Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

III  Entwicklung der Beweissicherungsparameter

III.1  Hauptelbe mit Nebenelben

III.1.1  Hydrologische Parameter

III.1.1.1  Tidewasserstände

Stellenwert der Wasserstände in der Beweissicherung

Die Wasserstände nehmen in der Beweissicherung eine zentrale Stellung ein, da die Lebensraumbedingungen im Naturraum der Tideelbe und ihrer Nebenflüsse mittelbar oder unmittelbar von den hydrologischen Verhältnissen geprägt werden. Die Bandbreite der periodischen Wasserstandsschwankungen und wechselnden Strömungsrichtungen bilden insofern die Grundlagen und Rahmenbedingungen für den Zustand und die Entwicklung der Umwelt. Größere und nachhaltige Änderungen der hydrologischen Randbedingungen, insbesondere der Wasserstände, beeinflussen den Bestand und die Entwicklung der Tier- und Pflanzenwelt dieses Raumes.

Die Beweissicherung legt ihren Schwerpunkt daher auf solche Parameter, die am Beginn einer Wirkungskette stehen und möglichst direkten Bezug zu den unmittelbaren Eingriffs­folgen aufweisen (Primärparameter). In diesem Sinne sind Primärparameter wie Wasser­stände, Topographie, Sedimente und Schwebstoffe in den Eingriffsbereichen die Grund­lage der Beweissicherung, die auch zur Beurteilung anderer Bereiche (Sekundärparame­ter) herangezogen werden können, wie z. B. Strömungen, mittelbar beeinflusste physika­lische und chemische Parameter (z. B. Salzgehalt, Temperatur, Sauerstoffgehalt) sowie quantitative und qualitative Veränderungen von Lebensräumen. (vgl. Abbildung III.1.1.1‑1).

Abb. III.1.1.1-1: Stellenwert der Wasserstände in der Beweissicherung

 

Von den Primärparametern ist dabei der Wasserstand erfahrungsgemäß derjenige, dessen Reaktion auf eine natürlich oder anthropogen veränderte Gewässerbetttopografie noch am ehesten nachgewiesen werden kann. Bezogen auf gezeitendominierte Ästuare wie die Tideelbe kann diese Erfahrung insoweit erweitert werden, als die gesamte Charakteristik der Gezeitenwelle durch jede größere Ausbaumaßnahme in einem Tidefluss verändert wird.

In der UVU zur Fahrrinnenanpassung wurde die prognostizierte ausbaubedingte Erhöhung des mittleren Tidehochwassers (MThw) aufgrund des damit verbundenen Risikos einer Beeinträchtigung empfindlicher ufernaher Biotope als ein wichtiger ökologischer Wirkfaktor beschrieben. In einem vereinfachten Modell wurde bei einer prognostizierten Erhöhung des lokalen Tidehochwassers um (beispielsweise) 2 bis 3 cm pauschal eine flächenmäßige Beeinträchtigung von 3,5 % für ufernahe Biotoptypen (Auwald, Auengebüsch, Röhricht) angenommen. Diese Annahme basiert auf der Randbedingung, dass eine Verlagerung des Ufervegetationsgürtels landseitig nicht möglich ist, da dort meist Begrenzungen bestehen (Deiche, bewirtschaftete Flächen, Randgräben etc.), die dies nicht zulassen. Der prognostizierte ausbaubedingte Absunk des Tideniedrigwassers (MTnw) wurde in der UVU hingegen nicht als gravierender Wirkfaktor eingestuft.

 

Ziel und Umfang der Wasserstandsuntersuchungen

Das Beweissicherungsverfahren dient dazu, die maßnahmenbedingten Abweichungen von dem in der UVU festgestellten Eingriffsumfang zu ermitteln. Die Beweissicherung bildet somit die Grundlage für eine ggf. erforderlich werdende weitere Kompensation, die über den im vorliegenden Beschluss gesetzten Rahmen hinausgeht.

Bezüglich der Wasserstände legen die Anordnungen im PF-Beschluss zur BS sowohl den Umfang der Untersuchungen in der erforderlichen räumlichen und zeitlichen Dichte, als auch die Auswertemethoden und Schwellenwerte fest, die laut PF-Beschluss angeben, "in welchem Maße die Ergebnisse der Beweissicherungsmessungen von den Wer­ten der UVU-Prognose abweichen dürfen". Weitere Einzelheiten hierzu s. a. Kapitel III.1.1.1.2.

Im Einzelnen sind gemäß den Auflagen aus dem Planfeststellungsbeschluss hinsichtlich der Tidewasserstände und daraus abgeleiteter Kenngrößen folgende Untersuchungen durchzuführen:

1. Erhebung der Wasserstandsdaten als vollständige Gangline und Ableitung gängiger Tidekennwerte nach Pegelvorschrift.

2. Ermittlung der ausbaubedingten Veränderungen der mittl. Tidekenngrößen: MTnw, MThw und des MThb im gesamten Tideästuar und den Nebenflüssen.

