Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

7 ZUSAMMENFASSUNG FÜR DEN IST-ZUSTAND

Das Untersuchungsgebiet umfaßt die Tideelbe (einschl. Außenelbe) mit einer Länge von rd. 170 km vom Wehr Geesthacht bis zur Mündung der Elbe in die Nordsee. Das zu untersuchende Regime der Schwebstoffe und gelösten Stoffe wird maßgeblich durch die Hydrologie dieses Gebietes geprägt.

Der Zufluß in das Gebiet ist einmal das Oberwasser mit einem Jahresmittel von rd. 6,3 ·107 m3/d (entsprechend 726 m3/s) mit stochastischen Schwankungen von über 50%. Kurzzeitige Anstiege durch Regen und Schneeschmelze können das fünffache des Jahresmittels erreichen (vgl. Abb.1). In der Elbmündung beträgt der mittlere Durchfluß bei Flutstrom 1,4 ·109 m3/d mit einer harmonischen Spring-Nipp-Variation von 10%, die ebenfalls stochastisch, z.B. durch Sturmereignisse, beeinflußt ist: Der mittlere Durchfluß bei Ebbstrom besteht aus dem Rückstrom dieses marinen Zuflusses (s.o.) zuzüglich des eingemischten Oberwassers von im Mittel nur rd. 4,5%. Diese hydrologische Variabilität macht es unmöglich, einen Ist-Zustand des Regimes der Schwebstoffe und gelösten Stoffe aus Beobachtungen eines einzelnen Jahres herzuleiten. Es wurden daher Mittelwerte mehrerer Jahre seit der morphologischen Stabilisierung nach dem 13,5m-Ausbau (Ende 1978) herangezogen.

Regelmäßige Messungen von Wasserinhaltsstoffen und speziell auch der Schwebstoffkonzentration wurden (und werden) im Rahmen eines stetig verbesserten Monitoringkonzepts unter der Regie der 1977 gegründeten ARGE Elbe durchgeführt, und zwar zum einen an Dauer-Meßstellen, zum andern mit tidephasensynchronen Hubschrauber-Längsbeprobungen. Für kürzere Zeiträume in der Vergangenheit sind Daten einer Hamburger Dauermeßstation sowie zweier Meßpontons verfügbar, die durch sporadische, detaillierte Querprofilmessungen der GKSS über einige Tiden ergänzt werden. Aus diesen Datensätzen ließ sich mit Hilfe eines Interpolationsverfahrens eine flächendeckende Darstellung der tideabhängigen, oberflächennahen Schwebstoffverteilung für das Gutachten erstellen. Diese Darstellung zeigt, daß asymmetrische Querverteilungen und erhöhte Schwebstoffkonzentrationen an den Rändern auftreten und daß die ausschließliche Berücksichtigung der Längsprofile in Fahrwassermitte zu einer Unterschätzung des Schwebstoffinventars führt.

Am Wehr Geesthacht beträgt die Schwebstoffkonzentration etwa 10-30 g/m3 wie auch außerhalb des Untersuchungsgebietes westlich Scharhörn. Dazwischen bilden sich ästuartypische Maxima der Schwebstoffkonzentration von rd. 160 - 600 g/m3 (oberflächennah - sohlnah): die sog. Trübungszone (Abb. 12 und 14 c). Ihre Intensitäten werden vom Oberwasserabfluß in der Weise gesteuert, daß sich der Schwerpunkt mit steigendem Abfluß in enger (aber nicht starrer) Kopplung an die obere Brackwassergrenze stromab verschiebt. Dies ist ein Hinweis auf die physikalische Ursache dieses Phänomens: Dichteströmungen. Aber auch lokale Effekte (Resuspension/Sedimentation, Pools in Seitenräumen) spielen eine Rolle bei dem nicht in allen Details verstandenen Phänomen.

80 bis 90% der Schwermetalle und organochemischen Schadstoffe sind an Schwebstoffe angelagert. 80% der bakteriellen Aktivität im Gewässer unterhalb des Hamburger Hafens entfallen auf Mikroorganismen, die auf Schwebstoffflocken leben. Damit bestimmen die Schwebstoffe maßgeblich die Gewässergüte. Die Konzentration angelagerter Schadstoffe fällt unterhalb des Hamburger Hafens, vor allem bei niedrigem Oberwasser, stark ab. Viele Indizien sprechen dafür, daß die Ursache in der Vermischung mit weniger kontaminiertem Feststoffmaterial liegt, das stromauf transportiert wird.

