Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

III Kurzbeschreibung und Bewertung der ausbaubedingten Wirkungen der Fahrrinnenanpassung 1999/2000

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Aufgabe der Beweissicherungsuntersuchungen ist es festzustellen, ob die in der UVU prognostizierten Auswirkungen der letzten Fahrrinnenanpassung, die in den Jahren 1997 - 2000 (Hauptarbeiten: 1999) durchgeführt wurde, überschritten werden. Generell ist dabei zu berücksichtigen, dass die Naturparameter (im Text z. T. auch Kenngrößen genannt) natürlicherweise Entwicklungen unterliegen, die entweder mehr oder minder stark ausgeprägte periodische oder aperiodische Schwankungen und / oder einem langfristigen Trend, wie z. B. die Wasserstände, zeigen. Eine Auswirkung durch die Fahrrinnenanpassung wäre also in diesen Fällen nur dann gegeben, wenn sich diese Schwankungen und Trends zeitlich wie räumlich signifikant verändern würden. Damit wird neben dem statischen Ist-Zustand der UVU, wie er sich kurz vor dem Ausbau darstellt, auch einem "dynamischen Ist-Zustand" Rechnung getragen, der die langfristige Entwicklung berücksichtigt.

III.1 Ausbaubedingte Wirkungen auf die Wasserstände

III.1.1 Ziel und Umfang der Wasserstandsuntersuchungen

Der Wasserstand ist einer der wichtigsten Parameter der Beweissicherung. Er reagiert erfahrungsgemäß unmittelbar auf einen Fahrrinnenausbau. Das Ausmaß der Wasserstandsänderungen ist zugleich ein wichtiger Indikator für die Intensität der ökologischen Folgen einer Ausbaumaßnahme. Große Wasserstandsänderungen gehen einher mit Veränderungen der weiteren hydrologischen Parameter (z. B. Strömungen), die wiederum gemeinsam u. a. auf die Ufertopografie, ufernahe Biotope und weitere Schutzgüter wirken. Im Umkehrschluss kann also angenommen werden, dass geringfügige Wasserstandsänderungen kaum zu nennenswerten Beeinträchtigungen der Umwelt führen. Da die Hauptausbaumaßnahmen zur Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe in den Jahren 1999/2000 durchgeführt wurden, lassen sich eventuelle Ausbauwirkungen anhand der bis Ende 2005 vorliegenden Wasserstandswerte feststellen.

Die Anordnungen des Planfeststellungsbeschlusses (PFB) zur Beweissicherung legen sowohl den Umfang der Wasserstandsuntersuchungen als auch ihre räumliche und zeitliche Dichte fest. Darüber hinaus sind die Auswertemethoden vorgeschrieben und Schwellenwerte benannt, bei deren Überschreitung Maßnahmen zu erfolgen haben. Die Schwellenwerte geben laut PFB an, "in welchem Maße die Ergebnisse der Beweissicherungsmessungen von den Werten der UVU-Prognose abweichen dürfen".

Die Untersuchungen der Wasserstände umfassen insgesamt 20 Pegel direkt an der Tideelbe sowie weitere 13 Nebenflusspegel. Die folgende Übersicht zeigt die Standorte der Tideelbepegel an der Elbe.

Abb. III.1.1-1: Ausgewählte Tidepegel im Untersuchungsgebiet (rote Markierungen)

Ausgewählte Tidepegel im Untersuchungsgebiet

Folgende Untersuchungen sind mit den Wasserstandsdaten und den daraus abgeleiteten Kenngrößen durchzuführen:

  1. Erhebung der Wasserstandsdaten als vollständige Ganglinie und Ableitung gängiger Tidekennwerte nach Pegelvorschrift.
  2. Ermittlung der ausbaubedingten Veränderungen der mittleren Tidekenngrößen: MTnw, MThw und des MThb im gesamten Tideästuar und den Nebenflüssen.
  3. Ableitung der monatlichen Scheiteländerungen aus den vorgenannten Untersuchungen, die als Frühindikator zur Anzeige möglicher Sockelinstabilitäten herangezogen werden sollen.
  4. Ermittlung von Überschreitungshäufigkeiten definierter Grenzwerte zur Kennzeichnung unterschiedlicher Schweregrade von Sturmflutereignissen.
  5. Untersuchung ausbaubedingter Veränderungen der Sturmflutscheitelhöhen auf Basis der Stauwerte.

