Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6 DISKUSSION DER ERGEBNISSE

An dieser Stelle werden die in der Einleitung Kap. 1 erörterten Themen noch einmal aufgegriffen und mit dem in den Kapiteln 3 und 4 ausführlich dargestellten Fakten, Zusammenhängen und Bewertungen verknüpft. Diese Themen wurden mit den Auftraggebern abgestimmt und sind damit Vertragsbestandteil. Nach derzeitigem Stand des Wissens nicht beantwortbare Fragen, die sich z.T. erst während der Bearbeitung ergeben haben, sind in einem eigenen Unter-Kapitel "Wissenslücken" (Kap. 6.10) zusammengefaßt.

6.1 Schwebstoffverteilung und Abflußgeschehen (Kap. 3.1 - 3.3.1; 4.1 - 4.4; 5.1)

Nachfolgend werden das Schwebstoffregime in der Tidezeitskala (1), die Oberwasserabhängigkeit (2), die Trübungszone (3) und die Schwebstoffpools (4) diskutiert:

(1) Lediglich in der oberen Tideelbe sind tideabhängige Konzentrationsänderungen nicht nachweisbar. Der Wasserkörper ist dort zu allen Tidephasen relativ gut durchmischt, so daß die Verteilung seiner gelösten und partikulären Inhaltsstoffe homogen ist. In den übrigen Abschnitten können aufgrund erhöhter Turbulenz zu Beginn der Ebb- und Flutphase vor allem in Sohlnähe erhöhte Schwebstoffkonzentrationen auftreten, weil in diesen Phasen zusätzliches Feststoffmaterial aufgewirbelt wird. Am geringsten sind die Schwebstoffkonzentrationen (jedenfalls im oberen Teil der Wassersäule) zum Zeitpunkt der Strömungskenterung bei Hoch- und Niedrigwasser, weil dann ein großer Teil der Schwebstoffe (kurzzeitig) sedimentiert.

(2) Die Schwebstoffkonzentrationsverteilung unterliegt in allen Untersuchungsabschnitten oberwasserabhängigen Schwankungen. In der oberen Tideelbe werden Konzentrationserhöhungen häufig in der Anstiegsphase von Oberwasserwellen gemessen, weil dann aus lokalen Schlickdepots, z.B. Buhnenfeldern, zusätzlich Feststoffe in den Fluß gelangen. In den übrigen Untersuchungsabschnitten ergeben sich Konzentrationsänderungen vor allem aus der oberwasserabhängigen Verlagerung der Trübungszone, die ihren räumlichen Schwerpunkt im Untersuchungsabschnitt V hat. Bei niedrigem Oberwasser steigen deshalb die Schwebstoffkonzentrationen in den Abschnitten III und IV deutlich an, während bei hohem Oberwasser erhöhte Konzentrationen im Abschnitt VI nachweisbar sind. Lange Phasen hoher Oberwasserführung führen insgesamt zu einer Verringerung der Schwebstoffkonzentrationen in der Trübungszone, weil dann vermehrt Schwebstoffe in die Nordsee exportiert werden.

(3) Ein Unterelbeabschnitt von etwa 50 km Länge unterhalb des Hamburger Hafens zeichnet sich durch vergleichsweise hohe Schwebstoffkonzentrationen mit relativ ortsfesten Maximalwerten (Peaks) aus, die sog. Trübungszone. Der Schwerpunkt dieser Schwebstoffkonzentrationsverteilung verlagert sich bei ansteigendem Oberwasserabfluß ohne erkennbare Zeitverzögerung in der Weise stromab, daß die Intensität der stromaufliegenden Peaks schwächer, die der stromabliegenden Peaks größer wird. Das Maximum der gesamten Verteilung findet sich in der Regel bei der oberen Brackwassergrenze. Die Kopplung der Trübungszone an die Brackwasserzone hat ihren physikalischen Grund in Dichteströmungen (ästuarine Zirkulation), die durch Wasser unterschiedlicher Salinität (und damit unterschiedlicher Dichte) zustandekommen.

Die stromaufgerichtete Rückverlagerung der Trübungszone (bzw. ihres Schwerpunktes) bei abnehmendem Oberwasserabfluß kann im Gegensatz zur Stromabverlagerung relative lange Zeit in Anspruch nehmen. Dies ist ein Hinweis darauf, daß gewisse Schwebstoffpools (s.u.), aus denen sich die Trübungszone speist und mit denen sie schließlich in einem dynamischen Gleichgewicht wechselwirkt, erst wieder aufgefüllt werden müssen.

Frühere Vertiefungen und Deichvorverlegungen haben zu einer Erhöhung der Tide-Energie und zu einer Konzentration des Wassertransportes auf die Fahrrinne geführt. In der gesamten Unterelbe hat der Flutstrom die stärkere Transportkraft, so daß insbesondere an der Flußsohle der Stromauftransport von Feststoffen dominiert. Es ist deshalb davon auszugehen, daß die Trübungszone sich heute weiter stromauf erstreckt und damit einen größeren Strombereich umfaßt, als noch vor den letzten großen Elbevertiefungen.

