Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

5.3 Voraussichtliche Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung nach Beendigung der Baumaßnahmen

Die von der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) (s. Materialband I) prognostizierten Veränderungen der hydromechanischen Bedingungen in der Tideelbe werden in ihren Auswirkungen auf die Brutvogelwelt untersucht. Dazu wird erst die zu erwartende Änderung nach BAW genannt (kursiv) und dann die zu erwartende Prognose für die Entwicklung der Brutvogelwelt formuliert. Veränderungen der Flut-und Ebbedauer, Überflutungsdauer, Flut- und Ebbstromgeschwindigkeiten, -volumen und -dauer sind in ihrer Kleinheit für die Brutvögel belanglos. Auch Wellenanlauf und Ausbreitungsverhalten von Schadstoffen unterliegen durch die Maßnahme keinen nachweisbaren Änderungen.

5.3.1 Hydromechanische Änderungen

  • Keine Änderung des Tidehubs und der Tidewasserstände seewärts von Cuxhaven
  1. Es ist keine Änderung der Brutvogel-Lebensräume in der Außenelbe zu erwarten.
  • Absenkung des Tideniedrigwassers um maximal 7 cm bei St. Pauli; um maximal 5 cm im Bereich des Fährmannssander Wattes; um maximal 2 cm im Bereich des bedeutenden Brutgebietes Nordkehdingen
  1. Eine Beeinträchtigung der Brutvögel durch die Niedrigwasserstandsabsenkung ist unwahrscheinlich. Durch die Absenkung werden sich die Wattflächen vergrößern, so daß für die Schlammstocherer ein größeres Areal zum Nahrungserwerb entsteht. Dies kann für die Watvögel als eine positive Entwicklung gesehen werden.
  • Erhöhung des Tidehochwasserstandes um maximal 4 cm bei St. Pauli; maximal 4 cm im Bereich des Fährmannssander Wattes; keine Änderung im Bereich Kehdingen
  1. Eine gewisse Beeinträchtigung der Brutvögel ist möglich, wenn durch diese Erhöhung Grünland-Nistplätze in der Nähe der MTHW-Linie verloren gehen. Da durch die Erhöhung vor allem das Röhricht in seiner Flächenausdehnung betroffen wird, sind auch die Röhrichtbrüter in entsprechendem Maße betroffen.
  • Die Flachwasserbereiche (0-2 m Wassertiefe) werden sehr gering abnehmen. Sie verkleinern sich durch die ausbaubedingte Niedrigwasserabsenkung zugunsten der Wattflächen.
  1. Die Flächenveringerung ist so gering, daß erhebliche Beeinträchtigungen der fischfressenden Brutvögel nicht zu erwarten sind.
  • Die schiffserzeugten Belastungen lassen im Bereich Hamburg bis Pagensand-Nord eine höhere Belastung der Deckwerke erwarten, wenn die Geschwindigkeit 12 Kn gegen Wasser überschreitet. Im Bereich zwischen Schwarztonnensand und Brunsbüttel werden die ausbaubedingten und tiefgangsabhängigen Änderungen bei Einhaltung der Bemessungsgeschwindigkeiten (10-14 Kn) kaum meßbar sein. Im Bereich zwischen Brunsbüttel und Großer Vogelsand werden nur in einzelnen exponiert liegenden Abschnitten erhöhte Sekundärwellen auftreten, deren Größenordnung von der Schiffsgeschwindigkeit und dem Passierabstand bestimmt wird.
  1. Wenn keine Änderungen der schiffserzeugten Belastungen auftreten, ist keine negative Veränderung für die Brutvögel zu erwarten. Brutvögel können mit ihren Nestern anders als Rastvögel einzelnen hohen Wellenereignissen jedoch nicht ausweichen. Eine Zerstörung der Nester und Eier führt zwar zum Nachlegen, belastet aber die Populationen durch sinkende Zahl und Vitalität von Jungtieren. Gerade in der Vogelbrutzeit muß daher auf strikte Einhaltung der Geschwindigkeit geachtet werden, da bereits ein schnellfahrendes Schiff Hunderte von Nestern vernichten kann.