Schließlich steht am Ende dieser Auswertungen die Überprüfung der Ergebnisse auf Einhaltung oder Überschreitung der jeweils zu Punkt 2 bzw. 5 definierten Schwellenwerte. Hinsichtlich der mittleren Tidescheitelwasserstände werden zur Definition der Schwellenwerte die Prognosen der Bundesanstalt für Wasserbau (BAW) herangezogen.

Aus Gründen der Übersichtlichkeit beschränkt sich die rechnerische Ermittlung der ausbaubedingten Wasserstandsänderungen in diesem Bericht zunächst auf die Pegel an der Elbe, denn generell sind die ausbaubedingten Wasserstandsänderungen in den Nebenflüssen nicht größer als an ihren Mündungen in die Elbe. Insofern wird hinsichtlich der gem. Planfeststellungsbeschluss durchzuführenden Schwellenwertbetrachtung der Tidewasserstände auf die nachfolgenden Untersuchungen aus der Hauptelbe verwiesen.

III.1.2 Mittlere Scheitelwasserstände der Elbe

Parameter Prognose der UVU

Eingetretene

Ausbauwirkung

Wirkung geht über die UVU-Prognose hinaus
Mittleres Tidehochwasser Steigt an allen Pegeln Fällt an allen Pegeln nein
Mittleres Tideniedrigwasser Fällt an allen Pegeln Fällt wie prognostiziert an einem vom 20 Pegel ist eine Überschreitung errechnet worden

Das gemäß den Auflagen zum Planfeststellungsbeschluss anzuwendende Verfahren zur Ermittlung der "ausbaubedingten Änderungen der mittleren Scheitelwasserstände", welches auch schon bei vorangegangenen Ausbaumaßnahmen sowohl an Unter- und Außenelbe (-13,5 m KN-Ausbau) als auch bei verschiedenen Vertiefungen der Unter- und Außenweser angewendet wurde, basiert auf einem Ansatz nach NIEMEYER (veröf­fentlicht 1995). Im ersten Schritt des Verfahrens wird die Doppelsummenanalyse durch­geführt. Diese wird von NIEMEYER zur Bestimmung so genannter "unbeeinflusster" Zeiträume auf die Scheitelwasserstände der Revierpegel angewendet. Dabei schränkt NIEMEYER die Anwendbarkeit der Doppelsummenanalyse auf die Revierpegel unter­halb Kollmars mit der Aussage ein: "Oberhalb dieser Station führe der Einfluss des Oberwasserabflusses zu keinen brauchbaren Ergebnissen".

Wie die vergangenen Beweissicherungsberichte zeigen, verlief die Auswertung der Wasserstandsdaten bisher nicht ohne Diskussionen. Referenzzeiträume wurden ermittelt und mit dem NIEMEYER-Verfahren ausgewertet. Dabei stellte sich heraus, dass diese Referenzzeiträume (z. B. 11.93 - 10.96) trendbehaftet und somit für Aussagen über ausbaubedingte Veränderungen der Tidewasserstände ungeeignet sind. In Kenntnis dieser Problematik hat die niedersächsische Einvernehmensbehörde (Niemeyer) dem TdV einen Referenzzeitraum vorgeschlagen (10.96 - 11.99), der für die meisten Pegel trendfrei Ergebnisse errechnen lässt.

