Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

9.7 Landschaft

9.7.1 Wirkfaktoren Aus der Beschreibung der Baumaßnahme (vgl. Kap. 3) lassen sich landschaftsbildverändernde Wirkfaktoren ableiten. Hierbei ist zwischen den visuell direkt wirkenden Baumaßnahmen und der indirekt wirkenden Veränderung der Tidedynamik im Ästuar zu unterscheiden. Folgende Wirkfaktoren sind für das Schutzgut Landschaft zu untersuchen:

Änderung des Tidehochwassers (Thw) und des Tideniedrigwassers (Tnw),

Änderung der Strömungsgeschwindigkeit,

Strandvorspülung,

Aufspülung von Landflächen mit Baggergut,

Aufspülung von Wattflächen und Flachwasserbereichen. Im Folgenden werden die potentiell landschaftsbildverändernden Maßnahmenbestandteile der Fahrrinnenanpassung nach Wirkfaktoren geordnet behandelt. Die Bewertung der einzelnen Baumaßnahmen wird auf der Ebene der flächengenauen Bewertung (1. Bewertungsschritt) ausgeführt. Diese Bewertungsebene ist aufgrund ihrer Detailliertheit besser für die Bewertung einzelner Maßnahmenbestandteile geeignet als die flächenaggregierte Bewertung der Landschaftsbildbereiche (2. Bewertungsschritt). Darüber hinaus wäre der Einfluß eines Eingriffes auf die Wertstufe des Landschaftsbildbereiches vom Größenverhältnis der Eingriffsfläche zur Fläche des Landschaftsbildbereiches abhängig. Die flächengenaue Bewertung ermöglicht dagegen eine genaue, vergleich- und quantifizierbare Betrachtung der Veränderungen der Voraussetzungen für das Landschaftserleben durch die einzelnen Bestandteile und Varianten der Maßnahme. Ergänzend werden auch die Auswirkungen auf die flächenaggregierte Bewertung beschrieben. 9.7.1.1 Auswirkungen der Änderungen der Tidewasserstände Durch die Verwirklichung der beschriebenen Maßnahme werden Veränderungen im Tidegeschehen der Elbe erwartet. Die Bundesanstalt für Wasserbau - Außenstelle Küste (BAW-AK) entwickelte verschiedene Szenarien, so daß sich für Thw und Tnw jeweils ein Prognosekorridor ergibt. Dieser Untersuchung liegen die äußeren Werte der Korridore, also die größte der prognostizierten Thw-Erhöhungen und die größte Tnw-Verringerung zugrunde. Die Veränderungen werden im Verlauf des Ästuars unterschiedlich stark eintreten. Die prognostizierte Erhöhung des Thw beträgt maximal 3,8 cm. Die Verringerung des Tnw erreicht ein Maximum von 7 cm (detaillierte Darstellung in Kap. 5). Auswirkungen auf das Landschaftsbild durch veränderte Thw- und Tnw-Stände sind insbesondere durch eine Veränderung der Vegetation im Uferbereich möglich. Folgende Biotopobertypen werden in Abhängigkeit vom Maß der Thw-Änderung als betroffen eingestuft: Weidenauwald, Weidenauengebüsch, Brackwasserröhricht, Flußröhricht, sonstige Röhrichte sowie Uferstaudenfluren (vgl. Kap. 9.4.2, Karte 9.4 - 3). Diese Biotopobertypen können zwar mit der sich ändernden MThw-Linie wandern, jedoch ist ihre Ausweichfläche nach oben durch Deiche, Bebauung oder andere Nutzungen, wie z.B. Beweidung, begrenzt. Durch die Erhöhung der MThw-Linie steht diesen Biotopobertypen insgesamt eine geringere Fläche zur Besiedelung zur Verfügung. Im Fachgutachten wird deshalb vereinfachend davon ausgegangen, daß alle Bestände der obengenannten Biotoptypen einen Anteil ihrer Fläche einbüßen. Der voraussichtliche Flächenverlust beträgt bei einem