Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

3.2 Salinität

Einen Überblick über die Salzgehaltsverteilung in der Tideelbe gibt die Karte 2. Darin ist die vertikal gemittelte 2D-Verteilung der Maximalwerte der Salinität aus der Tidedynamik-Modellierung (MATERIALBAND I) für den gesamten Zeitraum (30.06. bis 13.07.1992) des sog. Spring-Nipp-Szenarios (SN) graphisch dargestellt.

3.2.1 Einführung

Die Brackwasserzone in einem Tideästuar ist der Bereich, in dem sich Süß- und Salzwasser mischen (daher auch Vermischungszone genannt). Bestimmte Salzgehaltsschwankungen sowie eine sehr anpassungsfähige Biozönose kennzeichnen dieses Gebiet. Die stromauf gelegene Grenze dieses für die Biologie sensitiven Bereichs gibt Aufschluß darüber, wie weit das mit der Flut von See her eindringende Wasser stromauf gelangt. Die obere Brackwassergrenze kann zum einen durch das Erfassen der hierin lebenden typischen Tier- und Pflanzengesellschaften (biologische Indikatoren), zum anderen durch die direkte Messung des Salzgehalts geschehen. Von zahlreichen Autoren werden die verschiedenen biologischen Indikatoren für die Brackwasserzone bzw. die obere Brackwassergrenze ausführlich beschrieben (u.a. CASPERS 1958, GIERE 1968; KOTHÉ et al. 1973; RIEDEL-LORJÉ 1981).

Die ARGE Elbe (1988) legt die obere Brackwassergrenze bei Chloridgehalten von 300 mg/l fest, was ungefähr einem Salzgehalt von 0,57) entspricht. Der ARGE-ELBE-Studie über die "Salzgehalts- und Trübstoffverhältnisse in dem oberen Brackwassergebiet der Elbe" (RIEDEL-LORJÉ et al. 1992) können die in der Literatur verwendeten unterschiedlichen Definitionen der oberen Brackwassergrenze in aller Ausführlichkeit entnommen werden. Eine wissenschaftlich-theoretische Bewertung zur Selektion der vermeintlich besten Definition wird von den Gutachtern nicht als sinnvoll erachtet. Die Favorisierung der ARGE-ELBE-Festlegung auf einen Wert von 300 mg Chlorid/l (Salzgehalt 0,5) hat ihre Begründung darin, daß dieser 1959 bereits von CASPERS (1959) vorgeschlagene Wert in der biologisch ausgerichteten Literatur allgemein akzeptiert wurde und insofern zumeist dann herangezogen wird, wenn mögliche Auswirkungen von Salzgehaltsänderungen auf die Fauna und Flora der Elbe beschrieben werden.

Charakteristisch für einen Teil der Brackwasserzone ist ein durch seinen hohen Schwebstoffgehalt gekennzeichnetes Gebiet, das Trübungsmaximum. Daher werden die Schwebstoffverteilungen im Längsprofil der Unterelbe zusammen mit dem Salzgehalt betrachtet, und es kann - wie noch gezeigt wird - eine Veränderung der Salzgehaltsverteilung als Anhaltspunkt für eine Veränderung der Schwebstoffverhältnisse angesehen werden.

In diesem Teilgutachten wird zum einen auf eine neuere Studie Bezug genommen, die die obere Brackwassergrenze mittels biologischer Indikatoren festlegt. Ergänzend dazu werden die Salzgehaltsverhältnisse am Pegel Krautsand für den Zeitraum von 1978 - 1994 näher betrachtet. Als Grundlage für die Ermittlung der Salzgehalte in den einzelnen Untersuchungsabschnitten dienen auch hier die Meßergebnisse aus den monatlichen tidephasengleichen Längsprofilfahrten der ARGE ELBE. Diese Daten beziehen sich allerdings nur auf den oberflächenkonzentrationen im Tideverlauf zeitlich begrenzt deutlich höher als an der Oberfläche sein können. Dies beruht im wesentlichen auf dem Dichteunterschied von Meer- und Süßwasser und ist deshalb ein ästuartypisches Phänomen (BARG 1979, WELLERSHAUS 1981, LANG 1990). Eine Beschreibung der sohlnahen Salzkonzentrationenen, analog zu den detaillierten Darstellungen des oberflächennahen Salzgehaltes durch die Modellrechnungen der BAW-AK, erfolgt nicht, weil eine entsprechende Datengrundlage fehlt und vergleichbare Modellrechnungen in diesem Gutachten nicht vorgesehen sind. Zudem macht eine flächenhafte Darstellung der mittleren Salzgehalte an der Flußsohle nur dann Sinn, wenn parallel dazu auch die Konzentrationen in den darüberliegenden Wasserschichten bekannt sind. Eine derartig differenzierte Beschreibung der Salzgehaltsverteilung und deren zeitlichen Änderungen wäre nur mit Hilfe eines dreidimensionalen Modells möglich, was hierfür nicht zur Verfügung steht. Einzelne Darstellungen des Salzgehaltes in der Brackwasserzone der Elbe im Tiefenprofil (s. Abb. 13, unten8 ) können aber den langjährigen Untersuchungen entnommen werden, die im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 327 "Tideelbe" durchgeführt worden sind (KAPPENBERG et al. 1990).

