Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

4 BEWERTUNG DES IST-ZUSTANDES

Während in Kap. 3.4 "Schwebstoffqualität und gelöste Stoffe" zur Beschreibung der Variabilitäten und Trends der betrachteten Parameter ein Zeitraum von ca. 15 Jahren zugrunde gelegt wurde, wird für die Bewertung der Gewässergüte eine engere, weniger weit zurückliegende Zeitspanne verwendet. Damit ist u.a. dem deutlichen Bruch in den Zeitreihen bei der politisch-wirtschaftlichen Wende Rechnung getragen. Für die unterschiedlichen Stoffgruppen wurden folgende Meßdaten (ARGE ELBE 1979-1993) herangezogen:

Schwermetalle: Längsprofile 1990 - 1991
Organische Schadstoffe: Monatsmischproben 1992 an Feststationen
Sauerstoff und Nährstoffe: Längsprofile 1990 - 1993
Bakterielle Belastung: Längsprofile Sommermonate 1980 - 1993

Obwohl es derzeit noch keine allgemein verbindlichen Richtlinien zur Bewertung von anthropogen belasteten Gewässern gibt, wurde zur Anknüpfung an derzeit benutzte Bewertungsschemata die siebenstufige Güteklassifizierung der ARGE Elbe und IKSE zugrunde gelegt, auf die man sich als Arbeitsgrundlage für Elbe-relevante organische und anorganische Schadstoffe auf der 9. Elbeministerkonferenz am 30.09.1993 in Lauenburg geeinigt hatte.

Die Daten werden allerdings gemäß dem mit der PL-Nord vereinbarten Bewertungsrahmen mit einer fünfstufigen Skala eingestuft. Grundlage hierfür liefert das Leitbild der PL-Nord, das in der UVS ausführlich dargestellt wird. Mit der fünfstufigen Skala ist eine hinreichend genaue Einschätzung der Gewässerbelastung möglich; eine stärker differenzierte Skala würde suggerieren, daß tatsächlich bezüglich aller Parameter die ökologischen, hygienischen und toxikologischen Wirkungen graduell unterschieden werden könnten. Dies gilt besonders für die Bewertung der Sauerstoff- und Nährstoffkonzentrationen. Die notwendige Transformation von sieben auf fünf Wertstufen wurde in Analogie zur Bewertung der Sedimente in MATERIALBAND III folgendermaßen zusammengefaßt:

  • Wertstufe 1 entspricht der Güteklasse 1 der ARGE Elbe.
  • Wertstufe 2 beinhaltet die Güteklassen 1-2 und 2 der ARGE Elbe.
  • Wertstufe 3 beinhaltet die Güteklasse 2-3 der ARGE Elbe.
  • Wertstufe 4 beinhaltet die Güteklasse 3 der ARGE Elbe.
  • Wertstufe 5 beinhaltet die Güteklassen 3-4 und 4 der ARGE Elbe.

Bei der Bewertung hinsichtlich der Sauerstoff- und Nährstoffparameter entspricht hingegen die Wertstufe 1 den ARGE-Güteklassen 1 und 1-2, Wertstufe 2 der ARGE-Klasse 2 (s. Kap. 4.4).

In der Tideelbe sollte, bzw. allgemein in Ästuaren, für gelöste und partikuläre Wasserinhaltsstoffe auch deshalb auf eine feinstufigere Qualitätsskala verzichtet werden, weil durch die große zeitliche (z.B. tidebedingte) und räumliche Variabilität der Konzentrationswerte eine Zuordnung entsprechender Mittelwerte zu den einzelnen Belastungsstufen nach statistischen Signifikanzkriterien ohnehin problematisch ist.

Es sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, daß im ökologischen Bereich teilweise noch wichtige Erkenntnisse fehlen und vorhandenes Wissen bisher nicht zur Festlegung allgemeingültiger Belastungsgrenzwerte in Form verbindlicher Umweltqualitätsziele oder Umweltstandards geführt hat, so daß bei der Bewertung von Belastungen auch auf technische Standards, z.B. auf die Trinkwasser- und Klärschlammverordnung, zurückgegriffen wird.

Zur Bewertung der Gewässerbeschaffenheit mit einer 5-stufigen Werteskala (Tabellen: 28, 30, 31, 32, 36, 37) werden im einzelnen folgende Parameter herangezogen:

  • Schwermetalle (Tab. 28):
    Parameter, Filterrückstand: Hg, Cd, Pb, Zn, Cu, As, Cr, Ni.
  • Organische Schadstoffe (Tab. 30):
    Parameter: a-HCH, b-HCH, g-HCH, p,p'-DDT, p,p'-DDE, PCB138, HCB, AOX.
  • Sauerstoffhaushalt (Tab. 31):
    Parameter: Konzentration (mg/l), Sättigung (%), Zehrung (BSB5).
  • Nährstoffe (gelöst, Tab. 32):
    Parameter: Ammonium (mg-N/l), Nitrat (mg-N/l), Phosphat (mg-P/l).
  • Bakterielle Belastung (Tab. 36):
    E. coli (Zellen/ml).

Von einer Berücksichtigung der Parameter Gesamt-N und Gesamt-P wird abgesehen, weil die Mengen partikulär gebundenen Stickstoffs und Phosphors aufgrund der zeitlichen und räumlichen Inhomogenität der Schwebstoffkonzentration und -zusammensetzung starken Schwankungen unterliegen, so daß eine Interpretation entsprechender Meßwerte aus verschiedenen Flußabschnitten als Gütekriterium nicht möglich ist.

 

4.1 Schwebstoffe und Salzgehalt

Nicht einbezogen in die vorgesehene 5-stufige Gütebewertungsskala werden der Salzgehalt und die Schwebstoffkonzentration; diese Parameter werden von der ARGE Elbe nicht als Charakteristika für die Gewässergüte eines Ästuars angesehen. Der indirekte Einfluß von Salzgehalt und Schwebstoffkonzentration auf die Gewässergüte wird in Kap. 4.4 für die einzelnen Untersuchungsabschnitte gesondert beschrieben, z.B. die Bedeutung hoher Schwebstoffkonzentrationen als lichtlimitierender Faktor für das Phytoplankton oder die Bedeutung der Schwebstoffe als Träger bakterieller Aktivität und als Transportvehikel für Umweltschadstoffe.