MThw-Anstieg von 1-2 cm 2%, von 2-3 cm 3,5% und von 3-4 cm 5% (vgl. MATERIALBAND VI). Diese Werte sind als Durchschnittswerte zu verstehen! Für das Landschaftsbild ergibt sich daraus bei Betrachtung der drei Kriterien "Raumstruktur und Formenschatz", "Naturnähe" und "Anthropogene Prägung" folgendes:   o Raumstruktur und Formenschatz   Flächengenaue Bewertung: Vegetationsbestände werden hier nicht nach ihrer Grundfläche bewertet, sondern nach der Fläche, auf der sich ihre raumstrukturierende Qualität auswirkt (vgl. Bewertungsvorschrift für das Kriterium "Raumstruktur und Formenschatz", Kap. 7.7). Folglich würde nur das völlige Verschwinden von Röhrichten oder Auengehölzen die Qualität (Flächenwertstufe 1 ("Feine Kammerung") und Flächenwertstufe 2 ("Grobe Kammerung")) maßgeblich beeinträchtigen. Aufgrund des Durchschnittscharakters der Prognosewerte ist ein Totalverlust bestimmter Bestände nicht auszuschließen. Der Verlust von Auengehölzen ist aufgrund der oben beschriebenen Wasserstandsveränderung nicht zu erwarten, muß jedoch für Röhrichte angenommen werden, wenn Bestände schmal sind und ein Wandern wegen äußerer Begrenzung nicht möglich ist. Damit müssen sie in den Bereichen mit einer Thw-Erhöhung ab 2 cm - das ist die Erheblichkeitsschwelle für Röhrichte - als gefährdet gelten (Bereich oberhalb der Störmündung, km 678 N). Die betroffenen Biotopobertypen können der Karte 7.4 - 2 (vgl. Kap. 7.4) entnommen werden. Sie befinden sich überwiegend an den Ufern der Nebenflüsse Krückau (Landschaftsbildbereiche 6.13, 6.14), Pinnau (6.9, 6.10, 6.11), Schwinge (6.7, 6.8), Lühe (6.6) und Este (6.4, 6.5). Entlang der Elbe sind schmale Röhrichtbestände in folgenden Landschaftsbildbereichen für das Kriterium von Bedeutung: Krautsand (4.13), Bützflether Außendeich (4.12), Lühesand (4.19), Mojenhörn (4.11), Eschschallen (4.4), Fährmannssander Watt (4.1), Laßrönne Ost (1.12) und Grünerdeich (1.5) (vgl. Kriteriumkarte 7.7 - 1). Flächenaggregierte Bewertung: Da aufgrund des Durchschnittscharakters der Prognosewerte nur ein Gefährdungsrisiko festgestellt werden kann, ist das Maß der Veränderung der Wertstufen der Landschaftsbildbereiche nicht vorherzusagen. Die Wertstufen der oben aufgeführten Landschaftsbildbereiche sind, soweit sie aufgrund der Flächenwertstufen "Feine Kammerung" und "Grobe Kammerung" entstanden sind, als gefährdet zu betrachten, d.h. hier ist eine Änderung der Wertstufe der Landschaftsbildbereiche nicht auszuschließen.   o Naturnähe   Flächen, die durch eine Erhöhung der MThw-Linie den Auengehölzen und den Röhrichten verloren gehen, werden zu Wattflächen. Damit ändert sich in der flächengenauen Bewertung ihre Bewertung als "Naturraumtypische Biotopobertypen" nicht. Diese nicht bewertungsrelevante Veränderung betrifft alle Landschaftsbildbereiche mit Auengehölz- und / oder Röhrichtbiotopen oberhalb Brokdorf (km 688 N).   