Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

I Überblick und Zusammenfassung

Inhalt der Beweissicherung

Die Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe wurde durch die Beschlüsse der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt -Außenstelle Nord- vom 22. Februar 1999 sowie des Amtes Strom- und Hafenbau vom 4. Februar 1999 planfestgestellt. Grundlage für die Genehmigung der Maßnahme waren u. a. die Ergebnisse einer umfangreichen Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU), in der die erwarteten Wirkungen des Fahrrinnenausbaus auf die UVPG-Schutzgüter dargelegt wurden. Die prognostizierten Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung bildeten die Basis für die Ermittlung des Eingriffsumfangs und der Bestimmung des zur Kompensation der Ausbaufolgen notwendigen Ausmaßes von ökologischen Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen.

Obwohl die Folgewirkungen des Fahrrinnenausbaus in der UVU eingehend und auf Grundlage modernster Methoden von einem interdisziplinären Gutachterteam ermittelt wurden, blieb angesichts der vielfältigen Wechselwirkungen zwischen biotischen und abiotischen Parametern im komplexen hydrographischen System der Unter- und Außenelbe, die oftmals noch Gegenstand der Forschung sind, bezüglich des exakten Ausmaßes der Auswirkungen eine gewisse, unvermeidbare Restunsicherheit. Diesem Umstand wurde in der UVU u. a. dadurch Rechnung getragen, dass bei der Ermittlung des Eingriffsumfangs grundsätzlich von "auf der sicheren Seite liegenden" worst-case-Prognosen ausgegangen wurde. Das in den Planfeststellungsbeschlüssen angeordnete Beweissicherungsprogramm dient vor diesem Hintergrund dazu, mögliche maßnahmenbedingte Abweichungen von dem in der Umweltverträglichkeitsuntersuchung festgestellten Eingriffsumfang zu ermitteln.

Die in den Planfeststellungsbeschlüssen enthaltenen Auflagen zur Beweissicherung betreffen sowohl abiotische Kenngrößen, wie z. B.

  • Wasserstände,
  • Strömungen,
  • terrestrische sowie aquatische Topographie und
  • Wassergüteparameter (Schwebstoffe, Sedimente, Sauerstoff)

als auch biotische ("ökologische") Parameter, die sich auf die terrestrische und aquatische Flora und Fauna des Betrachtungsgebietes beziehen, wie z. B.

  • Makrozoobenthos
  • Ufervegetation

Nach den Erkenntnissen aus der UVU reagieren die zu betrachtenden Parameter unterschiedlich schnell auf die durch die Fahrrinnenanpassung bedingten Veränderungen. Damit auch mögliche "Langzeitfolgen" des Fahrrinnenausbaus erfasst und dokumentiert werden können, ist für das Beweissicherungsprogramm zunächst ein Zeitraum von 10 bis 15 Jahren vorgesehen (abhängig von den jeweiligen Untersuchungsparametern).

Ein Großteil der im Zuge der Beweissicherung vorzunehmenden Untersuchungen betrifft das gesamte Untersuchungsgebiet der Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU), d. h. die Tideelbe von Geesthacht bis zur Mündung, inkl. aller tidebeeinflussten Nebenflüsse bis zur jeweiligen Tidegrenze, während einige Parameter nur in Teilen des Untersuchungsgebietes zu erheben sind.

Unabdingbare Voraussetzung für eine Erfassung möglicher Veränderungen der Umwelt ist in jedem Fall eine umfassende und detaillierte Aufnahme des IST-Zustands der o. a. biotischen und abiotischen Kenngrößen im Untersuchungsgebiet, wie sie sich vor der Durchführung des Fahrrinnenausbaus darstellten. Zum Teil konnte diesbezüglich auf die im Rahmen der Umweltverträglichkeitsuntersuchung in den Jahren 1992 bis 1998 erhobenen Umweltdaten zurückgegriffen werden, zum Teil mussten aber auch umfangreiche neue Erhebungen verschiedener Parameter vorgenommen werden. Letzteres gilt insbesondere im Hinblick auf eine flächendeckende und hochgenaue Aufnahme der Topographie des Betrachtungsgebietes, sowohl was die (terrestrischen) Vorlandflächen als auch die umfangreichen (aquatischen) Watt- und Wasserflächen im Untersuchungsgebiet anbelangt.