Zur besseren Übersicht über die von der Wassergütestelle Elbe im Längsprofil der Elbe festgestellten Änderungen der Schwebstoffkonzentrationen wurde jedoch auf den entsprechenden Datenblättern eine Einteilung in Meßwertebereiche vorgenommen (s. Anhang zu den MATERIALBÄNDEN II a und b).

4.2 Schwermetalle

Aus Gründen der Vergleichbarkeit der Schwermetallbeladungen von Schwebstoffen werden im folgenden nur Konzentrationsangaben verwendet, die aus der Feinkornfraktion < 20 µm ermittelt wurden (s.a. Materialband III).

Die 5-stufige Bewertungsskala der feststoffgebundenen Schwermetalle und Arsen und die natürlichen Hintergrundwerte sind in Tab. 28 dargestellt. In Tab. 29 sind die mittleren Schwermetallkonzentrationen und deren Standardabweichungen für die einzelnen Untersuchungsabschnitte angegeben. Die Datengrundlage bilden die in den Jahren 1990 und 1991 viermal pro Jahr durchgeführten oberflächennahen Längsprofilbeprobungen der ARGE Elbe. Für die Bewertung wurden die Mittelwerte aus den insgesamt 8 Messungen verwendet. Es ist bekannt, daß die Konzentrationen in den darauffolgenden Jahren in allen Untersuchungsabschnitten - mit jahreszeitlichen Schwankungen - noch weiter abgenommen haben. Die Mittelwerte (1990 - 1993) an der Meßstelle Zollenspieker haben sich allerdings nicht so verändert, daß eine andere Wertstufe vergeben werden kann (Tab. 33). Einen Überblick über die Belastung der einzelnen Abschnitte gibt Karte 3.

Bewertung der einzelnen Untersuchungsabschnitte

o Untersuchungsabschnitt I:

Für fast alle hier betrachteten Schwermetallparameter wird dieser Abschnitt mit der Wertstufe 5 versehen und als sehr hoch belastet eingestuft. Bis auf Nickel, das als mittel belastet einzustufen ist (Wertstufe 3), weisen alle hier betrachteten Schwermetalle eine sehr hohe Belastung (Wertstufe 5) aus. Die in diesem Elbabschnitt ermittelten Schwermetallgehalte variieren stark in Abhängigkeit vom Oberwasserabfluß (s.a. Kap. 3.4.1).

o Untersuchungsabschnitt II:

Die besondere hydrographische Situation dieses Elbabschnitts wurde in Kapitel 2.1 beschrieben. Aufgrund der noch immer hohen Konzentrationen ist die Belastung mit Quecksilber, Cadmium, Kupfer, Zink und Arsen als sehr hoch einzustufen (Wertstufe 5). Die Schwankungsbreite der Blei- und Chrombelastung reicht von mittel bis sehr hoch. Die Nickelbelastung kann als mittel (Wertstufe 3) gelten. Dieser Abschnitt der Unterelbe ist demnach immer noch überwiegend sehr hoch mit Schwermetallen belastet.

o Untersuchungsabschnitt III:

Im Abschnitt III macht sich schon der Einfluß der Vermischung mit weniger kontaminiertem, von unterstrom transportiertem Schwebstoff bemerkbar (Kap. 3.4.1). Die Belastung mit Zink ist immer noch sehr hoch (Wertstufe 5), für Blei, Chrom und Arsen hoch (Wertstufe 4) und für Quecksilber, Cadmium, Kupfer und Nickel mittel (Wertstufe 3).

o Untersuchungsabschnitt IV:

Abgesehen von der etwas verringerten Blei-, Zink- und Chromkonzentration unterscheidet sich Abschnitt IV nur unwesentlich von Abschnitt III.

o Untersuchungsabschnitt V:

In diesem Abschnitt tritt eine weitere Abnahme der Schadstoffbelastung durch die von der Nordsee eingetragenen Schwebstoffe ein. Die Belastung mit Quecksilber, Zink, Chrom, Nickel und Arsen ist als mittel (Wertstufe 3), die Belastung mit Cadmium, Blei und Kupfer als gering (Wertstufe 2) einzustufen.

o Untersuchungsabschnitt VI:

Die Quecksilber-, Zink- und Arsenkonzentrationen führen im Abschnitt VI zu einer mittleren Belastung (Wertstufe 3). Die Belastung durch Cadmium, Nickel, Chrom und Blei ist gering (Wertstufe 2). Die Kupfergehalte liegen in diesem Elbabschnitt zwischen einer geringen und sehr geringen Belastung (Wertstufe 1 und 2).

o Untersuchungsabschnitt VII:

Der Bereich der Außenelbe ist bezüglich Kupfer sehr gering, bezüglich der übrigen Schwermetalle als gering belastet anzusehen.

4.3 Organische Schadstoffe

Die Bewertung der Belastung durch Chlorkohlenwasserstoffe (CKW) gestaltet sich schwieriger als die der Schwermetallbelastung. Die Tab. 30 enthält die 5-stufige Bewertungsskala (Güteklassen) für feststoffgebundene organische Schadstoffe. Zum Vergleich sind die vom Bund-Länder-Arbeitskreis festgelegten Qualitätsziele (BLAK-QZ 1992) für Wasser mitangegeben. Die BLAK-QZ-Werte entsprechen größtenteils der Gewässergüteklasse 2 (unter der Annahme von einer Schwebstoffkonzentration von 25 mg/l ), für die anderen Güteklassen gibt es keine Angaben. Eine Umrechnung der in der gelösten Phase bestimmten CKW in die feststoffgebunde Phase führt zu keinen sinnvollen Ergebnissen, da z.B. HCB und PCB138 zu mehr als 80% und Lindan (g-HCH) zu ca. 10% schwebstoffgebunden vorliegen. Diese Prozentangaben sind nur Richtwerte, die noch in Abhängigkeit vom Meßort schwanken (STURM & GANDRASZ 1988).