(4) Das Stromspaltungsgebiet (Untersuchungsabschnitt II) trennt zwei Bereiche mit deutlich unterschiedlicher Schwebstoffzusammensetzung voneinander, die obere Tideelbe und die Unterelbe. In der oberen Tideelbe werden ausschließlich Schwebstoffe fluviatiler Herkunft (Material aus dem Oberlauf) und in der Unterelbe in Stromabrichtung zunehmend Schwebstoffe mariner Herkunft (Nordsee-Material) transportiert. Dies belegen z.B. die aktuellen Untersuchungen zur Tonmineralzusammensetzung von ERNST (1995).

Die oben diskutierte Trübungszone unterscheidet sich nicht nur durch ihre Konzentration, sondern auch durch den hohen Anteil marinen Feststoffmaterials von den weiter stromauf vorzufindenden Schwebstoffen. Bei sehr geringem Oberwasser würde sie sich unter diesem Aspekt zeitweilig bis in den Abschnitt II hinein erstrecken.

Aus der Charakterisierung der organischen Schwebstoff- und Sedimentbestandteile anhand der Besiedlung mit nitrifizierenden Bakterien kann geschlossen werden, daß die Trübungszone sich aus mehreren einzelnen Feststoffpools speist, die untereinander ständig Feststoffmaterial austauschen und sich in ihrer Materialzusammensetzung geringfügig voneinander unterscheiden (HARMS & NEHLS 1995). Diese Pools sind mit hoher Wahrscheinlichkeit in Bereichen der Unterelbe lokalisiert, wo Feststoffe über längere Zeit sedimentieren und lokale Materialdepots bilden können. Zu diesen Bereichen gehören, wie Untersuchungen zum oberwasserabhängigen Sedimenttransport zeigen, vermutlich die in der Unterelbe vorhandenen Baggerschwerpunkte Wedeler Au, Juelssand und Rhinplatte (GREISER & CHRISTIANSEN 1996).

6.2 Sedimentation (Kap. 3.5; 4.7)

Ablagerungsgebiete von Feststoffen sind immer dort vorhanden, wo der Eintrag von Schwebstoffen und Sedimentmaterial den Austrag überwiegt. Ein Eintrag in die Watten und strömungsarmen Flachwassergebiete ist, wie auch in die Hafenbecken, nur über den Wassereinstrom bei Flut möglich. Bei Ebbe laufen diese Gebiete lediglich (teilweise) wieder leer und werden i.d.R. nicht vom Ebbstrom erfaßt, so daß in dieser Zeit kein nennenswerter Import von Feststoffen aus dem Hauptstrom erfolgen kann.

Besonders hohe Ablagerungsraten sollten deshalb dort auftreten, wo im Hauptstrom bei Flut besonders hohe Feststoffkonzentrationen vorhanden sind. Davon betroffen sind potentiell alle Gebiete im unmittelbaren Bereich der Trübungszone. In den weiter stromaufliegenden Watt- und Flachwassergebieten, z.B. im Abschnitt III, muß vor allem dann mit verstärkter Sedimentation gerechnet werden, wenn sich die Trübungszone bei langandauernden Phasen niedriger Oberwasserführung stromauf verlagert. Dann müssen jedoch auch Hochwasserstände erreicht werden, die eine 'normale' Überflutung dieser Gebiete, z.B. des Mühlenberger Lochs, ermöglichen. Aufgrund der Tatsache, daß niedriges Oberwasser vor allem im Sommer auftritt, ist zu dieser Jahreszeit mit verstärkter Sedimentation und im Winter dagegen mit geringeren Ablagerungsraten zu rechnen.

Starker Wind fördert prinzipiell den Sedimentaustrag, wenn er Wellen verursacht, die noch nicht konsolidiertes oder sogar bereits konsolidiertes Feststoff-Material wieder aufwirbeln, so daß dieses unter Aufrechterhaltung starker Turbulenz mit dem ablaufenden Wasser ausgetragen wird.

Wegen der oben erwähnten Kopplung der Trübungszone an die Brackwassergrenze, die wiederum vom Oberwasserabfluß gesteuert wird, hängt auch die Sedimentationsstärke von der Lage der Brackwasserzone ab. Allerdings variiert die Lage der Brackwasserzone im Spring-Nipp-Zyklus und mit der Oberwasserführung so stark, daß es schwierig ist, anhand von Salinitäts-Meßdaten deren heutige Lage von ihrer Lage vor den letzten großen Strombaumaßnahmen zu unterscheiden (BERGEMANN 1995). Insofern ist aus den bereits vorhandenen großen räumlichen Lageveränderungen der Salzgehaltszonierung nicht ersichtlich, inwieweit diese zur Entstehung neuer Sedimentationsgebiete führen können und einzelne Flachwasser- und Wattbereiche zeitweilig einem höheren oder geringeren Sedimentations-Streß unterliegen.