3. Ableitung der monatlichen Scheiteländerungen aus den vorgenannten Untersuchungen, die als Frühindikator zur Anzeige möglicher Sockelinstabilitäten herangezogen werden sollen.

4. Ermittlung von Überschreitungshäufigkeiten definierter Grenzwerte zur Kennzeichnung unterschiedlicher Schweregrade von Sturmflutereignissen.

5. Untersuchung ausbaubedingter Veränderungen der Sturmflutscheitelhöhen auf Basis der Stauwerte.

 

Schließlich steht am Ende dieser Auswertungen die Überprüfung der Ergebnisse auf Einhaltung oder Überschreitung der jeweils zu Punkt 2 bzw. 5 definierten Schwellenwerte. Hinsichtlich der Tidewasserstände werden zur Definition der Schwellenwerte die Prognosen der BAW herangezogen.

Im Rahmen der BS sind eine Reihe von Pegeln zu betrachten, entlang der Tideelbe allein 20, (vgl. rote Markierungen in Abbildung III.1.1.1-2). Dazu kommen weitere 13 Binnenpegel, die im Kapitel III.1.1.2 betrachtet werden.

Abb. III.1.1.1-2: Ausgewählte Tidepegel im Untersuchungsgebiet (rote Markierungen)

 

Alle Pegel werden vorschriftsmäßig betrieben und ausgewertet (vgl. Kapitel A.1.1 im Anlagenband). Aus Gründen der Übersichtlichkeit beschränken sich die Ausführungen in diesem Kapitel allerdings auf wenige ausgewählte Standorte, an denen die grundsätzlich gleichgerichteten Tendenzen im Revier besonders deutlich zu beobachten sind. Die Darstellungen der Wasserstandsganglinien aller betrachteten Pegel befinden sich auf der DVD-1.

Aus den vollständig als Ganglinie erfassten Wasserständen werden die bekannten Tidekenngrößen Tnw, Thw, Tmw, Thb, Tidedauer, Extremwerte, Häufigkeits- und Dauerzahlen gemäß Pegelvorschrift abgeleitet. Als zusätzliche Randbedingung werden für vergleichende Betrachtungen der Wasserstand am Nordseepegel Helgoland sowie der Oberwasserabfluss am Pegel Neu Darchau erfasst und in die Auswertungen einbezogen.

 

 

III.1.1.1.1  Langzeitstatistische Entwicklung der Tidekennwerte

Aus den Erfahrungen mit früheren Ausbaumaßnahmen ist bekannt, dass die Tidekennwerte schnell auf eine Fahrrinnenvertiefung reagieren. Da die hauptsächlichen Vertiefungsarbeiten im Jahre 1999 durchgeführt wurden, müsste sich eine hydrologische Reaktion auf diese Maßnahme also bereits aus den bis dato vorliegenden Wasserstandsdaten erkennen lassen.

Um die jüngste Entwicklung der Tidewasserstände seit Abschluss der Ausbaumaßnahmen allerdings richtig einordnen zu können, muss an dieser Stelle zunächst ein Blick auf die historische Entwicklung der Tidekenngrößen sowohl in der Tideelbe als auch in der Nordsee, die hier durch den Pegel Helgoland repräsentiert wird, geworfen werden.

Für die Pegel Cuxhaven und St. Pauli reichen die Wasserstandsaufzeichnungen zwar bis ins Jahr 1843 zurück, für Helgoland liegen die Daten jedoch nur mit größeren Unterbrechungen erst seit 1911 vor, weshalb an dieser Stelle ein Rückblick auf die vergangenen rd. 100 Jahre genügen soll.

 

Entwicklung der mittleren Tidescheitelwasserstände

Für die im Folgenden beschriebenen Wasserstandsentwicklungen sind zweifellos mehrere Faktoren verantwortlich. Die Wasserstandsverhältnisse in Tideflüssen wie der Tideelbe sind vielfältigen, sowohl natürlichen Faktoren, wie z. B. der Meeresspiegelentwicklung der Nordsee, astronomischen Variationen und morphologischen Veränderungen als auch durch den Menschen hervorgerufenen Einflüssen unterworfen. Zu den letzteren so genannten anthropogenen Einwirkungen zählen in dem hier betrachteten Kontext im Wesentlichen die in das Abflussregime eingreifenden Baumaßnahmen wie z. B. Vordeichungen, Absperrungen von Nebenflüssen oder Fahrrinnenausbauten. All diese natürlichen und anthropogenen Einflüsse wirken sich in charakteristischer Weise auf die Wasserstände aus (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-1).

Abb. III.1.1.1.1-1: Einflussfaktoren auf den Wasserstand im Ästuar (nach: BAW-DH 2001)

 

Dieser Sachverhalt ist zu berücksichtigen, wenn man den Versuch unternehmen will, die Frage nach der Ursache beobachteter Veränderungen zu beantworten, was letztlich der Gegenstand der Tidekenngrößenuntersuchungen im Rahmen der BS ist.