Abb. I-1: Übersicht über das Untersuchungsgebiet der Beweissicherung mit den (ungefähren) Grenzen der Zuständigkeitsbereiche der beteiligten Ämter

Struktur des Beweissicherungsberichts

Um die Übersicht aller Beweissicherungsberichte zu gewährleisten, wird auch in diesem Bericht die Struktur des ersten Berichtes verwendet. Da es sich aber bei dem vorliegenden Bericht nicht nur um die Fortführung von Bericht Nr. 1 handelt, sondern um eine Gesamtdarstellung der Entwicklung aller Messparameter, werden die Untersuchungsergebnisse ab Beginn ihrer Aufzeichnung erneut wiedergegeben. Hingegen wurde auf eine wiederholte detaillierte Darstellung jener Beweissicherungsmaßnahmen verzichtet, deren Ergebnisse im Bericht Nr. 1 hinsichtlich der ausbaubedingten Wirkungen abschließend behandelt wurden. Die zugehörigen Bewertungen werden im Kapitel VI angegeben und die Gutachten sind auf der beiliegenden Materialien CD beigefügt. Als gänzlich neuer Abschnitt werden im Kapitel VIII die landschaftspflegerischen Begleitmaßnahmen behandelt, wie dies im Planfeststellungsbeschluss (II.3.2.4) angeordnet wurde.

Der vorliegende Bericht Nr. 2 ist ein eigenständiger Bericht, der den Bericht Nr. 1 vom Februar 2001 vollständig ersetzt. Er beinhaltet die Darstellung des IST-Zustandes ergänzt um erste Ergebnisse bis Ende 2001. Der Berichtszeitraum umfasst somit die Zeitspanne von vor Beginn der Hauptbaumaßnahmen zur Fahrrinnenanpassung bis ca. Ende 2001. Während dieser Zeit wurden u.a. Messungen und Erhebungen durchgeführt, die als sogenannte "Nullmessungen des IST-Zustandes" eine Vergleichsbasis für die Daten nach November 2000 sowie der künftigen Beweissicherungsdaten darstellen. Für einige Parameter (z. B. die terrestrische Vermessung) werden für den IST-Zustand jedoch auch Daten verwendet, die erst in den Jahren 1999 und 2000 erhoben wurden. Bei diesen Daten ist davon auszugehen, dass die entsprechenden Parameter aufgrund ihrer langen Entwicklungszeiten nicht unmittelbar durch die Baumaßnahmen betroffen sind. Entsprechendes gilt auch in Bezug auf die "vorgezogenen Teilmaßnahmen", die im Dezember 1997 begonnen wurden. Auch hierfür wird davon ausgegangen, dass diese Baumaßnahmen auf die erst in 1998 gewonnenen Daten keinen Einfluss hatten.

Der Beweissicherungsbericht enthält noch keine vollständigen Aussagen zu möglichen (ausbaubedingten) Veränderungen der Beweissicherungs-Parameter oder deren Bewertungen. Gleichwohl sind in den entsprechenden Kapiteln (V und VI) bereits erste Angaben vorhanden.

Das Kapitel II des vorliegenden Berichts beschreibt die durchgeführten Messungen und Messergebnisse in den einzelnen Zuständigkeitsbereichen der beteiligten Ämter, wobei unterschieden wird zwischen

  • dem Amtsbereich des WSA Cuxhaven (Elbe-km 756 bis 689,1): Kap. II.1;
  • dem Amtsbereich des WSA Hamburg (Elbe-km 689,1 bis 638,9): Kap. II.2;
  • dem Amtsbereich des WSA Lauenburg (Elbe-km 607,5 bis 585,7): Kap. II.3 sowie
  • dem Zuständigkeitsbereich des Amtes Strom- und Hafenbau Hamburg (Elbe-km 638,9 bis 607,5): Kap. II.4.