In einigen Flachwasser- und Wattgebieten wurden (s. Kap. 3.5) punktuell Sedimentationraten von wenigen Zentimetern pro Jahr ermittelt. Dagegen lassen die nach der MORAN-Methode durchgeführten Untersuchungen (Kap. 3.5.2 und DIECKMANN 1996 (b)) in den Nebenelben und Nebenrinnen nach 1980 keine Sedimentations- bzw. Erosions-Tendenz mehr erkennen, was als Erreichen eines morphologischen Gleichgewichtszustandes gedeutet wird.

6.3 Schadstofftransport und Gewässergüte (Kap. 3.4; 4.2 - 4.5; 5.2 - 5.3)

Der Schadstoffeintrag in die Tideelbe erfolgt in erster Linie über die aus dem Oberlauf der Elbe stromab verfrachteten Schwebstoffe. Durch Dichteströmung und Tideasymmetrie wird zusätzlich zu diesem Schwebstofftransport deutlich weniger belastetes Material aus Richtung Nordsee stromauf transportiert. Bei niedrigem Oberwasserabfluß, wo dieser Stromauf-Transport besonders ausgeprägt und bis zum Hamburger Hafen nachweisbar ist, werden die Schwebstoffe daher schon im Untersuchungsabschnitt II zunehmend mit weniger belasteten Feststoffen vermischt. Die Folge ist eine sukzessive Abnahme der schwebstoff- und sedimentgebundenen Schadstoffbelastung zur Nordsee hin.

Da der Transport von Feststoffmaterial nicht bis in die obere Tideelbe hineinreicht, kann der in der Unterelbe festgestellte Vermischungsprozeß von fluviatilen belasteten und marinen gering belasteten Feststoffen dort nicht stattfinden. Deshalb wird die Schadstoffbelastung in der oberen Tideelbe solange höher bleiben, bis die Vorbelastung auf das Niveau der Schwebstoff- und Sedimentbelastung im Küstenbereich der Nordsee zurückgegangen ist.

6.4 Auswirkungen des Feststofftransportes (auch von Baggergutumlagerungen) auf den Sauerstoffhaushalt (Kap. 3.4.3; 4.4 - 4.5)

Die Wirkung des Schwebstofftransportes auf den Sauerstoffhaushalt besteht vor allem in der Beeinträchtigung des Lichtklimas und der dadurch verursachten Verringerung der Sauerstoffproduktion durch Algen. Dieser Effekt trägt in den Untersuchungsabschnitten III und IV dazu bei, das noch in der oberen Tideelbe bestehende Gleichgewicht zwischen Sauerstoffzehrung und Sauerstoffproduktion zugunsten der sauerstoffzehrenden Prozesse zu verschieben. Die Hauptursache für die sich verschlechternde Sauerstoffsituation unterhalb des Hamburger Hafens ist allerdings die zunehmende Wassertiefe, die das Verhältnis von Oberfläche zu Volumen verkleinert. Von diesem Verhältnis betroffen sind der physikalische Sauerstoffeintrag aus der Atmosphäre ins Wasser sowie die sich in der euphotischen Oberflächenzone (s. MATERIALBAND VII) abspielende Sauerstoffproduktion des Phytoplanktons.

Das Überwiegen der bakteriellen Sauerstoffzehrung in den Abschnitten III und IV ist also nicht primär die Folge dort vorhandener höherer Schwebstoffkonzentrationen, sondern die Folge eines volumenspezifisch kleineren Sauerstoffeintrags bzw. spezifisch geringerer Sauerstoffproduktion. Die durch höhere Schwebstoffgehalte bedingte Zunahme der bakteriellen Sauerstoffzehrung wird im weiteren Längsverlauf der Elbe durch die Abnahme der schwebstoffgebundenen bakteriellen Aktivität auf einen nicht mehr meßbaren Effekt minimiert und damit praktisch aufgehoben.

Die Schwebstoffe besitzen in der Unterelbe bei den gegenwärtigen Nährstoffbedingungen ein so niedriges Sauerstoffzehrungspotenial, daß selbst die hohen Schwebstoffkonzentrationen in der Trübungszone keine ökologisch bedenklichen Sauerstoffmangelsituationen hervorrufen. Darüber hinaus ist in den weiter stromab gelegenen Abschnitten die Beimischung von sauerstoffreichem Nordseewasser so hoch, daß die Sauerstoffkonzentrationen wieder ansteigen.

Die niedrigsten Sauerstoffgehalte sind stromauf von der Trübungszone, also bei deutlich geringeren Schwebstoffgehalten, in den Abschnitten III und IV vorhanden. Eine wichtige wissenschaftliche Hypothese über die Ursache besagt, daß die bakterielle Sauerstoffzehrung, die aus dem Absterben und Abbau großer Teile der aus der oberen Tideelbe eingetragenen Algenbiomasse resultiert, dafür verantwortlich ist. Eine weitere mögliche Ursache könnten z.B. Ammonium-Freisetzungen aus remobilisierten Sedimenten oder hochkonzentrierten sohlnahen Feststoffsuspensionen bei anschließender Nitrifikation im Wasserkörper sein. Dieser Punkt ist noch nicht abgeklärt.