Pegel Cuxhaven

Betrachtet man zunächst die Entwicklung der mittleren Scheitelwasserstände an einem küstennahen Pegel im Mündungsgebiet der Elbe, hier bei Cuxhaven, so lässt sich für diese Position über einen Zeitraum von 100 Jahren ein relativ gleichmäßiger Anstieg der aufgetragenen Wasserstandsparameter beobachten. Aufgetragen sind in der Abbildung III.1.1.1.1-2 das MThw und das MTnw, wobei es sich jeweils um die Mittelwerte der hy­drologischen Jahre (01.11. - 31.10. des Folgejahres) handelt. Der verhaltene Anstieg der mittleren Scheitelwasserstände spiegelt sich auch in der Entwicklung des mittleren Tide­halbwassers MT1/2w wieder.

Abb. III.1.1.1.1-2: Entwicklung der Wasserstände am Pegel Cuxhaven

 

Auffällig ist, dass die linearen Trends unterschiedliche Steigungen aufweisen, wobei der stärkere Anstieg des MThw mit 26,6 cm/Jh. gegenüber dem MTnw mit knapp 10 cm/Jh. schon sehr deutlich ausfällt. Im Mittel resultiert daraus ein Anstieg von rd. 18 cm/Jh. für das MT 1/2w. Es kann davon ausgegangen werden, dass das MT1/2w dem Tidemittelwasser folgt und dieser Anstieg auch auf den mittleren Meeresspiegel übertragen werden kann. Bei Bemessungsfragen im Hochwasserschutz wird bekanntlich mit einem so genannten säkularen Meeresspiegelanstieg von 25 bis 30 cm/Jh. gerechnet.

Diese Beobachtungen und Analysen decken sich tendenziell und von der Größenordnung her auch mit den Ergebnissen, die JENSEN & MUDERSBACH, 2004 für die Jahresgangreihe von 1843 bis 2001 für den Pegel Cuxhaven herausgefunden haben (MThw-Anstieg = 25,8 cm/Jh. MTnw-Anstieg = 16 cm/Jh.). Die Differenzen insbesondere beim MTnw sind in der unterschiedlichen langen Datengrundlage begründet.

Die über die Periode einer Nodaltide (18,6 Jahre) gleitenden Mittelwerte (gleichwertig zur Anwendung eines Tiefpassfilters) weisen nur geringfügige Abweichungen vom linearen Trend auf. Es kann somit davon ausgegangen werden, dass diese langfristige und stetige Entwicklung im Wesentlichen durch den Anstieg des globalen Meeresspiegels verursacht wird. Diese eustatischen Veränderungen sind dabei von Veränderungen der Trennlinie Meer-Land zu unterscheiden, die durch tektonische Bewegungen aus geologischen Prozessen entstehen. Die tektonischen Effekte sind allerdings an der deutschen Nord- und Ostseeküste von untergeordneter Bedeutung.

Trotz der gegebenen natürlichen Variabilität im Jahresgang infolge meteorologischer Einflüsse (z. B. infolge außergewöhnlicher Wetterlagen wie in den extremen Eiswintern in 1946/47 und 1995/96) streuen die Jahresmittelwerte um die lineare Trendlinie nur gering. Nachvollziehbar ist somit, dass die Scheitelwasserstände am Pegel Cuxhaven auch nur gering beeinflusst werden durch die vielfältigen anthropogenen Eingriffe in das hydrologische System der Unter- und Außenelbe der vergangenen 100 Jahre. Vielmehr bewegen sich die Scheitelwasserstände in der Größenordnung der natürlichen Schwankungen.

Pegel St. Pauli

Erwartungsgemäß weist die Entwicklung der Wasserstände am Pegel St. Pauli über die vergangenen 100 Jahre betrachtet (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-3) wesentlich größere Veränderungen als der Pegel Cuxhaven auf. Hier im Stromspaltungsgebiet spiegelt sich die Überlagerung der externen natürlichen Einflüsse wie die Entwicklung der Wasserstände in der Nordsee und die Variabilität des Oberwasserabflusses mit den anthropogenen Eingriffen unterschiedlichster Art in das natürliche Gleichgewichtssystem der Tideelbe unterhalb und oberhalb Hamburgs sowie im Hafen selbst besonders deutlich wider.

Abb. III.1.1.1.1-3: Entwicklung der Wasserstände am Pegel St. Pauli

 

Betrachtet man zunächst die Entwicklung des MTnw, so ist bereits Anfang des vergangenen Jahrhunderts, korrespondierend zu den ersten größeren Vertiefungsbaggerungen zur Beseitigung der großen Barren zwischen Blankenese und Wedel, ein signifikantes Absinken des MTnw von rd. 20 cm zu registrieren.