Eine Erhöhung der Hochwasserstände gefährdet Brutplätze von nahe der MTHW-Linie brütenden Vogelarten. Im Elbeästuar sind dadurch weniger die zunehmend in die Außenelbe verlagerten Seevogelkolonien gefährdet. Vielmehr sind die Bruten des Säbelschnäblers, des Wachtelkönigs und des Kampfläufers zunehmenden Verlusten durch höher auflaufende Springtiden und möglicherweise höhere schiffserzeugte Belastungen ausgesetzt. Die Neststandorte dieser Arten liegen heute eingeengt durch Vordeichung und landwirtschaftliche Nutzung näher an hochwassergefährdeten Bereichen.

Auch für die Brutbestände des NSG Hullen ist eine Zunahme des Gefährdungspotentials durch höher auflaufende Tiden zu befürchten. Hier beeinträchtigen schon heute durch Schwallwellen vor dem geschlossenen Ostesperrwerk um nur wenige Zentimeter erhöhte Springtidehochwasser den Bruterfolg von Küstenvögeln. In diesem Bereich ist allerdings nur eine Erhöhung der MTHW-Linie um einen halben Zentimeter prognostiziert, sodaß diese Auswirkung der Fahrrinnenanpassung nicht als erheblich eingestuft werden kann.

Oberhalb von Glückstadt werden die Siedlungsmöglichkeiten von Rohrsängern beeinträchtigt, die bei zunehmendem Tidenhub ihre Nester höher über dem MThw aufhängen und damit die Halme stärker belasten. Nestanlagen werden instabiler und knicken leicht ab. Insbesondere für den vom Aussterben bedrohten Drosselrohrsänger ist dieses Phänomen als Rückgangsursache bzw. siedlungsbegrenzender Faktor bekannt. Gefährdet sind insbesondere die Brutvorkommen dieser Art im Bereich der Haseldorfer Binnenelbe.

Die Zunahme des Tidenhubs, der vor allem in den oberen Ästuaren unnatürlich stark erhöht ist, führt zu einer Verarmung der Vogelgemeinschaft dieses Lebensraumtyps (Flade 1994). Für diese Artengruppe ergeben sich weitere ausbaubedingte Beeinträchtigungen, die im folgenden noch näher beschrieben werden. Die nachfolgende Tabelle 7 gibt einen Überblick der bevorzugten Habitatstrukturen bzw. der Spezialisierungen einzelner Arten und ihrer Verteilung in der Uferzone.

Tabelle 7: Schlüsselfaktoren für die Lebensraumqualität typischer Röhricht-Arten

vollständige Zonierung mit Durchmischungs- und Übergangsbereichen zu Seggenriedern und Weidengebüsch Schilfrohrsänger, Sumpfrohrsänger
großflächig zusammenhängende Bestände mit inneren Grenzlinien Rohrdommel, Rohrweihe, Bartmeise
dauerhaft ungenutzte Altschilfbestände mit verfilzter Knickschicht (ständige geringe Überflutung) Rohrdommel, Rohrweihe, Schilfrohrsänger, Rohrschwirl, Bartmeise
dynamische Veränderungen der Habitatstrukturen (Sukzessionsunterbrechung) durch Überflutung und Eisschur Blaukehlchen
Bereiche mit Dominanz-Beständen von Schilf (verschiedene Altersstadien) Drosselrohrsänger, Teichrohrsänger, Bartmeise.

Quellen: Bezzel 1993, Dinse 1989, Flade 1994; Fettdruck = Anspruchsprofil besonders stark ausgeprägt

Die Vogelgemeinschaft der Röhrichte setzt sich überwiegend aus hochspezialisierten Arten zusammen, die den sehr nahrungsreichen, aber extrem strukturierten Lebensraum in Abhängigkeit von Vegetationsstruktur und Wasserstand in unterschiedlichen Habitaten besiedeln. Für die in dieser Tabelle mit aufgeführte Rohrdommel fehlen aus den letzten Jahren gesicherte Brutnachweise. Potentielle Brutmöglichkeiten bieten sich am Ostesee, im Elbuferbereich des Nordkehdinger Außendeichs und im Röhrichtgürtel der Haseldorfer Binnenelbe.