Grundgedanke des NIEMEYER-Verfahrens ist, die Wasserstände, die sich ohne den Fahrrinnenausbau eingestellt hätten zu ermitteln und diese mit den tatsächlich eingetretenen Wasserständen zu vergleichen. Die Differenz zwischen berechneten und eingetretenen Wasserständen wird auf den Ausbau zurückgeführt. Zur Berechnung der ohne Ausbau eingetretenen Wasserstände wird ein empirisch-deterministisches Modell (s. u.) angewendet. Die Regressionskoeffizienten werden für einen Referenzzeitraum für jeden Revierpegel ermittelt. Somit wird das Tideniedrigwasser an einem Revierpegel aus dem Tideniedrigwasser und dem Tidehub an einem Referenzpegel (hier Helgoland) sowie dem Oberwasserabfluss gemessen in Neu Darchau berechnet. Analog wird mit den Daten für das Tidehochwasser verfahren.

Als unbeeinflusster Referenzpegel für die natürliche Entwicklung der mittleren Scheitelwasserstände soll der Pegel Helgoland die von jeglichen Ausbaumaßnahmen im Ästuar unbeeinflussten Verhältnisse in der Nordsee repräsentieren. In Abbildung III.1.2-1 ist daher auch die langfristige Entwicklung der Wasserstände am Pegel Helgoland dargestellt. Die abschnittsweise Auftragung der linearen Trends zeigt, dass insbesondere seit Beginn der 1980er Jahre ein beschleunigtes Ansteigen der Scheitelwerte zu beobachten ist.

Abb. III.1.2-1: Entwicklung der Wasserstände am Pegel Helgoland (wasserwirtschaftliches Jahresmittel)

Entwicklung der Wasserstände am Pegel Helgoland (wasserwirtschaftliches Jahresmittel)

Erwartungsgemäß weist die Entwicklung der Wasserstände im Elbeästuar aufgrund der natürlichen Verformung der Tidewelle und der Wirkung anthropogener Maßnahmen über die vergangenen 100 Jahre betrachtet wesentlich größere Veränderungen auf als der Pegel Helgoland. Im Stromspaltungsgebiet spiegelt sich die Überlagerung der exter­nen natürlichen Einflüsse (Entwicklung der Wasserstände in der Nordsee, Variabilität des Oberwasserabflusses) mit den anthropogenen Eingriffen unterschiedlichster Art wider. Diese hat in den vergangenen 100 Jahren zu einer Veränderung des Tidehubs am Pegel St. Pauli von ca. 200 cm geführt.

Abb. III.1.2-2: Entwicklung der Wasserstände am Pegel St. Pauli

Entwicklung der Wasserstände am Pegel St. Pauli

Wie bereits in der Theorie erläutert, werden im NIEMEYER-Verfahren die über eine Regression errechneten Wasserstände den gemessenen Wasserständen gegenübergestellt. Das Verfahren wird im Weiteren mithilfe von Diagrammen dargelegt. In einem ersten Schritt sind diese Werte in einem Scatterdiagramm (Abbildung III.1.2-3) beispielhaft für die MTnw-Werte am Pegel Bunthaus aufgetragen; ein Punkt repräsentiert jeweils ein Monatsmittel mit dem berechneten Wert als x-Koordinate und dem gemessenen als y-Koordinate. In grün sind die Daten zu sehen, die in die Regression eingeflossen sind, während die roten die Werte sind, die sich für den Zeitraum nach der Fahrrinnenanpassung errechnen lassen. Die blau gestrichelte Diagonale zeigt die Gerade an, auf der die berechneten Werte den gemessenen Werten entsprechen, also den Mittelwert der Regression. Die Standardabweichung für die Werte des Regressionszeitraums beträgt 4,2 cm. Darüber hinaus ist eine parallel verlaufende, orange gestrichelte Diagonale eingezeichnet. Diese zeigt an, inwieweit die berechneten Werte nach Ausbau im Mittel von den gemessenen abweichen. In diesem Beispiel beträgt die Abweichung ­6,9 cm, die als relative Absenkung des MTnw gegenüber dem Zustand vor dem Eingriff zu interpretieren ist.

