgeschwindigkeit in der Höhe z in m/s
ur : Reibungsgeschwindigkeit in m/s, diese Größe ist höhenkonstant
k : von Karman Konstante (k=0,41)
z : Höhe über dem Erdboden in m
dv : Verdrängungshöhe in m
z0 : Rauhigkeitslänge in m

Durch die Reibung wird der wahre Wind aus der Richtung des geostrophischen Windes zum tiefen Druck hin abgelenkt und abgebremst. Dabei wird er lokal durch die thermische Schichtung der Atmosphäre, die Rauhigkeit der Erdoberfläche und die Geländeform beeinflußt.

Die Rauhigkeit der Erdoberfläche wird durch die Summe der auf ihr befindlichen Hindernisse bestimmt. Als Hindernisse gelten Bauwerke jeglicher Art, ebenso wie Bäume und Büsche. Schon eine kurzgemähte Wiese weist eine höhere Rauhigkeit auf als eine glatte Wasseroberfläche. Je größer die Rauhigkeit am Erdboden desto deutlicher entfernt sich das Niveau vom Erdboden, in dem die Windgeschwindigkeit null wird (Verdrängungshöhe). Zur Charakterisierung der aerodynamischen Eigenschaften unterschiedlich rauher Erdoberflächen wird die Rauhigkeitslänge benutzt. Beim Überströmen von aus ihrer Umgebung herausragenden Erhebungen wie Hügeln, Kuppen oder Bergen wird die Windgeschwindigkeit sowohl über der Erhebung als auch an deren Flanken erhöht. Bei stabiler Schichtung ist die vertikale Windzunahme größer als bei labiler.

Die windbeeinflussende thermische Schichtung ergibt sich durch die großräumige Wetterlage und ist somit von der Fahrrinnenanpassung der Elbe unbetroffen. Dies gilt ebenso für das Gelände, dessen Struktur mit dem Elbausbau nicht geändert wird. Die Größe der Wasserfläche der Elbe zwischen den Deichen ändert sich aufgrund der gering geänderten Überflutungszeiten von Wattflächen äußerst gering, so daß sich ebenfalls die räumliche Verteilung von Gebieten mit unterschiedlichen Rauhigkeitslängen nicht so ändert, als daß sich hier eine Modifizierung des Windes einstellen könnte. Das landwirtschaftliche Gefüge und auch die Bebauungsstruktur bleiben entlang der Elbe vom Ausbau unbeeinflußt, so daß sich diesbezüglich die Rauhigkeiten an der Erdoberfläche nicht ändern werden. Durch den geänderten Tidehub wird die Höhe des Deiches relativ zur Höhe des Wasserstandes der Elbe gering vergrößert (maximal 7 cm bei Tideniedrigwasser) bzw. verkleinert (maximal 4 cm bei Tidehochwasser). Diese Änderungen sind im Vergleich zur allgemeinen Deichhöhe so gering, daß sich das Hindernis "Deich" ausbaubedingt nicht stärker auswirkt als es jetzt der Fall ist.

 

8.7 Verdunstung

Verdunstung bezeichnet den Übergang von Wasser in Wasserdampf unterhalb des Siedepunktes. Zur Verdunstung einer bestimmten Wassermenge ist eine bestimmte Wärmemenge erforderlich. So ist die Verdunstung auf das engste mit der Energiebilanz verknüpft. In die zur Berechnung der Verdunstung über Land gängige empirische Haude-Formel

(15)

[mmd-1]

mit
ETP: potentielle Evapotranspiration
es: Sättigungsdampfdruck (14.30 MEZ)
e: Dampfdruck (14.30 MEZ)
a: empirischer monatlicher Pflanzenfaktor

geht die Lufttemperatur von 14.30 MEZ und die relative Feuchte zu diesem Zeitpunkt zur Bestimmung der Dampfdrucke ein. Mit den oben beschriebenen allgemeinen Abhängigkeiten der Temperatur und der relativen Feuchte von der Umgebung und den bezüglich der Fahrrinnenanpassung für diese meteorologischen Elemente getroffenen Feststellungen, sind für den Soll-Zustand keine Änderungen in den Verdunstungsbeträgen über Land zu erwarten.