5.3.2 Auswirkungen auf die räumliche Lage und Entwicklung dynamisch veränderlicher Sandinseln und Uferbiotope

  • In den schwach durchströmten Seitenbereichen, Flachwassergebieten und Nebenelben treten praktisch keine ausbaubedingten Zu- und Abnahmen der Transportkapazitäten auf, d. h. die Änderungen liegen unter der Nachweisgrenze von ± 1%.
    Für die Brutvögel ergeben sich keine Änderungen. Zusätzliche Abtragungskräfte gegenüber den jetzt bereits vorhandenen oder eine Zu- oder Abnahme sandiger oder schlickiger Ablagerungen sind in Ufernähe nicht zu erwarten.

Durch partielle Abnahmen und Zunahmen der Strömungsgeschwindigkeit sind jedoch lokale Abweichungen von den gegenwärtigen Sedimentationsverhältnissen möglich. Da nur stabile Schlickwattsedimente eine reiche Besiedlung von Benthosorganismen aufweisen, können sich Änderungen der Qualitäten und Verlagerungen von wichtigen Nahrungshabitaten ergeben.

Durch die vorhergesagte leichte Strömungszunahme im Bereich der Fahrrinne sind Sandplaten und -inseln sowie exponierte Vorlandgebiete wie das Osteriff grundsätzlich durch Erosion gefährdet. Im Bereich des Osteriffs und des Hullenbrammers verläuft die Fahrrinne nahe an Riff und Vorlandkante. Dieser Bereich wurde in den vergangenen Jahren stark in Mitleidenschaft gezogen. Nachfolgend waren zusätzliche Stromlenkungsmaßnahmen in der Ostemündung erforderlich. Die weitere Ausbauplanung sieht in der Fahrrinne vor dem Osteriff eine Reduzierung der Breite und eine Baggergutverklappung bis nahe an die Osteriffstacks des Elbe-Leitdamms vor. Eine weitere Verstärkung der Erosion in diesem Bereich erscheint dadurch ausgeschlossen.

Die Entwicklung und Umlagerung dynamisch veränderlicher Sandinseln und Vorlandgebiete ist heute stark von ausbaubedingten Einflüssen überlagert. Dadurch ist der Bestand und auch die Neubildung bzw. Umlagerung dieser Biotope zum Mangelfaktor für angepaßte Vogelgemeinschaften geworden, der inzwischen limitierend auf die Ansiedlung großer Küstenvogelkolonien und anspruchsvoller ästuartypischer Vogelarten wirkt. Jede Verstärkung dieser Effekte muß angesichts der fortschreitenden akuten Gefährdung und der Beeinträchtigung natürlicher Neubildungen dieser Biotope im Elbeästuar vermieden werden.

5.3.3 Einfluß des Salzgehaltes und der Lage der Brackwasserzone

  • Die obere Brackwasserzone kann bei niedrigem Oberwasserabfluß sehr langsam im Verlauf mehrerer Wochen bis in den Bereich Stadersand/Wedel vordringen und wandert bei Zunahme des Oberwassers innerhalb weniger Tage wieder um bis zu 20 km stromab. Sie wird nur noch geringfügig weiter stromauf vordringen und sich verstärken. Die Zunahme der Salzgehalte beträgt bei Wedel 0,02 Promille, bei Stadersand 0,05 Promille und bei Glückstadt 0,1 Promille.
  1. Die geringen Änderungen sind vor dem Hintergrund der großen natürlichen Variation in der Lage der Brackwasserzone und der Salzgehaltskonzentrationen mit großer Wahrscheinlichkeit ohne erhebliche Bedeutung für die Brutvogelwelt.

Die Verschiebung der oberen Brackwassergrenze hat Einfluß auf die Verteilung, Zusammensetzung und Individuendichte der Benthosbesiedlung und damit die Qualität und örtliche Verfügbarkeit der Nahrungsressourcen insbesondere für ästuartypische Watvögel wie Säbelschnäbler und Rotschenkel. Im Bereich zwischen 5 und 10 ‰ Salzgehalt weist die Artenzahl des Makrozoobenthos ein starkes Minimum auf (Dahl & Heckenroth 1983). Die Biomasse wird allerdings nicht signifikant durch die Salzgehaltsänderungen verringert.