Gingen die frühen Ausbaumaßnahmen zunächst noch einher mit der Anlage neuer Hafenbecken im Hamburger Hafen, die zu einer teilweisen Kompensation der Auswirkungen auf den Wasserstand führten, so folgten zwei weitere Ausbaustufen nach dem 2. Weltkrieg bis auf KN -11 m, die von einem kontinuierlichen Absinken des MTnw in der Größenordnung von 0,45 cm/a begleitet wurden. Am Ende dieser Periode steht schließlich die Errichtung einer Tidebarriere durch das 1960 in Betrieb genommene Wehr in Geesthacht.

Nicht ohne lokale Auswirkungen auf die Entwicklung der Wasserstände im Stromspaltungsgebiet (repräsentiert durch den Pegel St. Pauli) dürfte auch die seit Mitte der '80er Jahre wiederholt vorgenommene Verfüllung verschiedener Hafenbecken zur Schaffung von Landflächen im Hamburger Hafen (ca. 190 ha) gewesen sein.

Die einzelnen Wirkungen der anthropogenen Eingriffe lassen sich aufgrund der Überlagerung mit dem durch die jeweils vorausgegangenen Maßnahmen initiierten morphologischen Nachlauf quantitativ nur schwer zuordnen. Es ist jedoch offensichtlich, dass ein vergleichbar signifikanter Anstieg des mittleren Hochwasserscheitels (MThw) wie er in den '60er und '70er Jahren registriert wurde, bei den vorangegangenen Ausbauten des Fahrwassers zwischen 1900 und 1950 und bei der Fahrrinnenanpassung 1999/2000 nicht zu beobachten ist.

Insgesamt kann bei der Entwicklung des MThw am Pegel St. Pauli seit Beginn des vergangenen Jahrhunderts eine Zunahme von rd. 50 cm verzeichnet werden, wovon gute 80 % auf den Anstieg in den '60er und '70er Jahren entfallen. In den '80er Jahren hat sich dieser Trend bzgl. des MThw erfreulicherweise abgeschwächt und seit Anfang der '90er kann man für das mittlere Hochwasser wieder von relativ konstanten Verhältnissen (dh/dt = 0,1 cm/a) sprechen.

Auch für das MTnw hat sich der beschleunigte Abwärtstrend der '60er und '70er Jahre seit Mitte der '80er Jahre zusehends verlangsamt. Gleichwohl deutet der unvermittelt anhaltende Abwärtstrend des MTnw darauf hin, dass das Tideregime der Elbe den angestrebten dynamischen Gleichgewichtszustand vor dem Beginn der Fahrrinnenanpassung 1999/2000 noch nicht wieder erreicht hatte.

Betrachtet man die Veränderung der Wasserstände zunächst unabhängig von der Entwicklung der äußeren Einflussgrößen, so ist für den Pegel St. Pauli über das vergangene Jahrhundert hinweg ein Anstieg des mittleren Tidenhubs um 160 cm auf heute 360 cm zu verzeichnen.

Abb. III.1.1.1.1-4: Entwicklung des Tidenhubs am Pegel St. Pauli

 

Dabei entfallen rd. 110 cm auf das Absinken des MTnw, wovon rund die Hälfte allein zwischen 1962 und 1985 absank. Die auf das Ansteigen des MThw entfallenden restlichen 50 cm des Tidehubanstiegs entfallen sogar zu 80 % auf diesen Zeitraum.

Welcher Anteil der mittleren Scheitelwasserstandsänderung als Folge der anthropogenen Eingriffe zu werten ist und welcher auf natürliche externe Ursachen zurückzuführen ist, soll im Rahmen der Beweissicherung für die letzte Fahrrinnenanpassung durch den Vergleich mit einem Referenzpegel ausgewiesen werden, von dem angenommen wird, dass er keinen ausbaubedingten Wirkungen unterliegt.

Pegel Helgoland

Als unbeeinflusster Referenzpegel für die natürliche Entwicklung der mittleren Scheitelwasserstände soll gemäß einer Auflage im Planfeststellungsbeschluss der Pegel Helgoland die von jeglichen Ausbaumaßnahmen im Ästuar unbeeinflussten Verhältnisse in der Nordsee repräsentieren. In Abbildung III.1.1.1.1-5 ist daher auch die langfristige Entwicklung der Wasserstände am Pegel Helgoland dargestellt. Die abschnittsweise Auftragung der linearen Trends zeigt, dass insbesondere in jüngster Zeit große Veränderungen zu verzeichnen sind, die in dieser Signifikanz am Pegel Cuxhaven nicht beobachtet werden konnten.

Zunächst kann auch hier - wie schon am Pegel Cuxhaven - festgestellt werden, dass die Entwicklungen für das MTnw und das MThw auch auf der offenen Nordsee nicht unbedingt identisch verlaufen müssen. Während für das MTnw seit ca. Mitte/Ende der 70er Jahre ein gemäßigter Anstieg um durchschnittlich 19 cm/Jh. zu verzeichnen ist, beträgt dieser für das MThw temporär immerhin rd. 40 cm/Jh., oder bezogen auf die vergangenen 25 Jahre in Summe rd. 8 cm. Im gleichen Zeitraum ist auch das MT1/2w um rd. 7 cm angestiegen, während es in den rd. 75 Jahren zuvor nur um gute 4 cm angestiegen war.