Anhand der gleichen Datengrundlage wird die Veränderung der Salzgehalts- und Schwebstoffverteilung im Längsprofil während der letzten 15 Jahre betrachtet. Da Schwebstoff- und Brackwasserdynamik ebenfalls stark vom Oberwasserabfluß Q0 (Neu Darchau) abhängig sind, war es sinnvoll, zur Beschreibung dieses Systems in Übereinstimmung mit der Tidedynamik-Modellierung der BAW-AK die Meßdaten in Klassen mit geringem (Q0 < 500 m3/s), mittlerem (Q0 ~ 500 - 900 m3/s) und hohem (Q0 > 900 m3/s) Abfluß (s.o.) zu unterteilen. Zur Veranschaulichung der Dynamik der Oberwasserführung ist in Abb. 1 der zeitliche Verlauf des Oberwasserabflußes bei Neu Darchau für den Zeitraum von 1980- 1995 dargestellt.

3.2.2 Oberwasserabhängigkeit der Salzgehaltsverteilung

In einer von NÖTHLICH durchgeführten Studie (NÖTHLICH 1990) wird die Position der oberen Brackwassergrenze mittels biologischer Indikatoren festgelegt. Die Probennahme fand von 1976 bis 1988 und 1991 vorwiegend während der Sommermonate (Juni - September) statt. Dieser Zeitraum ist im wesentlichen durch eine niedrige Oberwasserführung geprägt, wobei das langjährige mittlere Sommeroberwasser (1926 -1987) bei 589 m3/s liegt (DEUTSCHES GEWÄSSERKUNDLICHES JAHRBUCH 1989).

Das Untersuchungsprogramm diente der Analyse der längerfristigen Veränderung des Salzgehaltes im Elbeästuar. Zur Charakterisierung der Salzgehaltsverteilung wurde in erster Linie der Tonnenbewuchs betrachtet, wobei die biologisch wirksame obere Brackwassergrenze als jener Bereich definiert wird, in welchem marine Organismen gerade noch vorkommen und Süßwassertiere schon weitgehend nicht mehr vorhanden sind.

Die Abb. 2 stellt den Zusammenhang zwischen den sommerlichen Abflußwerten und der ermittelten biologisch wirksamen oberen Brackwassergrenze dar. Bedingt durch die Variationen innerhalb einer Tide ist die obere Brackwassergrenze keine starre Grenze. Während Tideniedrigwasser (Tnw) können noch Süßwasserbedingungen herrschen und während Tidehochwasser (Thw) Salzgehalte von 3 - 5 vorhanden sein. Die Daten beschreiben daher eine mindestens zweimal pro 24 Stunden eintretende Brackwassersituation (NÖTHLICH 1990).

Bei mittleren Abflüssen (500 - 700 m3/s nach NÖTHLICH) ergibt sich daraus für den betrachteten Zeitraum die Lage der oberen Brackwassergrenze in der Höhe von Glückstadt (km 676 - km 680). Bei den durchgehend niedrigen Sommerabflüssen (ca. 250 m3/s) im Jahr 1976 trat eine Stromauf-Verschiebung der oberen Brackwassergrenze bis Grauerort (km 660) auf. Dies entspricht einer Verlagerung um ca. 20 km gegenüber den durchschnittlichen Sommerabflüssen von ungefähr 590 m3/s.

