Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6.3 Verworfene Kriterien

FLÄCHENGRÖSSE

Die Bewertung der Flächengröße scheint uns kaum sinnvoll zu sein, da der Begriff des Minimumareals heutzutage und vermutlich auch in Zukunft nicht festzulegen ist. Es ist weder nach derzeitigem Stand der Wissenschaft möglich, eine optimalen Flächenausdehnung eines Biotops pflanzensoziologisch festzulegen, noch ist dies für die in ihm lebenden Tiere möglich.

Mierwald (1992) führt aus, daß das Minimumareal derjenige Raum ist, den eine Lebensgemeinschaft (z.B. eine Pflanzengesellschaft) benötigt, damit sie vollständig ausgebildet sein kann. Er gibt an, daß diese Flächenansprüche für viele Pflanzengesellschaften mittlerweile erarbeitet wurden und der Literatur zu entnehmen sind. Bezüglich der Tiere räumt er ein, daß die Flächengröße insbesondere für viele Tiergemeinschaften nur bei Betrachtung ganzer Biotopkomlexe bewertet werden kann. Seine Annahme, daß eine optimale Flächenausdehnung deutlich größer als das Minimumareal sei, entbehrt einer nachvollziehbaren Quantifizierbarkeit.

Das Areal, in dem 95% aller Arten einer Pflanzengesellschaft vorgefunden werden können, sagt nichts über die minimalen Arealansprüche der vorgefundenen Pflanzen und Tiere aus. Hier liegt eine Verwechslung eines pflanzensoziologischen Arbeitsparameters mit dem während des Lebenszyklus eines Tieres oder einer Pflanze benötigten Raumes vor. (Als Nahrungsgrundlage, Reproduktionsraum, Überwinterungsraum, Lebensraum einer Mindestanzahl der zum Erhalt der genetischen Variabilität einer Population notwendigen Individuen usw.) Die Größe einer Pflanzenpopulation (d. h. der miteinander reproduzierenden Individuen einer Art) ist wesentlich von ihren Bestäubern und der Verbreitungsfähigkeit ihrer Samen abhängig. Wenn man einmal auf 200 m2 in einem bestimmten Biotoptyp die Chance hat, das Tausendgüldenkraut anzutreffen, so besagt dies nichts über die Lebensraumansprüche des Tausendgüldenkrauts.

Diese der Pflanzensoziologie innewohnende statische Sicht der Biotope hat wenig mit der Realität gemein. Lebensgemeinschaften (Biozönosen) und die Räume, in denen sie leben (Biotope) sind idealisierte Gebilde, die einer mittlerweile veralteten Anschauung stabiler Pflanzengesellschaften und an sie gebundener Tiergemeinschaften entspringen. Moderne Erkenntnisse der Demökologie (Ökologie der Populationen) zeigen, daß jede Tier- und Pflanzenart einer von Menschen zusammengefaßten idealisierten Biozönose einen anderen Flächenanspruch hat. Der im gleichen Biotop lebende Raubvogel hat einen vollkommen anderen Flächenanspruch als der Laufkäfer oder die Blattlaus. Über den Flächenanspruch der nur in einer kurzen Lebensspanne beweglichen Pflanzen weiß man noch fast nichts. Auch für Pflanzen ist der Biotop nicht allein die Stelle an der sie stehen, sondern es zählt auch der Bereich dazu, in dem ihre Bestäuber ihren Lebenszyklus vollenden und in dem ihre Verbreitungseinheiten eine über mehrere Jahrzehnte lebensfähige Samenbank bilden.

So wird die auf einer innerstädtischen Brachfläche lebende Blattlaus möglicherweise sehr zufrieden mit ihrem Lebensraum sein und alle Aspekte ihrer Populationsdynamik auf wenigen Quadratmetern erfüllen können. Ein Raubvogel wird hier sicherlich nicht genügend Mäuse und Ruhe finden und gar nicht erst vorkommen. Die ideale Flächengröße kann niemals für einen Biotop angegeben werden, sondern immer nur für eine Tier- oder Pflanzenart, die in diesem Biotop vorkommt oder eben nicht vorkommt. Gehört aber nun ein Raubvogel mit einem hohen Flächenanspruch auf eine städtische Brachfläche und ist sein Auftreten hier ein erstrebenswertes Naturschutzziel? Sollte also die Brachfläche so vergrößert werden, daß er dort alle Ansprüche seines Lebenszyklus erfüllen kann?