In Tab. 34 sind die mittleren organischen Schadstoffkonzentrationen in der gelösten Phase und deren Standardabweichungen für die einzelnen Untersuchungsabschnitte angegeben. Die Datengrundlage bilden wieder die in den Jahren 1990 und 1991 viermal pro Jahr durchgeführten oberflächennahen Längsprofilbeprobungen der ARGE Elbe (s.a. Kap. 4.2). Diese Meßwerte beziehen sich aber wie die BLAK-QZ auf die im Wasser gelösten organischen Stoffe und lassen sich nicht so ohne weiteres in die 5-stufige Gewässergüteskala einpassen.

Aus diesem Grunde wurden für die Bewertung der einzelnen Gewässerabschnitte (Tab. 35) die 90%-Werte der organischen Schadstoffgehalte der schwebstoffbürtigen Sedimente aus den Sedimentationsbecken Bunthaus, Seemannshöft, Grauerort und Cuxhaven für das Bezugsjahr 1992 (ARGE ELBE 1979-1993) zugrunde gelegt.- Bei den organischen Schadstoffen ist ebenfalls eine deutliche Abnahme der Konzentrationen stromab sichtbar (s.a. Kap. 3.4.2). Einen Überblick über die Belastung der einzelnen Abschnitte gibt Karte 4.

Bewertung der einzelnen Untersuchungsabschnitte

o Untersuchungsabschnitt I:

Die Konzentrationen der organischen Schadstoffe im Abschnitt I variieren von Wertstufe 2 bis 5. Die höchsten Belastungen sind auf b-HCH, HCB und PCB-138 zurückzuführen; die Lindanbelastung (g-HCH) ist nur gering.

o Untersuchungsabschnitt II:

Der Abschnitt II ist noch durch hohe HCB-, b-HCH- und PCB-138-Konzentrationen (Wertstufe 4) gekennzeichnet. Die Belastung durch die anderen hier betrachteten organischen Schadstoffe kann als gering (Wertstufe 2) angesehen werden.

o Untersuchungsabschnitt III:

Für diesen Abschnitt liegen keine Daten zur Bewertung vor. Aufgrund der allgemeinen Kenntnisse über die Wasser- und Schwebstofftransportprozesse müßte dieser Abschnitt weitgehend dem Belastungsniveau im Abschnitt IV entsprechen.

o Untersuchungsabschnitt IV:

Die Belastung durch alle betrachteten Organika ist mit Ausnahme von PCB-138 (Wertstufe 3) als gering einzustufen.

o Untersuchungsabschnitt V:

Für diesen Abschnitt liegen keine Daten zur Bewertung vor. Aufgrund der allgemeinen Kenntnisse über die Wasser- und Schwebstofftransportprozesse müßte dieser Abschnitt das Belastungsniveau der benachbarten Abschnitte IV und VI haben.

o Untersuchungsabschnitt VI:

Der Abschnitt VI erhält für alle hier aufgeführten organischen Schadstoffe die Wertstufe 2 (gering belastet ).

o Untersuchungsabschnitt VII:

Für diesen Abschnitt liegen keine Daten zur Bewertung vor. Wegen der Zunahme des marinen Einflusses wird sich die Gewässergüte hier auf keinen Fall verschlechtern; daher wird die Wertstufe 2 (gering belastet ) angenommen.

4.4 Sauerstoff und Nährstoffe

Zur Einstufung der Gewässergütesituation in die vorgegebene fünfstufige Bewertungsskala der UVU wurde im wesentlichen das "Bewertungsverfahren in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung an Bundeswasserstraßen" der Bundesanstalt für Gewässerkunde (BFG 1994) herangezogen. Desweiteren orientiert es sich an den in der siebenstufigen LAWA-Gewässergüteskala angegebenen Wertebereichen für die Parameter BSB5, Ammonium und Sauerstoff (s. HAMBURGER UMWELTBERICHTE 1994) und der entsprechenden Güteklasseneinteilung der Wassergütestelle Hamburg für die Elbe. Zur Anpassung dieser siebenstufigen Bewertungsskalen an die fünfstufige UVU-Bewertungsskala wurden die bisherigen Güteklassen jedoch so zusammengefaßt, daß sich möglichst einheitliche, einfach nachzuvollziehende Abstufungen der einzelnen Meßwertebereiche ergeben (s. Tabellen 31 und 32). Da diesem Kriterium Priorität eingeräumt wurde, ergibt sich die zu Beginn von Kap. 4 erwähnte, etwas andere Zuordnung der ARGE-Güteklassen zu den Wertstufen 1 und 2.

An dieser Stelle sei ausdrücklich darauf hingewiesen, daß es bisher kein objektives Meßverfahren zur Bestimmung der Gewässergüte gibt, bzw. daß entsprechende Konzepte, wie das Saprobiensystem (zur praktischen Durchführung s. DIN 38410) wissenschaftlich stark umstritten sind (WUHRMANN 1980, ZAUKE und MEURS 1996). Die im folgenden genannten Bewertungen der Gewässergüte können in Ermangelung besserer Verfahren daher lediglich einen groben Anhaltspunkt zur Beschreibung des Gewässerzustandes liefern. Es werden dazu insbesondere die Meßwerte nach der Schließung zahlreicher Industriebetriebe in der ehemaligen DDR (nach der sog. Wende) ab 1990 herangezogen.

Einen Überblick über die Belastung der einzelnen Abschnitte gibt Karte 5.