In den Abschnitten III bis VI werden die ämterübergreifenden Messungen und Ergebnisse, dargestellt.

In der nachfolgenden Tabelle I-1 werden die Bezüge zwischen den Anordnungen zur Beweissicherung in den Planfeststellungsbeschlüssen und den Kapiteln im vorliegenden Bericht aufgeführt. Der Einfachheit halber werden im vorliegenden Bericht alle Auflagen zur Beweissicherung (Abschnitte, Gliederungsnummern) auf den Planfeststellungsbeschluss der Wasser- und Schifffahrtsdirektion Nord bezogen.

Tab. I-1: Bezüge zwischen den Anordnungen zur Beweissicherung im Planfeststellungsbeschluss zu den Kapiteln im Beweissicherungsbericht.

Abschnitt im PF-Beschluss der WSV Abschnitt im PF-Beschluss vom Strom- und Hafenbau (Auflagen nur relevant, sofern sie sich auf die Delegationsstrecke beziehen!) Thema Kapitel im Bericht
II.3.1.2 A.I.2.c)(1)(b) Datenbank A.8
II.3.1.2 A.I.2.c)(1)(b) Modifikation der BS-Untersuchungen VII
II.3.1.4 A.I.2.c)(1)(d) Schwellenwerte III.3, V1.1.1
II.3.2.1.1 A.I.2.c)(2)(a) Tidewasserstände II.1.3.1, II.2.3.1, II.3.2.1, II.4.3.1, V.1.1, A.5.I.
II.3.2.1.1 A.I.2.c)(2)(a) Schwellenwerte (Tidewasserstände) V.1.1.1
II.3.2.1.2 A.I.2.c)(2)(a) Strömungen II.1.3.2, II.2.3.2, II.4.3.2, V.1.2, A.5.I.
II.3.2.1.3 A.I.2.c)(2)(a) Topographie (Schwellenwerte) III.3.1, III.3.2, III.3.3
II.3.2.1.3.a) A.I.2.c)(2)(a) Terrestrische Topographie II.1.5, II.2.5, II.3.5, II.4.5, III.2, IV.5, V.2.1, A.5.VI-VIII.
II.3.2.1.3.b) A.I.2.c)(2)(a) Aquatische Topographie II.1.4, II.2.4, II.3.4, II.4.4, III.2, V.2, A.5.IV
II.3.2.1.4 A.I.2.c)(2)(a) Salzgehaltsverteilung II.1.3.3, II.2.3.3, V.1.3
II.3.2.1.5.a) A.I.2.c)(2)(a) Güteparameter (Schwebstoffe) IV.1, IV.4
II.3.2.1.5.b) A.I.2.c)(2)(a) Güteparameter (Sauerstoff) III.4
II.3.2.1.6 A.I.2.c)(2)(a) Sedimente II.1.3.4, II.2.3.4, II.3.3.4, II.4.3.3, V.1.4
II.3.2.2.1.a) A.I.2.c)(2)(b) Ökologische Parameter (Makrozoobenthos) III.1.1, IV.2, V.3.1
II.3.2.2.1.b) A.I.2.c)(2)(b) Ökologische Parameter (Fische) I, IV.6
II.3.2.2.2 A.I.2.c)(2)(b) Flora u. Fauna terrestrisch III.1.2, V.3.2
II.3.2.3 A.I.2.c)(2)(c) Dokumentation von Grundlagendaten (Bauaktivitäten) II.1.1, II.2.1, II.3.1, II.4.1
II.3.2.3 A.I.2.c)(2)(c) Dokumentation von Grundlagendaten (Baggeraktivitäten) II.1.2, II.2.2, II.3.2, II.4.2
II.3.2.3 A.I.2.c)(2)(c) Dokumentation von Grundlagendaten (Schiffsbewegungen) II.1.6, II.2.6, II.3.6
II.3.2.4 A.I.2.c)(3) Erfolgskontrollen der LBP-Maßnahmen VIII
III.4 A.I.2.d)(7) Beeinträchtigungen von Bauwerken A.9
III.6 A.I.2.d)(9) Salzgehaltsmessungen IV.3