Eine von SCHÖLL ergänzend durchgeführte Untersuchung ergab für den sehr trockenen Sommer des Jahres 1991 (Abfluß ca. 300 m3/s) eine Lage der oberen Brackwassergrenze bei Stadersand (km 655), was mit den Messungen von NÖTHLICH (mit einer Toleranz von 5km) in Einklang steht. Aus der Parallelität der Geraden in den beiden Diagrammen von Abb. 2 wird die Schlußfolgerung gezogen, daß von 1976 -1991 die Abhängigkeit der Brackwassergrenze vom Oberwasserabfluß grundsätzlich konstant geblieben ist (SCHÖLL 1992).

Parallel zur Festlegung der oberen Brackwassergrenze mittels biologischer Indikatoren wurde die Variation am Pegel Krautsand (km 672) über einen größeren Zeitraum betrachtet. Die vom WSA Hamburg (an der Wasseroberfläche) gemessenen Salzgehaltsmonatsmittel bei Thw sind für den Zeitraum von 1977 bis 1994 in Abb. 3 dargestellt. Die Daten bis 1988 wurden bereits von NÖTHLICH (1990) ausgewertet. Es zeigte sich, daß bis 1986 die Werte nur in wenigen Fällen über 1 Promille liegen. "Aus den Befunden kann der Schluß gezogen werden, daß an der Meßstelle nur zeitweise, unter bestimmten niedrigen Oberwasserabflüssen, die obere Brackwassergrenze zu finden ist; ansonsten herrschen Süßwasserverhältnisse vor" (NÖTHLICH 1990). SCHÖLL (1992) schließt aus seiner ergänzenden Untersuchung im Sommer 1991: "Der niedrige sommerliche Abfluß des Jahres 1991 verursacht auch eine deutliche Salzgehaltserhöhung an der Meßstelle Krautsand, die im Einklang mit der biologisch indizierten Brackwassergrenze steht". Auch die Jahre dazwischen weisen erheblich erhöhte Salzgehalte auf, die allerdings auch immer mit niedrigen Sommerabflüssen einhergehen. Betrachtet man die Zeit bis 1994, so wird deutlich, daß die hohen Salzgehalte 1992 mit den niedrigen Oberwasserabflüssen der Sommermonate korreliert sind.

In der aktuellsten Studie zur Abhängigkeit der Lage der Brackwasserzone vom Oberwasserabfluß wurden insgesamt 282 Chloridlängsprofile aus der Zeit von 1953 - 1994 ausgewertet (BERGEMANN 1995). Alle Salinitätswerte sind auf die Tidephase 1 Stunde vor Tnw nor-

miert (erst ab 1979 wurden vereinbarungsgemäß die Längsbeprobungen zu dieser Phase durchgeführt), um die gezeitenbedingten Unterschiede zu eliminieren. Zur Berücksichtigung der unterschiedlichen Grundbelastungen aus dem Oberlauf wurde die obere Brackwassergrenze nach der Formel Mittelwert der Chloridgehalte des Oberlaufes plus 30 mg/l festgelegt. Für den Oberwasserabfluß bei Neu Darchau wurden gewichtete 3-Wochen-Mittel zugrundegelegt. Die Abb. 4 zeigt aus der erwähnten Studie die Lage der oberen Brackwassergrenze in Abhängigkeit vom Oberwasserabfluß. Der Schwankungsbereich der oberen Brackwassergrenze kann demnach fast 80 km betragen. Die starke Streuung der Werte bei gleichem Oberwasserabfluß wird auf Unterschiede in der Spring-Nipp-Phase bzw. auf den nicht spezifizierten Windeinfluß zurückgeführt.

Eine nach Oberwasserabflußklassen durchgeführte Datenanalyse jener Arbeit brachte folgendes Ergebnis: Für mittlere und hohe Abflüsse sind in dem betrachteten Zeitraum von 1953 bis 1994 keine statistisch abgesicherten Verschiebungen der oberen Brackwassergrenze festzustellen. Bei mittleren Abflüssen lag die Grenze in den 90er Jahren in dem gleichen Bereich wie in den 50er und 60er Jahren. Bei hohen Abflüssen war die Lage in den 90er Jahren, gegenüber den 50er und 60er Jahren, leicht stromab verschoben. Für diese Zusammenhänge konnte keine Erklärung gefunden werden. "Bei niedrigen Abflüssen hingegen hatte sich in dem beobachteten Zeitraum von 1953 bis 1994 die Lage der oberen Brackwassergrenze um ca. 5 bis 20 km stromauf verlagert" (BERGEMANN 1995) (Abb. 5).