Abb. III.1.2-3: Scatterdiagramm „errechnet und gemessen“ für die TNW-Werte am Pegel Bunthaus

Scatterdiagramm 'errechnet und gemessen' für die TNW-Werte am Pegel Bunthaus

Da aus dem Scatterdiagramm nicht abzulesen ist, ob über die beiden betrachteten Zeiträume ein Trend bei der Entwicklung der Wasserstände stattfand, werden die oben gezeigten Daten als Differenzen zu der Diagonalen über die Zeit dargestellt. Aus dieser zeitdiskreten Auftragung kann die Veränderung gegenüber dem Zustand vor der Fahrrinnenanpassung wesentlich anschaulicher widergespiegelt werden und zudem können direkt die monatlichen Scheiteländerungen zur Frühindikation möglicher Sockelinstabilitäten abgeleitet werden.

Abb. III.1.2-4: Ganglinie der Differenzen zwischen berechneten und gemessenen Tnw-Monatsmittelwerten am Pegel Bunthaus

Ganglinie der Differenzen zwischen berechneten und gemessenen Tnw-Monatsmittelwerten am Pegel Bunthaus

Das Diagramm zeigt die Monatsmittelwerte der Differenz gemessen/ berechnet mit dem gleitenden Mittel über 12 Monate ebenfalls für das Tnw am Pegel Bunthaus. Zusätzlich sind für den Zeitraum nach dem Ausbau die UVU-Prognosen (vgl. Abbildung III.1.2-4) als roter und gelber Balken eingezeichnet. Ausschlaggebend für die Erfüllung der Auflagen des PFB sind die 5-jährigen Mittelwerte, die 2005 zum ersten Mal gebildet werden konnten (2000 - 2004). Das 5-jährige Mittel ist als blauer Balken in die Grafik eingetragen und entspricht dem bereits erwähnten Mittelwert im Scatterdiagramm. In dem aufgezeigten Beispiel Tnw Bunthaus liegt das 5­jährige Mittel bei -6,9 cm und somit innerhalb der "worst-case-Prognose" von -8,1 cm. Die Ergebnisse für alle untersuchten Pegel für MThw sowie MTnw sind in der folgenden Abbildung III.1.2-5 zu sehen. Die Abbildung zeigt, dass entgegen der Prognosen das MThw an allen untersuchten Pegeln gefallen ist (blauer Balken). Das MTnw ist zwar wie qualitativ prognostiziert an allen Pegeln gefallen, jedoch ist der jeweilige Abfall an den Pegeln über den Verlauf der Tideelbe sehr uneinheitlich und physikalisch nicht zu erklären. Der erwartete Verlauf der Umhüllenden ist nicht eingetreten, was hauptsächlich daran liegt, dass an den Pegeln zwischen Brunsbüttel und Stadersand das MTnw geringer als erwartet gefallen ist. Bei diesen Pegeln ist ein Abfallen des Tidehubs zu erkennen (Abbildung III.1.2.-5 unteres Diagramm), da das Tidehochwasser stärker fällt als das Tideniedrigwasser. Abb. III.1.2-5: Ergebnisse des NIEMEYER Verfahren für den Regressionszeitraum 11/96-10/99 sowie im unteren Abbildungsteil vergleichend dargestellt die Tidehub-Ergebnisse nach NIEMEYER, die Z1-Modellrechnungsergeb­nisse und die tatsächlich eingetretenen Tidehubänderungen (Pegelmessungen).

Ergebnisse des NIEMEYER Verfahren für den Regressionszeitraum 11/96-10/99 Nr.1

Ergebnisse des NIEMEYER Verfahren für den Regressionszeitraum 11/96-10/99 Nr. 2

In dem oberen Diagramm ist zu erkennen, dass es einzig eine Überschreitung der BAW-Prognosen für das Tnw in Cuxhaven gibt. Aufgrund ihrer Kürze sind die Zeitreihen empfindlich gegenüber kurzfristigen Änderungen, so dass erst nach Vorliegen längerer Datenreihen eine Aussage über mögliche ausbaubedingte Einflüsse auf den Pegel Cuxhaven vorgenommen werden kann. III.1.3 Auswirkungen auf Sturmflutwasserstände der Elbe