Aus dieser Frage wird deutlich, daß die Flächengröße außerdem eine Funktion des Abstandes von anderen geeigneten Lebensräumen ist. So können gut fliegende Insekten und Vögel durchaus zwischen zwei zu kleinen, ansonsten aber geeigneten Lebensräumen hin- und herfliegen, selbst wenn ein Acker dazwischen liegt. Für bestimmte Tiergruppen können zu kleine Biotope bei Benachbarung anderer geeigneter Lebensräume ausreichend groß sein für ihren Lebenszyklus. Für weniger bewegliche Tiere sind diese Lebensräume zu klein.

Für eine Biotoptyp-Bewertung ist dieses Merkmal nicht geeignet, solange nicht Zielarten definiert werden, für die man die Biotope optimieren möchte. Es wird zudem durch das Merkmal Artenspektrum und Gefährdungsgrad von Arten abgedeckt, da Arten, für die die Fläche nicht ausreicht, eben nicht vorkommen. (Dies stimmt natürlich auch nicht ganz, denn bei nicht mehr gegebenen Grundlagen für den gesamten Lebenszyklus können sich viele Arten noch eine Weile halten; aber wie soll man im Rahmen einer Biotopkartierung feststellen, ob sich eine Population auf einer Fläche ausbreitet oder ob sie dort gerade ausstirbt. Ein Beispiel wären die Kreuzkröten im Süden Sylts, deren fehlende Jugendstadien zeigen, daß sie sich in den letzten 10 Jahren mangels Süßwassertümpel nicht mehr reproduzieren konnten. Sie sind aber wegen ihres hohen Lebensalters von 20 - 30 Jahren durchaus noch in Massen vorhanden.)

 

STRUKTURELLE AUSSTATTUNG/ZUSTAND

Nach Mierwald (1992) weist jeder Biotoptyp eine spezifische Strukturausstattung auf (z.B. Vegetationsschichtung, Vorkommen von Einzelgehölzen, Bachufer mit Prall- und Gleithang usw.), von der die Verhältnisse im Gelände mehr oder weniger abweichen. Mit diesem Kriterium wird der Grad der Ausstattung des Biotopes mit typenspezifischen Strukturmerkmalen bewertet. So können Degradationsstadien oder unreife Stadien, die nicht mehr oder noch nicht über alle typenspezifischen Strukturmerkmale verfügen, gegenüber optimal ausgebildeten Stadien differenziert werden. Für Biotoptypen, die - wie beispielsweise Flutrasen - auch im naturnahen Zustand keine besonderen Strukturmerkmale aufweisen, kann dieses Kriterium seiner Meinung nach nicht angewandt werden (sie dürfen z. B. aufgrund fehlender Strukturausstattung nicht den untersten Wertstufen zugeordnet werden). Mit dem Kriterium "Zustand" wird der Pflege- und Entwicklungszustand eines Biotops im Vergleich mit seiner hinsichtlich des Naturraumpotentials optimalen Ausbildung bewertet.

Es handelt sich hierbei einerseits um eine unzulässige Verallgemeinerung und andererseits um einen Zirkelschluß. Ein Wald wird von uns deswegen als Wald kartiert, weil er eine mehrschichtige Vegetationsbedeckung aufweist. Dabei ist es für bestimmte Wälder wie Buchenhallenwälder typisch, daß ihnen eine Strauchschicht weitgehend fehlt. Wenn ich einen Wald, dem die Bäume fehlten, nur noch als Biotoptyp Gebüsch kartiere, so habe ich das Kriterium "Strukturelle Ausstattung" elegant umgangen. Wenn ich also strukturelle Merkmale von vornherein in die Aufteilung der Biotoptypen übernehme, ist dieses Kriterium überflüssig. Auch kann man einen Bach als "naturnahen Bach" oder "verbauten Bach" kartieren und damit bereits bei der Einteilung der Biotoptypen die Unterschiede in der Struktur berücksichtigen.