Durchgeführte Baumaßnahmen

Im Folgenden wird der zeitliche Verlauf der bisherigen Baumaßnahmen zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe in kurzer Form skizziert. Zu unterscheiden ist grundsätzlich zwischen den vergleichsweise geringfügigen Baggerarbeiten, die im Rahmen sogenannter vorgezogener Teilmaßnahmen ausschließlich im Bereich der Bundesstrecke durchgeführt wurden, und den Hauptarbeiten zur Fahrrinnenanpassung, mit denen nach dem Vorliegen der beiden Planfeststellungsbeschlüsse begonnen wurde.

Bundesstrecke

Im Rahmen von vorgezogenen Teilmaßnahmen wurden zwischen Dezember 1997 und August 1998 auf der Bundesstrecke insgesamt rund 2 Millionen m³ Boden gebaggert. Im Bereich des WSA Cuxhaven wurde der Boden auf Klappstellen und im Bereich des WSA Hamburg in Abhängigkeit von der Bodenart auf ein Spülfeld und in subaquatischen Baggergutablagerungsflächen (BAF) verbracht.

Die Baumaßnahmen zur endgültigen Fahrrinnenvertiefung wurden mit Vorlage der Planfeststellungsbeschlüsse vorbereitet. Am 16. März 1999 wurden die Nassbaggerarbeiten im Bereich der Bundesstrecke begonnen. Im Bereich des WSA Cuxhaven wurde der Boden auf Klappstellen und im Bereich des WSA Hamburg in Abhängigkeit von der Bodenart auf ein Spülfeld und in Unterwasserablagerungsflächen verbracht. Die Freigabe der neuen Fahrrinnentiefen erfolgte am 14. Dezember 1999. Zwischen Februar und Ende Mai 2000 erfolgten Nachbearbeitungen im Bereich der Mergelbaggerstrecke vor Wedel. Bis Ende 2000 wurden noch Nachbaggerungen an der Störkurve ausgeführt. Parallel hierzu erfolgen Baggerungen des morphologischen Nachlaufes. Der Arbeiten zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe auf der Bundesstrecke sind bis auf einige Vorspülungen und der abschließenden Umsetzung der Kompensationsmaßnahmen abgeschlossen. Die Ausbaubaggermenge betrug rund 14 Mill. m³ (ohne Teilmaßnahmen). Die Neubaubaggermengen sind im vorliegenden Bericht dokumentiert. Als Bauabschlusstermin wurde der Planfeststellungsbehörde der 30.11.2000 angezeigt. Dieser Termin ist damit gleichzeitig der Ausgangstermin für die zeitlichen Festlegungen zur Ausführung der Beweissicherungsmessungen, wie sie im Beschluss angeordnet wurden.

Im Hauptlaichgebiet der Finte (Elbe-km 646 bis 652) wurden während der Laichperiode (Mai bis Mitte Juni) keine Ausbaubaggerungen und Verklappungen auf der Baggergutablagerungsfläche Twielenfleth vorgenommen, so dass die in Abschnitt II.3.2.2.1b des Planfeststellungsbeschlusses beschriebenen Anordnungen zur Beweissicherung nicht ausgeführt werden mussten.

Delegationsstrecke

Der Baggerbeginn auf der Hamburger Delegationsstrecke erfolgte am 22. Februar 1999. Bis Dezember 1999 konnten die Vertiefungsarbeiten zwischen der Landesgrenze bei Tinsdal (km 638,9) und dem BAB-Elbtunnel (ca. km 626,6) abgeschlossen werden. Während der gebaggerte Sand für verschiedene Baumaßnahmen im Hamburger Hafen, unter anderem für die Geländeaufhöhung im Bereich des Containerterminals Altenwerder Verwendung fand, wurde der eiszeitliche Geschiebemergel in einer speziellen Klappgrube untergebracht. Der Fahrrinnenausbau ist auf der Hamburger Delegationsstrecke noch nicht vollständig abgeschlossen, da die Vertiefung der restlichen Fahrrinnenstrecken stromauf des BAB-Elbtunnels (in den Köhlbrand und die Norderelbe hinein) eng mit den Arbeiten zur Errichtung der 4. Elbtunnelröhre sowie eines Schutzbauwerks für die Röhren 1 bis 3 des BAB-Elbtunnels verknüpft sind.