Bereits in der Ist-Analyse wurde hinsichtlich der Verdunstung über Wasserflächen auf die sensible Reaktion der Verdunstung auf Änderungen der Windgeschwindigkeit und der Wassertemperatur hingewiesen. Beide Größen sind im Austauschkoeffizienten enthalten. Für den Bereich Cuxhaven wurde eine Abnahme der Verdunstung bei einer Windminderung um 1 m/s um 20 % festgestellt, während eine Zunahme der Wassertemperatur von 1 K eine Verdunstungserhöhung von 30 % erbrachte.

Wie oben begründet, wird sich die Wassertemperatur der Unterelbe durch die Anpassungsmaßnahmen nicht ändern. Ebenso wird die Windgeschwindigkeit keine Änderung erfahren. Damit ergibt sich auch keine Verdunstungsänderung über der Elbe.

Der Wasserdampfdruck e0 an der Oberfläche von Salzwasser sinkt mit zunehmender Salzkonzentration ab. Dieser Vorgang wird näherungsweise durch die Gleichung

(16)

[hpa]

beschrieben, wobei S die Konzentration des Salzwassers, a eine f?r das Salzwasser charakteristische Löslichkeitskonstante und es(T0) der Sättigungsdampfdruck an der Wasseroberfläche bedeuten. Zur Berechnung der Auswirkungen von Salzgehaltskonzentrationsänderungen auf die Temperatur an der Wasseroberfläche T0 kann wieder die Energiebilanzgleichung nach (7) benutzt werden, wobei für die spezifische Feuchte q0 unter Berücksichtigung von (16)

(17)

[kg Wasserdampf/kg feuchte Luft]

mit p=Luftdruck in hpa gesetzt wird.

Da die ausbaubedingten Salzgehaltsänderungen mit nur etwa -0,1 bis 0,34 Promille prognostiziert werden (s. Kapitel 5), liegen die daraus resultierenden Änderungen von T0 mit kleiner 0,01 K unter der Meßgenauigkeit. Damit sind auch die Änderungen der latenten Wärmeflüsse (Verdunstung) vernachlässigbar gering.

 

8.8 Biometeorologischer Wirkungskomplex

Die Wirkung der Atmosphäre auf den Menschen geht niemals von einem einzigen meteorologischen Element allein aus. Das Klima beeinflußt vielmehr durch das Zusammenwirken zahlreicher Einzelfaktoren den Organismus. Drei Wirkungskomplexe sind zu unterscheiden.

 

8.8.1 Thermischer Wirkungskomplex

Der Mensch ist über seinen Wärmehaushalt am engsten mit den atmosphärischen Umweltbedingungen verknüpft. Diese umfassen die meteorologischen Elemente Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit sowie kurz- und langwellige Strahlung. Die gesundheitliche Bedeutung hängt mit der engen Verknüpfung von Thermo- und Kreislaufregulation zusammen.

Eine auf den Menschen bezogene Bewertung von Klima läßt sich folglich über die vom Organismus zu erbringende Anpassungsleistung unter den gegebenen klimatischen Bedingungen erreichen.

Für Analyse und Bewertung gilt nach dem Entwurf der VDI-Richtlinie 3787, Bl.2: "Humanbiometeorologische Bewertung von Klima und Luft für die Stadt- und Regionalplanung" das "Klima-Michel-Modell" als Stand der Technik. Das Modell liefert eine Aussage über das durchschnittliche subjektive Empfinden des Menschen (nach der Diskomfort-Gleichung von FANGER [1972]). Das Verfahren verknüpft Wärmeproduktion aufgrund des aktivitätsabhängigen Energieumsatzes unter Berücksichtigung der Wärmeisolation der Bekleidung mit den für die Wärmeabgabe verantwortlichen meteorologischen Bedingungen, die von der Lufttemperatur, der Luftfeuchte, der Windgeschwindigkeit sowie kurz- und langwelligen Strahlungsflüssen abhängen.