Bewertung der einzelnen Untersuchungsabschnitte

o Untersuchungsabschnitt I:

Aus der Tab. 17 geht hervor, daß dieser Untersuchungsabschnitt sowohl vor als auch nach der Wende durch hohe Sauerstoffkonzentrationen gekennzeichnet ist. Bakterielle Sauerstoffzehrungsprozesse haben dort nur einen untergeordneten Einfluß auf den Sauerstoffhaushalt. Die Sauerstoffproduktion durch Algen dominiert. Bezieht man die hohe ökologische Wertigkeit der in diesem Elbabschnitt vorhandenen naturbelassenen und renaturierten Flachwasser-, Watt-, Röhricht- und Auwaldgebiete in die Bewertung ein, dann muß der ökologische Zustand eigentlich als sehr positiv bewertet werden. Dies zeigt sich z.B. am Wrauster Bogen in einem nach einer Deichrückverlegung neugeschaffenen Flachwasser- und Wattgebiet: Dort haben sich bereits nach kurzer Zeit Großmuscheln angesiedelt, die als Rote-Liste-Arten in der Tideelbe inzwischen ausgesprochen selten geworden sind (GOLOMBEK et al. 1996).

Legt man die in Tab. 31 ausgewiesenen Belastungsstufen für die Parameter Sauerstoffkonzentration und Sauerstoffsättigung zugrunde, dann ist die obere Tideelbe heute als nicht bis sehr

gering belastet einzustufen. Bezüglich der Nährstoffe (s. Tab. 32) gelten für den Zeitraum von 1990 bis 1993 die Belastungsstufen gering belastet (Ammonium), mittel belastet (Phosphat) und hoch belastet (Nitrat). Als hoch belastet wäre dieser Abschnitt gemäß der Bewertungstabelle auch hinsichtlich des BSB5-Wert einzustufen.

Aufgrund der Tatsache, daß die bakterielle Aktivität überwiegend schwebstoffgebunden ist und somit eine höhere Schwebstoffkonzentration in der zur BSB-Bestimmung verwendeten Wasserprobe bei gleicher Schwebstoffzusammensetzung auch ein höheres Zehrungspotential bedingt, wird dieser Parameter bei der Gütebewertung etwas geringer gewichtet als die übrigen Parameter. Dies ergibt sich auch daraus, daß sich aus den statistischen Analysen kein anhaltspunkt dafür ergibt, daß der BSB tatsächlich in einem quantitativen Zusammenhang zu den Konzentrationen der hier betrachteten gelösten anorganischen Nährstoffe steht. Dies gilt auch in Verbindung mit dem Parameter DOC als Maß für die Summe der im Wasser gelösten organischen Substanzen.

Geht man weiterhin davon aus, daß der Rückgang des BSB5 seit der Wende um durchschnittlich 2 mg/l auf dem Rückgang der Ammoniumbelastung um 0,9 mg-N/l beruht, dann dürfte heute der Anteil des Ammoniumabbaus am BSB5 in der oberen Tideelbe geringer als ein Milligramm Sauerstoff pro Liter sein und somit ca. 8 mg/l des BSB allein auf schwebstoffgebundenen Abbauprozessen beruhen. Diese Einschätzung wird durch die in Kapitel 4.3.1 (Abschnitt 2) gemachten Ausführungen zum Parameter Schlammbelastung verdeutlicht und gestützt (s. dazu auch Abb. 63 und Tab. 19).

Da die deutlichen Änderungen der Sauerstoffkonzentrationen im Längsverlauf der Tideelbe offensichtlich nicht direkt durch die geringen Konzentrationsänderungen der gelösten anorganischen Nährstoffe verursacht werden, wird diesen Stoffen eine etwas geringere Bedeutung bei der Bewertung der Gewässergüte beigemessen als der Sauerstoffkonzentration und der Sauerstoffsättigung. Die Güteklassifizierung orientiert sich deshalb, wie auch in den anderen Untersuchungsabschnitten, primär an diesen Meßwerten und dem Parameter BSB5.

o Untersuchungsabschnitt II:

Aufgrund der in Kapitel 4.3.1 beschriebenen hydrographischen Sondersituation dieses Elb-abschnittes ergibt sich je nach Oberwasserführung eine mehr oder weniger deutliche Ver-schlechterung im Sauerstoffgehalt. Bei hohem Oberwasser entspricht er weitgehend demjenigen der oberen Tideelbe, bei niedrigem Oberwasser - vor allem während der Flut - dagegen eher dem im Abschnitt III. Die Nährstoffbelastung bleibt dagegen weitgehend unverändert. Die Belastung mit Nitrat ist als hoch einzustufen, für Phosphat und Ammonium gilt jeweils die Einstufung mittel belastet.

o Untersuchungsabschnitt III:

Dieser Abschnitt ist durch ein extremes Ungleichgewicht zwischen biologischer Sauerstoffproduktion und -zehrung gekennzeichnet. Dazu tragen vor allem die deutlich höheren Schwebstoffgehalte und die größeren Wassertiefen bei, weil sie das Lichtklima für die Algen erheblich verschlechtern.

Eine höhere spezifische Aktivität der schwebstoffgebundenen Mikroflora ist nicht nachweisbar. Dies wird auch am BSB5-Wert (seit der Wende) von im Mittel 4,1 mg/l deutlich (s. Tab. 22). Das Überwiegen der sauerstoffzehrenden Prozesse ist somit vor allem ein Schwebstoffmengen-Problem, wobei anscheinend der physikalische Effekt, die Schwächung des Lichteintrags in den Wasserkörper, bedeutsamer ist als die damit einhergehende Erhöhung der bakteriellen Biomasse. Selbst wenn diese sich aufgrund der nachweislichen Verdopplung der Schwebstoffkonzentration ebenfalls verdoppelt hätte, könnte sie den gegenüber der oberen Tideelbe vorhandenen Aktivitätsverlust (pro Liter Wasser) aufgrund ihrer ca. nur halb so großen Aktivität (s. BSB5-Werte der Abschnitte I und III) lediglich kompensieren.

