Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6 BEDEUTUNG DER TIDEDYNAMIKÄNDERUNGEN FÜR KLIMARELEVANTE FAKTOREN

Die im vorausgegangenen Kapitel beschriebenen ausbaubedingten Änderungen müssen klimarelevant in Änderungen der Land/Wasser-Verteilung und Grundwasserstand- bzw. Bodenfeuchteänderungen umgesetzt werden. Darunter ist nicht nur die Land/Wasser-Verteilung außendeichs zu verstehen, sondern auch ob die zur Frostminderung eingesetzten Grabensysteme in Obstanbaugebieten (z.B. des Alten Landes) seltener mit Elbwasser geflutet werden können.

Die Temperatur wird im Bereich der Landflächen unter der Voraussetzung einer gleichbleibenden Luftmasse von der Bodennutzung, der Bodenart und vom Wassergehalt der Bodenschicht beeinflußt. Der Wassergehalt der oberen Bodenschicht reguliert sich mit den Niederschlägen, der Verdunstung sowie dem Grundwasserstand.

Bodenart und -nutzung werden links und rechts der Elbe durch die Anpassung der Fahrrinne an die Containerschiffahrt nicht berührt.

Der Grundwasserstand ist in einem begrenzten Bereich beidseitig des Stromes mit den Wasserständen der Elbe gekoppelt. Die Amplitude der Tide wird bei Eintritt in den an den Strom angrenzenden Boden deutlich gedämpft. Die Reichweite der Tideschwankung der Elbe im Grundwasser beträgt gemäß eines Beispieles an der Süderelbe 2 bis 3 km (AHU [1996]). In etwa 300 m Elbentfernung ist die Amplitude um etwa 50 % verringert, in etwa 1 km beträgt die Schwankungsbreite noch etwa 13 % des Tidehubs.

Ausgehend von einer maximalen Änderung von 3 - 4 cm im mittleren Tidehochwasser und 4 - 7 cm im mittleren Tideniedrigwasser ergeben sich demgemäß in 300 m Entfernung zur Elbe ca. 2 cm bzw. 3,5 cm Anstieg bzw. Absinken des Grundwasserstandes. In 1 km Entfernung beträgt die maximale zu errechnende Änderung unter 1 cm.

Grundwasserstände sind dann von besonderer Bedeutung, wenn die Bodenfeuchte in niederschlagsarmen Zeiten vor allem durch den kapillaren Aufstieg bestimmt wird. Bei einer Geländehöhe von NN +1 m sinkt in 300 m Entfernung von der Elbe bei mittlerem Tideniedrigwasser die Grundwasseroberkante auf etwa NN -0,80 m ab. SCHACHTSCHABEL [1982] gibt als kapillare Aufstiegsrate für lehmigen Schluff bei einer Grundwasseroberkante von 1,80 m unter Geländeoberkante 1,5 mm pro Tag an, bei einem Grundwasserstand von 2 m unter Geländeoberkante 0,8 mm in einem Tag. Bei einer linearen Abnahme der kapillaren Aufstiegsrate mit zunehmenden Abstand von der Geländeoberfläche in der Schicht 1,80 - 2 m beträgt die Abnahme der täglichen kapillaren Aufstiegsrate 0,035 mm pro cm. Bezogen auf eine Niedrigwasserabsenkung um 4 cm bedeutet dies eine auf 1,4 mm reduzierte tägliche kapillare Aufstiegsrate. Bei Grundwasserständen kleiner 1,40 m unter Geländeoberkante liegt die Aufstiegrate pro Tag bei ³ 5 mm. Die überwiegende Anzahl der Tagesstunden ist der Grundwasserstand höher als 1,40 m unter Geländeoberkante und bei kaum geändertem kapillaren Aufstieg bei gering größerer Entfernung des Grundwasserstandes zur Zeit des Tideniedrigwassers werden sich keine nennenswerten Änderungen in der Bodenfeuchte ergeben.

Das Grabensystem an der Elbe und seinen Nebenflüssen dient in erster Linie der Bodenentwässerung. Ebbe und Flut reichen in der Regel aufgrund von Sperr- und Sielwerken nicht in das Grabensystem hinein. So wird der Wasserstand in den Gräben zum einen durch den Niederschlag, die Verdunstung und den Grundwasserstand bestimmt. Zusätzlich können die Gräbenwasserstände durch Siele und Schöpfwerke reguliert werden. Zu Zeiten der Spätfrostgefährdung landwirtschaftlicher Sonderkulturen (Obst-, Gemüseanbau) kann zusätzlich Wasser in die Gräben gepumpt werden.