Es ist außerordentlich schwierig und angreifbar, einen typspezifischen Biotop eines Biotoptyps herauszusuchen. Unter bestimmten Voraussetzungen der Genese werden sich sicherlich typische Biotopstrukturen einstellen, unter anderen jedoch andere. Welche sind aber "typspezifisch"? Die Genese eines Biotops baut auf Gegebenheiten des Bodens, des menschlichen Einflusses und des Sukzessionsgrades auf. Was ist zum Beispiel die für eine Rohbodenbrache typspezifische Struktur? Welcher Boden wurde deponiert, ist sie typischerweise eben oder hügelig (sehr wichtig für die Ansiedlung von Pflanzen)? Ist die Verdichtung des Bodens durch Maschinen typspezifisch?

Während bei den stark menschlich beeinflußten Lebensräumen die Problematik dieses Bewertungskriteriums sofort offensichtlich ist, wird es bei den klassischen "naturnahen" Lebensräumen weniger offensichtlich. Nimmt man einen Wald als Beispiel, so kann man konstatieren, daß wir im Untersuchungsraum keine Urwälder mehr besitzen. Der forstliche Einfluß auf unsere Wälder währt seit Jahrhunderten und prägt sie aufgrund gängiger Lehrmeinungen des Forstbaus, von Moden (z. B. Nadelholzmode) und politischen Rahmenbedingungen (kürzere Umtriebszeiten mit Abbau des Feudalismus). Wir wissen garnicht, wie ein Wald ohne menschlichen Einfluß "typspezifisch" aussehen würde!

Wie soll man also die strukturelle Ausstattung eines Waldes bewerten? Sicherlich ist es für manche Vögel wichtig, zur Brut dichtes Unterholz zu haben (die meisten Singvögel), andere brauchen große, leicht morsche Altbäume (Spechte) oder große, intakte Altbäume (Raubvögel, Rabenvögel). Da auch die Ansprüche der Insekten weitgehend ähnlich gelagert sind, kann man wohl für einen Wald fordern, er solle eine Strauchschicht enthalten, Altholz in krankem und gesundem Zustand, verschiedene Altersklassen, durch umgestürzte Bäume erzeugte Lichtungen und artenreiche Kraut- und Moosschichten mit Arten alter Wälder. Abweichungen von dieser "wünschenswerten", aber durchaus nicht mehr "typ(spezif)ischen" Ausstattung sind mit Sicherheit häufiger als der idealisierte Zustand. Man denke nur an die heutige durch Überhege bedingte Zusammensetzung der Krautschicht aus "Rehunkräutern", d. h. Pflanzen die von Rehen nicht gern gefressen werden.

Es handelt sich bei diesem Kriterium daher eher um die Dokumentation eines Nutzungsgrades/einer Nutzungsintensität, die sich als Fehlen bestimmter Strukturmerkmale äußert. Ein Wald, dem Teile der oben genannten Ausstattung fehlen, ist eben einer gewissen Nutzungsintensität unterworfen, die ihn vom strukturreichen "naturnahen" Zustand wegführt. Es sind hier also eher Nutzungseinflüsse als Defizit zu bewerten. Deutlich wird dies besonders an den von Mierwald angegebenen Beispielen Flutrasen und Salzwiese. Er schlägt vor, bei wenig strukturierten Biotoptypen dieses Bewertungskriterium wegzulassen. Es ist einfacher und logischer, hier die Nutzungsintensität zu bewerten, die bei naturnahen Salzwiesen, Flutrasen oder Hochmooren sehr gering ist und damit einen hohem Wert in einem Kriterium "Pflege- und Nutzungsintensität" erreicht.