Bezüglich aller Sauerstoffparameter, auch des BSB5, ist der Abschnitt III als mittel belastet einzustufen. Es muß allerdings auch heute davon ausgegangen werden, daß zeitlich begrenzt Situationen eintreten können, in denen die für zahlreiche Fische kritische Grenze von 3 Milligramm Sauerstoff pro Liter in der Stromelbe unterschritten wird. Eine Ausnahme bilden lediglich die Flachwasserbereiche der Hahnöfer Nebenelbe und des Mühlenberger Lochs, in denen die Sauerstoffkonzentrationen im Sommer um bis zu ca. 3 mg/l höher als in der Stromelbe sein können (s. a. CASPERS 1984) und die damit als Rückzugsgebiet für Fische bei Sauerstoffmangel zur Verfügung stehen. Da sie funktional zum hydrologischen Gesamtsystem gehören (es findet eine ständiger Wasseraustausch mit der Stromelbe statt), ist ihr Einfluß auf den Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt insgesamt gering, so daß in diesem Untersuchungsabschnitt nach wie vor extreme Sauerstoffmangelsituationen möglich sind, obwohl die Belastung mit Ammonium nur noch gering ist. Die Belastung mit Nitrat (hoch) und Phosphat (mittel) hat sich gegenüber dem Abschnitt II nicht verändert.

o Untersuchungsabschnitt IV:

Auch in diesem Elbabschnitt führt die weitere Erhöhung der Schwebstoffkonzentration nicht zu einem Anstieg des Sauerstoffzehrungspotentials, weil die spezifische Aktivität, erkennbar am BSB5 und am Parameter Schlammbelastung, weiter zurückgeht. Aus diesem Grund ist auch durch die angrenzende Trübungszone keine weitere Verschlechterung der Sauerstoff- und Nährstoffverhältnisse gegeben; sie ist jedenfalls aus den langjährigen Datenreihen der Wassergütestelle Elbe nicht zu erkennen. Die Ammoniumkonzentrationen gehen leicht (um im Mittel 0,1 mg-N/l) zurück, Nitrat nimmt dagegen um 0,3 mg-N/l zu, die Phosphatkonzentrationen bleiben unverändert. Die Einstufung der Nährstoffbelastung: Ammonium (gering), Phosphat (mittel) und Nitrat (hoch) - bleibt dennoch gegenüber Abschnitt III gleich.

o Untersuchungsabschnitt V:

Dieser Abschnitt ist durch eine weitere Verbesserung der Sauerstoffsituation gekennzeichnet, die vor allem aus der Zumischung von Nordseewasser resultiert und dadurch weitgehend stabilisiert wird. Da dieser Abschnitt im zentralen Bereich der Trübungszone liegt, bestätigen diese Daten, daß hohe Schwebstoffkonzentrationen in einem Ästuar nicht gleichzeitig eine Verschlechterung der Gewässergüte bedeuten. Offensichtlich ist es so, daß die trübungsbedingte Lichtlimitierung der Algen, wie schon im Abschnitt IV, hier nur deshalb eine so geringe Bedeutung hat, weil sich das bakterielle Zehrungspotential aufgrund einer mangelnden externen Nährstoffzufuhr noch weiter verringert hat.

Die Schlammbelastungswerte zeigen, daß die Trübungszone überwiegend Schwebstoffe enthält, deren Nährstoffe weitgehend ausgezehrt sind und deren Bakterien lediglich nur noch einen Erhaltungsstoffwechsel (endogene Atmung) betreiben. Dieser wirkt sich nur noch gering auf den Sauerstoffgehalt im Wasserkörper aus und wird in diesem Elbabschnitt bereits weitgehend durch die Zumischung von sauerstoffreichem Wasser aus der Nordsee kompensiert. Die Nitrat- und Phosphatbelastung ist in diesem Abschnitt unverändert hoch bzw. mittel. Da die Belastung mit Ammonium auf den niedrigen Wert von 0,1 mg N/l zurückgegangen ist, kann diese als sehr gering bezeichnet werden.

o Untersuchungsabschnitt VI:

In diesem Abschnitt ist die Zumischung von Nordseewasser erstmals auch deutlich am Parameter Nitrat erkennbar. Die Sauerstoffkonzentrationen steigen weiter an und auch die Lichtverhältnisse haben sich aufgrund deutlich geringerer Schwebstoffkonzentrationen vermutlich wieder soweit verbessert, daß ein Algenwachstum möglich ist. Einem deutlichen Rückgang von Nitrat (um 1,8 mg-N/l) steht eine geringe Zunahme der Ammoniumbelastung (um 0,1 mg N/l) gegenüber; die Phosphatkonzentration bleibt unverändert. Bezüglich Ammonium ist dieser Abschnitt gering, bezüglich Nitrat und Phosphat mittel belastet.

o Untersuchungsabschnitt VII:

Der Rückgang der Nitratbelastung setzt sich in diesem Abschnitt fort, so daß sie für diesen Nährstoff nur sehr gering ist. Der Parameter Phosphat weist dagegen auf eine mittlere, Ammonium auf eine geringe Belastung mit anorganischen Nährstoffen hin.

4.5 Bakterielle Belastung

Die Tatsache, daß ein erheblicher Anteil der als Saprophyten bezeichneten Bakterien an die Schwebstoffe gebunden ist, führt bei Zellzahlbestimmungen mit der Plattenmethode (Zählen der auf Nährböden gewachsenen Kolonien) in schwebstoffhaltigen Wasserproben nach übereinstimmender Fachmeinung zu einer Unterschätzung ihrer tatsächlichen Zellzahlen um mindestens den Faktor 10. Zudem lassen sich anhand der Zellzahlen keine Aussagen darüber ableiten, welchen Anteil unterschiedliche Stoffwechseltypen der Saprophyten am Abbau der organischen Substanz in der Elbe haben. Derartige Daten eignen sich somit generell nicht zur Interpretation der Nährstoffsituation in der Tideelbe. Aus diesen Gründen wurde der Parameter Saprohytenzellzahl bei den Datenauswertungen der Wassergütestelle Elbe (dort Koloniezahl genannt) nicht berücksichtigt, zumal entsprechende Koloniezahlbestimmungen seit 1990 von der Wassergütestelle Elbe auch nicht mehr in Auftrag gegeben wurden.