Durch ein weiteres Vordringen salzigen Wassers können die letzten großen Schilfröhrichte der unteren Elbe im Bereich der Haseldorfer Binnenelbe beeinträchtigt werden. Die Schilfgebiete (reine Schilfröhrichte) werden zunehmend von Brackwasserröhricht-Arten durchwachsen. Neben Veränderungen der Vegetationsstruktur hat der verstärkte Salzeinfluß auch Auswirkungen auf die Wuchsform der Einzelpflanzen (Halmstruktur und -dicke des Schilfrohres). Durch die hohe Spezialisierung der Röhrichtarten auf Vegetationszonierung und Halmdicke werden insbesondere die Siedlungsmöglichkeiten für den Drosselrohrsänger ausbaubedingt weiter eingeschränkt.

Die mechanische Beanspruchung des Schilfgürtels, die unnatürlich erhöhte Amplitude der Tideschwankungen und das von unterstrom vordringende Brackwasser grenzen die Eignung des Röhrichts als Lebensraum für die typische Brutvogelgemeinschaft vor allem im limnischen Bereich zunehmend ein. Für diese Vogelgemeinschaft, der im Elbeästuar noch mehrere spezialisierte hochgradig gefährdete Arten angehören, sind erhebliche Beeinträchtigungen durch den geplanten Ausbau zu erwarten.

5.3.4 Auswirkungen von Änderungen des Schwebstoffregimes

Als Grundlage für die Prognose der Auswirkungen von Änderungen des Schwebstoffregimes auf die Brutvogelwelt der Elbe dient das Gutachten der Arbeitgemeinschaft Gkss & HGU (Materialband II). Dazu wird erst die zu erwartende Änderung nach Gkss & HGU genannt (kursiv) und dann die zu erwartende Prognose für die Entwicklung der Brutvogelwelt formuliert.

  • Signifikante geomorphologische Veränderungen in Ufernähe, d. h. hier zusätzliche Bodenbelegungen, ergeben sich an der Hahnöfer Nebenelbe, in einem ca. 200 m breiten Streifen am Nordufer von Hanskalbsand und auf der gegenüberliegenden Seite an der Wedeler Au. An diesen Stellen wird eine dauerhafte Ablagerung von Schwebstoffmaterial vorhergesagt. Abtragungen sind nicht zu befürchten. Ausbaubedingte Änderungen der Korngrößenverteilung lassen sich nicht vorhersagen.
  1. Direkte Auswirkungen auf die Vogelwelt sind nicht in erheblichem Maße zu erwarten. Die Änderungen wirken indirekt über ihren Einfluß auf die Bodentierfauna (siehe dort). Veränderungen der Qualität von Wattflächen, z. B. durch Korngrößenänderungen des Sediments, hätten unterschiedliche Auswirkungen auf die verschiedenen Arten der Brutvögel, die ja verschiedene Ansprüche an ihren Lebensraum stellen. Entsprechende Änderungen lassen sich aber aus den Modellergebnissen nicht herleiten.
  • Die Bauphase verändert das Schwebstoffregime nicht nachhaltig. Vorübergehend und örtlich kommt es zu Veränderungen.
  1. Die Vogelarten, die davon negativ betroffen sein könnten (Fischfresser), können im Elbebereich ausweichen, da die Beeinträchtigungen nur örtlich und zeitlich begrenzt auftreten. Die Beeinträchtigungen werden nicht erheblich sein (auch Nachtrag zu Kapitel 5.2).
  • Signifikante Veränderungen des Schwebstoffregimes ergeben sich in Flachwasserbereichen am südöstlichen Rand des Mühlenberger Loches und am Nordufer bei Hetlingen mit Schwebstoffkonzentrationszunahmen bis zu 20% bzw. 40%. Im Bereich Brunsbüttel, im teilweise trocken fallenden Gebiet am Südufer, gegenüber des Nord-Ostsee-Kanals, wird eine Schwebstoffzunahme um ca. 10% erwartet.
  1. Schwebstoffzunahmen behindern die optisch jagenden, fischverzehrenden Arten. In den o.g. Gebieten sind das Kormoran und Seeschwalben. Eine Quantifizierung dieser Beeinträchtigung ist nicht möglich.

Änderungen des Schwebstoffregimes bieten nur wenig gesicherte Grundlagen für eine Prognose von Auswirkungen auf Brutvögel. Es sind offenbar aber nur wenige Flächen im Bereich zwischen Hetlingen und Mühenberger Loch sowie am Baljer Außendeich überhaupt von Änderungen betroffen, in denen dann auch Auswirkungen auf die Brutvögel möglich wären.