Trendaussagen zur Position bzw. zur Verlagerung der oberen Brackwassergrenze in Abhängigkeit vom dazugehörigen Oberwasser wurden auch von NÖTHLICH (1990) aus Salzgehalts-Monatsmittelwerten der Meßstelle Brunsbüttel (WSD-Nord) für die Jahre 1950 -1984 gewonnen. Die ermittelten Tendenzen in der langjährigen Entwicklung des Salzgehaltes liefern - genauso wie die Datenanalyse von BERGEMANN - unterschiedliche Ergebnisse für bestimmte Abflußbereiche: Insgesamt zeigte sich über die analysierten 35 Jahre eine Zunahme des Salzgehalts um 2,24. Aufgeschlüsselt nach Abflußklassen9 ergibt sich: bei Abflüssen unter 600 m3/s eine Zunahme um 1,02; bei Abflüssen zwischen 600 und 900 m3/s eine Abnahme um 0,42; bei Abflüssen zwischen 900 und 1200 m3/s ein Abnahme um 0,98.

3.2.3 Statistik und Zonierung

In Ergänzung zur Oberwasser-Statistik soll am Beispiel des Parameters Salzgehalt aufgezeigt werden, inwieweit die Tidedynamik-Modellrechenergebnisse (BAW-AK Gutachten Nr. 9353 3387) mit langjährigen Messungen der Wassergütestelle Elbe übereinstimmen. Eine Übereinstimmung zwischen Modell und Natur wird dann als gegeben angesehen, wenn die von der Modellierung berechneten Werte für bestimmte Oberwassersituationen innerhalb der Fehlergrenzen der Meßdaten (unter Einbeziehung systematischer Fehler) liegen.

Zu diesem Zweck erfolgt in diesem Bericht eine Gegenüberstellung der vom Modell errechneten Salzgehaltzonierungen mit den bei verschiedenen Oberwassersituationen in der Natur gemessenen Salinitäten. Datengrundlage sind die von der Wassergütestelle Elbe veröffentlichten und entsprechend umgerechneten Leitfähigkeitsmeßwerte aus den Jahren 1980 - 1993 (ARGE ELBE 1979-1993). Beim Vergleich mit den Modelldaten ist jedoch zu berücksichtigen, daß die Meßwerte jeweils nur die Tidesituation "voller Ebbstrom", d.h. "1 Stunde vor Tnw", repräsentieren.

Weiterhin soll an diesem Beispiel gezeigt werden, wie durch die Verknüpfung von Modelldaten und/oder Naturmeßdaten mit den Informationen aus der Oberwasserstatistik generell die ökologische Relevanz oberwassersituationsbezogener Konzentrationsverteilungen gelöster oder partikulärer Stoffe eingeschätzt werden kann.

Zur Ermittlung von Salzgehaltskonzentrationen (Salinitäten) mußten jedoch vorab die von der Wassergütestelle Elbe veröffentlichten Leitfähigkeitsmeßwerte umgerechnet werden. Dazu wurde die folgende in den "UNESCO - INTERNATIONAL OCEANOGRAPHIC TABLES" veröffentlichte und in Fachkreisen allgemein akzeptierte Rechenformel verwendet werden. Diese sog. 'UNESCO-Formel' lautet:

S = - 0.089960 + 28.2972 * R15 + 12.80823 * R152 - 10.67896 * R153 + 5.96624 * R154 - 1.2311 * R155

Der Parameter R15 gibt das Verhältnis der Leitfähigkeit der jeweiligen Probe zur Leitfähigkeit von 'Standard-Seewasser' bei 15° C und 35 g/l Salzgehalt an (vgl. GRASSHOFF et al. 1983).

Für die einzelnen Berechnungen wurde dafür ein Leitfähigkeitswert von 46 000 mS angesetzt. Bei dieser Umrechnungsmethode muß allerdings bedacht werden, daß sie nur für See- und Brackwasser exakte Werte liefert. Im Süßwasser wird der Salzgehalt nach dieser Formel etwas überschätzt; die damit errechneten Salzgehaltkonzentrationswerte fallen deshalb für den Süßwasserbereich der Elbe, wie noch gezeigt werden wird, geringfügig zu hoch aus. Zur Abschätzung der Größe dieses Fehlers wurde exemplarisch ein Vergleich dieser Werte mit Salinitätswerten durchgeführt, die mit einer anderen Analysenmethode ermittelt wurden. Vergleichsmaßstab sind die von der Wassergütestelle Elbe parallel zur Leitfähigkeit ermittelten Chloridkonzentrationen. Deren Umrechnung in Salinitätswerte erfolgte anhand der sog. 'KNUDSEN-Formel' (vergl. ebenfalls GRASSHOFF K., EHRHARDT M., KREMLING K. 1983):