Die vorangegangenen Kapitel über Temperatur, Verdunstung, Bewölkung und Sonnenschein-dauer, die auch die Strahlungsverhältnisse mit beinhalten, sowie den Wind haben für diese meteorologischen Elemente keine wesentlichen ausbaubedingten Änderungen erbracht. Der thermische Wirkungskomplex faßt deren Wirkung auf den Organismus des Menschen zusammen. D.h., wenn sich diese Klimaelemente durch die Fahrrinnenanpassung nicht ändern, werden sich auch keine Änderungen im thermischen Empfinden einstellen.

 

8.8.2 Aktinischer Wirkungskomplex

Der aktinische Wirkungskomplex behandelt den Einfluß der verschiedenen Strahlungskomponenten auf den Menschen, wie sie sich aus der Höhe über NN, der Sonnenscheindauer, den Bewölkungsverhältnissen und der Luftreinheit ableiten lassen. Die bioklimatischen Unterschiede im Ultraviolett-Bereich ergeben sich aus der Höhe über NN, die lokalklimatischen Unterschiede aus Sonnenschein- und Bewölkungsgegebenheiten. Im sichtbaren Spektralbereich sind die beiden letzten Parameter wesentliche Indikatoren. Der aktinische Wirkungskomplex wird durch die Globalstrahlung beschrieben, also der Summe aus den Strahlungsflüssen direkter und diffuser Himmelsstrahlung.

Für die Änderung des aktinischen Wirkungskomplexes sind im örtlichen Bereich bei gleichbleibender Höhe und Luftreinheit die Änderungen des Sonnenscheins und der Bewölkung maßgeblich, die die Globalstrahlung beeinflussen. Nach Abschnitt 8.3 wirkt sich der Ausbau der Elbe nicht auf diese beiden Klimaelelemente aus, was demgemäß auch keine Änderung im aktinischen Wirkungskomplex bedeutet.

 

8.8.3 Lufthygienischer Wirkungskomplex

Entsprechend WHO (World Health Organisation [Weltgesundheitsorganisation]) sind Luftverunreinigungen Stoffe, die durch Menge oder zeitlichen Aufenthalt in der Atmosphäre für Menschen, Tiere, Pflanzen und Eigentum schädlich sind bzw. zur Schädigung beitragen sowie das Wohlbefinden oder die Besitzausübung unangemessen stören können.

Natürliche Luftbeimengungen stammen aus Quellen, die über die gesamte Erde mehr oder minder gleichmäßig verteilt sind. Es handelt sich hier um vom Boden aufgewirbelten Staub, feste und gasförmige Stoffe aus der Vulkantätigkeit, Seesalz sowie organischen Beimengungen. Weltweit gesehen stellen diese natürlichen Stoffe den größten Anteil an den Luftbeimengungen. Anthropogene Luftbeimengungen haben ihren Ursprung in menschlichen Aktivitäten. Als Quellen sind Verkehr, Industrie und Kraftwerke sowie der Hausbrand verantwortlich.

Hinsichtlich der lufthygienischen Auswirkungen der Ausbaumaßnahmen wird auf das Luft-Lärm-Gutachten verwiesen.

 

8.9 Phänologie

Das Pflanzenwachstum hängt vom Einfluß der Witterung und des Klimas ab. Dieses ist in den Eintrittszeiten der verschiedenen Wachstumsphasen abzulesen. Die Beobachtung dieser Phasen gibt nicht nur Aufschluß über die Gunst oder Ungunst der Witterung, sondern läßt auch Aussagen über die Anbaumöglichkeiten in einem Gebiet zu, wenn die dort über einen vieljährigen Zeitraum erhobenen Daten entsprechend ausgewertet werden. Die Phänologie befaßt sich mit der Beobachtung der Entwicklung verschiedener Kulturpflanzen und deren Beziehung zu Wetter und Klima. Sie betrachtet die Reaktion der Pflanzen auf die Gesamtheit aller Klimaelemente. Die Pflanze gibt damit die Möglichkeit, in einer einzigen Größe mehrere meteorologische Parameter entsprechend ihrer Auswirkung auf die Wachstumsgeschwindigkeit zusammenzufassen.