5.3.5 Veränderung der sub- und eulitoralen Nahrungsbasis

Als Grundlage für die Prognose der Auswirkungen von Änderungen in der Benthosfauna und im Fischbestand auf die Rastvogelwelt der Elbe dient das Gutachten des Instituts für Hydrobiologie und Fischereiwissenschaft der Universität Hamburg (Materialband VII). Dazu wird erst die zu erwartende Änderung nach Hydrobiologie genannt (kursiv) und dann die zu erwartende Prognose für die Entwicklung der Rastvogelwelt formuliert.

  • Die Flächenveränderungen zwischen Watt- und Flachwassergebieten sind für die wirbellose Bodenfauna von untergeordneter Bedeutung. ... In diesem Zusammenhang stellen die Verschiebungen zwischen Watt- und Flachwassergebieten als Folge der ausbaubedingten Niedrigwasserabsenkung für die benthischen Wirbellosen keinen Eingriff dar.
  1. Das große Nahrungsangebot durch die benthische Fauna der Wattflächen ist die Nahrungsbasis für die meisten Brutvögel. Die benthische Fauna in den Flachwasserbereichen wird von Tauchenten zur Nahrung benötigt. Veränderungen in der Menge oder Qualität dieses wichtigen, wertbestimmenden Faktors hätten schwerwiegende negative Folgen für die Brutvögel. Änderungen in der Benthosbesiedlung sind jedoch nicht zu erwarten.
  • Der prognostizierte Salzanstieg ist für die euryhaline Bodenfauna unerheblich. Die meisten der im Bereich der oberen Brackwassergrenze siedelnden Arten sind limnisch-euryhalin und gegen die minimale Aufsalzung tolerant. Die Tendenz zur Vergrößerung der Brackwasserzone und Verkleinerung des limnischen Bereichs der Tideelbe setzt sich allerdings fort.
  1. Die Veränderung der Salzzonen ist ebenfalls für die Brutvögel von untergeordneter Bedeutung, da sich keine Abnahme der Benthos-Biomasse im Watt oder in den Flachwasserbereichen abzeichnet (auch Nachtrag zu Kapitel 5.3.3).
  • Eine Einschätzung der Schwere der Auswirkungen auf den Fischbestand besagt, daß die einzelnen Änderungen jede für sich nur unerheblich sein mögen, in ihrer Summe jedoch erheblich sein können. Dabei sind einige Gebiete durch die Baumaßnahmen mehrfach betroffen, so daß sich speziell im Laichgebiet der Finte (Südufer der Elbe, Stromkilometer 645-660), im Mühlenberger Loch, an der Ostemündung und an der Brammer Bank erhebliche Auswirkung ergeben können.
  1. Für die fischverzehrenden Seeschwalben ist ein großes Angebot an brutplatznahen Nahrungshabitaten ein wichtiger Faktor für den Lebensraum. Änderungen in der Menge und der Artenzusammensetzung der Fischfauna können daher Einfluß auf die Brutvorkommen dieser Arten haben. Da jedoch sowohl Fische wie Vögel eine hohe Beweglichkeit besitzen, werden sich räumlich begrenzte Auswirkungen nicht so stark auswirken. Insgesamt werden die Vögel jedoch höchstens im selben Maße betroffen werden wie die Fische und die Benthosorganismen.

Generell wird sich durch das Absinken des MTNW die von Benthosorganismen besiedelbare Wattfläche vergrößern. Zwischen Brunsbüttel und Lühesand werden die Wattflächen um bis zu einem Meter an Ausdehnung zunehmen. Geht diese Zunahme in der Flächenbilanz nicht durch die geplanten Sandverklappungen in den Wattgebieten wieder verloren, können durch diesen Effekt die eulitoralen Nahrungsflächen insbesondere für Säbelschnäbler und Rotschenkel verbessert werden.