o Anthropogene Prägung   Mit der Abnahme der Fläche der Röhricht- und Auengehölzbiotope verringert sich die nicht anthropogen geprägte Fläche. Das Ausmaß der Verringerung ist aber zu gering, um für die Bewertung relevant zu sein. Die Veränderung der MThw-Linie hat keine direkten Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Wenn es jedoch zum vollkommenen Verschwinden von sehr schmalen Röhrichtbeständen kommen würde, hätte dies Auswirkungen auf die Qualitäten "Feine Kammerung" und "Grobe Kammerung" des Kriteriums Raumstruktur- und Formenschatz. Da sich nicht prognostizieren läßt, ob es zu solchen Totalverlusten kommt, muß die Veränderung der MThw-Linie als ein Gefährdungsrisiko für die Raumstruktur und den Formenschatz des Landschaftsbildes der betroffenen Landschaftsbildbereiche gelten. 9.7.1.2. Auswirkungen der Änderungen der Strömungsgeschwindigkeit Die Änderungen der maximalen Flut- und Ebbstromgeschwindigkeiten liegen im Bereich zwischen 0 bis 3 cm/s, vereinzelt bis zu 5 cm/s. Diese Veränderungen sind nach Aussage der BAW-AK als gering einzuschätzen und betreffen hauptsächlich den Bereich der Fahrrinne (vgl. Kap. 5). Mögliche landschaftsbildrelevante Wirkungen dieser Änderung der Strömungsverhältnisse wären Veränderungen der Uferlinie oder der Wattflächen. Beides ist nach der Aussage der Fachgutachter zur morphologischen Entwicklung der Hauptstromrinne, der Nebenelben und -rinnen, der Vordeichländer, der Elbinseln und der Nebenflüsse nicht zu erwarten (vgl. Kap. 5). Demnach ist nicht mit Auswirkungen auf das Landschaftsbild zu rechnen. 9.7.1.3 Auswirkungen der Baggergutverbringung Strandvorspülungen Im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke sollen ca. 10% des sandigen Baggergutes für Strandvorspülungen benutzt werden. In den Bereichen Othmarschen / Nienstedten / Blankenese, Schweinesand / Neßsand, Bullenhausen und Heuckenlock sind derartige Maßnahmen vorgesehen. Es handelt sich hier ausschließlich um Flächen, auf denen bereits Strandvorspülungen stattgefunden haben. Nach den Erfahrungen des Amtes Strom- und Hafenbau müssen diese Vorspülungen alle 3-5 Jahre wiederholt werden, um das inzwischen abgetragene Material zu ersetzen. Es handelt sich bei der vorgesehenen Maßnahme demnach nicht um eine nachhaltige Landschaftsveränderung, sondern um die temporäre Wiederherstellung eines instabilen Sollzustandes. Aufspülung von Landflächen mit Baggergut Die Unterbringung von Baggergut auf Landflächen ist auf Pagensand durch ein Spülfeld mit einer Gesamtfläche von 39 ha vorgesehen (vgl. Kap. 3). Durch die Anlage dieses Spülfeldes ergeben sich folgende Wirkungen auf das Landschaftsbild:   o Raumstruktur und Formenschatz   Flächengenaue Bewertung: Beide Teile des Spülfeldes werden mit der Hälfte ihrer Grundfläche (ca. 20 ha) Flächen der Flächenwertstufe "Grobe Kammerung" (Flächenwertstufe 2) überdecken, die hier durch Landschaftsbildelemente der Vegetation (Auwald, Baumreihen, Röhrichte) zustande kommt. Diese Qualität würde durch die Aufspülung vollständig verlorengehen und sich nach der Durchführung der Maßnahme in der beschriebenen Form voraussichtlich nicht wieder einstellen (vgl. Abb. 9.7 - 1). Flächenaggregierte Bewertung: Durch die Verringerung der Fläche der Flächenwertstufe "Grobe Kammerung" um ca. 20 ha verringert sich die Bewertung des Landschaftsbildbereiches nicht. Der Landschaftsbildbereich "Pagensand Nord" (4.21) wird auch nach der Durchführung der Maßnahme noch gute Voraussetzungen für das Erleben von Raumstruktur und Formenschatz aufweisen.   