Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

5 KLIMATISCHE BEWERTUNG DES UNTERSUCHUNGSRAUMES

Für die Bewertung des Klimas im Untersuchungsraum sind folgende Gesichtspunkte wichtig:

  • Das Untersuchungsgebiet liegt in der Norddeutschen Tiefebene. Durch das weite Mündungsgebiet der Elbe erfährt die Küstenlinie der Nordsee einen tiefen Einschnitt. Dieses wirkt sich wie auch der Zufluß von Meerwasser durch die Tidebewegung in dem breiten Urstromtal auf die klimatischen Verhältnisse im Untersuchungsgebiet aus.
  • Die Elbmarschen an beiden Elbufern (zu beiden Seiten der Deiche) werden landwirtschaftlich genutzt. Hier gibt es ausgedehnte Obstanbaugebiete sowie Wiesen und Weideflächen und Ackerland. Die Landbewirtschaftung und der Ertrag aller Kulturen sind vom Witterungsverlauf abhängig. Die Obstkulturen sind in der Blütezeit frostempfindlich, so daß ihr Ertrag auch von der Frostwahrscheinlichkeit beeinflußt wird.
  • Das Untersuchungsgebiet ist auch bewohnt. Für das Wohlbefinden der hier lebenden Menschen spielen die Lufttemperatur, die Luftfeuchte, die Sonnenscheindauer und die Windgeschwindigkeit und nicht zuletzt die Luftqualität eine Rolle.
  • Den größten Anteil am Untersuchungsraum hat die Elbe. Hier ist es die Berufs- und Sportschiffahrt, die vom Wetter abhängig ist. Nebel, Eisgang und Sturm beeinträchtigen die Schiffahrt auf der Elbe, sie beeinträchtigen aber auch den Straßenverkehr im Untersuchungsraum.

5.1 Das Untersuchungsgebiet innerhalb des Norddeutschen Flachlands

Das Klima in der Norddeutschen Tiefebene wird von Nord- und Ostsee beeinflußt und ist daher maritim geprägt. Mit weiterer Entfernung von den Küsten nehmen die kontinentalen Eigenschaften zu, die sich vor allem in der Zunahme der jährlichen Temperaturamplitude ausdrücken.

Aufgrund der geringen Bodenrauhigkeit können Luftmassen das Norddeutsche Flachland ohne stärkere Beeinflussung durch orographische Hindernisse überqueren. Durch die Bodenrauhigkeit wird der Bodenwind kaum gebremst oder abgelenkt. Ferner führt die Nähe zu den nördlichen Zyklonenbahnen besonders in den Wintermonaten zu einem häufigen Auftreten von Stürmen. Da Winde aus westlichen Richtungen vorherrschend sind, werden an der Nordseeküste die höchsten Windgeschwindigkeiten angetroffen. Aber auch in der Unterelbeniederung sind die Windgeschwindigkeiten noch vergleichsweise hoch (Abb.1). Dabei erfahren im Bereich der Außenelbe vor allem Winde um Nordwest keine stärkere Abschwächung.

Die Temperaturverteilung im Norddeutschen Flachland wird neben der geographischen Breite vor allem durch den mildernden Einfluß des Meeres bestimmt. Nördlich von Weser und Aller hebt sich daher der Untersuchungsraum und die niedersächsische Nordseeküste durch seine höheren Jahresmitteltemperaturen von 8.5 bis über 9.0 °C (Karte 1) hervor, während außerhalb des Elberaumes die Jahresmitteltemperaturen überwiegend zwischen 8.0 und 8.5 °C liegen. Im Küstengebiet vollzieht sich wegen der noch vergleichsweise niedrigen Wassertemperaturen die Erwärmung im Frühling langsamer als weiter landeinwärts. Im Herbst wird dagegen die Abkühlung verzögert. Der Meereseinfluß bewirkt eine Dämpfung der Tageshöchsttemperatur und eine Verringerung der nächtlichen Abkühlung. Bei windschwachen Wetterlagen kann sich auch im Untersuchungsraum aufgrund der Temperaturunterschiede zwischen Wasser und Land nachts eine Querzirkulation zur Elbe aufbauen, die die nächtliche Abkühlung mindert. Durch die Erhöhung der Deiche nach der Sturmflut 1962 wird diese Querzirkulation jedoch dahingehend gestört, daß die Kaltluft nicht mehr ungehindert zur Elbe hin abfließen kann (Abb. 53). Auch durch Eingriffe in den Bodenwasserhaushalt und Eindeichungen von Vordeichsländereien wurde der mildernde Effekt des Elbewassers reduziert.