Zur Einschätzung der hygienischen Situation eines Gewässers werden darüberhinaus häufig die Parameter coliforme Bakterien, Gesamtcoliforme, Fäkalcoliforme und Escherichia coli (E. coli) angegeben. Die einzelnen Bestimmungsmethoden unterscheiden sich nur geringfügig anhand der Bebrütungstemperatur, Inkubationsdauer und spezieller Nachweistests zur Identifizierung einzelner Stoffwechselreaktionen, die z.B. für das Bakterium E. coli typisch sind. Im Ergebnis erfassen jeweils die Parameter gesamtcoliforme und coliforme Bakterien einerseits und Fäkalcoliforme und E. coli andererseits identische Bakteriengruppen, so daß zur Klassifizierung der hygienischen Belastung die Parameter coliforme Bakterien und E. coli ausreichend sind (Sowitzki, pers. Mitt.).

Von SOWITZKI et al. (1994) wurde im Auftrag der Umweltbehörde Hamburg ein umfangreiches Untersuchungsprogramm über die Keimbelastung des Hamburger Elbabschnitts durchgeführt. Dabei wurde auch abgeschätzt, aus welchen Quellen die aus hygienischer Sicht, bezüglich der Eigenschaft der Elbe als Badegewässer, bedenklichen Bakterien stammen. Das Ergebnis war, daß lediglich 2% der in der Unterelbe nachweisbaren Zellzahlen von E. coli aus der oberen Tideelbe stammen (Referenzstation Zollenspieker), lediglich 0,3% aus den Nebenflüssen und 37% aus den Kläranlagen Dradenau (21%) und Stellinger Moor (16%). 62% der Fäkalkeime in der Unterelbe bei Hamburg werden mit der Flut in dieses Gebiet transportiert und entsprechen daher derjenigen Menge an Bakterien (E. coli), die den Weitertransport im Elbwasser nach ihrer Einleitung überlebt hat. Aus Laborexperimenten im Rahmen der o.g. Keimbelastungsstudie geht hervor, daß ca. 90% der in die Elbe eingeleiteten E. coli-Zellen bereits nach 2 - 4 Tagen absterben.

Überschreitungen der Zellzahlgrenze für die Badegewässerqualität treten nach den Ergebnissen von SOWITZKI et al. (1994) in der Elbe nur im unmittelbaren Bereich von Abwassereinleitungen auf, und zwar im Elbabschnitt von Seemannshöft bis Wittenbergen regelmäßig in den Sommermonaten. Belastungsspitzen sind vor allem nach starken Regenfällen nachweisbar, wenn große Mengen ungereinigter Abwässer aus den Mischwassersiel-Überläufen in die Elbe gelangen. Derartige Belastungsschübe sind i.d.R. über ein bis zwei Tage nachweisbar und haben dann einen Anteil an der Keimbelastung von 60%.

Legt man für die Beurteilung der Gewässergüte in den einzelnen Elbabschnitten das weniger strenge Kriterium für die Keimbelastung den Parameter coliforme Bakterien zugrunde, dann erhalten nach den langjährigen Mittelwerten der Wassergütestelle Elbe die Untersuchungsabschnitte I bis III die Wertstufe 2 und die übrigen Abschnitte die Wertstufe 1. Die langjährigen Mittelwerte der Zellzahlen von E. coli weisen dagegen die Untersuchungsabschnitte I bis IV als mäßig belastet aus (Wertstufe 3), die Untersuchungsabschnitte V und VI als gering belastet (Wertstufe 2) und den Abschnitt VII als sehr gering belastet (Wertstufe 1). Die Grenzwerte für die einzelnen Belastungsstufen sind Tab. 36 zu entnehmen und die Meßwerte für die Zellzahlen von E. coli Tab. 37. Weitere Details der statistischen Auswertung beider Parameter sind den Datenblättern über die Bakterienzellzahlen zu entnehmen.

4.6 Bewertung des Schwebstofftransportes hinsichtlich der Wasser- und Sedimentqualität

Eine deutliche Erhöhung der (ohnehin hohen) Schwebstoffkonzentrationen (Zunahme an Trockenmasse) durch die Vermehrung von Algen und Bakterien ist nicht nachweisbar. Dies ist auf das relativ schlechte Lichtklima und auf eine zu geringe Nährstoffversorgung der Schwebstoffmikroflora zurückzuführen. Somit ist eine unmittelbare Rückkopplung der Sauerstoff- und Nährstoffsituation auf die Schwebstoffdynamik der Tideelbe nicht gegeben.

Die Wirkung des Schwebstofftransportes auf die Wasserqualität besteht vor allem in der Beeinträchtigung des Lichtklimas und der dadurch verursachten Verringerung der Sauerstoffproduktion durch Algen. Dieser rein physikalische Trübungseffekt verschiebt in den Untersuchungsabschnitten III und IV das noch in der oberen Tideelbe bestehende Gleichgewicht zwischen Sauerstoffzehrung und Sauerstoffproduktion zugunsten der sauerstoffzehrenden Prozesse. Das Überwiegen der bakteriellen Sauerstoffzehrung ist nicht primär die Folge dort vorhandener höherer Schwebstoffkonzentrationen, sondern die Folge der erheblich reduzierten Sauerstoffproduktion. Die durch höhere Schwebstoffgehalte mögliche Zunahme der bakteriellen Sauerstoffzehrung wird durch die Abnahme der schwebstoffgebundenen bakteriellen Aktivität im Längsverlauf der Elbe verhindert.