o Naturnähe   Flächengenaue Bewertung: Beide Teile des Spülfeldes werden größtenteils Flächen mit wenig intensiv genutztem Grünland und Ruderalflur der Flächenwertstufe 3 ("Landschaftsraumtypische Biotopobertypen") überdecken. In der Uferzone werden aber auch Wattflächen, Röhrichte und Auwaldbestände, also "Naturraumtypische Biotopobertypen" (Flächenwertstufe 2), zerstört. Am Rand und innerhalb der Grünlandfläche sind auch Flächen deutlicher und starker anthropogener Prägung (Flächenwertstufen 4 und 5) betroffen, die jedoch zusammen mit weniger als 10% nur einen geringen Teil der betroffenen Fläche ausmachen. Das nördliche Spülfeld wird außerdem einen 350 m langen "Bereich naturraumtypischer Zonierung" (Watt - Röhricht - Auwald) zerstören. Nach Beendigung der Maßnahme wird sich voraussichtlich eine Vegetation einstellen, die mit der auf dem ähnlich hohen und flächenhaften Spülfeld im nördlichen Bereich der Insel vergleichbar ist: Magerrasen auf dem trockenen, hochgelegenene Plateau, im unteren Bereich der Böschung Ruderalfluren und Auengebüsch, im Übergangsbereich zum Watt Röhricht. Der größte Teil der aufgespülten Flächen würde nach dem Eingriff und der Besiedelung mit für Spülfelder charakteristischen Biotoptypen als "Biotopobertypen geringer Naturraumbindung" eingestuft (vgl. Abb. 9.7 - 2). Flächenaggregierte Bewertung: Die Wertstufe des rund 323 ha großen Landschaftsbildbereiches "Pagensand - Nord" (4.21) wird durch die 39 ha umfassende Maßnahme nicht verändert. Der Landschaftsbildraum wird auch nach der Baumaßnahme insgesamt noch gute Voraussetzungen für das Erleben der Naturnähe bieten.   o Anthropogene Prägung   Flächengenaue Bewertung: Die südliche Aufspülung würde zur Hälfte eine "Historische Kulturlandschaft, unverändert seit 1880" (Flächenwertstufe 1) und eine "Kulturlandschaft, unverändert seit 1955" (Flächenwertstufe 2) überdecken. Dieses ca. 26 ha große, niedrig gelegene Grünland mit Wegenetz, Baumreihen und einer Wurt ist Zeugnis der früheren landwirtschaftlichen Nutzung Pagensands und des Zustandes der Insel vor der weitgehenden Überprägung durch Aufspülungen. Heute ist der Grünlandbereich an drei Seiten von aufgespülten Flächen umgeben. Nach Anlage eines Spülfeldes an dieser Stelle wäre nicht nur die Geschichte Pagensands nicht mehr in der Landschaft ablesbar; es ginge die letzte auf einer Insel im Strom gelegene Grünlandfläche nahezu vollständig verloren. Die aufgespülten Flächen würden als "Kulturlandschaft, stark verändert seit 1955" bewertet und zudem als durch Aufspülung überprägter Bereich gekennzeichnet werden (vgl. Abb. 9.7 - 3). Flächenaggregierte Bewertung: Die Bewertung der Anthropogenen Prägung des Landschaftsbildbereiches "Pagensand-Nord" (4.21) ändert sich durch die Ausführung der geplanten Baumaßnahme nicht, da nur rund 12% des Landschaftsbildbereiches betroffen sind. Es handelt sich wie bisher um einen Landschaftsbildraum mit sehr schlechten Vorausetzungen für das Erleben der anthropogenen Prägung. Obwohl sich die Bewertung der Landschaftsbildbereiche in den drei Kriterien nicht verändern wird, ist festzustellen, daß das Landschaftsbild durch die Anlage der Spülfelder auf der betroffenen 39 ha großen Fläche in allen drei Kriterien erheblich und nachhaltig beeinträchtigt wird. Abb. 9.7 - 1: Geplante Aufspülung und Situation des Kriteriums "Raumstruktur und Formenschatz" im Bereich Pagensand (Legende vgl. Karte 7.7 - 1)