Degradationsformen oder unreife Stadien von Biotoptypen gehen fast stets auf menschlichen Einfluß zurück und sind damit einer Bewertung über die Pflege- und Nutzungsintensität zugänglich. In den wenigen Fällen, in denen noch eine natürliche Dynamik herrscht, z. B. im Randbereich wenig verbauter Flüsse, und natürlicherweise frühe Sukzessionsstadien auftreten, ist ebenfalls der menschliche Einfluß gering und führt zu einer höheren Bewertung, die bei Verwendung des Kriteriums "Strukturvielfalt" erst besonders begründet werden müßte. (Lebensräume mit hoher natürlicher Dynamik werden vom Menschen mit allen Mitteln zurückgedrängt und sind heute äußerst bedroht.)

 

NATURNÄHE

Für Naturnähe als Bewertungskriterium kann keine durchgängig geschlossene und in sich logisch aufgebaute Wertskala entworfen werden. Es stellt sich als Mischkriterium heraus. Mierwald (1992) wie auch Dierking, Martens & Kurz (1988) weisen bereits auf die Probleme bei der Benutzung des Begriffes hin. So sind kulturell geprägte Biotoptypen wie "Heide" und "Stadtwiese" nicht als "naturnah" oder "naturfern" faßbar. Der Grad der Naturnähe, also der Grad der anthropogenen Prägung ist kein absolutes Kriterium, sondern müßte jeweils relativ innerhalb von Nutzungstypen abgeschätzt werden (z. B. jeweils innerhalb der Nutzungstypen Wald (Forst), Grünland, Acker, Teich bzw. der ungenutzten Typen Hochmoor, See, Quellflur usw.).

Nach aktueller Meinung vieler mit Naturschutz Beschäftigter ist ein Zustand erstrebenswert, der der nach heutigen Maßstäben extensiv genutzten Kulturlandschaft der Jahrhundertwende entspricht, also vor Beginn des großen Artensterbens. Eine kleinteilige, durch viele Vernetzungsstrukturen gekennzeichnete und kaum mit Pestiziden und Mineraldünger in Kontakt gekommene Landschaft mit noch nicht vollständig nivellierten abiotischen Faktoren gilt als pufferfähig für Störungen und durch Selbstregulation noch stabil. Dementsprechend sind Heiden und Streuwiesen als zwar deutlich vom Menschen geprägte, aber extensive Kulturformen heute stark zurückgehend und als schutzwürdiger anzusehen, als die bei Brache aus ihnen entstehenden trockenen Grasfluren mit Kiefernanflug und nachfolgendem Kiefernwald einerseits und Hochstaudenfluren und folgende Weidengebüsche andererseits.

Als Ersatzkriterien für die Naturnähe können, neben dem Artenspektrum, der Gefährdungsgrad und die Pflege- und Nutzungsintensität herangezogen werden. Die meisten Biotope extensiver Kulturformen sind derzeit weitaus stärker gefährdet als ihre Brachestadien und ihr Gefährdungsgrad wird eine hohe Bewertung in diesem Kriterium ergeben. Das Kriterium der Pflege- und Nutzungsintensität wurde entsprechend umgearbeitet, um auch für Biotope alter Kulturformen eine hohe Wertstufe zu gewährleisten.

 

SELTENHEIT

Der Seltenheitsgrad von Biotoptypen und das Auftreten gefährdeter Arten und Lebensgemeinschaften wird durch die Kriterien Artenspektrum und Gefährdungsgrad von Arten, Gefährdungsgrad von Pflanzengesellschaft und Biotoptyp und zum Teil auch Naturraumspezifität beschrieben. Seltenheit selbst ist schwer zu fassen und der persönlichen Erfahrung des Bearbeiters überlassen, da es keine Verzeichnisse "seltener" Arten, Pflanzengesellschaften und Biotoptypen gibt. Viel reproduzierbarer ist die Verwendung von Roten Listen, wie es unter den Kriterien Artenspektrum und Gefährdungsgrad gehandhabt wird. Die Aufnahme des gesetzlichen Status in die Bewertung der Seltenheit wie sie Mierwald in Hamburg vornimmt, sagt zwar noch nichts über die Qualität des Biotops aus, kann aber ein Hilfskriterium bilden.