Abb. III.1.1.1.1-5: Entwicklung der Wasserstände am Pegel Helgoland (wasserwirtschaftliches Jahresmittel)

 

Die Frage, inwieweit die tendenziellen Entwicklungen der Wasserstände am Pegel Helgoland als repräsentativ für die gesamte südliche Deutsche Bucht und damit auch für das Mündungsgebiet der Elbe angesehen werden können, ist Gegenstand der aktuellen Küstenforschung. JENSEN & MUDERSBACH (2004) konstatieren für verschiedene Inselpegel der Nordsee ab Mitte der '60er Jahre tendenziell eine ähnlich deutliche Änderung in der Steigung des MThw und führen dieses veränderte Verhalten der Tide in Verbindung mit anderen meteorologischen Indikatoren auf globale Klimaänderungen zurück.

Relativentwicklung der Scheitelwasserstände Cuxhaven - Helgoland

Jedoch wird hier von einer direkten Übertragung der längerfristigen Entwicklung der Wasserstände am Pegel Helgoland auf die Revierpegel nicht ausgegangen. So ist über die letzten 25 Jahre betrachtet, auf den ersten Blick weder am Pegel Cuxhaven noch am Pegel St. Pauli ein zum Pegel Helgoland vergleichbarer Anstieg des MThw festzustellen.

Um diese Einschätzung abzusichern und parallele oder auch zeitlich asynchron laufende Entwicklungen an zwei Pegeln besser zu erkennen, ist es am einfachsten die Relativentwicklung der Scheitelwasserstände z. B. in Form der jeweiligen Wasserstandsdifferenz zwischen zwei Pegeln zu betrachten. Bei Glättung der Wasserstandsganglinie durch Bildung eines gewichteten gleitenden Mittels, kann der jeweilige langfristige Trend bei entsprechend hoher Auflösung im direkten und sehr anschaulichen Vergleich unmittelbar abgelesen werden (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-6 ff.).

Dabei zeigt die Differenz der Wasserstandsentwicklung zwischen den Pegeln Helgoland und Cuxhaven (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-6) über die vergangenen 50 Jahre betrachtet, eine auffällige Asynchronität hinsichtlich der MThw - Kenngröße in den '60er und '70er Jahren. In Cuxhaven steigt das MThw zunächst in zwei Wellenbewegungen überproportional zum ebenfalls zu beobachtenden Anstieg am Pegel Helgoland, bleibt danach aber nahezu konstant, während das MThw in Helgoland unaufhörlich weiter steigt, was den Differenzwasserstand mittlerweile wieder auf das Niveau der 50er Jahre zurück gebracht hat. Eine schlüssige Erklärung hierfür konnte bislang nicht gefunden werden. Die zunächst nahe liegende Vermutung, der temporär stärkere Anstieg am Pegel Cuxhaven könnte im Zusammenhang mit einer Häufung der Sturmflutereignisse verbunden mit den in Küstennähe erhöhten Windstauwerten in den betreffenden Zeiträumen sein, ließ sich durch die Datenlage nicht belegen.

Abb. III.1.1.1.1-6: Vergleich der MThw - Entwicklung zwischen dem Pegel Helgoland und Cuxhaven

 

Die Entwicklung der MTnw-Differenz verläuft schon aufgrund der geringeren Gesamtänderung von max. 5 cm innerhalb eines Schwankungsbereichs von wenigen Zentimetern relativ konstant. Auf eine Darstellung wird daher an dieser Stelle verzichtet.

Oberwasser-Normierung der Scheitelwasserstände

Bevor ähnliche Betrachtungen zur relativen Entwicklung der Wasserstände am Pegel St. Pauli angestellt werden, sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass die dargestellten Daten bisher noch mit dem Einfluss aus dem Oberwasserabfluss behaftet sind, was bei der langfristigen Betrachtung und Glättung der Wasserstandsentwicklung an einem Ort nicht weiter von Bedeutung ist, jedoch bei einer Aussage über einen kurzfristigen Entwicklungstrend zu einem Vergleichs- oder Referenzpegel berücksichtigt werden muss.

Da die im Revier beobachteten Wasserstände nicht nur vom Gezeitensignal aus der Nordsee, sondern u. a. auch von der Größe des Oberwasserzuflusses geprägt werden (von Geesthacht bis etwa Glückstadt ist der Einfluss stark abnehmend), ist es für vergleichende Betrachtungen und Bewertung von Wasserstandsentwicklungen im Revier notwendig, zuvor den Einfluss der Schwankungen des Oberwasserzuflusses durch eine geeignete funktionale Beziehung zu eliminieren. Weitere Einflussfaktoren auf den Wasserstand im Ästuar sind - abgesehen vom Wasserstand am Referenzpegel Helgoland - an dieser Stelle nicht berücksichtigt.