Abb. 9.7 - 2: Geplante Aufspülung und Situation des Kriteriums "Naturnähe" im Bereich Pagensand (Legende vgl. Karte 7.7 - 2)

Abb. 9.7 - 3: Geplante Aufspülung und Situation des Kriteriums "Anthropogene Prägung" im Bereich Pagensand (Legende vgl. Karte 7.7 - 3)

Aufspülung von Wattflächen und Flachwasserbereichen Alternativ zur Anlage weiterer Spülfelder auf Pagensand ist die Aufspülung der Brammer Bank möglich (Landschaftsbildbereich "Krautsand" (4.13)). Auf einer Grundfläche von ca. 250 ha entstünde ein Strombauwerk, dessen Oberkante mit einer Höhe von ca. NN + 5,90 m ca. 1,70 m über das Mittlere Tidehochwasser herausragen würde. Folgende Wirkungen auf das Landschaftsbild sind zu erwarten:   o Raumstruktur und Formenschatz   Flächengenaue Bewertung: Das neue Strombauwerk entsteht auf einer bisher nicht bewerteten Fläche. Es werden also keine vorhandenen Qualitäten zerstört. Auch ist das Vorhandensein einer Insel an sich weder ein positiver noch ein negativer Faktor für dieses Kriterium. Die zukünftige Bewertung ergibt sich vielmehr aus der Gestaltung und Nutzung der Fläche. Ein Vergleich mit den bereits bestehenden, ebenfalls als Strombauwerke zur Unterbringung von Baggergut entstandenen Elbinseln zeigt, daß durchaus Flächen entstehen können, die wertvolle Voraussetzungen für Raum- und Formerleben bieten. Ausschlaggebend für die unterschiedlichen Qualitäten ist hauptsächlich die Vegetation auf der Insel, die wiederum abhängig ist von der Höhe der Aufspülung, der Modellierung der Geländeoberfläche, der Art des deponierten Substrats sowie der Ufergestaltung und -befestigung. Eine Bebauung der Flächen würde Raumstruktur und Formenschatz ebenfalls beeinflussen. "Feine Kammerung" (Flächenwertstufe 1) wird auf diesen Inseln nicht erreicht, "Grobe Kammerung" (Flächenwertstufe 2) jedoch auf mehr als der Hälfte ihrer Grundfläche. Diese Qualität kann sich nicht einstellen, wenn Inseln zu schmal sind (Bereich zwischen Neßsand und Hanskalbsand, Rhinplatte) oder zu hoch aufgespült (Teile Pagensands und Schwarztonnensands). Demnach kann, eine entsprechende Gestaltung der Insel vorausgesetzt, ein für das Raum- und Formenerleben wertvoller Bereich entstehen. Flächenaggregierte Bewertung: Durch den Bau des Strombauwerkes würde ein neuer Landschaftsbildbereich entstehen. Da keine Großobjekte (Abwertungsparameter) vorhanden sind, würde die neue Insel aufgrund der Flächenwertstufen voraussichtlich gute Voraussetzungen für das Erleben von Raumstruktur und Formenschatz bieten.   o Naturnähe   Flächengenaue Bewertung: Durch die Anlage des Strombauwerkes würden ca. 138 ha Wattfläche verloren gehen, das entspricht etwa 55% der Grundfläche der neuen Insel. Im Gegenzug werden - legt man eine ähnliche Biotopstruktur wie auf Pagensand, Schwarztonnensand und Lühesand zugrunde - großflächig "Biotopobertypen geringer Naturraumbindung" (Flächenwertstufe 4) und/oder "Landschaftsraumtypische Biotopobertypen" (Flächenwertstufe 3) entstehen. Röhricht- und Auengehölzbiotope, die, wie die zerstörten Wattflächen, in die hochbewertete Kategorie "Naturraumtypische Biotopobertypen" (Flächenwertstufe 2) fallen, sind zwangsläufig auf die nicht oder nur gering befestigten Uferzonen beschränkt. Über die Größe derartiger Zonen liegen keine detaillierten Informationen vor. Eine deutliche Verringerung der Flächenwertstufen gegenüber dem jetzigen Zustand ist zu erwarten (vgl. Abb. 9.7 - 4). Flächenaggregierte Bewertung: Durch den Bau des Strombauwerkes würde ein neuer Landschaftsbildbereich entstehen. Das Entstehen von "Bereichen naturraumtypischer Zonierung" (Aufwertungsparameter) ist, je nach Ausbildung der Uferbefestigung, möglich. Demnach würde der Landschaftsbildbereich, je nach Bedeutung des Aufwertungsparameters, durchschnittliche bis gute Voraussetzungen für das Erleben der Naturnähe bieten.   o Anthropogene Prägung   Flächengenaue Bewertung: Durch die Anlage des Strombauwerkes steigt der anthropogen geprägte Flächenanteil. Als "Kulturlandschaft, stark verändert seit 1955" ist die aufgespülte Fläche dann der Flächenwertstufe 3 zuzuordnen. Setzt man eine ähnliche Entwicklung der Nutzung wie bei den anderen durch Strombaumaßnahmen entstandenen Inseln voraus, werden große Flächen der Flächenwertstufe 4 ("Nicht anthropogen genutzt") entstehen. Flächenaggregierte Bewertung: Durch die in der flächengenauen Bewertung der Anthropogenen Prägung prognostizierte Nutzung des Strombauwerkes Brammer Bank und aufgrund der Überprägung der gesamten Fläche durch Aufspülung würde mit der neuen Insel ein Landschaftsbildbereich mit sehr schlechten Voraussetzungen für das Erleben der Anthropogenen Prägung entstehen. Abb. 9.7 - 4: Geplante Aufspülung und Situation des Kriteriums "Naturnähe" im Bereich Brammer Bank (Legende vgl. Karte 7.7 - 2)