In der Regel sind gefährdete Arten, Pflanzengesellschaften und Biotoptypen auch selten. Der Fall, daß Rote-Liste-Arten häufig sind, ist auszuschließen, während der umgekehrte Fall, daß seltene Arten nicht auf der Roten Liste stehen, durchaus vorkommt. Es handelt sich dann um natürlich seltene Arten, für die keine Rückgangstendenz erkennbar ist oder um Neophyten. Nur dieser Bereich wäre durch ein zusätzliches Kriterium Seltenheit abzudecken. Soweit diese seltenen Arten einer besonderen Beachtung bedürfen (z. B. ungewöhnliche Ansammlungen von Neophyten in Hafenbereichen), sollten sie als Wertzuschlag bei Artenspektrum aufgenommen werden.

 

BELASTUNGSGRAD

Während das Bewertungskriterium Pflege- und Nutzungsintensität in erster Linie typbezogen die auf der Fläche selbst stattfindenden Nutzungen in ihren Auswirkungen auf das Biotop beurteilt, bezieht sich das Kriterium Belastungsgrad überwiegend lagespezifisch auf die menschlichen durch Erholung und benachbarte Nutzungen bedingten Einflüsse auf Biotope.

Die zunehmende Erholungsnutzung geht mit Schäden durch Angler, Surfer, Sportler, Motorboote, Geländefahrzeuge, Hunde, von den Wegen abweichenden Spaziergängern usw. einher. Zu den von Nachbarflächen ausgehenden Belastungen zählt die Einwehung oder Einschwemmung von Pestiziden, Dünger und Gülle, die Entwässerungen von Feuchtgebieten durch Gräben oder Drainagen usw.

Zwar können standörtliche Bedingungen und floristische Ausstattung des zu beurteilenden Biotops negative oder positive Auswirkungen auf benachbarte Flächen zeigen, diese lassen sich jedoch nicht im Rahmen einer Biotoptypenkartierung abarbeiten. Hierzu wäre eine Bewertung von Einzelbiotopen in ihrer Lage relativ zu anderen Biotopen notwendig. Es wird hier versucht, dieses Kriterium über die Pflege- und Nutzungsintensität abzuarbeiten. Die Wahrscheinlichkeit von negativen Auswirkungen auf Nachbarflächen ist bei Intensivnutzungsflächen sehr groß und umgekehrt die Wahrscheinlichkeit positiver Auswirkungen auf Nachbarflächen bei Brachen. (Ausnahmen sind allenfalls Altlasten.)

 

ÖKOLOGISCHE FUNKTION

Die ökologische Funktion berücksichtigt die Bedeutung der zu bewertenden Fläche in bezug auf ihre Funktion als Vernetzungs- und Trittsteinbiotop sowie als Rückzugsraum. Von Bedeutung für diese Funktionen sind hauptsächlich Art und Ausbildung der Kontaktbiotope (Vernetzungsfunktion) sowie die Entfernung zur nächstgelegenen Biotopfläche mit ähnlichen Lebensraumbedingungen (Funktion als Trittsteinbiotop).

Eine Vernetzung kann auch durch strukturelle Verknüpfung unterschiedlicher Biotoptypen erfolgen (Vernetzung von Gewässern durch Knicks oder Gehölzstreifen; Vernetzung von Wald und Seeufer durch Brachflächen). Eine Vernetzung für alle Mitglieder einer Lebensgemeinschaft läßt sich jedoch wegen der unterschiedlichen Ansprüche nicht herstellen und man müßte wenigstens Zielarten für Naturschutz definieren. Da dies im Rahmen einer Kartierung meist noch nicht erfolgt, kann man allenfalls ökologische Gemeinplätze wie die oben angegebenen verfolgen.