Parameter Prognose der UVU

Eingetretene

Ausbauwirkung

Wirkung geht über die UVU-Prognose hinaus
Sturmflutwasserstände Eintrittshäufigkeiten Grundrelation 1956/ 1995 keine keine
Änderung der Stauwerte Anstieg des Sturmflutscheitels um max. 2,5 cm keine keine

III.1.3.1 Eintrittshäufigkeiten von Sturmflutwasserständen nach DIN 4049 an der Elbe "Sehr schwere" Sturmfluten sind seit 1996 an keinem Pegel zu verzeichnen. Die zeit­liche Verteilung "schwerer" Sturmfluten ist an den zu betrachtenden Pegeln ausgespro­chen ähnlich: 1996, 1997, 1998, 2001 und 2003 waren an keinem Messort "schwere" Sturmfluten zu verzeichnen, in 2000 eine und in 2002 zwei, während im Jahr 1999 in Helgoland, Cuxhaven, Brunsbüttel und Kollmar die entsprechenden Grenzhöhen eben­falls einmal, in Schulau, St. Pauli und Zollenspieker dagegen zweimal erreicht oder überschritten wurden. Die Entwicklung "leichter" Sturmfluten wird in Abbildung III.1.3-1 zusätzlich veranschaulicht. Generell ist eine Zunahme "leichter" Sturmfluten von der Mündung nach Oberstrom zu verzeichnen, was zum großen Teil auf die Auswahl des Bezugs-Zeitraums 1956/95 zurückzuführen ist. Insbesondere an den oberstromigen Pegeln, die in den letzten Jahrzehnten erheblichen Wasserstandsveränderungen (natürlichen Verformung der Tidewelle, Wirkung anthropogener Maßnahmen) unterlagen, führt das Zugrundelegen dieses Zeitraums auf zu niedrige Grenzhöhen. Infolge dessen liegen die Überschreitungshäufigkeiten im jährlichen Mittel der Jahre 1996/2005 an den Pegeln Schulau, St. Pauli und Zollenspieker bei 13 bis 14, während sie in Cuxhaven, Brunsbüttel und Kollmar um 10 oder darunter liegen. Die sehr hohe Anzahl an Überschreitungen am Pegel Zollenspieker im Jahr 2002 ist zudem auf die extremen Oberwasserabflussverhältnisse in diesem Jahr zurückzuführen. Eine Folgewirkung der Fahrrinnenanpassung von Unter- und Außenelbe auf die Eintrittshäufigkeiten von extremen Scheitelwasserständen lässt sich auf Basis der bis heute vorliegenden Daten nicht ableiten. Abb. III.1.3-1: Anzahl "leichter" Sturmfluten nach DIN 4049 (Basis: Zeitreihe 1956/95) an den Pegeln Helgoland, Cuxhaven, Brunsbüttel, Kollmar, Schulau, St. Pauli und Zollenspieker seit 1996

Anzahl "leichter" Sturmfluten nach DIN 4049

III.1.3.2 Ermittlung ausbaubedingter Änderungen von Stauwerten nach Niemeyer (veröffentlicht 1997) an der Elbe Bei diesem Verfahren soll in ähnlicher Weise wie bei dem NIEMEYER-Verfahren zur Auswertung der Wasserstände die Veränderung der so genannten Stauwerte während einer Sturmflut nach dem Ausbau untersucht und quantifiziert werden. Als Stau versteht sich hier die Differenz zwischen dem eingetretenen und einem mittleren Hochwasserscheitel, also eine Akkumulation von im wesentlichen Windstau sowie astronomischen Einwirkungen, Fernwellen und sonstigen externen Einflussgrößen. Auch hier ist der Grundgedanke, dass eine nach dem Eingriff ggf. beobachtete Abweichung von der funktionalen Approximation, die für einen im PFB nicht näher definierten Zeitraum vor dem Ausbau aufgestellt wird, einzig und allein dem Ausbau zuzuschreiben ist. Ohne die hierzu durchgeführten Auswertungen schon als abgeschlossen bezeichnen zu wollen, sollen im Folgenden die angesprochenen Problempunkte am Beispiel der Stauentwicklung für den Pegel St. Pauli vorgestellt werden. Die Beziehung zwischen den Stauwerten an einem vom Oberwasserabfluss beeinflussten Revierpegel und dem externen, unbeeinflussten Referenzpegel ist um einen Term zur Berücksichtigung des Oberwassereinflusses zu erweitern. In sehr guter Näherung kann dieser Einfluss, wie auch jahrzehntelange Erfahrungen mit dem Sturmflutvorhersageverfahren WADI III gezeigt haben, durch einen linearen Term beschrieben werden. Damit kann der Stau an einem Pegel der dem Einfluss des Oberwassers unterliegt, durch die Funktion