Für den Pegel Zollenspieker lässt sich eine Normierung der mittleren Scheitelwasserstände auf das langjährige Mittel des Oberwasserabflusses am Pegel Neu Darchau von rd. 700 m³/s über die Beziehung durchführen, dass eine Änderung im Oberwasserabfluss von ±1000 m³ zu einer Wasserstandsänderung am Pegel Zollenspieker von rd. ±160 cm führt.

*) ortsabhängig

Die Werte für den Einfluss des Oberwassers an den einzelnen Pegeln lassen sich in guter Näherung auf empirisch-statistischem Wege ermitteln (z. B. SIEFERT und JENSEN, 1993; STROM- UND HAFENBAU und WSA HAMBURG, 1996).

Ein Beispiel für eine Normierung einer Wasserstands-Zeitreihe auf mittlere Abflussverhältnisse zeigt Abbildung III.1.1.1.1-7 am Beispiel der monatlichen MTnw-Werte des Pegels Zollenspieker von Januar 2000 bis April 2005. Bei niedrigen Abflüssen (unter dem langjährigen Mittelwert von rd. 700 m³/s) führt die Normierung zu einer Heraufsetzung der gemessenen Wasserstände, während sie bei hohen Abflüssen (> 700 m³/s) entsprechend zu einer Herabsetzung führt.

Abb. III.1.1.1.1-7: Monatliches MTnw am Pegel Zollenspieker mit und ohne Oberwasser-Bereinigung

 

Die um den Oberwassereinfluss bereinigten MTnw- bzw. MThw-Differenzen zwischen einem oberstrom gelegenen Elbe-Pegel und dem Referenzpegel Helgoland erlauben bezüglich einer Interpretation der Wasserstandsentwicklung in der Tideelbe weitergehende Rückschlüsse als die bloße Betrachtung "roher" Wasserstandszeitreihen. Durch eine solche Aufbereitung werden wesentliche "externe" Einflussgrößen aus den Daten eliminiert, so dass die normierten Zeitreihen die Entwicklungen und Veränderungen in der Elbe selbst präziser widerspiegeln.

Allerdings kann auch auf Grundlage einer solchen Aufbereitung nur bedingt darauf geschlossen werden, ob eine beobachtete Entwicklung von Elbe-spezifischen Wasserständen auf anthropogene Vorgänge im Ästuar oder aber auf natürliche Einflüs­se (z. B. lokale morphologische Veränderungen oder Wechselwirkungen zwischen Tide und Oberwasser) zurückzuführen sind. Gleichwohl liefert eine solche Analyse zugleich eine gute Grundlage für die Bestimmung eines geeigneten Referenzzeitraums für die Schwellenwertbetrachtung (vgl. Kapitel III.1.1.1.2).

Relativentwicklung der Scheitelwasserstände St. Pauli - Helgoland

Für den Pegel St. Pauli verdeutlichen die Darstellungen der oberwasserabflussnormierten Differenzen der Scheitelwasserstände zum Pegel Helgoland noch einmal sehr deutlich die schon zuvor beschriebene Entwicklung in den '60er und '70er Jahren.

Hinsichtlich des MThw wird in Abbildung III.1.1.1.1-8 aber auch sehr anschaulich erkennbar, dass sich der ansteigende Trend am Pegel St. Pauli seit Beginn der '80er Jahre nicht nur abgeschwächt, sondern in Relation zum Referenzpegel Helgoland - zumindest in den letzten rd. 10 Jahren - in einen leicht abfallenden Trend gewandelt hat (rote Linie).

Abb. III.1.1.1.1-8: Vergleich der MThw - Entwicklung zwischen dem Pegel Helgoland und St. Pauli

 

Es deutet sich an, dass diese, insbesondere für den Hochwasserschutz als positiv zu bewertende Trendumkehr, nach derzeitiger Datenlage  - trotz des Fahrwasserausbaus - auch nach 1999 Bestand hat, und zwar an allen Pegeln im Revier.

Hingewiesen sei allerdings nochmals auf den Sachverhalt, dass die mittleren Tidehochwasserstände im Revier während der letzten 15 - 20 Jahre auf einem mehr oder weniger konstanten Niveau verharren und die negative Steigung der Differenzlinie de facto weniger einem Absinken des MThw am Pegel St. Pauli, als viel mehr dem deutlicheren Anstieg des MThw am Referenzpegel Helgoland zuzuschreiben ist.

Die Entwicklung des MTnw am Pegel St. Pauli in Relation zum Referenzpegel Helgoland (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-9) ist in den Jahren vor der Fahrrinnenanpassung nicht so konstant verlaufen wie beim MThw.

Abb. III.1.1.1.1-9: Vergleich der MTnw - Entwicklung zwischen dem Pegel Helgoland und St. Pauli

 

Auch wenn sich der steile Abwärtstrend aus den 60er und 70er Jahren seit Beginn der 80er Jahre deutlich abgeschwächt hat, so war auch zu Beginn der Ausbaumaßnahme 1999 eine nachhaltige Stabilisierung des MTnw noch nicht erkennbar.