Die pflanzenwachstumsrelevanten Elemente, wie Temperatur, Luftfeuchte, Bodenfeuchte, Verdunstung, Niederschlag erfahren infolge der Fahrrinnenanpassung der Elbe an die Containerschiffahrt keine erwähnenswerten Änderungen. Damit bleibt das Lokalklima unverändert, womit auch die Pflanzen ihre bisherige "Klimaumgebung" behalten.

 

8.10 Eisbildung

Die Dichte des Wassers ist abhängig von der Temperatur, dem Druck und bei Meerwasser auch vom Salzgehalt. Beim Meerwasser wird die Dichte geringer, wenn der Salzgehalt abnimmt. Absinkende Temperaturen haben ein Anwachsen der Dichte bei Salzgehalten über 24,7 Promille zur Folge. Für niedrigere Salzgehalte weist die Dichte ein Maximum zwischen -1,33 EC und +3,98 EC auf, abhängig von der Größe des Salzgehaltes, und nimmt dann bis zum Gefrierpunkt ab. Ähnlich wie Süßwasserseen verhalten sich Meere mit einem Salzgehalt unter 24,7 Promille bei der Abkühlung durch Wechselwirkungen mit der Atmosphäre. Kühlt sich das Oberflächenwasser oberhalb der Temperatur des Dichtemaximums ab, nimmt die Dichte zu, und die abgekühlten Wasserteilchen sinken aufgrund ihrer größeren Schwere gegenüber darunterliegenden Wasserteilchen ab. Die so eingeleitete Konvektion hält so lange an, bis alles Wasser der Wassersäule mit höherer Temperatur die Temperatur des Dichtemaximums angenommen hat. Sinkt die Oberflächenwassertemperatur weiter, wird das Oberflächenwasser leichter. Es verbleibt damit an der Oberfläche, kann sich weiter abkühlen, bis es gefriert, wenn der Gefrierpunkt erreicht wird.

Bei Meerwasser mit Salzgehalten größer 24,7 Promille wird bei Abkühlung die thermische Konvektion nicht über der Gefrierpunktstemperatur unterbunden. Der Wärmeinhalt der gesamten Wassersäule wird daher während des Abkühlungsprozesses ausgenutzt. Die Abkühlung verlangsamt sich so. Auf diese Weise erhält das Meer über die Gefrierpunktserniedrigung durch den Salzgehalt hinaus einen zusätzlichen Schutz vor dem Gefrieren. Was auch den Klimaten angrenzender Landflächen zugute kommt.

Die ausbaubedingten Salzgehaltsänderungen werden mit etwa -0,1 bis +0,34 Promille prognostiziert. Ausgehend von der von HANSEN [1907] (Abb. 3) bestimmten Abhängigkeit des Gefrierpunktes von der Konzentration und den Dichtebeziehungen in Abhängigkeit des Salzgehaltes nach KNUDSEN [1902] ergeben sich bei Änderungen des Salzgehaltes von 0,1 Promille Gefrierpunktserniedrigungen in der Größenordnung von 0,0055 K. Umgerechnet auf eine Salzgehaltsänderung von 0,4 Promille beträgt die Gefrierpunktsänderung 0,022 K. Ein Wert außerhalb der Genauigkeit der Temperaturmessung, so daß von einer Änderung der Eisbildung in Abhängigkeit von der ausbaubedingten Änderung des Salzgehaltes in der Elbe praktisch nicht gesprochen werden kann.

Die Wassertemperatur hat natürlich Einfluß auf die Eisbildung. Nach Kapitel 6 wird sie sich durch die Fahrrinnenanpassung an die Containerschiffahrt nicht ändern. Entsprechend erfahren die derzeitigen Eisbildungsbedingungen keine Änderung.