Im Jahresmittel nimmt der Niederschlag im Norddeutschen Flachland von West nach Ost ab. Da die Niederschläge in Norddeutschland vorwiegend an die aus westlichen Richtungen kommenden Frontensysteme gebunden sind, nehmen die Niederschläge in Schleswig-Holstein aufgrund der zunehmenden Bodenrauhigkeit von der Küste bis zum westlichen Geesthang zu, wo die jährlichen Niederschlagshöhen über 850 mm erreichen. Im Südosten Schleswig-Holsteins und im östlichen Niedersachsen geht der mittlere Jahresniederschlag auf unter 650 mm zurück. Vom Wendland an ostwärts geht er auf unter 600 mm zurück. Das geringe Niederschlagsaufkommen von unter 650 mm im Bereich der Alten Süderelbe ist auf orographische Effekte zurückzuführen.

5.2 Obst- und Landbau

5.2.1 Feldarbeitstage im Landbau

Die Anzahl der Feldarbeitstage in einem Gebiet wird im wesentlichen durch die Art der Böden und die Niederschlagsverhältnisse bestimmt. Die mittlere jährliche Anzahl der Feldarbeitstage nimmt im Norddeutschen Flachland auf leichten (schweren) Böden von 190-200 (150-160) im Nordseeküstengebiet und westlichen Niedersachsen auf 220-230 (170-180) im östlichen Schleswig-Holstein bzw. 240-250 (um 200) im östlichen Niedersachsen zu. Im Wendland erreicht sie sogar 270 Tage auf leichten und 220 Tage auf schweren Standorten. Entsprechend dieser Zunahme von West nach Ost ist im östlichen Untersuchungsraum, je nach Bodenart, die Anzahl der für die Feldbearbeitung zu nutzenden Tage um 15-20 höher als im Küstenraum.

Das höhere Niederschlagsaufkommen bietet im Westen auch deutlich ungünstigere Bedingungen für die Getreideernte. Hier stehen im Mittel weniger als 75 Stunden zur Verfügung, im Südosten Schleswig-Holsteins und im östlichen Niedersachsen dagegen mehr als 175.

5.2.2 Grünlandnutzung

In den Marschen der Unterelbeniederung werden die Flächen überwiegend als Dauergrünland genutzt.

Entsprechend der im Frühling von Südwest nach Nord fortschreitenden Erwärmung setzt das Grünlandwachstum im Norddeutschen Flachland zuerst (im Mittel um den 25. März) im südwestlichen Niedersachsen ein. Im niedersächsischen Küstengebiet liegt der Wachstumsbeginn um den 28. März, im Untersuchungsraum Ende März/Anfang April. In Schleswig-Holstein setzt das Grünlandwachstum in der 1. Aprildekade ein und zwar je nördlicher, desto später. Auf den Zeitpunkt des 1. Silageschnitts wirkt sich neben dem Beginn von nachhaltigem Grünlandwachstum auch die Witterung aus. So erfolgt wegen der trockeneren Witterungsbedingungen im südöstlichen Niedersachsen der 1. Grünlandschnitt im Mittel zeitiger (um den 3./4. Juni) als im südwestlichen (um den 6. Juni). Im nördlichen Niedersachsen setzt er zwischen dem 6. und 8. Juni ein, im westlichen und östlichen Schleswig-Holstein um den 10., im nördlichen erst um den 15. Juni.