In Elbabschnitten mit bereits niedrigen Sauerstoffkonzentrationen bedeuten zusätzliche Sedimentumlagerungen aufgrund der dabei auftretenden Sauerstoffzehrung in jedem Fall eine Beeinträchtigung, vor allem der sedimentbewohnenden Fauna. Entsprechende Daten aus der Unterelbe stehen jedoch nicht zur Verfügung. Die bisher vom Amt Strom- und Hafenbau durchgeführten Verklappungsexperimente von Sand und Schlick bei Neßsand geben keinen Aufschluß darüber, weil sie aus ökologischen Gründen bisher auf Zeiten niedriger Wassertemperaturen beschränkt waren.

Für eine Quantifizierung der biogeochemischen Effekte von Schlickumlagerungen und Schlickeggungen müssen das biogeochemische Zehrungspotential des Schlicks die Kontaktzeiten mit dem sauerstoffhaltigen Wasserkörper bekannt sein. Die Tatsache, daß große Teile des verklappten Feststoffmaterials nicht im gesamten Wasserkörper verteilt werden, sondern als hochkonzentrierte Feststoffsuspensionen an der Flußsohle weiter verfrachtet werden und dort zu anaeroben Bedingungen führen, hat zwei gegensätzliche Effekte zur Folge: einen schlagartigen Wechsel von aeroben zu anaeroben Milieubedingungen an der Flußsohle und eine geringere Sauerstoffzehrung im darüberliegenden Wasserkörper während der Verklappung.

Zur Beeinflussung des Sauerstoffhaushalts durch die Umlagerung von Baggergut wird im MATERIALBAND III eine pauschale Abschätzung über die Zehrung gemacht. Dabei wird angenommen, daß das im Jahresdurchschnitt pro Tag in der gesamten Unterelbe gebaggerte Material (1/365 von 16 Mio t) an einem Punkt südlich der Rhinplatte verklappt wird und sich

mit einem Wasserkörper vermischt, der dem (doppelten) Flutstromvolumen entspricht. Für die Zehrung wird ein realistischer, mittlerer Wert aus Sedimentmessungen verwendet. Die dort gemachte Worst-case-Annahme führt zu einer Sauerstoffdepression von nur 0,05 mg/l. Damit ist gezeigt, daß der nicht-lokale Einfluß vernachlässigt werden kann

6.5 Bedeutung von Sedimentumlagerungen für die sedimentbewohnende Fauna und Flora (Kap. 3.4.1.4; 4.7)

Zur Zeit werden in der Unterelbe nur sandige Sedimente umgelagert. Diese sind generell am geringsten mit Schadstoffen belastet, so daß bei den Umlagerungen auch nur minimale Schadstoffmengen freigesetzt werden können. Geochemische Prozesse sind nur dort von Bedeutung, wo anaerober Schlick in den Wasserkörper eingebracht wird. Diese wiederum spielen nur bei Temperaturen oberhalb von 10° C eine merkliche Rolle; daher werden die Schlickeggungen im Hamburger Hafen nur in den Wintermonaten durchgeführt. Als allgemein anerkannter Erfahrungswert für die Remobilisierung bei der Umlagerung von Sedimenten gilt (PETERSEN et al. 1995), daß dabei maximal 5% der im Sediment gespeicherten Schadstoffe aus dem anaeroben Milieu freigesetzt werden (s. a. MATERIALBAND III). Eine Gefährdung von Fauna und Flora durch Schadstoffe aus Sedimentumlagerungen kann daher wohl ausgeschlossen werden (s. MATERIALBAND VII).

6.6 Schadstoffbelastung von Sedimenten, Baggergut sowie Fauna und Flora als Folge von Änderungen in der Schwebstoffzusammensetzung (Kap. 4.4; 4.7)

Die Gewässergüte der Tideelbe wird dort negativ beeinflußt, wo die aus dem Oberlauf der Elbe stammenden Schwebstoffe den Hauptanteil der Suspensionsfracht darstellen (Wirkung auf das Plankton und die Fische), also in der oberen Tideelbe. Wo diese sich ablagern, wird die Sedimentqualität (Wirkung auf die Sedimentfauna) beeinträchigt. In der Unterelbe überwiegen mengenmäßig die weniger belasteten 'marinen' Feststoffe, so daß deren Einmischung in den Wasserkörper die schwebstoffspezifische Schadstoffbeladung herabsetzt. Werden bei niedrigem Oberwasser verstärkt Feststoffe aus weiter stromabliegenden Unterelbeabschnitten in stromaufliegende Watt- und Flachwassergebiete eingetragen, sinkt dort die Sedimentbelastung differentiell.

Eine Freisetzung von Schadstoffen durch die Resuspension zuvor abgelagerter Feststoffe hat nach den Daten über die Konzentrationen gelöster Schadstoffe im Elbelängsprofil für die Gewässergüte keine Bedeutung, da selbst im unmittelbaren Bereich der Trübungszone oder an den Hauptbaggerstellen keine entsprechenden Konzentrationserhöhungen nachweisbar sind. Wenn diese auftreten, dann nur zeitlich und räumlich sehr begrenzt. Verschiebungen der Floren- und Faunenstruktur durch unterschiedliche Schadstoffbelastungen in der Tideelbe sind aus den vorhandenen biologischen Bestandsaufnahmen nicht ersichtlich (s. MATERIALBAND VII).