Durchgeführte Messungen und bisherige Ergebnisse

Wie erwähnt, sind im Zuge der Beweissicherung eine Reihe von Parametern zu untersuchen. Die Beweissicherung legt ihren Schwerpunkt auf solche Parameter, die am Beginn einer Wirkungskette stehen und einen möglichst direkten Bezug zu den unmittelbaren Eingriffsfolgen aufweisen. Die wichtigsten dieser in den Planfeststellungsbeschlüssen genannten "Primärparameter" sind

  • die Tidewasserstände und
  • die Topographie,

die somit eine wichtige Grundlage für die Beweissicherung bilden und in dieser Zusammenfassung gesondert gewürdigt werden sollen. Nur für diese beiden Parameter wurden in den Planfeststellungsbeschlüssen auch "Schwellenwerte" definiert:

  • In Bezug auf die Tidewasserstände ist diesbezüglich u.a. vorgesehen, anhand statistischer Rechenverfahren (Niemeyer 1995, 1997) die Ermittlung der ausbaubedingten Wasserstandsänderungen aus den gemessenen Wasserstandsdaten vorzunehmen. Sollte an einem oder mehreren Pegeln der jeweils definierte Schwellenwert überschritten werden, sind gemäß Planfeststellungsbeschluss "vom Vorhabensträger Neuberechnungen in wasserwirtschaftlichen, naturschutzfachlichen und landeskulturellen Bereichen zu veranlassen und Folgewirkungen zeitnah zu kompensieren oder auszugleichen".
  • Für den Parameter Topographie wurde als Schwellenwert eine ausbaubedingte Veränderung der Flächenverteilung von Watt, Flach- und Tiefwasser um jeweils > 10 % (ggf. 5 %) im Untersuchungsgebiet festgelegt. Hinsichtlich der Vorlandbereiche (MThw-Linie bis Deichoberkante) wurde die Veränderungsschwelle auf > 5 % festgelegt. Die Untersuchung der Veränderungen der Flächenverteilungen von Vorland, Watt, Flach- und Tiefwasser sollen gebietsorientiert vorgenommen werden, wobei als Gebiete die sieben Untersuchungsabschnitte der Umweltverträglichkeitsstudie vorgeschlagen wurden (siehe Abb. III.2-1). Die vergleichenden Untersuchungen sollen im 2., 6. und 10. Jahr nach Ausbauende vorgenommen werden.

Topographie

Hinsichtlich des Parameters "Topographie" konzentrieren sich vor diesem Hintergrund die bis dato vorgenommen Untersuchungen auf eine Ermittlung der flächenmäßigen Verteilung der definierten topographischen Einheiten Vorland, Watt sowie Flach- und Tiefwasser in den erwähnten sieben Untersuchungsgebieten

  • Geesthacht bis Bunthaus (UG 1)
  • Bunthaus bis Hamburg-Nienstedten (UG 2)
  • Hamburg-Nienstedten bis Hetlingen (UG 3)
  • Hetlingen bis Stör (UG 4)
  • Stör bis Ostemündung (UG 5)
  • Ostemündung bis Cuxhaven (UG 6)
  • Cuxhaven bis See (UG 7).