S = 1,805 * Cl + 0,03 (Chloridwerte in g/l)

Die Daten für diesen speziellen Meß- bzw. Rechenwerte-Vergleich stammen aus den Längsprofilmessungen der Wassergütestelle Elbe von 1992. Es wurden daraus jeweils die Meßwerte der Monate April, Mai und Juli ausgewählt, da sie deutlich voneinander verschiedene Meßwert-Bandbreiten in den einzelnen Untersuchungsabschnitten aufweisen. Das Ergebnis des Vergleichs ist in Abb. 6 (Korrelations-Grafik) und Tab. 6 dargestellt.

Wie aus den Zahlenwerten der einzelnen Regressionsgeraden für "a" zu entnehmen ist, liegen die aus den Leitfähigkeitswerten berechneten Salinitäten im Mittel gegenüber denjenigen 'aus Chlorid' um ca. 0,25 höher. Beseitigt man diesen Unterschied durch eine Korrektur der Salzgehaltswerte um diesen Betrag, dann führt diese Vorgehensweise zu einer hinreichend genauen Bestimmung der Salinitätswerte für den Bereich geringer Salzgehalte. Diese Korrektur liegt numerisch bereits innerhalb der Meßungenauigkeit von Naturmessungen im Bereich hoher Salzgehalte und ist bei der natürlichen Schwankungsbreite des Salzgehaltes in der Brackwasserzone eine zu vernachlässigende Abweichung vom 'wahren Wert'.

Der nächste Schritt der Datenanalyse bestand darin, die so korrigierten Salinitätswerte definierten Wertebereichen zuzuordnen. Dazu wurden die im Zeitraum von 1980 - 1993 durchgeführten Leitfähigkeitsmessungen zunächst auf die Oberwasserbereiche < 500 m3/s, 500-900 m3/s und > 900 m3/s aufgeteilt. Innerhalb dieser Datenkollektive erfolgte dann eine weitere Aufteilung der Daten auf die im hydrobiologischen Gutachten (s. MATERIALBAND VII, Flora und Fauna II - aquatische Lebensgemeinschaften) nach biologischen Kriterien festgelegten und deshalb hier übernommenen folgenden Salzgehaltsgrenzen:

0,5 / 1 / 5 / 10 / 18

Als Kriterium der räumlichen Festlegung entsprechender Salinitätsgrenzen in der Unterelbe wurde bestimmt, daß innerhalb der durch die Längsprofil-Probennahmestellen vorgegebenen Stromkilometer mindestens 51% der Messungen Salinitätswerte aus den obigen Konzentrationsbereichen geliefert haben müssen. Bei einer Anzahl von 57 Meßtagen wären das mindestens 29 Werte, bei 46 ausgewerteten Meßtagen mindestens 24 Werte usw.. Die 0,5 - Grenze ist danach so definiert, daß im ersten Fall mindestens 29 Meßwerte und im zweiten Fall mindestens 24 Meßwerte entweder niedriger oder gleich 0,5 sind. Entsprechendes gilt für die übrigen Salinitätsgrenzwerte. Die entsprechenden Auswertungen sind in tabellarischer Form dem Anhang "Statistische Analysen" beigefügt.

Legt man dieses Trennungskriterium zugrunde, dann ergeben sich für die drei unterschiedlichen Oberwasserszenarien die folgenden Salzgehaltzonierungen:

1. Geringes Oberwasser (< 500 m3/s):

0,5 - Grenze Stromkilometer 653
1,0 - Grenze Stromkilometer 670
5,0 - Grenze Stromkilometer 693
10,0 - Grenze Stromkilometer 707
18,0 - Grenze Stromkilometer 716

2. Mittleres Oberwasser (500 m3/s - 900 m3/s):

0,5 - Grenze Stromkilometer 684
1,0 - Grenze Stromkilometer 689
5,0 - Grenze Stromkilometer 704
10,0 - Grenze Stromkilometer 718
18,0 - Grenze Stromkilometer 727

