Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

12 PROGNOSEN ZUR GEWÄSSERGÜTE

Die Ergebnisse der Schwebstofftransportmodellierung können auch zur Vorhersage der ausbaubedingten Änderungen von Gewässergüteparametern verwendet werden, da die Schadstoffe überwiegend partikulär gebunden sind. Zur Verteilung der Schwermetalle auf die im Modell betrachteten Schwebstofffraktionen ergab eine bei GKSS durchgeführte Untersuchung (NIEDERGESÄSS et al. 1996), daß der größte Teil in Sinkgeschwindigkeitsfraktionen zwischen 10-5 m/s bis 10-3 m/s vorliegt. Dieser Bereich wird von der Schwebstoffmodellierung abgedeckt. Da die Schwebstoffe in der Vertikalen außer zu den Kenterpunkten relativ homogen verteilt sind, kann das Doppeltidenmittel der 2m-Deckschicht als typisch für die Wassersäule angesehen werden (s.a. Kap. 2.3 und 3.3.1). Eine Analyse dieser Ergebnisse gibt somit einen Anhaltspunkt für die Größenordnung der zu erwartenden Änderungen für die an Schwebstoff gebundenen Substanzen.

Des weiteren kann die Konzentrationsverteilung der langsam sinkenden Schwebstofffraktion in erster Näherung als Indikator für eine Veränderung konservativer, gelöster Stoffe und damit einer weiteren Komponente der Gewässergüte betrachtet werden.

Gemäß den Prognosen der Strömungsmodellierung der BAW-AK (MATERIALBAND I) wird es durch die Fahrrinnenanpassung im Unterelbebereich oberhalb von Glückstadt zu einer mittleren Verlängerung der Flutstromdauer um 3 Minuten und zu einer entsprechenden Abnahme der Ebbstromdauer kommen. Wie in Kap 10.3 ff. erläutert, haben jedoch diese und andere hydrodynamischen Veränderungen des Tidegeschehens in der Behandlung durch die Schwebstofftransportmodellierung keinen signifikanten Einfluß auf die Verteilung der Schwebstoffe in der Wassersäule und am Boden. Es sind also durch den Ausbau keine vom Ist-Zustand abweichende Wirkungen der Schwebstoffe auf den Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt sowie auf die Belastung durch organische und anorganische Schadstoffe zu erwarten.

Die dem Ist-Zustand zugrunde gelegte, elbabschnittsweise durchgeführte statistische Analyse der Nährstoff- und Sauerstoffdaten der ARGE-Elbe von 1980 bis 1993 wird in diesem Kapitel noch einmal aufgeführt, um die hohe natürliche Variabilität dieser Parameter aufzuzeigen. Dadurch wird deutlich, in welcher numerischen Relation die möglichen ausbaubedingten Änderungen im Transportgeschehen gelöster und partikulärer Wasserinhaltsstoffe zu der tatsächlich durch Meßdaten belegbaren Variabilität der Konzentrationswerte stehen (s.a. Kap. 3.4). Für die Schwermetalle und organischen Schadstoffe ist diese ausführliche Art der Betrachtung mangels Datengrundlage (s. Kap. 4.2) nicht möglich. Regelmäßige Beprobungen im Längsprofil wurden nur in den Jahren 1991 und 1992 durchgeführt. Nach Einschätzung der Gutachter liegt aber die natürliche Variabilität der organischen und anorganischen Schadstoffe in der Größenordnung der Variabilität der Nährstoff- bzw. der Sauerstoffkonzentration.

Es ist nicht ganz einfach, ein exaktes Kriterium für die Signifikanz vom Modell berechneter ausbaubedingter Änderungen von Konzentrationen partikulär gebundener oder gelöster Stoffe abzuleiten, da die lückenhafte Datenlage eine statistisch abgesicherte Ermittlung der natürlichen Variabilität der relevanten Wassergüte-Parameter nicht erlaubt. Nach Einschätzung der Gutachter lassen allein die Oberwasserdynamik, meteorologische und saisonale Einflüsse eine Variationsbreite von 10 bis 20% als realistisch erscheinen. Daher wurde von den Gutachtern die Signifikanzschwelle für vom Modell prognostizierte Änderungen bei 5% festgelegt. Es ist damit berücksichtigt, daß Trends auch dann noch erkannt werden können, wenn sie kleiner als die statistischen Fluktuationen sind.