Eine quantitative Abschätzung der Schadstoffzufuhr durch den Schlickfall ist i.d.R. nicht möglich, weil die durchschnittlichen Ablagerungsraten von Schlick nicht bekannt sind. In den Häfen und Baggerstellen der Unterelbe gibt es lediglich Erfahrungswerte über die Schlickanteile im Baggergut und Abschätzungen der insgesamt gebaggerten Sedimentmengen. Für den Hamburger Hafen werden allerdings seit mehreren Jahren aus Peilungen die Ablagerungsraten in den einzelnen Hafenbecken ermittelt. Wenn auch keine regelmäßigen Bestandsaufnahmen der Schadstoffbelastung in der Vergangenheit stattfanden, geht aus einer umfangreichen Beprobung unter der Federführung vom Amt Strom- und Hafenbau Hamburg im Jahr 1995 ein deutlicher Rückgang der Schadstoffbelastungen seit der letzten großen Bestandsaufnahme Anfang der achtziger Jahren hervor. Es ist davon auszugehen, daß dieser Trend solange Bestand haben wird, wie auch die Vorbelastung der Schwebstoffe aus dem Oberlauf weiter zurückgeht.

Die gleiche Aussage gilt für die Schlickfallgebiete in der Unterelbe, wobei dort die Schadstoffbelastung in Stromabrichtung durch die Zumischung gering belasteter mariner Feststoffe ohnedies weit geringer ist. (Für genaue Belastungswerte der unterschiedlichen Sedimenttypen und mögliche daraus abzuleitende Schädigungen der Sedimentfauna s. MATERIALBAND III und VII.)

Eine lokale Anreicherung von Schwebstoffmaterial bedeutet nur dann eine Erhöhung der Schadstoffbelastung in einem Gewässerabschnitt, wenn die spezifische Schadstoffbeladung der Schwebstoffe weniger stark abfällt bzw. gleich geblieben ist oder sich sogar erhöht hat. In der Unterelbe ist das Gegenteil der Fall: Die Erhöhung lokaler Schwebstoffmengen beruht dort im wesentlichen auf der Zumischung gering belasteter Feststoffe, so daß selbst die Trübungszone keinen Schadstoffbelastungsschwerpunkt darstellt. Generell bedeutet deshalb jede Stromaufverlagerung von Feststoffmaterial in der Unterelbe eher eine Verringerung und eine Stromabverlagerung eine Erhöhung der lokalen Schadstoffbelastung, wenn auch auf einem geringen absoluten Niveau.

In der oberen Tideelbe und im Stromspaltungsgebiet muß noch solange bei Oberwasserwellen mit deutlich höheren Schadstoffbeladungen der Schwebstoffe gerechnet werden, bis die stärker kontaminierten Schlickdepots aus dem Oberlauf vollständig ausgeräumt sind und keine hochbelasteten Schwebstoffe mehr nachgeliefert werden. Dies wird erst dann der Fall sein, wenn die Sanierungsmaßnahmen der wichtigsten Schadstoffeinleiter auch in Tschechien abgeschlossen sind.

6.7 Unterhaltungsbaggerung und Umlagerungen in der Tideelbe (Kap. 3.6; 4.7)

Der zeitliche Verlauf der Unterhaltungsbaggerungen im Bereich der Tideelbe sowie des Hamburger Hafens und der anliegenden Landes- bzw. Kommunalhäfen läßt nach Stand der Erkenntnis für den IST-Zustandszeitraum 1979-1993 keinen säkularen Trend erkennen. Das seit 1982 durchgehend im Bereich der Unter- und Außenelbe praktizierte Umlagerungsverfahren (d.h. Verklappung innerhalb des Stromes) zeigt unter Beachtung des Oberwassereinflusses als eines die Sedimentation prägenden Faktors in der Zeit zwischen 1982 und 1993 keine signifikante Veränderung der Gesamt-Unterhaltungsbaggermengen.

Einflüsse aus Verklappungen oder Eggungen (Amt Strom- und Hafenbau), die im Nahbereich von Unterhaltungsbaggerstellen bzw. von zu unterhaltenden Hafenbereichen stattfinden, können grundsätzlich zu einer zeitweilig erhöhten Beaufschlagung von bereits bestehenden Sedimentationsschwerpunkten führen. Ein quantitativer Nachweis ist jedoch nicht nur wegen der großen natürlichen Schwankungsbreite des prägenden Oberwassereinflusses schwierig, sondern kann sogar im einzelnen wegen des Fehlens von aussagekräftigen Untersuchungen zu räumlichen Transportwegen des umgelagerten Unterhaltungsbaggergutes bzw. des natürlichen Feststofftransportes nicht geführt werden.