Formel

näherungsweise beschrieben werden, wobei

mittlerer Oberwasserabfluss

einen mittleren Oberwasserabfluss der vergangenen 2-6 Tage darstellt. Diese Mittelung ist sinnvoll, weil die oberwasserbedingte Wasserstandshebung an einem Pegel im Tiderevier nicht vom aktuellen Wert in Neu Darchau abhängig ist. Dieser erreicht z. B. Hamburg erst rd. 2 Tage später. Wenn im Zuge der Erläuterungen zu den nachfolgenden Darstellungen von oberwasserabflussnormierten Stauwerten am Pegel St. Pauli gesprochen wird, dann ist damit die Differenz STRP – bRP · QND gemeint. Zur Veranschaulichung der effektiven Streubreite und Kontrolle der Funktionsgüte des Steigungskoeffizienten

Funktionsguete des Steigungskoeffizienten

ist diese Form der Darstellung am besten geeignet. Für die in Abbildung III.1.3-1 (links) aufgetragenen 103 Ereignisse im Zeitraum von 11/1989 bis 04/1999 mit Stauwerten am Referenzpegel Cuxhaven von > 115 cm ergibt die durchgeführte Regressionsanalyse für bRP einen Wert von 0,01 oder 10 cm/1000 m³, der auch dem im WADI III verwendeten Wert entspricht. Der mittlere Fehler der Streuung beträgt 17 cm. In der Abbildung III.1.3-1 (rechts) sind zusätzlich die Ereignisse nach der Fahrrinnenanpassung für den Zeitraum 11/99 - 10/05 dargestellt. In diesen Zeitraum fielen weitere 48 Ereignisse mit Stauwerten > 115 cm am Referenzpegel Cuxhaven. Da bei diesen Darstellungen der Oberwassereinfluss bereits herausgerechnet ist, wird die Höhe des mittleren Abflusses am Pegel Neu Darchau durch die Größe der Symbole repräsentiert, um mögliche systematische Auffälligkeiten ggf. leichter identifizieren zu können. Abb. III.1.3-2: Beziehung zwischen dem Stau am Pegel Cuxhaven und St. Pauli vor und nach dem Ausbau