Grundlage hierfür ist die komplette Aufnahme sowohl der aquatischen als auch der terrestrischen Topographie des Untersuchungsgebietes, die mit Hilfe verschiedener Methoden und Techniken ermittelt wurde (siehe dazu die Angaben im Anhang A5 dieses Berichts). Die bislang vorliegenden Ergebnisse werden im Abschnitt III.2 beschrieben. Inwieweit es zu (maßnahmebedingten) Veränderungen der Topographie kommen wird, kann frühestens nach Auswertung der ersten Vergleichsaufnahme nach zwei Jahren festgestellt und diskutiert werden. Die dafür erforderlichen Daten werden Mitte 2003 vorliegen und deren Ergebnisse somit im nächsten Bericht behandelt werden. Die bereits durchgeführten vergleichenden Betrachtungen der Topographien der Jahre 1995, 1997, 1998, 1999 und 2000 zeigen nur ausgesprochen geringfügige Schwankungen der Verteilung der definierten Struktureinheiten. Ein Entwicklungstrend ist nicht erkennbar und trotz der hohen Morphodynamik des Systems bleiben die Struktureinheiten in ihrer Verteilung zueinander stabil. Daran haben auch die Baumaßnahmen der Fahrrinnenanpassung nichts geändert.

Wasserstandsentwicklung

Der Beweissicherungs-Parameter "Wasserstand" ist die Kenngröße, die in der Regel am besten nachweisbar auf eine durch Fahrrinnenvertiefung veränderte Flusstopographie reagiert. Zudem kommt den Tidewasserständen in Bezug auf die Beweissicherung eine wichtige Bedeutung zu, da die Lebensraumbedingungen im Naturraum Unterelbe mittelbar oder unmittelbar von den Wasserstandsverhältnissen mit ihren Schwankungen und Variationen geprägt werden. Diese bilden insofern die Grundlage bzw. die Rahmenbedingungen für den Zustand und die Entwicklung vieler Schutzgüter. Größere und nachhaltige Änderungen der hydrologischen Randbedingungen, insbesondere der Wasserstände, können unter Umständen den Bestand und die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt dieses Raumes beeinflussen. So wurde in der UVU zur Fahrrinnenanpassung die prognostizierte ausbaubedingte Erhöhung des mittleren Tidehochwassers aufgrund des damit verbundenen Risikos einer Beeinträchtigung empfindlicher ufernaher Biotope als ein wichtiger ökologischer Wirkfaktor beschrieben.

Damit wird deutlich, dass das Ausmaß der Wasserstandsveränderungen ein wichtiger Indikator für die Intensität eines Eingriffs ist. Es ist davon auszugehen, dass große Wasserstandsveränderungen einher gehen mit starken Veränderungen der weiteren hydrologischen Parameter (z. B. Strömungen), die wiederum gemeinsam u. a. auf die Ufertopographie, ufernahe Biotope und weitere Schutzgüter wirken. Im Umkehrschluss kann unterstellt werden, dass geringfügige Wasserstandsänderungen kaum mit nennenswerten Beeinträchtigungen der UVPG-Schutzgüter im Allgemeinen und der ufernahen Biotope im Speziellen verknüpft sein können.

Die grundsätzlichen Zusammenhänge zwischen Fahrrinnenausbauten und Veränderungen der Wasserstände an der Elbe sind bekannt: Insbesondere im zentralen Abschnitt des Ästuars kommt es zu einem Absinken der Tideniedrigwasserstände, während die Tidehochwasserstände ansteigen. Die Ursache dafür ist, dass durch Fahrrinnenausbauten die Gewässersohle hydraulisch "glatter" wird und somit weniger Tideenergie durch Reibung umgewandelt wird. Die Hauptrinne wird zunehmend "leistungsfähiger". Die Folge ist ein verstärktes Einschwingen der Tideenergie stromauf und damit eine Zunahme der Tidehübe. Das Ausmaß der Änderungen ist charakteristischerweise im Bereich des Hamburger Stromspaltungsgebietes, also im Übergangsbereich von der vertieften Fahrrinne der Unterelbe zur vergleichsweise flachen Rinne der oberen Tideelbe, am deutlichsten ausgeprägt: Das Beweissicherungsverfahren zum 13,5 m-Ausbau der Unterelbe ergab, dass die größten ausbaubedingten Änderungen der mittleren Tidehoch- und Niedrigwasser am Pegel Hamburg - St. Pauli zu verzeichnen waren. Stromauf und stromab nahmen die errechneten Änderungen ab (vgl. NIEMEYER 1995). Auch im Rahmen der UVU zur Fahrrinnenanpassung wurden die relativ stärksten ausbaubedingten Wasserstandsänderungen für die Hamburger Delegationsstrecke prognostiziert: Demnach ist hier mit einem Anstieg des mittleren Thw um bis zu 4 cm und einem Absinken des Tnw um bis zu 7 cm zu rechnen.