Aber auch hier zeigt sich, dass ein Teil der Relativ-Differenzen auf den in jüngster Zeit zu beobachteten Anstieg des MTnw am Referenzpegel Helgoland zurückzuführen ist. Ein Blick auf den jüngsten Trendverlauf des oberwasserabflussnormierten Tideniedrigwassers am Pegel St. Pauli (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-3) zeigt, dass die tatsächliche Abnahme mit -1,0 cm/a real etwas geringer ausfällt, als sie durch die Relativ-Differenz abgebildet wird. Schließlich schlägt auch hier der zeitgleiche Anstieg des MTnw am Referenzpegel wie schon beim MThw mit einem negativen Beitrag zu Buche.

Festzuhalten ist in jedem Fall, dass im Gegensatz zum MThw bezüglich des MTnw in großen Teilen der Unterelbe schon seit Anfang der '60er Jahre - also weit vor der letzten Fahrrinnenanpassung - kein stabiler hydrologischer Zustand mehr vorgelegen hat. Die absinkende Tendenz des MTnw hält bis dato an. Zumindest kann auch für die Entwicklung des MTnw im Revier konstatiert werden, dass nach der Fahrrinnenanpassung von 1999 keine erkennbare Zunahme des langfristigen Trends zu beobachten ist.

 

Entwicklung des Tidekurvenverlaufs

Neben der Analyse der Veränderung von mittleren Tidescheitelwerten ist im Rahmen der Beweissicherung auch die Entwicklung des Ablaufs der gesamten Tide von Interesse.

In Abbildung III.1.1.1.1-10 sind die mittleren Tidekurven des Pegels St. Pauli für die Jahre 1998 bis 2005 zu sehen.

Abb. III.1.1.1.1-10: Mittlere Tidekurven St. Pauli 1998 - 2005

 

Wie zuvor analysiert, haben sich die Scheitelwerte MThw und MTnw in diesem Zeitraum nach der Fahrrinnenanpassung nur geringfügig verändert. In der Abbildung III.1.1.1.1-10 ist deutlich zu erkennen, dass der Verlauf der mittleren Tide am Pegel St. Pauli vom Oberwasserzufluss geprägt wird. Während das Jahr 2002 durch außer­gewöhnlich hohe Abflussverhältnisse charakterisiert ist und sich diese auf ein hohes Thw und somit einen hohen Verlauf auswirken, ist zu erkennen, dass das "trockene" Jahr 2003 insgesamt einen niedrigen Tideverlauf hat. Des Weiteren ist festzustellen, dass es gerade im ersten Drittel der Tideverläufe (steile Flutphase) keine großen Unterschiede der Verläufe gibt. In den vorliegenden Daten ist somit kein Trend zu erkennen, der zeigt, dass sich die Tidekurve nach der letzten Fahrrinnenanpassung aufgesteilt hat.

Dennoch ist es von großer Wichtigkeit, die Veränderungen des Tideverlaufs weiter zu beobachten, da dies vor allem in Bezug auf Sedimenttransportvorgänge im Elbeästuar von Bedeutung sein kann, den die Bundesanstalt für Wasserbau (2001) weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass "durch eine Fahrrinnenvertiefung grundsätzlich der Flutast aufgesteilt und damit der Stromauf-Transport der Sedimente (Sedimenttransport und suspendierter Transport) verstärkt wird. Die Folge kann ein drastischer Anstieg der Unterhaltungsbaggermengen in der Fahrrinne und auch im Hamburger Hafen (Senke) sein" (BAW/DH, 2001, S. 2). Inwieweit vor diesem Hintergrund die beschriebenen Veränderungen des Tideverlaufs zu der im Kapitel A.1.8.2 des Anlagebandes erwähnten Erhöhung der Unterhaltungsaufwendungen im Hamburger Hafen in den Jahren nach dem Abschluss der Ausbauarbeiten beigetragen haben, bedarf gesonderter Untersuchung, die jedoch nicht Bestandteil der BS sind.

 

Entwicklung der Flut- und Ebbedauer sowie der Tidelaufzeiten

Für eine Einordnung der aktuellen Variabilität des Verlaufs der mittleren Tidekurve ist eine langzeitstatistische Betrachtung der den Verlauf kennzeichnenden Kenngrößen Flut- und Ebbedauer sowie die Entwicklung der Tidelaufzeiten ein geeignetes Mittel. Die Analyse dieser Tidekenngrößen erlaubt in Verbindung mit den Wasserständen möglicherweise ergänzende Rückschlüsse auf die Ursachen eines sich fortgesetzt ändernden Tidegeschehens.