5.3.6 Zusammenfassung der prognostizierten Veränderungen

Grundsätzlich können sich möglicherweise ausbaubedingte erhebliche Beeinträchtigungen vor allem für die Lebensräume von vier verschiedenen Vogelgemeinschaften ergeben:

  1. Arten die gern in offenen (gestörten) Pionierlebensräumen in der Nähe der MTHW-Linie brüten, z. B. Säbelschnäbler, Zwergseeschwalbe, Seeregenpfeifer,
  2. Arten, die wegen der Intensivnutzung ufernaher Flächen in die Nähe der MTHW-Linie getrieben werden, z. B. Wachtelkönig, Kampfläufer, Alpenstrandläufer,
  3. Seevogelkolonien, die zur Verringerung des Feinddrucks nahe der MTHW-Linie auf Inseln oder leicht erhöhten Aufsandungen brüten,
  4. Arten der Röhrichte, die auf breite Röhrichte mit deutlicher Zonierung angewiesen sind wie Drosselrohrsänger, Blaukehlchen, Rohrschwirl usw. Bei ihnen findet eine deutliche Aufteilung des Lebensraums Schilfröhricht in unterschiedliche Zonen statt, die von verschiedenen Arten besiedelt werden (z. B. die Abfolge Drossel-/Teich-/Sumpf-/Schilfrohrsänger mit zunehmender Höhe über MTHW).

Da die oben aufgeführten ökologischen Bedingungen nur noch an wenigen Stellen des Untersuchungsraums auftreten, kann man folgern, daß bei Durchführung der Fahrrinnenanpassung nur verhältnismäßig eng begrenzte Bereiche der Außendeichsländereien erheblich betroffen werden. Unterhalb der Linie Großarentsee/Schöneworth-Außendeich (km 688) ist mit MTHW-Erhöhungen durch die Fahrrinnenanpassung von weniger als 1 cm zu rechnen, sodaß analog zu den übrigen Tier- und Pflanzengruppen nicht von erheblichen Beeinträchtigungen ausgegangen wird. (Eine Begründung für diesen Wert kann mangels Literatur und Forschungen zu diesem Thema nicht geliefert werden. Nach Befragung von Ornithologen wird dieser Wert aber vor dem Hintergrund der erheblichen natürlichen Schwankungen als realistischer Konsens angesehen.)

Die Arten der Gruppe 1 sind somit von den Auswirkungen der Maßnahme voraussichtlich nicht betroffen, da sie entweder in einem Bereich vorkommen, in dem sich keine erheblichen Auswirkungen ergeben (Zwergseeschwalbe, Seeregenpfeifer, Säbelschnäbler zum überwiegenden Teil) oder auf hochgelegenen Spülfeldern brüten (Säbelschnäbler z. B. auf Hanskalbsand, Spülfeld Glückstadt-Süd).

Die Arten der Gruppe 2 können im Bereich der Zurückdrängung der Röhrichte, d. h. zwischen km 678 (kurz oberhalb der Störmündung) und dem Sperrwerk Geesthacht Verluste an Brutraum erleiden. Während Alpenstrandläufer und Kampfläufer derzeit überwiegend unterhalb der 1 cm-Erheblichkeitsgrenze brüten, sind die größten Teile des Wachtelkönig-Vorkommens im erheblich beeinträchtigten Elbabschnitt zu finden, nämlich zwischen Pinnaumündung und St. Margarethen sowie im ehemaligen Mündungstrichter der Ilmenau und Luhe.

Die Seevogelkolonien der Gruppe 3 sind überwiegend außerhalb der 1 cm-Erheblichkeitsgrenze anzutreffen. Die auf dem Hullen brütenden Lach-, Fluß- und Seeschwalben sowie Sturm- und Lachmöwen befinden sich in einem Bereich, in dem allenfalls ein halber Zentimeter MTHW-Anstieg zu erwarten ist. Eine Ausnahme bilden lediglich die Sturmmöwenkolonien auf Schwarztonnensand, Pagensand und auf der Pionierinsel bei Lühesand. Diese liegen aber ca. 3 - 5 m über der MTHW-Linie und sind somit ebenfalls nicht beeinträchtigt.

Die Arten der vierten Gruppe wiederum sind weit überwiegend im limnischen Bereich und damit im Bereich erheblicher Beeinträchtigung vorzufinden. Da in diesem Abschnitt Röhrichtfläche verlorengeht, ist in mindestens gleichem Maße von einer Beeinträchtigung der dort brütenden Arten auszugehen. Es besteht aber ein noch höheres Beeinträchtigungsrisiko wegen der möglichen Veränderungen der Tragfähigkeit der Schilfhalme bei erhöhten Tideamplituden. Bei Amplitudenerhöhungen von bis zu 10 cm muß hier zusätzlich zum quantitativen Verlust an Brutfläche noch ein qualitativer Verlust an geeigneten nesttragenden Halmen befürchtet werden.