Eine wichtige Rolle spielt auch die Zersiedlung der Landschaft, durch die ehemals zusammenhängende Lebensräume isoliert und durch Trassen sowie Bauflächen zerschnitten werden. Dies führt zur Isolation von Teilpopulationen und kann für Arten, die auf kleineren Flächen keine ausreichenden Populationen mehr aufbauen können, das Aussterben in einem Gebiet zur Folge haben. Dieses Kriterium betrifft überwiegend Tiere. Außer einzelnen Untersuchungen für Laufkäfer und Abstandsflächen für Brutvögel sind bisher in der Literatur kaum praktisch verwendbare Daten über den Einfluß von Isolation auf Tiergruppen publiziert worden.

Aus dem Dargelegten wird deutlich, daß dieses lagespezifische Kriterium nicht in einer Biotoptypen-, sondern nur in einer Einzelbiotopkartierung bewertet werden kann. Diese müßte auch noch ein ausreichend großes Umlandareal, vor allem auch Binnenlandsflächen, mit erfassen. Bestimmte Biotoptypen besitzen in einer Außendeichslandschaft von vornherein Refugialfunktion, da sie sehr selten geworden sind. Da sich auf diese Lebensräume dann die seltenen und gefährdeten Arten zurückziehen, erfaßt die Bewertung von Artenspektrum und Gefährdungsgrad von Arten und Gefährdungsgrad von Pflanzengesellschaft und Biotoptyp indirekt auch die ökologische Funktion.

 

NÄHRSTOFFVERHÄLTNISSE

Sortiert man Pflanzen- und Tierarten der Roten Listen nach ihren Nährstoffansprüchen (z. B. nach Zeigerwerten bei Pflanzen), so stellt man fest, daß umso mehr Organismen gefährdet sind, je stärker sie auf Nährstoffarmut spezialisiert sind. Seit der Erfindung des Kunstdüngers werden nicht nur die landwirtschaftlichen Produktionsflächen immer nährstoffreicher. Durch Schmutzwassereinleitungen, Verwehungen und Auswaschungen von Feldern sind auch fast alle Gewässer nährstoffreich.

Es gibt allerdings auch natürlich nährstoffreiche Lebensräume, die ihre Nährstoffe aus der Verwitterung von Gestein, durch Nachlieferung aus natürlichem noch nicht ausgelaugten Mergel der letzten Eiszeit oder durch Einschwemmung im Bereich natürlich nährstoffreicher Flußsedimente erhalten. So sind z. B. Röhrichte und Auwälder an Flüssen ebenso wie manche Teile der Marsch natürlich (sieht man von der Zeit vor den Waldrodungen des Menschens und der Deposition von Auenlehm ab) nährstoffreich und (heutzutage) auch auf die Zufuhr dieser Nährstoffe angewiesen.

Vor allem bisher weniger nährstoffreiche Lebensräume leiden unter dem verschmutzten Regen, der heutzutage in Stadtnähe pro Quadratmeter etwa 6 g gebundenen Stickstoff pro Jahr einträgt. Dies entspricht etwa 20% der in der Landwirtschaft aufgebrachten Düngermenge. Nährstoffarme Standorte haben daher höchste Schutzpriorität und können auf Dauer nur über dauernden Nährstoffentzug nährstoffarm gehalten werden.

Im Außendeichsgebiet ist der Nährstoffreichtum typisch und normal und stellt keinen Nachteil und Grund für eine Abwertung dar. Dies bedeutet aber auch, daß er kein Kriterium für eine Bewertung liefern kann, da der Wert fast überall gleich wäre. Nur auf den stark erhöhten Spülfeldern auf den Elbinseln und bei Glückstadt würden nährstoffärmere Verhältnisse zu einer besseren Bewertung führen. Da diese Flächen aber den Sturmfluteinfluß fast entzogen sind und die erwarteten Tideänderungen bei Sturmfluten kleiner ausfallen, haben wir dieses Kriterium weggelassen.