Abb. III.1.1.1.1-11: Entwicklung der Flut- und Ebbedauer im Elbeästuar

 

Während das Verhältnis von Flut zu Ebbedauer seit Beginn des berücksichtigten Zeitraumes von 1960-2005 am Pegel Helgoland mit 45,5 % zu 54,5 % der Tidedauer schon eine leichte Asymmetrie aufweist (hier nicht dargestellt), verlängert sich die Dauer der Ebbephase stromaufwärts immer weiter bis zu einem Verhältnis von 40 % zu 60 % am Pegel St. Pauli (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-11). Dabei hat die Dauer der Flutphase im Revier in den letzten 45 Jahren zu Lasten der Ebbedauer spürbar zugenommen. So hat die Dauer einer mittleren Flutphase am Pegel St. Pauli von 298 auf 311 Minuten um rd. 13 Min. zugenommen, während die Dauer der Ebbephase von 447 auf 434 Minuten abgenommen hat. Ähnliche Verhältnisse in Bezug auf die Entwicklung der Dauer von Flut- und Ebbephasen werden auch an den anderen Pegeln im Revier beobachtet.

Wesentlich unübersichtlicher stellt sich dagegen die Entwicklung der Scheitellaufzeiten dar. Betrachtet man zunächst die Gesamtlaufzeit der Tidescheitel von Cuxhaven die Elbe hinauf nach Hamburg St. Pauli (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-12), so ist sowohl für die Tideniedrigwasserscheitel als auch für die Tidehochwasserscheitel eine Verkürzung der Laufzeiten seit ca. 1960 festzustellen.

Abb. III.1.1.1.1-12: Entwicklung der Tidelaufzeiten von Cuxhaven nach Hamburg

 

Heute benötigen die Hochwasserscheitel für die rd. 100 km von Cuxhaven nach Hamburg im Durchschnitt gute 215 Minuten und sind damit rd. 30 Minuten oder 12 % schneller als noch 1960. Ähnlich sieht die Entwicklung bei den Niedrigwasserscheiteln aus. Benötigten sie um 1960 noch gute 280 Minuten für die 100 km so schaffen sie es heute in rd. 240 Minuten. Hier beträgt die Beschleunigung sogar rd. 14 %. Parallel zur Entwicklung der MThw-Scheitelwerte stagniert auch die Entwicklung der Thw-Laufzeiten seit ca. 1980. Gleichzeitig nehmen die Tnw-Laufzeiten korrespondierend mit der Entwicklung der MTnw-Scheitelwerte tendenziell weiterhin ab.

Erstaunlich ist insbesondere die ungleiche Entwicklung der Scheitellaufzeiten auf dem Weg stromauf nach Hamburg. So kann festgestellt werden, dass die Laufzeiten der Tidescheitel von Cuxhaven bis Glückstadt über die letzen 40 Jahre sogar leicht zugenommen (vgl. Abbildung III.1.1.1.1-13) und sich bis zur Station Glückstadt auf halbem Wege nach Hamburg mittlerweile auf einheitliche rd. 133 Minuten angeglichen haben.

Abb. III.1.1.1.1-13: Entwicklung der Tidelaufzeiten von Cuxhaven nach Glückstadt

 

Die Verlängerung der Laufzeiten zwischen Cuxhaven und Glückstadt bedeutet aber andererseits, dass die Fortschrittsgeschwindigkeit der Tidewelle auf der Strecke von Glückstadt nach Hamburg stärker abgenommen haben muss als das Mittel der Strecke Cuxhaven - Hamburg. Dies bestätigt auch die AbbildungIII.1.1.1.1-14.

Abb. III.1.1.1.1-14: Entwicklung der Tidelaufzeiten von Glückstadt nach Hamburg

 

Nahezu unverändert stellen sich dagegen die Scheitellaufzeiten von Cuxhaven bis zum Pegel Kollmar etwa 7,5 km oberhalb von Glückstadt mit rd. 145 Minuten dar. Auch hier haben sich die Laufzeiten von Thw- und Tnw-Scheitel mittlerweile angeglichen.

Damit kann davon ausgegangen werden, dass die Fortschrittsgeschwindigkeit der Tidewelle ihre größte Beschleunigung in den vergangenen 45 Jahren zwischen Glückstadt und St. Pauli erfahren hat. Auf diesem Streckenabschnitt hat sich die Laufzeit des Tnw von 155 auf 110 Minuten also um 45 Minuten und die Laufzeit des Thw von 135 auf 80 Minuten sogar um 55 Minuten verringert. Die Fortschrittsgeschwindigkeit des Hochwasserscheitels hat sich damit in diesem Abschnitt von 6,2 m/s auf 10,4 m/s erhöht.

Grundsätzlich bestätigen die vergleichbar dargestellten Entwicklungen der unterschiedlichen hydrologischen Kenngrößen die Auffassung, dass die Ursachen für das in den vergangenen 50 Jahren zum Teil in dramatischem Ausmaß veränderte Tidegeschehen in der Elbe nicht allein auf die anthropogenen Eingriffe zurückgeführt werden kann, sondern natürliche großräumige morphodynamische Veränderungen im Mündungsgebiet und globale Meeresspiegeländerungen zu diesen Entwicklungen maßgeblich beigetragen haben und sicherlich auch weiterhin beitragen werden.