3. Hohes Oberwasser (> 900 m3/s):

0,5 - Grenze Stromkilometer 693
1,0 - Grenze Stromkilometer 698
5,0 - Grenze Stromkilometer 710
10,0 - Grenze Stromkilometer 727
18,0 - Grenze Stromkilometer >727

Vergleicht man diese aus den langjährigen Meßdaten der Wassergütestelle Elbe ermittelten räumlichen Grenzen der einzelnen Salinitätsbereiche mit denjenigen, die vom Tidedynamik-Modell der BAW berechnet wurden, dann erkennt man, daß diese an den jeweiligen Elbabschnitten (Grenzkilometern) innerhalb der tidebedingten Variation des Salzgehaltes liegen (Abb. 7 - 9). Ein von den modellierten Salzgehalten abweichender räumlicher Konzentrationsgradient ergibt sich damit aus den Naturmeßdaten der Vergangenheit nicht. Die flächenhaften Darstellungen der Salzgehaltsverteilungen, wie sie sich aus den BAW-Modellrechnungen ergeben, stimmen insofern mit den tatsächlichen Verhältnissen in der Natur überein.

Zur Beurteilung der zeitlichen Signifikanz der berechneten drei Salzgehaltsverteilungen kann ebenfalls die Oberwasserstatistik herangezogen werden. Aus ihr ist beispielweise zu entnehmen, daß die Stromaufverlagerung der oberen Brackwassergrenze bei geringem Oberwasser, die bis zu 30 km gegenüber mittleren Abflüssen beträgt, annähernd 7 Monate Bestand haben kann.

Für die Beurteilung der Nährstoff- und Sauerstoffverhältnisse in der Unterelbe bedeutet dies z.B., daß deren Konzentrationssgradienten in den stromabliegenden Untersuchungsabschnitten verstärkt auch durch Vermischungsprozesse mit Nordseewasser beeinflußt werden können; daher ist eine Selektion entsprechender Meßdaten nach den vereinbarten Oberwasserszenarien schon allein deshalb gerechtfertigt.

Zur Ergänzung der in diesem Bericht für den Ist-Zustand definierten Salinitätsgrenzen soll an dieser Stelle noch einmal kurz auf die Ergebnisse von BERGEMANN (1995) bezüglich der Verschiebung der oberen Brackwassergrenze seit 1953 (Salinitätsgrenzwert ca. 0,4) eingegangen werden: Verglichen mit den eigenen Angaben zur räumlichen Lage der 0,5-Grenze, liegt die von BERGEMANN definierte obere Grenze der Brackwasserzone bei niedrigem und mittlerem Oberwasser ca. 10 - 15 km weiter stromauf. Bei hohem Oberwasser sind beide Lageangaben praktisch identisch. Eine mögliche Ursache für diesen Unterschied sind die von BERGEMANN anders definierten Oberwasserklassen. Seine Abflußgrenzen sind für niedriges Oberwasser < 400 m3/s, für mittleres Oberwasser ca. 700 m3/s und für hohes Oberwasser > 1000 m3/s. Eine weitere Ursache kann der von ihm gewählte etwas niedrigere Salzgehaltsgrenzwert sein. Berücksichtigt man zusätzlich noch die von BERGEMANN als Streuungsmaß ermittelten Lagedifferenzen von ca. 20 - 40 km bei gleicher Abflußsituation und die von der BAW-AK ermittelten Lagedifferenzen gleicher Salinität (0,5-Grenze) im Spring-Nipp-Zyklus von ca. 10 - 30 km, müssen trotz rechnerischer Differenzen beide Analysenergebnisse zur Salzgehaltszonierung als übereinstimmend betrachtet werden.

 

Fußnoten:

7.) Empfehlung der IAPSO und SCOR 1979: SI-Einheiten (Système International d'Unités) in der Ozeanographie: "Die Angabe des Salzgehaltes in % soll nicht mehr erfolgen, der Salzgehalt erhält keine Einheit mehr". Vorübergehend wurden dann psu und ppt verwendet. Entscheidend ist aber, daß sich die Zahlenwerte nie geändert haben, d.h. sie sind ohne Umrechnung miteinander vergleichbar (Anmerkung der Autoren).

8.) Hier und im folgenden sind nicht im Textteil eingebundene Abb. im "Anhang Abbildungen" zu finden.

9.) Eine Umrechnung in anders definierte Klassen ist nicht möglich, da die Datensätze nicht im Detail vorliegen.