Was sind Schwebstoffe? ´Schwebstoffe sind Feststoffe, die durch das Gleichgewicht der Vertikalkräfte in Schwebe gehalten werden' (DIN-Definition). Vertikalkräfte entstehen durch strömungsverursachte Turbulenz und bei der Mischung unterschiedlicher Wasserkörper. Unter Schwebstoffen werden in dieser Untersuchung abfiltrierbare Stoffe (gefiltert zumeist mit Porenweite 0,45 µm) verstanden. Sie bestehen aus Flocken organischer, mineralischer und schadstoffhaltiger Anlagerungen und besitzen unterschiedliche Sinkgeschwindigkeiten. Die Berücksichtigung von Schwebstofffraktionen verschiedener Sinkgeschwindigkeit ist ein wichtiger Punkt bei der Modellierung des Schwebstofftransports. Die Konzentration des Schwebstoffs steigt mit abnehmender Strömungsgeschwindigkeit bzw. Turbulenz zur Sohle hin an; zu den Stillwasserzeiten findet kurzzeitig Ablagerung statt.

Gelöste Stoffe werden im Unterschied zu Schwebstoffen unmittelbar mit dem Wasserkörper bewegt. Die eingetragenen gelösten Stoffe sind überwiegend natürliche Salze, zumeist gemessen als Chloride. Nordseewasser enthält rd. 21 kg Cl/m3, und der Salzgehalt des Oberwassers schwankt zwischen 70 und 240 g Cl/m3. Das somit leichtere - und wärmere - fluviale Wasser mischt sich mit dem marinen Wasser in der sog. Brackwasserzone, deren obere, landseitige Grenze heute durch einen Anstieg von 30 g Cl/m3 gegenüber dem fluvialen Untergrund definiert wird. Die seeseitige Grenze liegt außerhalb des Untersuchungsgebietes. Die obere Brackwassergrenze pendelt mit der Tide und wird durch steigendes Oberwasser seewärts verschoben (vgl. Abb. 12). In der Brackwasserzone sterben Organismen ab, die ausschließlich an das marine oder das fluviale Milieu angepaßt sind.

Für die Ökologie bedeutsam sind besonders die gelösten Nährstoffe Nitrat, Ammonium und Phosphat. Gelöste Schwermetalle und organochemische Schadstoffe gewinnen erst im Mündungsgebiet der Elbe und in der Deutschen Bucht an Bedeutung; weiter stromauf beeinflussen diese Schadstoffe vor allem in Verbindung mit Schwebstoffen die Gewässergüte (s.o.). Die Belastung der Tideelbe durch partikuläre Schwermetalle ist in der oberen Tideelbe und im Stromspaltungsgebiet als sehr hoch, im Abschnitt um Glückstadt als mittel und erst in der Außenelbe als gering zu bewerten. Gleichfalls als hochbelastet durch organochemische Stoffe sowie durch BSB5 und Nitrat gilt die obere Tideelbe, mittelbelastet der Hamburger Hafen. Im langjährigen Mittel ist die Tideelbe stromab bis Glückstadt mäßig bakteriell belastet (E. coli), weiter stromab gering bis sehr gering.

Die bakterielle Nitrifikation von Ammonium konnte vor der Wende für die Entstehung des sog. Sauerstofflochs unterhalb des Hamburger Hafens, meist in der Zeit von Mai bis Juli, verantwortlich gemacht werden. Heute werden u.a. Sekundärverschmutzung, heterotrophe bakterielle Umsetzungen in Verbindung mit der Zunahme der Wassertiefe und der hydrologischen Barrierenfunktion des Hamburger Hafens als mögliche Ursachen angesehen.

Die Fahrrinnentiefe wird mindestens monatlich seitens der Ämter vermessen, um Mindertiefen prompt abbaggern zu können. Die natürlichen Materialbewegungen spiegeln sich somit in den Protokollen der Baggermengen wieder, die laufend im Nahbereich wieder in die Elbe eingebracht werden. Die umgelagerten Mengen bestehen überwiegend aus sohlnah transportiertem Sand und weisen in den letzten Jahren keine ausgeprägten räumlichen oder zeitlichen Trends auf. Die von dieser sog. Kreislaufbaggerei betroffene Morphologie unterhalb des Hamburger Hafens scheint somit stationär zu sein (vgl. Abb. 96). Eine Beeinflussung der Gewässergüte durch die Umlagerungsaktivitäten ist wenig wahrscheinlich.

Sedimentation in den Nebenelben und Nebenrinnen spielt nach Erreichen eines morphologischen Gleichgewichtszustandes seit Anfang der 80er Jahre keine bedeutsame Rolle. Für die Sedimentation/Erosion in Flachwasser- und Wattgebieten gibt es nur spärliche Daten: So wurden mit der Cs-137-Methode für die ersten Jahre nach dem Reaktorunfall von Czernobyl im Mühlenberger Loch und im Schwarztonnensand punktuell Sedimentationsraten zwischen 5 und 10 cm pro Jahr gemessen. Neben dem Mangel an systematisch erhobenen Daten scheint auch die komplexe Abhängigkeit von Oberwasser, Wasserstand, Wellenschlag sowie wasserbaulichen Maßnahmen (der Vergangenheit) eine schlüssige Interpretation zu erschweren bzw.unmöglich zu machen.