Faßt man die Bruträume der erheblich beeinträchtigten Brutvogelgemeinschaften zusammen, so verbleiben folgende Außendeichsbereiche:

  • das NSG Eschschallen mit seinem reich strukturierten und zonierten Röhricht,
  • das NSG Haseldorfer Binnenelbe (außendeichs) mit seinem ebenfalls gut strukturierten und zonierten Röhricht,
  • die Inseln Rhinplate, Schwarztonnensand, Pagensand, Bishorster Sand/Auberg/Drommel und Hanskalbsand/Neßsand/Schweinesand mit ihren stellenweise flach auslaufenden, gut zonierten und störungsfreien Röhrichten,
  • die störungsarmen ufernahen schmalen Röhrichtränder im östlichen Nordkehdingen, am Allwöhrdener Außendeich, auf dem Wischhafener Sand,
  • Die tiefliegenden brachgefallenen Grünländer auf Pagensand,
  • den ehemaligen Mündungstrichter der Ilmenau und Luhe

In diesen Bereichen werden sich vermutlich Flächenverluste an Röhricht ergeben, die in gleichem Maße einen Lebensraumverlust für Brutvögel nach sich ziehen.

Die übrigen Flächen besitzen entweder aktuell keine der gefährdeten Brutvögel und liefern auch nicht die ökologischen Voraussetzungen für deren Brutgeschäft oder sie liegen zu hoch, um von einer derart geringen Erhöhung der MTHW-Linie betroffen zu sein. Zu den hochgelegenen Bereichen zählt z. B. das Spülfeld Glückstadt-Süd, die offenen Pionierlebensräume auf den Pagensand-Spülfeldern, auf Schwarztonnensand und Lühesand.

5.3.7 Mögliche Ausgleichsmaßnahmen zur Stützung der Brutvögel

Bei den Arten der Gruppe 1 sind zwar von der Maßnahme nicht betroffen, im Zuge von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen könnten sie jedoch ebenfalls gefördert werden. Sie sind in Ermangelung von Primärlebensräumen (d. h. dynamischen Pionierlebensräumen am natürlichen Elbufer) heute fast nur noch auf Sekundärlebensräumen zu finden. Es handelt sich dabei in erster Linie um neu geschaffene Baggerkuhlen und Spülfelder. Da Spülfelder wegen verbesserter mechanischer Trocknungsverfahren und geänderter Unterbringungstechniken immer seltener werden und auch Baggerkuhlen zurückgehen, wird die Brutsituation dieser Vögel in absehbarer Zeit immer angespannter. Wenn Uferbefestigungen zurückgenommen werden und eine natürliche Dynamik am Ufer zugelassen wird, so entstehen dauerhaft (wenngleich ständig wechselnde) Brutbiotope für diese Gruppe von Vögeln.

Die Arten der Gruppe 2 können verhältnismäßig einfach und sicher durch eine Rücknahme der landwirtschaftlichen Nutzung in der Nähe des Ufers gefördert werden. Dort sollten sich vor allem Bereiche zwischen Röhricht und Grünland bilden können, die in manchen trockeneren Jahren gemäht oder beweidet werden, in feuchteren Jahren aber unberührt stehenbleiben.

Arten der Gruppe 4, die auf großflächige Röhrichte angewiesen sind, wie alle Rohrsänger, Blaukehlchen, Rohrschwirl, Tüpfelralle, Rohrweihe, Bartmeise usw. sollten durch die Anlage großflächiger Röhrichte im Außendeichsbereich gefördert werden. Dies ist vermutlich im Zuge von Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen für den Flächenverlust von Röhrichten mit zu bewerkstelligen. Vor allem sollte auf eine Schilfnutzung verzichtet werden, da viele Arten mindestens 10 Jahre altes Altschilf benötigen, das auch verfilzt auf dem Boden liegen muß. Hier sollte man den Bauern bzw. Jägern die Schilfnutzungsrechte abkaufen.