Die im Bereich des Amtes Strom- und Hafenbau durchgeführten Sedimentationsberechnungen geben für ausgewählte Hafenbecken einige Informationen zum Erosions- und Sedimentationsverhalten. Hieraus ist erkennbar, daß die Menge sedimentierten Materials scheinbar die des gebaggerten Materials in den jeweiligen Bereichen übertrifft. Es besteht allerdings das Problem, daß einerseits das Verfahren der Sedimentationsbestimmung nicht restlos sicher Wirkungen aus Unterhaltungsbaggerungen ausschließt (und deshalb möglicherweise zu hohe Werte angibt), andererseits Unsicherheiten im Ortsbezug bestehen. Auch existiert eine grundsätzliche Varianz im Baggermengenaufmaß. Der potentielle Fehler muß mit rd. 10% angesetzt werden.

Es können regional unterschiedlich ausgeprägte Oberwasserbeziehungen zu Häufigkeit und Mengen der Unterhaltungsbaggerungen erkannt werden. Im Bereich des Hamburger Hafens ist diese Beziehung grundsätzlich schwieriger nachzuweisen, weil die Unterhaltungsbaggerungen aufgrund logistischer Restriktionen nicht unbedingt zeitlich direkt an ein Sedimentationsereignis anschließen, aber dennoch erkennbar. Auch in größeren Teilabschnitten der Unterelbe (beispielsweise Strom-km 669-676; Rhinplatte) einschließlich der anliegenden Häfen ist eine Korrelation zu Dauer und Höhe des Oberwassers der Elbe gegeben.

Aus den Daten sind lokale Trends zu verstärkter bzw. reduzierter Sedimentation in Abhängigkeit zur "Großmorphologie" der Unterelbe zu erkennen. So sind im Längsschnitt zwischen Strom-km 638,9 und 725 intensivere Unterhaltungsbaggerungen vor allem dort notwendig, wo das sogenannte morphologische Volumen einer Raumeinheit (d. h. das Wasserkörpervolumen unter KN) relativ zum Mittel der ober- und unterstromig anschließenden Bereiche zu groß ist. Da diese gröberen morphologischen Strukturen grundsätzlich von der im Tideästuar wirkenden Schwingungsdynamik bestimmt werden und die Großmorphologie durch Unterhaltungsbaggerungen nur unerheblich beeinflußt wird, ist bei Unterstellung einer unveränderten klimatischen und wasserbaulichen Situation mit keiner signifikanten Veränderung in Lage und Intensität der bestehenden Unterhaltungsbaggerungen zu rechnen (s. MATERIALBAND II b).

6.8 Wasserbauliche Umlagerungen und Schwebstofftransport (Kap. 3.6; 4.7; 5.4)

Diese Thematik ist nicht nur ökologisch, sondern auch unter dem wirtschaftlichen Aspekt der Effizienz von Baggeraktivitäten bedeutsam. Dabei spielt das eher kleinräumige Zurückdriften des umgelagerten Materials an die Baggerstelle eine mindestens so große Rolle wie das Eindringen in ökologisch wertvolle Bereiche. Trotz des hohen Stellenwertes dieser Problematik gibt es wenig quantitative Aussagen.

Eine ursächliche Verknüpfung zwischen dem hydrologischen Parameter Strömung einerseits und der Schwebstoff-Sedimentation in der zu unterhaltenden Fahrrinne andererseits ist mit dem gegebenen Datenstand aus der Natur nicht möglich. Das Hauptproblem ist, daß zwar die Umlagerungsmengen relativ präzise in Raum und Zeit aufgezeichnet werden, aber keine der sie prägenden Steuergrößen (Ebbe-/Flutdauer; Strömungsrichtung/-geschwindigkeit; Materialtransport) parallel dazu kontinuierlich-synoptisch erfaßt werden. Episodische Einblicke in das Strömungsregime über numerische Modellierung können dieses Defizit nicht ausgleichen, da der tatsächliche Materialtransport und seine morphologische Wirkung nach derzeitigem Stand der Wissenschaft im Modell noch nicht darstellbar sind.

Aus zwei 1981 und 1982 von der BfG in der Unterweser durchgeführten Umlagerungsversuchen geht folgendes hervor: Nach der Verklappung breitet sich der Schlickanteil in Form einer Schwebstoffwolke aus, die sich zunächst in der sohlnahen, 5 bis 6 m dicken Wasserschicht mit der Strömung fortbewegt, um sich dann nach mehreren Kilometern Fließstrecke unter Abnahme des Schwebstoffgehaltes allmählich auf den ganzen Fließquerschnitt zu verteilen (PAUL 1992). In etwa 6500m Entfernung ist kaum noch ein Gradient auszumachen. Nach etwa zwei Tidedurchgängen haben sich die Schwebstoffe derart verteilt, daß das "Signal" der Schwebstoffwolke im "Rauschen" der Schwebstoffgrundbelastung untergeht. Diese Aussage deckt sich tendenziell mit Beobachtungen an gelösten Farbstofftracern sowie mit Infrarotaufnahmen von Kraftwerkswärmefahnen aus der Luft, wonach eine Lateraldurchmischung erst nach etwa 15 - 20 km erreicht wird (die längere Beobachtungsstrecke ergibt sich hier aus dem höheren Signal-Untergrund-Verhältnis). Der feinkörnige Schwebstoff bzw. die langsam sinkenden Schwebstoffflocken verhalten sich also annähernd wie konservative Wasser-Inhaltsstoffe. Wann das "Signal" im "Rauschen" verschwindet, hängt von der Hintergrundskonzentration ab; diese ist beim Schwebstoff, vor allem in der Trübungszone, besonders hoch.