In einer qualitativen (nicht auf der Transportmodellierung basierenden) Einschätzung möglicher Auswirkungen läßt sich vorhersagen, daß aufgrund der veränderten Tidedynamik das relativ schwach belastete Nordseewasser weiter stromauf gelangt und sich damit die Schadstoff- und Nährstoffsituation unterhalb Hamburgs tendenziell verbessert (s.a. Kap 3.2.2 und 3.4.1). Da nämlich der Eintrag an Schad- und Nährstoffen fast ausschließlich aus dem Oberlauf der Elbe kommt, kann dies zu einer weiter stromauf reichenden Verdünnung des belasteten Elbwassers führen; d. h. die Schad- bzw. Nährstoffkonzentrationen werden auf einer kürzeren Strecke in Richtung Nordsee abfallen, die spezifische Schwebstoffqualität kann sich also durch den Ausbau leicht verbessern.

12.1 Schwermetalle

Die Schwermetall-Situation wurde in Kap. 4.2 des Schwebstoff-Gutachtens zum Ist-Zustand auf der Datenbasis der ARGE-Elbe-Längsprofile der Jahre 1990 und 1991 beschrieben und bewertet. Anhand dieser schmalen Datenbasis wird auf eine detaillierte, abschnittweise Vorhersage über die ausbaubedingten Veränderungen der Schwermetallkonzentrationen in Verbindung mit den Prognosen der Schwebstofftransportmodellierung verzichtet. Allerdings kann durch die Betrachtung der Differenzen in der 2m-Deckschicht eine Abschätzung der ausbaubedingten Veränderungen vorgenommen werden (s. Kap. 11). Wie bereits in Kap. 10.3.1.2 beschrieben, liegen die prognostizierten ausbaubedingten Änderungen der Schwebstoffkonzentrationen auf ca. 80% der Fläche unter 5% und sind somit nicht signifikant bzw. nicht erheblich.

Die Auswirkungen der prozentualen Änderungen von Schwebstoffkonzentrationen unter 5% müssen bei den partikulär gebundenen Feststoffen im Bereich des "Schadstoffgradienten" (s. Kap. 3.4.1.3) und stromab davon differenziert betrachet werden. Unterhalb des Hamburger Hafens fallen die Schadstoffkonzentrationen bekanntlich auf einer relativ kurzen Strecke ab, so daß in benachbarten Bereichen unterhalb solcher Abschnitte, die noch relativ hoch belastet sind, auch geringe Zunahmen der Schwebstoffkonzentration zu einer ökologischen Verschlechterung des Gewässerabschnitts führen können. Es kann daher der Fall eintreten, daß dieser Abschnitt damit einer anderen Gewässergüteklasse als im Ist-Zustand zugeordnet werden muß. Weiter stromab des "Schadstoffgradienten" kann davon ausgegangen werden, daß Änderungen der Schwebstoffkonzentration unter 5% so klein sind, daß die Änderungen in der Qualität des Schwebstoffs nicht von der Variabilität des natürlichen Hintergrunds zu unterscheiden sind.

Zunahmen über 5% finden in den teilweise trockenfallenden Wattgebieten statt. Am südöstlichen Rand des Mühlenberger Lochs werden kleinräumige Zunahmen der Schwebstoffkonzentration um bis zu 20% prognostiziert. Im Bereich der Wedeler Au liegen die prognostizierten Zunahmen der Schwebstoffkonzentration bei 40%. In dem Gebiet bei Cuxhaven werden Schwebstoffzunahmen in der Größenordnung von 10% für die Wattgebiete Kratzsand und Medemsand vorhergesagt.

Zieht man die Differenzen der langsam sinkenden Fraktion (Kap. 10.3.3) zur Interpretation der ausbaubedingten Änderungen hinzu, so wird deutlich, daß keine signifikanten Effekte zu erwarten sind. In über 80% der betrachteten Fläche sind die Differenzen kleiner als 5%. Nur in dem Wattgebiet bei Brunsbüttel findet eine geringe Zunahmen dieser Fraktion statt.

Ausbaubedingte Änderungen der Schwermetallbelastung werden demnach allenfalls - wenn überhaupt nachweisbar - in den teilweise trockenfallenden Wattgebieten auftreten. Wie schon oben erwähnt, könnte es aufgrund der Verlängerung der Flutstromdauer tendenziell zu einer Verbesserung der Schadstoffsituation unterhalb des Stromspaltungsgebiet kommen.