5.2.3 Frostgefährdung im Obstbau

Witterungsbedingte Ertragseinbußen in den Obstanbaugebieten der Elbmarschen können vor allem durch Fröste zur Zeit der Obstblüte von April bis Juni verursacht werden.

Aus Tab. 35 und den Abb. 52 und 53 lassen sich einige Grundsätzlichkeiten entnehmen, die eine Beurteilung des gesamten Untersuchungsgebietes hinsichtlich seiner Spätfrostgefährdung zuläßt: Da die Wasserflächen die nächtliche Temperaturabnahme der Luft mindern, ist in den Obstanbaugebieten, die außendeichs der Elbe und ihrer Nebenflüsse gelegen sind, mit einer Frostgefährdung zwischen April und Juni nur in 2-3 von 10 Jahren zu rechnen. In den elbnahen Obstanbauregionen, die nur wenige hundert Meter bis kaum über 1 km hinaus von der Elbe entfernt liegen, nimmt die Milderung durch das warme Elbwasser rasch ab und die Spätfrostgefährdung steigt auf 70-90 % an. Mit weiterer Entfernung von der Elbe wird die Frostsituation immer ungünstiger. Begünstigt werden die Verhältnisse, wenn - wie im Alten Land - ein Grabensystem vorhanden ist, dessen Durchflutung mit Elbwasser gesteuert werden kann. Mit Frostschutzberegnungsanlagen können die Apfelblüten zur Ertragssicherung bei geringen Frösten vor Schädigung bewahrt werden, indem durch das Gefrieren des Wassers an der Blüte Gefrierwärme freigesetzt wird. Bei stärkeren Frösten ist die dadurch zu erzielende Temperaturerhöhung jedoch nicht ausreichend und damit die Frostschutzberegnung unwirksam. In Süßkirschenbeständen erwies sich die sog. Oberkronenfrostschutzberegnung aufgrund von schlechten Befruchtungsergebnissen als unbefriedigend.

Wird die Frostgefährdung ab Mai betrachtet, so geht die Gefährdung um ca 30 % zurück, was bedeutet, daß außendeichs dann keine Frostgefahr mehr besteht.

5.3 Bioklima

Gesundheit, Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit des Menschen werden auch von den meteorologischen Umweltbedingungen beeinflußt. Da der menschliche Wärmehaushalt davon am stärksten betroffen ist, wird das Bioklima in Hinblick auf Wärmebelastung und Kältereiz beurteilt. "Die meteorologischen Bedingungen der Wärmeabgabe ergeben sich aus der gleichzeitigen Wirkung von Lufttemperatur, Luftfeuchte, Windgeschwindigkeit sowie kurz- und langwelliger Strahlung. Dies wird durch das sog. "Klima-Michel-Modell", bezogen auf einen Durchschnittsmenschen, in einer nach physiologischen Gesichtspunkten definierten Weise beschrieben. Das "Klima-Michel-Modell" ist ein mathematisches Simulationsmodell, das die wichtigsten Wechselwirkungen zwischen dem Außenklima und dem Menschen darstellt. Der Mensch ("Klima-Michel") kann sich im Rahmen dieses Simulationsmodells über die Variation seiner Bekleidung im Jahresgang weitgehend den thermischen Bedingungen anpassen..., bei vernünftigem Verhalten also optimale Behaglichkeit erreichen. "Wärmebelastung" trotz Sommerkleidung und "Kältereiz" trotz Winterkleidung liegt vor, wenn bestimmte Schwellen überschritten werden. Die Thermoregulationsmechanismen des Organismus werden dann zunehmend gefordert." (DER MINISTER FÜR UMWELT, RAUMORDNUNG UND LANDWIRTSCHAFT, 1989)

Wärmebelastung tritt hauptsächlich bei sommerlichen, strahlungsreichen Hochdruckwetterlagen mit hoher Temperatur, hoher Luftfeuchte und geringer Luftbewegung auf. In Norddeutschland, und damit auch im Untersuchungsraum, sind diese Bedingungen nur selten anzutreffen: Im Untersuchungsgebiet ist im Juli mit einem wärmebelastenden Tag zu rechnen (zum Vergleich: in der Oberrheinebene sind es mehr als 6 Tage) (JENDRITZKY, 1988).