Die Schwebstoffe besitzen in der Unterelbe bei den gegenwärtigen Nährstoffbedingungen ein so niedriges Sauerstoffzehrungspotential, daß selbst die hohen Schwebstoffkonzentrationen in der Trübungszone keine ökologisch bedenklichen Sauerstoffmangelsituationen hervorrufen können. Die niedrigsten Sauerstoffgehalte sind stromauf von der Trübungszone, also bei deutlich geringeren Schwebstoffgehalten, in den Abschnitten III und IV vorhanden. Sie lassen sich nach dem gegenwärtigen Kenntnisstand so erklären, daß in diesen Gebieten größere Nährstoffmengen für den bakteriellen Abbau zur Verfügung stehen als in der Trübungszone. Eine mögliche Ursache dafür können Nährstoff-Freisetzungen, z.B. von Ammonium, aus dort umgelagerten Sedimenten sein, wobei aus den zur Verfügung stehenden Daten nicht ermittelt werden kann, inwieweit dafür die natürliche Tidedynamik oder aber wasserbauliche Umlagerungen verantwortlich sind.

Eine negative Auswirkung auf die Sedimentqualität haben derartige Nährstoff-Freisetzungen nicht. Die Sedimentumlagerungen bewirken lediglich einen schnelleren und vollständigeren Abbau der in den Sedimenten gespeicherten Nährstoffe, wenn auch auf Kosten des Sauerstoffvorrats im Wasserkörper. Für die Sedimentqualität ist dies sogar positiv zu werten, falls die zuvor im abgelagerten Sediment eingeschlossenen Nährstoffe bakterielle Fäulnisprozesse in Gang gesetzt hätten.

In Elbabschnitten mit bereits niedrigen Sauerstoffkonzentrationen bedeuten aufgrund der dabei auftretenden Sauerstoffzehrung zusätzliche Sedimentumlagerungen in jedem Fall eine Beeinträchtigung, vor allem der sedimentbewohnenden Fauna. Wie groß diese ist, kann nur aus Messungen der sohlnahen Sauerstoffkonzentrationen ermittelt werden. Entsprechende Daten stehen jedoch aus der Unterelbe nicht zur Verfügung. Die bisher vom Amt Strom- und Hafenbau durchgeführten Verklappungsexperimente von Sand und Schlick bei Neßsand geben keinen Aufschluß darüber, weil sie aus ökologischen Gründen auf Zeiten niedriger Wassertemperaturen beschränkt waren.

4.7 Umlagerungen

Die Behandlung des Themas "Unterhaltungsbaggermengen und wasserbauliche Umlagerungen" stellt keine Bearbeitung eines Schutzgutes im Sinne der UVPG dar; sie liefert indessen für Gutachter, die Schutzgüter untersuchen, nutzbare Informationen. Eine direkte Bewertung ist daher nicht möglich. Umfang und zeitliche Folge der wasserbaulichen Baggerungen und Umlagerungen sind in allen Fällen zwingend nach §1 des Bundeswasserstraßengesetzes ("Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs") geregelt und in diesem Sinne von den zuständigen Dienststellen durchgeführt worden. Eine Wahlmöglichkeit, die Durchführung wasserbaulicher Umlagerungen von Aspekten des Schwebstofftransports abhängig zu machen, hat zu keiner Zeit bestanden. Ein quasi-natürlicher Zustand ohne Unterhaltungsbaggerungen und wasserbauliche Umlagerungen ist für den Bereich der Tideelbe eine nicht prüfbare Option.

Es steht jedoch außer Frage, daß Umlagerungen (Verklappungen) einen quantitativen und qualitativen Einfluß auf den Schwebstofftransport und die daran gekoppelten Faktoren ausüben. Mögliche Folgen von Verklappungen sind (s. MATERIALBAND II b):

  • Abdeckung der Gewässersohle (Ersticken der Organismen);
  • örtliche Erhöhung des Schwebstoffgehaltes (Beeinflussung des Wanderungsverhaltens von Fischen, Beeinträchtigung der Primärproduktion durch Verschlechterung des Lichtklimas);
  • Verringerung des Sauerstoffgehaltes durch Verfrachten sauerstoffzehrender Schwebstoffe und Sedimente;
  • Akkumulation von Schadstoffen in Verbindung mit Feinstsedimenten;
  • Beeinträchtigung von Erholungsgebieten durch Schlickablagerungen;
  • Veränderungen des Makrozoobenthos durch Veränderung der Zusammensetzung der Oberflächensedimente.

Hinsichtlich einer Beurteilung kommt PAUL (1992) allerdings zu folgender Überzeugung: "Mit den bislang verwendeten Meßmethoden und -geräten können bei einem vertretbaren Aufwand an Personal und Geräten keine hinreichend genauen Ergebnisse erzielt werden, die es erlauben, eine Massenbilanzierung bei Umlagerungen durchzuführen. Aber erst durch die Massenbilanzierung können die Meßergebnisse verifiziert und die verschiedenen Einflußfaktoren - wie z.B. die Baggergutumlagerung - gewichtet werden. Solange dies nicht gelingt, werden die Messungen immer nur Teilergebnisse liefern können, deren Aussagekraft schwer einzuschätzen ist und die größtenteils lediglich örtlich und zeitlich begrenzte Gültigkeit besitzen".