12.2 Organische Schadstoffe

Die Situation organischer Schadstoffe wurde in Kap. 4.3 des Schwebstoff-Gutachtens zum Ist-Zustand ebenfalls auf der Datenbasis der ARGE-Elbe-Längsprofile der Jahre 1990 und 1991 beschrieben und auf der Basis von monatlichen Mischproben an Feststationen aus dem Jahr 1992 bewertet. Wie bei den Schwermetallen wird wegen der schmalen Datengrundlage auf eine detaillierte, abschnittsweise Vorhersage über die ausbaubedingten Veränderungen der Konzentrationen in Verbindung mit den Prognosen der Schwebstofftransportmodellierung verzichtet. Bis auf die HCH-Isomere sind die im vorliegenden Gutachten bewerteten organischen Schadstoffe zum größten Teil an den Schwebstoff gebunden. Demnach gilt in ähnlicher Weise wie für die Schwermetalle (Kap. 12.1), daß mit Ausnahme einzelner Wattflächen keine signifikanten ausbaubedingten Änderungen der Belastung durch organische Schadstoffe prognostizierbar sind. Die Gutachter sind der Meinung, daß in Analogie zur Schwermetallbetrachtung eine eventuelle Zunahme der an den Schwebstoff gebundenen organischen Schadstoffe nicht quantifizierbar ist.

Unter der Annahme, daß sich die gelösten Schadstoffe ähnlich wie die langsam sinkende Schwebstofffraktion verhalten, sind auch keine signifikanten ausbaubedingten Änderungen für die gelösten organischen Schadstoffe zu erwarten (Kap. 10.3.3).

Für die Organika gilt wie für die Schwermetalle, daß sich die Gewässergütesituation unter dem Schadstoff-Aspekt im Elbebereich unterhalb Hamburgs eher leicht verbessern wird.

12.3 Sauerstoff und Nährstoffe

In diesem Kapitel wird noch einmal die natürliche oberwasser- und jahreszeitbedingte Variabilität der Nährstoff- und Sauerstoffkonzentrationen in den einzelnen Untersuchungsabschnitten (zur Definition s. Karte Nr. 1) angeführt. Aus dem Vergleich der Tabellen ergeben sich u.a. auch die Konzentrationsgradienten zwischen den Untersuchungsabschnitten. Daran wird deutlich, daß die Standardabweichungen der einzelnen Mittelwerte zumeist größer sind als die räumlichen Konzentrationsunterschiede. Um statistisch signifikante Änderungen der Konzentrationsniveaus in den einzelnen Untersuchungsabschnitten herbeizuführen, müßten sich durch den Ausbau Verlagerungen einzelner Wasserkörper ergeben, die noch über die zwischen 18 km und 27 km umfassenden Untersuchungsabschnitte hinausgehen. Andernfalls wären die ausbaubedingten Konzentrationsänderungen zu gering, um sie anhand von Naturmessungen statistisch signifikant nachweisen zu können. Nach den Ergebnissen der BAW werden aber Stromauf-Verlagerungen der Brackwasserzone lediglich in der Größenordnung von 500 m erwartet.

Untersuchungsabschnitt I:

Bei den gelösten anorganischen Nährstoffen (Ammonium, Nitrat und Phosphat) und beim Sauerstoff treten die stärksten Konzentrationsänderungen jahreszeitbedingt auf. Vergleicht man die Mittelwerte für niedriges, mittleres und hohes Oberwasser miteinander, dann fällt auf, daß sich zwar die Werteniveaus leicht verändern, die Sommer/Winterunterschiede aber bestehen bleiben (s. Tabelle 38).

Um statistisch signifikante Änderungen dieser Werteniveaus zu erhalten, müßten erhebliche Wassermengen aus der Unterelbe bis weit in die obere Tideelbe transportiert werden. Derartige ausbaubedingte Änderungen des Wassertransportes treten nicht auf, so daß dort nach wie vor die vom Oberwasser gesteuerten bisherigen Transport- bzw. Verweilzeiten Bestand haben. Die Nährstoff- und Sauerstoffsituation wird somit vom Ausbau nicht beeinflußt.