Anders sieht es für den Kältereiz aus: Niedrige Temperaturen werden besonders in Verbindung mit hohen Windgeschwindigkeiten als unangenehm empfunden. Kommen starke Bewölkung und ggf. auch noch Regen hinzu, wird das Behaglichkeitsempfinden weiter vermindert. Kältereize treten im Untersuchungsgebiet vermehrt auf, so im Januar an 12 bis 14 Tagen (zum Vergleich wieder die Oberrheinebene: hier sind es weniger als 8 Tage). (JENDRITZKY, 1988)

Innerhalb des Untersuchungsraumes gibt es vor allem Unterschiede zwischen den dicht bebauten Gebieten der Stadt Hamburg und dem Umland. Wärmebelastung ist wegen der höheren Temperaturen und der niedrigeren Windgeschwindigkeiten im Bereich der städtischen Wärmeinsel häufiger anzutreffen. Kältereiz tritt in der Stadt seltener auf als im Umland, der Heizenergiebedarf ist in einer Großstadt zudem um 10 bis 15 % geringer. "Es handelt sich dabei um einen der wenigen Vorteile, welche städtische Bebauung und damit einhergehende Bodenversiegelung in klimatischer Hinsicht zu bieten haben" (BAUMÜLLER et. al., 1993).

Der zweite Faktor, der in städtischen Ballungsräumen Gesundheit und Wohlbefinden der Bevölkerung beeinträchtigt, ist die Luftverschmutzung (HOFFMANN, 1986). Als weitere Komponente kommt die Lärmbelästigung, die vor allem von dem Kfz-Verkehr ausgeht, hinzu. Insgesamt sind die bioklimatischen Bedingungen in den dicht bebauten Gebieten des Untersuchungsraumes damit etwas ungünstiger als im Umland.

5.4 Verkehr

Der Schiffsverkehr auf der Außen- und Unterelbe wird vor allem durch Nebel behindert. Wie aus Abschnitt 4.5.9 hervorgeht, ist auf der Elbe im Mittel mit 50 bis 55 Nebeltagen zu rechnen. In den Elbabschnitten mit ausgedehnten angrenzenden feuchten Marschgebieten wird die Sicht zusätzlich durch Strahlungsnebel behindert, so daß hier jährlich bis zu 70 Nebeltage auftreten.

Wenn man diese Zahlen bewerten will, dann muß man sie in Relation zu Nebelhäufigkeiten anderer Wasserstraßen im Küstenbereich setzen. Aus den Karten der mittleren Anzahl der Tage mit Nebel für die alten Bundesländer, berechnet für den Zeitraum 1951 bis 1980 (KALB und SCHIRMER, 1992), geht hervor, daß es entlang der Deutschen Nordseeküste und im Bereich der Wasserstraßen von Ems, Weser und Elbe, die für die Großschiffahrt geeignet sind, keine Unterschiede hinsichtlich der Nebelhäufigkeit gibt. Von besonders häufiger oder seltener Behinderung der Schiffahrt durch Nebel kann man also nicht sprechen.

Das Eis auf der Elbe bleibt wegen der Tide und des hohen Schiffsaufkommens auch in sehr kalten Wintern meist in Bewegung. Wenn die Eisschollen sich zusammenschieben, können in Einzeljahren erhebliche Behinderungen für Schiffe mit geringer Maschinenleistung in Stromengen entstehen. Die Großschiffahrt wird davon aber nicht betroffen.