Der Wasserstand in den Gräben ist, abgesehen von der Kopplung über den Grundwasserstand, von der Tide in den Flußläufen abgetrennt. Dies bedeutet, daß auch deren Wasserfläche nicht direkt von der Tide beeinflußt wird. Die minimale Änderung des Grundwasserstandes im Zentimeterbereich wird hinsichtlich des Wasserstandes in den Gräben zu keiner signifikanten Änderung führen. Es sei denn, in diesem Bereich wechseln gerade die Zustände "Wasser im Graben" oder "Graben trocken", was aber eher unwahrscheinlich bei dieser geringen Differenz ist. Aufgrund der Steilheit der Grabenseiten wird sich bei dieser geringen Wasserstandsdifferenz auch bezüglich der durch die Gräben gegebenen Wasserfläche keine wesentliche Änderung einstellen.

Eine große bei Tideniedrigwasser "trockenfallende" Fläche, die an ein auf Klimaänderungen sensibel reagierendes Gebiet angrenzt, ist das Mühlenberger Loch (Abb.2). Nach den Berechnungen der Bundesanstalt für Wasserbau ergeben sich in der Überflutungsdauer der Gebiete mit Höhen zwischen 0 und NN +2 m keine ausbaubedingten Änderungen. In dem Bereich bis NN -2 m nimmt die Überflutungsdauer zur Fahrrinne hin bis 10, maximal bis 14 min ab. Dabei beziehen sich diese höchsten Änderungszeiten auf Flächen mit Überflutungszeiten von größer etwa 9 Stunden. Nach BAW [1996] nimmt im Mühlenberger Loch in Niedrigwasserbereichen mit flachen Wattflächenneigungen der trockenfallende Wattbereich um einen zusätzlichen Streifen von 2 bis 5 m zu, sonst um ca. 0,5 bis 1 m. Mit dem "Trockenfallen" ist der Untergrund nicht gleich trocken, sondern bleibt zunächst naß. Dies gilt insbesondere für Zeiten mit keiner (nachts) oder geringer Einstrahlung. Nach Angaben von LÖPMEIER [1996] verdunsten nach Lysimeter-Messungen und Energiebilanzrechnungen über einer gut durchfeuchteten Bestandsfläche, die etwa einer trockengefallenen Wattfläche entspricht, bei guten äußeren Bedingungen (windig, strahlungsintensiv) maximal 0,6 - 0,8 mm pro Stunde. Für eine 15minütige kürzere Überflutungszeit bedeutet dies 0,2 mm. Der Abtrocknungprozeß geht in den obersten 2 cm des Bodens vor sich. Von darunter liegenden Bodenschichten wird wiederum Feuchte nachgeführt. Damit ist die "zusätzliche " Landfläche praktisch auch als sonstige Wasserfläche zu betrachten. Die klimarelevante Land/Wasser-Verteilung wird so ausbaubedingt nicht geändert.

Eine ausbaubedingte Änderung der Wassertemperatur wurde mittels des Modells der BAW nicht bestimmt. Die Datenreihe der Wassertemperaturen der Bundesforschungsanstalt für Fischerei in Cuxhaven (Siefert [1995]) umfaßt mit 1950 - 1989 eine Zeitspanne, in die verschiedene Fahrrinnenvertiefungen der Unterelbe fallen. Aus der Datenreihe lassen sich keine Temperaturänderungen des oberflächennahen Elbwassers in Abhängigkeit von vorangegangenen Fahrrinnenanpassungen ableiten. Andererseits entwickelten sich die Städte und die Industrien an der Elbe fort, weitere Kraftwerke entstanden. Verbunden war damit eine Erhöhung der Anliegereinleitung erwärmten Wassers in den Strom. Nach dem Wärmelastplan der ARBEITSGEMEINSCHFT FÜR DIE REINHALTUNG DER ELBE von 1973 und jetzigen Auskünften der ARGE ELBE führten diese Einleitungen nur lokal zu einer Erwärmung des Elbwassers, so z.B. im Bereich des Hamburger Hafen um etwa 1 K. Großräumig wurde keine Zunahme der Wassertemperatur der Elbe gefunden. Unter Berücksichtigung dieser Feststellung und der Datenreihe der Wassertemperaturen von Cuxhaven muß angenommen werden, daß die früheren Elbausbaustufen, die insgesamt die derzeit geplanten deutlich übertreffen, keinen meßbaren Einfluß auf die Wassertemperatur hatten. Entsprechendes dürfte so auch für den jetzt geplanten Ausbau gelten.

In Gebieten mit Wattflächen passen sich die Wassertemperaturen deutlicher und schneller, abhängig von der Wattflächengröße und der Tiefe, an die Lufttemperaturen an. Die kurzzeitige Zunahme der trockenfallenden Fläche durch geänderte Überflutungszeiten ist vergleichsweise zu gering, als das dadurch die Wassertemperatur ausbaubezogen eine Änderung erfährt.

Die herausgearbeiteten, ausbaubedingten, klimarelevanten Änderungen fließen in die im folgenden Kapitel 7 erläuterten theoretischen Grundlagen ein und ergeben die in Kapitel 8 erarbeiteten, ausbaubedingten Auswirkungen auf das Klima.