Untersuchungsabschnitt II:

Das Stromspaltungsgebiet ist aufgrund der erheblichen Vergrößerung der hydraulisch wirksamen Flußquerschnitte in der Norderelbe und im Köhlbrand sowie des großen Retentionsraumes Hamburger Hafen für die bei Flut stromauftransportierten Wassermassen bereits heute von starken räumlichen Konzentrationsgradienten der gelösten Wasserinhaltsstoffe gekennzeichnet. Die Lage und Steilheit dieser Gradienten beruht auf den unterschiedlichen Mengenanteilen

der bei Ebbe aus der oberen Tideelbe und bei Flut aus der Unterelbe eingetragen Wasserkörper und wird, wie die Unterschiede der Mittelwerte in Tabelle 39 zeigen, entscheidend vom Oberwasser geprägt. Inwieweit diese Konzentrationsgradienten auch durch die aus der sog. Sekundärbelastung (Abbau von Algen) folgenden mikrobiellen Abbauprozesse resultieren, ist z.Z. noch Gegenstand der Forschung und kann deshalb an dieser Stelle nicht abschließend geklärt werden. Nähere Erläuterungen zu dieser wissenschaftlichen Hypothese finden sich z.B. bei KERNER et al. (1995) und KERNER (1996). Die oberwasser- und damit transportbedingten Konzentrationsunterschiede liegen in diesem Elbabschnitt im Bereich der jahreszeitlich bedingten Variabilität der Meßwerte.

Die ausbaubedingten Änderungen im stromauf- und stromabgerichteten Wassertransport betragen im Stromspaltungsgebiet nur wenige Minuten und wirken sich damit weitaus weniger auf die Verweilzeiten des Wasserkörpers im Untersuchungsabschnitt aus als die Änderungen des Oberwassers. Die oberwasserbedingten Verlängerungen bzw. Verkürzungen der Verweilzeit liegen in der Größenordnung von Stunden bis Tagen. Somit bleiben auch in diesem Untersuchungsabschnitt die möglichen ausbaubedingten Konzentrationsänderungen im Rahmen der in Tabelle 39 gezeigten natürlichen Schwankungsbreite.

Untersuchungsabschnitt III:

Auch in diesem Elbabschnitt ändern sich die Transportzeiten und -strecken der stromauf- und stromabverlagerten Wasserkörper entscheidend mit dem Oberwasser. Bei hohem Oberwasser verkürzt sich die Laufzeit bereits um mehrere Tage, wogegen die ausbaubedingten Änderungen der Ebbe- und Flutdauern auch dort nur wenige Minuten betragen. Die in der Natur feststellbaren Konzentrationsänderungen der Nährstoff- und Sauerstoffkonzentrationen zeigen die daraus resultierenden Konzentrationsunterschiede deutlich (s. Tabelle 40). Die Konzentrationsänderungen, die sich theoretisch aus den prognostizierten ausbaubedingten Änderungen der Wassertransportzeiten ergeben könnten, müssen demgegenüber um ein Vielfaches geringer ausfallen. Eine nachweisbare Änderung des Ist-Zustandes wird sich damit durch den Ausbau nicht ergeben.

Untersuchungsabschnitte IV bis VII:

Am Beispiel der errechneten ausbaubedingten Stromaufverlagerung der in den Abschnitt IV hineinreichenden Brackwassergrenze wird erkennbar, welche mittlere räumliche Verlagerung eines fiktiven Wasserkörpers die geplante Fahrrinnenanpassung in diesem Teil der Unterelbe maximal bewirken könnte: der die Brackwassergrenze kennzeichnende Wasserkörper wird dadurch lediglich um eine Strecke von wenigen hundert Metern stromaufverlagert. Gegenüber den bereits vorhandenen tide- und oberwasserbedingten Lageänderungen von bis zu 40 km ist dieser Betrag in der Natur vollkommen bedeutungslos. Diese Oberwasserabhängigkeit der Nährstoff- und Sauerstoffkonzentrationswerte wird vor allem noch im Untersuchungsabschnitt

IV deutlich (s. Tabellen 41-44). In den übrigen Abschnitten zeigt sie sich noch am Parameter Nitrat, während bei den übrigen Parametern die jahreszeitbedingten Konzentrationsänderungen überwiegen, da zwischen den Abschnitten V, VI und VII keine nennenswerten räumlichen Konzentrationsgradienten mehr bestehen.

Da sich die Vermischung von Süß- und Meerwasser in diesen Untersuchungsabschnitten durch den Ausbau nur unwesentlich ändern wird, können über die im Ist-Zustand bereits vorhandene oberwasserbedingte und jahreszeitliche Variabilität der Konzentrationswerte hinaus keine nachweisbaren Konzentrationsänderungen durch die Fahrrinnenanpassung erwartet werden.