Bild links

Bild rechts

Die Regressionsgerade für die Ereignisse nach dem Ausbau liegt exakt über der für die Daten vor dem Ausbau, d. h. der funktionale Zusammenhang zwischen dem Stau in St. Pauli und Cuxhaven ist gegenüber dem Zeitraum vor dem Ausbau unverändert. Die mittlere Abweichung der 48 Ereignisse von der funktionalen Approximation für die Ereignisse vor dem Ausbau beträgt derzeit 11 cm. Damit zeigt auch diese Auswertung, dass auf Basis der bisherigen 48 eingetretenen Sturmflutereignisse nach der Fahrrinnenanpassung statistisch keine Änderungen der Stauwerte zu beobachten sind. III.1.4 Wasserstandsentwicklung in den Nebenflüssen Die ausbaubedingten Veränderungen der hydrologischen Verhältnisse in der Elbe setzen sich abgeschwächt auch in die Nebenflüsse hinein fort, da dort keine Ausbaumaßnahmen stattfanden. Je nach Lage des Nebenflusses wirkt sich die Veränderung der Tidedynamik unterschiedlich deutlich aus. Darüber hinaus weisen die Nebenflüsse hinsichtlich der Tidedynamik unterschiedliche Charakteristiken auf, da der Tideeinfluss in der Ilmenau, Este, Schwinge und Oste "künstlich" durch Bauwerke (z. B. Wehre) mit entsprechenden Reflexionswirkungen begrenzt ist, in der Lühe, Pinnau, Krückau und Stör hingegen nicht. Die meisten Nebenflüsse sind durch eine starke Gezeitendynamik im Mündungsbereich und stromauf durch abnehmende Wassertiefen geprägt. Die Wassertiefen nehmen zum Beispiel in Ilmenau, Este, Lühe, Pinnau und Krückau oberhalb der Einmündung in die Elbe kontinuierlich auf Werte von rund 1 bis 2 m unter MTnw ab, sodass die von der Elbe einschwingende Tide durch Reibungseinflüsse eine deutliche Dämpfung stromauf erfährt. Diese Reibungseinflüsse wirken in der Niedrigwasserphase aufgrund der dann geringen Wassertiefen in besonders intensiver Weise. Wie in der UVU beschrieben, wirken sich die ausbaubedingten Niedrigwasserabsenkungen der Tideelbe an den Mündungen der Elbnebenflüsse in vollem Maße aus, klingen jedoch stromauf deutlich ab. Das Tidehochwasser setzt sich dagegen nahezu in voller Größe stromauf bis zur Tidegrenze durch. Tab. III.1.4-1: UVU-Prognose der ausbaubedingten Veränderungen der Tidewasserstände in den Elbenebenflüssen

Nebenfluss Bereich D Thw [cm] D Tnw [cm]
  "worst case"   "worst case"
Ilmenau Ilmenau-Sperrwerk +3 bis +4 +4 -2 bis -3 6
Luhemündung - 1 bis -2 3
Schleuse Fahrenholz 0 0
Este Mündung +4 +5 -5 bis -6 -10
Moorende 1 -2
Buxtehude 1 -2
Lühe Mündung + 4 +5 5 -9
Straßenbrücke Steinkirchen + 4 +5 ±1 ±2
Horneburg + 3 +4 +1 +1
Daudieck (Aue) 0 0 0 0
Schwinge *) Mündung +3 +4 -4 -7
Straßenbrücke Klappbrücke
Stade -2 -4
Ruthenstrom *) Mündung +2 +4 -4 -6
Wischhafener Süderelbe *) Mündung +1 +2 -3 -4
Oste Mündung 0 0 -1 -2
Hechthausen 0 0
Wedeler Au *) Mündung +4   -3 bis -5  
Pinnau Mündung + 3 +4 3 -7
Uetersen + 3 +4 0 bis +1 ±1
Pinneberg + 2 +3
Wulfmühle 0 0 0 0
Krückau Mündung +3 bis +4 +4 3 -6
BWStr - km 3,0 0 -1
Straßenbrücke B 5 + 3 3 0 0
Straßenbrücke BAB 23 0 0
Stör Mündung +1 +2 -3 -4
Breitenburg 0 0
Rensing

*) Wasserstandsmessungen sind in der Schwinge, dem Ruthenstrom, der Wischhafener Süderelbe, der Wedeler Au, dem Barnkruger Loch sowie dem Gauensieker Schleusenfleth mit der Krautsander Binnenelbe im Rahmen der Beweissicherung gem. Planfeststellungsbeschluss nicht vorgesehen. Eine Beeinflussung der Wasserstandsentwicklung der Nebenflüsse durch die Fahrrinnenanpassung 1999/2000 über die Prognosen hinaus und unter Berücksichtigung der seit längerem vorhandenen Trends ist nicht erkennbar. Dies zeigen auch die Ganglinien der Nebenflusspegel, die auf der beiliegenden DVD-1 dokumentiert sind. Weiter zu III.2 Ausbaubedingte Wirkungen auf Strömungen und Durchflüsse