Aus Experimenten der BfG in der Weser zieht PAUL (1992) folgende, auch für die Unterelbe übertragbaren Schlüsse: "Wohin die Feinanteile des Schlicks verfrachtet werden und wo sie letztlich sedimentieren - auch das kann u.U. nur vorübergehend sein, weil sie durch das natürliche Tidegeschehen erneut umgelagert werden - , läßt sich z.Z. nicht schlüssig nachweisen, geschweige denn sicher reproduzieren. Die aus ökologischer Sicht - Auswirkung auf Biozönose, Sauerstoffhaushalt, Schadstofftransport - bedeutsame Frage nach dem Verbleib der Feinststoffe Schluff und Ton nach der Verklappung kann deshalb z. Z. nur damit beantwortet werden, daß diese mit Sicherheit nicht an der Verklappungsstelle aufzufinden sind (soweit hier nicht künstliche Maßnahmen ergriffen werden wie z. B. die Erhöhung der Dichte im Hopperbagger oder die Verklappung in Klappgruben). Über den weiteren "Schicksalsweg" der Feinstkornfraktion entscheiden die örtlich und zeitlich wechselnden hydrodynamischen Verhältnisse. In dem einen Falle wandern die Feinststoffe zu einem großen Teil wieder zurück in das Baggerrevier. Oder sie wandern mit der Tide zeitweilig flußaufwärts (wie dies offensichtlich bei der Ems der Fall ist, begünstigt durch niedrige Oberwasserzuflüsse und vergrößerte Ausbauquerschnitte). Oder aber die Feinststoffe verlassen das Tideflußsystem endgültig und wandern küstenparallel weiter oder lagern sich in den Randwatten des Ästuars ab. Langfristig gesehen wird der in den Tideflüssen umgelagerte Schlick größtenteils irgendwo im Küstenwatt abgelagert. Dieser auch von Natur aus ablaufende Vorgang wird durch den anthropogenen Umlagerungsprozeß unterstützt und u. U. noch beschleunigt. In der Gesamtbilanz eines Tideflusses wird die Baggergutumlagerung also einen Teil des natürlichen Austrages von Feststoffen aus einem Tideflußsystem in das Wattenmeer übernehmen" (PAUL 1992, S. 143).

Die Aussagen von PAUL gelten für die Ausbreitung von schlickigem Umlagerungsmaterial. Unterhaltungsbaggergut der Unter- und Außenelbe besitzt i. d. R. einen höheren Sandanteil, der sich beim Verklappvorgang sehr rasch vom Feinmaterialanteil trennt und im direkten Umfeld der Klappstelle sedimentiert. Analoge Ausbreitungscharakteristiken, wie sie vorstehend von PAUL für die Weser beschrieben werden (Schlickverklappung im Süßwasserbereich) wären in der Elbe (eingeschränkt) mit Material aus den Baggerstellen Wedeler Au (km 643-645) bzw. Juelssand (km 652-654) denkbar.

Wie oben bereits von PAUL angerissen, können Verklappungen negative Folgen für die Benthalfauna haben. "Eine Verklappung von feinkörnigem Baggergut im Bereich mit vorwiegend grobkörnigem Sediment (führt) in der Regel zu erheblichen und dauerhaften Veränderungen des Makrozoobenthos. Wird dagegen feinkörniges Baggergut in schluffigen Sohlenbereichen verklappt, so sind lediglich unerhebliche und zeitlich begrenzte Beeinträchtigungen zu erwarten" (TITTIZER 1992).

Im Bereich des Untersuchungsgebietes werden in der Mehrzahl der Streckenabschnitte Sande gebaggert und auch wieder in sandigen Sohlenbereichen verklappt. Entsprechend den Sedimenttypenkarten im MATERIALBAND III treten schlickige Sedimente in der zu unterhaltenden Fahrrinne (und damit im Unterhaltungsbaggergut) nur in den Abschnitten der Baggerstellen Wedeler Au (km 643-645), Juelssand (km 652-654) und Rhinplatte (km 669-676) auf. Da das Unterhaltungsbaggergut aus diesen Abschnitten während des Betrachtungszeitraums primär, aber nicht ausschließlich, im Nahbereich des Tiefwassers (> 8m) verklappt wurde, bedeutet dies, daß schlickige Sedimente auch in grobkörnigere Elbabschnitte verbracht wurden - zumal gerade auch im direkten Anschluß an Unterhaltungsbaggerstellen mit schlickigen Sedimenttypen Riffelstrecken mit rein sandigen Sedimenttypen zu finden sind:

a) Riffelstrecken vor Lühesand und Hanskalbsand, dazwischen eingeschlossen die Unterhaltungsbaggerstelle Wedeler Au bei km 643-645 mit schlickigem Sediment.

b) Riffelstrecke vor Lühesand und sandige Sohle vor Stadersand/Bützfleth, dazwischen eingeschlossen die Unterhaltungsbaggerstelle Juelssand bei km 652-654 mit sehr feinkörnigem Sediment.

c) Sandige Sohle oberstromig Elbe-Kilometer 671 und unterstromig km 676. Zwischen km 671 und 676 Baggerstelle Rhinplatte mit schlickigen Sedimenttypen.

An dieser Stelle soll noch einmal hervorgehoben werden, daß (a) in den meisten Bereichen sandiges Baggergut in sandigen Sohlenbereichen verklappt, (b) in wenigen Abschnitten feinkörniges Baggergut über grobkörnigem Sediment verklappt wird und (c) daß wegen der unzureichenden Information über den Transport der verklappten Feststoffe keine präzisen Aussagen über den Verbleib gemacht werden können. Mit erheblichen Veränderungen ist nur zu rechnen, wenn sich das Feinstmaterial tatsächlich auf grobkörnigen Sedimenten ablagert.

Zur Frage der Beeinflussung des Sauerstoffhaushalts durch die Umlagerung von Baggergut wird im MATERIALBAND III eine pauschale Abschätzung über die Zehrung gemacht. Dabei wurde angenommen, daß das im Jahresdurchschnitt pro Tag in der gesamten Unterelbe gebaggerte Material (1/365 von 16 Mio t) an einem Punkt südlich der Rhinplatte verklappt wird und sich mit einem Wasserkörper vermischt, der dem (doppelten) Flutstromvolumen entspricht. Für die Zehrung wurde ein realistischer, mittlerer Wert aus Sedimentmessungen verwendet. Die dort gemachte Worst-case-Annahme führt zu einer Sauerstoffdepression von nur 0,05 mg/l. Damit ist gezeigt, daß dieser Einfluß in der Tat vernachlässigt werden kann.