Auf Initiative von Amt Strom- und Hafenbau wurden 1995 mit modernen Meßmethoden Umlagerungsversuche bei Neßsand in der Unterelbe durchgeführt (NETZBAND 1996), die im wesentlichen die Verdriftung der durch Umlagerung erzeugten Schwebstoffwolke mit dem Tidestrom im unteren Bereich der Wassersäule bestätigen, wobei die tatsächlich zurückgelegten Wege von den lokalen Strömungsverhältnissen abhängen. Um quantitative Aussagen über Änderungen des Schwebstofftransports durch Baggeraktivitäten und wasserbauliche Umlagerungen zu liefern, müßten gezielte Experimente und numerische Simulationen für begrenzte Stromabschnitte durchgeführt werden.

Umgekehrt ist die Frage von Interesse, wie weit das Schwebstoffregime den Umlagerungsbedarf beeinflußt. Stark vereinfacht läßt sich gemäß ROHDE (1974) folgendes Wirkungsschema angeben: Mit geringem Oberwasser vergrößern sich die Flutwege. Die Strömungsgeschwindigkeiten und damit die Flutstromturbulenz erhöhen sich, der Dichtestrom wird wirksamer, die Schwebstoffgehalte in der Wassersäule steigen an, der sohlnahe Feststofftransport wächst, und damit können in "morphologischen Senken" die Unterhaltungsbaggermengen im Unterelbebereich ansteigen. Dieses im großen und ganzen richtige Bild der Abhängigkeiten kann lokal stark variieren, da topographische Faktoren, örtliche Quellen und Senken eine entscheidende Rolle spielen. Hier wird auf die Behandlung der Elbabschnitte im MATERIALBAND II b verwiesen, wo vor allem die Korrelation der Baggermengen (bzw. Sedimentationsraten, so weit verfügbar) mit dem Oberwasserabfluß als einzigem stets verfügbarem Meßparameter herausgearbeitet wurde.

6.9 Verschlickung von Häfen (Kap. 3.6.4)

Bei allen Unterelbe-Häfen (Landes-, Kommunal-, Fähr- und Sportboothäfen) werden Eintreibungen maßgebend durch Dichteströmungen (bzw. Salzgradienten) und sog. Walzenströmungen in den Hafeneinfahrten gesteuert, allerdings je nach Lage und Geometrie einer Hafenanlage mit unterschiedlicher Gewichtung. Für die drei Häfen Glückstadt, Brunsbüttel und Cuxhaven gilt (nach NASNER 1994), daß sie gemäß ihrer Lage dem oberen (Glückstadt), mittleren (Brunsbüttel) und unteren (Cuxhaven) Teil der Trübungszone (bei mittlerem Oberwasser) zugeordnet werden können. Entsprechend verhalten sich die mittleren jährlichen Sedimentationsraten mit 37, 270 und 108 cm/a. Dabei ist der Wert für Glückstadt wegen der randständigen Lage im Bereich der Nebenelbe nur begrenzt mit den anderen vergleichbar. Bei Brunsbüttel ist ein Trend zur Zunahme der Unterhaltungsbaggermengen mit abnehmendem Oberwasser zu verzeichnen; allerdings dürften hier auch seeseitige Einflüsse (Veränderungen der Wasserspiegellage) mitwirken.

Für das Gebiet des Hamburger Hafens kann ebenfalls bei weiterhin gleichbleibenden klimatischen und wasserbaulichen Randbedingungen von einer im Rahmen der beschriebenen Schwankungsbreite sich bewegenden Größenordnung der Unterhaltungsbaggerungen ausgegangen werden.

 

6.10 Wissenslücken

Generell gilt die in der Umweltforschung bekannte Problematik der "offenen Systeme": Die Zahl der Steuergrößen und Einflußfaktoren ist nahezu beliebig groß. Selbst wenn ein Kausalzusammenhang zwischen zwei oder mehrere Größen im Laborversuch eindeutig nachweisbar ist, kann der Zustand eines natürlichen Systems aufgrund weiterer Einflußfaktoren sich "atypisch" verhalten.

Eine solche Schwierigkeit trifft auch für die Beschreibung von Kausal-Zusammenhängen zu dem Thema "Schwebstoffregime und gelöste Stoffe in der Tideelbe" zu. Mit einer gewissen Wahrscheinlichkeit sind die Abhängigkeiten verschiedener Größen untereinander durch die Analysen des vorhandenen umfangreichen, aber bei weitem nicht ausreichenden Datenmaterials erkennbar, aber nur schwer quantifizierbar.