Die langjährige Zeitreihe des mittleren jährlichen Tidehoch- und Tideniedrigwassers St. Pauli (Abb. I-2) zeigt, dass das MThw im Laufe des letzten Jahrhunderts um etwa 50 cm angestiegen ist, während das MTnw um etwa 100 cm abfiel, der mittlere Tidehub sich in diesem Zeitraum also um rund 150 cm erhöhte. Im Vergleich dazu zeigt die Entwicklung am Pegel Cuxhaven für den selben Zeitraum lediglich eine Tidehubzunahme um rund 25 cm (Abb. I-3).

Abb. I-2: Jährliches MThw und MTnw am Pegel St. Pauli seit 1900

Abb. I-3: Jährliches MThw und MTnw am Pegel Cuxhaven Steubenhöft seit 1900

Für diese Wasserstandsentwicklung waren mehrere Faktoren verantwortlich. Die Wasserstandsverhältnisse in Tideflüssen wie der Unterelbe sind vielfältigen, sowohl natürlichen Faktoren (z. B. Meeresspiegelentwicklung der Nordsee, astronomische Variationen, morphologische Veränderungen) als auch durch den Menschen hervorgerufenen Einflüssen (Wirkungen von Baumaßnahmen wie Vordeichungen, Absperrungen von Nebenflüssen oder Fahrrinnenvertiefungen) unterworfen. Diese wirken sich in charakteristischer Weise auf die Wasserstände in den Flüssen aus.

Abb. I-4: Um den Oberwassereinfluss normierte MTnw-Differenzen (3-jährige übergreifende Mittel) zwischen St. Pauli und Helgoland

Um in der Natur gemessene Wasserstandsänderungen in Tideflüssen wie der Unterelbe in Bezug auf anthropogene Einflüsse genauer quantifizieren zu können, ist es notwendig, die "externen" Beeinflussungen der Wasserstände zu berücksichtigen. Die langjährige Entwicklung des um die beiden maßgeblichen "externen" Einflüsse (Meeresspiegelentwicklung der Nordsee und Oberwasserzufluss) "bereinigten" Tideniedrigwassers am Pegel St. Pauli zeigt zur Veranschaulichung Abbildung I-4. Anhand dieser "bereinigten" Wasserstandsdaten wird deutlich, dass sich die im Laufe dieses Jahrhunderts eingetretene Absenkung des Tideniedrigwassers offenbar auf wenige Phasen beschränkt hat, die sich mit hoher zeitlicher Übereinstimmung bisherigen Fahrrinnenausbauten der Unterelbe zuordnen lassen.

Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang das auf Abbildung I-4 erkennbare Absinken des Tideniedrigwassers seit Mitte der 1980er Jahre. Ohne dass in diesem Zeitraum (bis zum Beginn der jüngsten Fahrrinnenanpassung) nennenswerte anthropogene Eingriffe stattgefunden haben, die für diese Entwicklung verantwortlich sein könnten, ist das Tnw in St. Pauli um etwa 20 cm abgesunken. Erste Erklärungsansätze für dieses Phänomen, die umfängliche morphologische Umlagerungsvorgänge im Außenelbegebiet (vor allem im Bereich der Medemrinne) als Ursache ansehen (Strom- und Hafenbau, Wasser- und Schifffahrtsamt Hamburg 1996 , BAW-DH 2001) scheinen sich nach jüngsten Erkenntnissen zu bestätigen. Es wird von Bedeutung sein, diese Entwicklungen und deren Folgen im Zuge des weiteren Beweissicherungsverfahrens zu berücksichtigen und zu bewerten.