Letztlich immer noch nicht vollständig verstanden - wenn auch durch eine Reihe plausibler Hypothesen im Prinzip erklärbar - ist die Entstehung der Trübungszone. Die für Interpretationen verwendbare Datenbasis, die im wesentlichen aus regelmäßigen Längsprofilen in Fahrwassermitte und Meßzeitreihen an wenigen Stationen bzw. Querschnitten stammt, ist dünn und kann allenfalls in einzelnen Fällen für flächendeckende Aussagen genutzt werden. Fast gar keine Informationen liegen über die Nebenflüsse vor; lediglich die Mündungsgebiete zur Tideelbe werden in den Längsprofilmessungen der ARGE Elbe durch je einen Probenahmeort regelmäßig überwacht. Ihre Rolle im Regime der Schwebstoffe und gelösten Stoffe der Tideelbe ist jedoch aufgrund der geringen Wasserführung und des relativ kleinen Stauraums unbedeutend und unerheblich.

Auffällig ist, daß die Trübungszone durch einen anwachsenden Oberwasserabfluß in ihrem Intensitätsschwerpunkt sehr rasch stromab gedrängt wird (lokale Maxima scheinen dabei relativ ortsfest zu sein), aber bei sich abschwächendem Abfluß u. U. erst nach Monaten wieder an der alten Stelle aufgebaut wird. Dies stützt die Hypothese von Schwebstoff-Pools, die erst wieder aufgefüllt werden müssen, um in einem neuen dynamischen Gleichgewicht die Trübungszone speisen zu können. Aber wo genau sind diese Pools? Und damit verbunden ist die Frage, aus welchen Teilen (marinen -, Oberlauf- oder Seitenraumkomponenten) sich der Schwebstoff in diesem Bereich der Trübungszone zusammensetzt und welche Retentionszeiten diese einzelnen Komponenten haben.

Umgekehrt sind auch die Rückwirkungen der Trübungszone und ihrer Dynamik auf die Pools, z.B. in Form von Sedimentation in den Seitenräumen, keineswegs klar identifizierbar und mit der MORAN-Methode, die bisher die umfangreichsten Informationen hierzu brachte, nur sehr grob, vor allem nicht mit der zeitlich gewünschten Auflösung, nachweisbar. Dabei ist der Schadstoffaspekt, inwieweit mit dem Schlickfall auch Depots von Schwermetallen oder organo-chemischen Substanzen entstehen, gerade für die Tideelbe unterhalb des Hamburger Hafens von untergeordneter Bedeutung. Trotz der offensichtlich bestehenden Kopplung von Brackwasser- und Trübungszone ist nicht bekannt, ob aus den festgestellten großen räumlichen (oberwasserabhängigen) Lageveränderungen der Salzgehaltszonierung neue Sedimentationsgebiete entstehen bzw. Fauna und Flora in Flachwasser- und Sedimentationsbereichen einem veränderten Sedimentationsstress unterliegen.

Im Zusammenhang mit wasserbaulichen wie unterhaltungsbedingten Umlagerungen, die vor allem aus wirtschaftlicher Sicht von hohem Interesse sind, sind ebenfalls eine Reihe von Fragen offen: Wie hoch ist der Beitrag der durch die Unterhaltungsbaggerei bedingten Feststoffumlagerungen am gesamten Feststoffumsatz in den einzelnen Untersuchungsabschnitten? In welcher Richtung und Entfernung von Bagger- oder Klappstellen und in welchen Mengen sedimentieren die Feststoffe? (Hier sei noch einmal PAUL 1992 zitiert: "Wohin die Feinanteile des Schlicks verfrachtet werden und wo sie letztlich sedimentieren - auch das kann u.U. nur vorübergehend sein, weil sie durch das natürliche Tidegeschehen erneut umgelagert werden - , läßt sich z. Z. (noch) nicht schlüssig nachweisen, geschweige denn sicher reproduzieren"). Wieweit beeinflußt das natürliche Schwebstoffregime Lokalität und Intensität der Unterhaltungsbaggerungen? Hier zeigt sich, daß eine Quantifizierung dieser Zusammenhänge an der Datenlage scheitert: Erstens an der exakten Ermittlung von Sedimentationsraten (Baggermengen sind dafür ein zu grobes Maß), zweitens an der Verfügbarkeit von Zeitreihen (orts- und zeitgleich aufgenommener) hydrographischer Parameter in den Unterhaltungsgbaggerbereichen, und drittens, daß bei der Analyse der quasi-historischen Daten zwischen 1979 und 1993 eine gravierende Umstellung in der Bagger- und Umlagerungstechnik sowie in der Bestimmung der Baggermengen erfolgte.

All dies sind keineswegs nur erkenntnistheoretisch interessante Fragen, sondern haben auch für die Prognosen der sog. Nullvariante sowie der Veränderungen durch die Anpassung der Fahrrinne praktische Relevanz. Daraus resultiert - bei aller aufgewendeten Sorgfalt der Analysen und ihrer Bewertung - eine Restunsicherheit.