Die Entwicklung der mittleren jährlichen Tidehoch- und Tideniedrigwasser seit 1970 an fünf ausgewählten Pegeln im Untersuchungsgebiet zeigen die Abbildungen I-5 und I-6.

Abb. I-5: Jährliches mittleres Tidehochwasser an den Pegeln Cuxhaven, Brunsbüttel, Stadersand, St. Pauli und Zollenspieker seit 1970

Abbildung I.5 verdeutlicht zum einen das generelle Ansteigen der mittleren Tidehochwasser von der Mündung stromauf und zum anderen, dass die jährlichen Schwankungen u. a. aufgrund des wachsenden Einflusses des Oberwassers stromauf deutlich zunehmen. Während die Thw seit 1970 in Cuxhaven und Brunsbüttel im Trend eher moderat (um etwa 10 cm) angestiegen sind, war an den Pegeln St. Pauli und Zollenspieker ein deutlicherer Thw-Anstieg um etwa 30 bis 35 cm zu verzeichnen.

Abb. I-6: Jährliches mittleres Tideniedrigwasser an den Pegeln Cuxhaven, Brunsbüttel, Stadersand, St. Pauli und Zollenspieker seit 1970

Die zeitlichen Veränderungen der Wasserstandsverhältnisse in der Unterelbe werden anhand der Darstellung der mittleren jährlichen Tideniedrigwasser (Abb. I.6) noch deutlicher. Insbesondere an den weiter stromauf gelegenen Pegeln (hier: Zollenspieker und St. Pauli) wird das bereits erwähnte Absinken des Niedrigwassers offensichtlich. Während das Niveau des Tnw in St. Pauli zu Beginn der 1970er-Jahre noch deutlich über dem in Stadersand und Brunsbüttel lag, ist es in den 1990er-Jahren teilweise niedriger als das Tnw Cuxhaven, das sich seinerseits im Laufe dieser rund 30 Jahre kaum nennenswert verändert hat.

Da die hauptsächlichen Vertiefungsarbeiten im Zuge der Fahrrinnenanpassung im Jahr 1999 durchgeführt wurden, müsste sich eine hydrologische Reaktion auf diese Baumaßnahme bereits aus den bis dato vorliegenden Wasserstandsdaten erkennen lassen. Eine Verstärkung des Tideniedrigwasser-Trends ist allerdings nicht erkennbar. Es zeichnet sich eher eine gewisse Stabilisierung der Niedrigwasserverhältnisse ab, die durch die in 1999 durchgeführte Fahrrinnenanpassung offenbar nicht negativ beeinflusst wurde (siehe auch Abb. I.4 und II.4.3.1-5).

Bei der Entwicklung des mittleren Tidehochwassers hat sich bislang keinerlei nachweisbare Reaktion auf den 1999er Fahrrinnenausbau gezeigt (siehe auch II.4.3.1-6). Daraus ist zugleich ableitbar, dass auch die Sturmflutwasserstände durch den Fahrrinnenausbau nicht negativ beeinflusst wurden, da ausbaubedingte Wasserstandserhöhungen bei Sturmfluten generell geringere Werte erreichen als bei mittleren Tidebedingungen. (Grundsätzlich gilt: Je höher ein Hochwasser aufläuft, desto geringer ist die durch einen Fahrrinnenausbau bedingte Wasserstandsänderung, denn: Je höher eine Sturmflut aufläuft, desto größer wird der durchströmte Querschnitt des Flusses, desto relativ kleiner wird gleichzeitig aber auch der Einfluss der Vertiefung an der Gewässersohle der Fahrrinne. Aus diesem Grunde ergeben sich bei mittleren Tideverhältnissen prinzipiell größere ausbaubedingte Wasserstandsänderungen als bei Sturmfluten.)

Vor diesem Hintergrund ist nach dem derzeitigen Wissensstand nicht erkennbar, dass die UVU-Prognosen zu den Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung erreicht oder gar übertroffen werden.