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Aufspülung der Brammer Bank in der beschriebenen Form erhebliche und nachhaltige Auswirkungen auf das Landschaftsbild der betroffenen 250 ha großen Fläche hat. Hiervon ist vor allem die Naturnähe des Landschaftsbildes betroffen (138 ha). Vergleich der Varianten "Spülfeld Pagensand" und "Aufspülung Brammer Bank" Die Möglichkeit der Aufspülung der Brammer Bank ist eine Alternative zum vorgesehenen Spülfeld auf Pagensand. Zwischen beiden Vorhabenvarianten ist abzuwägen. Folgende Punkte sind dabei für das Landschaftsbild von Bedeutung: Tab. 9.7 - 1: Vergleich zwischen den Auswirkungen der Aufspülung Pagensand und dem Spülfeld Brammer Bank für das Landschaftsbild
 

Spülfeld Pagensand Aufspülung Brammer Bank
Eingriffsfläche 39 ha 250 ha
Kriterium "Raumstruktur und Formenschatz" Erhebliche Verluste der Qualität "Grobe Kammerung" Keine Verluste vorhandener Qualitäten
Kriterium "Naturnähe" Erhebliche Verluste von naturraumtypischen und landschaftsraumtypischen Biotopobertypen Erhebliche Verluste von naturraumtypischen Biotopobertypen
Kriterium "Anthropogene Prägung" Erhebliche Verluste von Flächen der Kategorien "Historische Kulturlandschaft, unverändert seit 1880" und "Kulturlandschaft, unverändert seit 1955" Keine Verluste bestehender Qualitäten, aber starke, der Eigenart der Kulturlandschaft nicht entsprechende Veränderung

Beide Varianten sind erhebliche und nachhaltige Eingriffe in die Landschaft. Ihre Durchführung würde das Landschaftsbild stark verändern und erheblich Verluste von für das Landschaftserleben wertvollen Landschaftsbildelementen bzw. der kulturlandschaftlichen Eigenart widersprechende Überformungen mit sich bringen. Möglichkeiten zur Verminderung der negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild sind jedoch gegeben:   o Spülfeld Pagensand   Die zur Aufspülung vorgesehenen Flächen weisen in allen drei Kriterien gute bis sehr gute Flächenwertstufen auf. Geringere Qualitätsverluste wären zu erwarten, wenn bereits aufgespülte Flächen zur Ablagerung des Baggergutes ausgewählt und die Uferbereiche nicht beeinträchtigt würden.   o Aufspülung Brammer Bank   Eine Verringerung der negativen Auswirkungen der Maßnahme wäre möglich, wenn der Verlust an Wattfläche durch die Ansiedlung naturraumtypischer Biotopobertypen in den Uferbereichen - möglichst in naturraumnaher Abfolge Watt-Röhricht-Auengehölz - stattfinden würde. Dafür wären breite, flache Uferzonen sowie der weitgehende Verzicht auf die Anlage von Deckwerken und sonstigen Uferbefestigungen die notwendige Voraussetzung. 9.7.2 Fazit Die Auswirkungen der Maßnahme auf die Voraussetzungen für das Landschaftserleben ergeben sich größtenteils aus der oberirdischen Ablagerung des Baggergutes. Für das Untersuchungsgebiet ergibt sich daraus folgendes:

Auf dem größten Teil der Flächen des Untersuchungsgebietes werden sich die Voraussetzungen für das Landschaftserleben voraussichtlich nicht signifikant verändern.

Als einziger Wirkfaktor betrifft die Änderung des Tidehochwassers große Teile des Untersuchungsgebietes. Ihre landschaftsbildrelevante Auswirkung besteht in der Gefährdung sehr schmaler Röhrichtbestände als strukturierende Elemente der Landschaft. Nur bei dem Totalverlust eines erheblichen Anteils der schmalen Röhrichtbestände würde sich die Qualität der Raumstruktur und des Formenschatzes nachhaltig verschlechtern. Da diese Verluste nicht auszuschließen sind, geht von der Änderung des Tidehochwasssers ein Risiko und eine potentielle Gefährdung für die Qualität des Landschaftserlebens aus.

Im Teilraum Pagensand (alternativ: Brammer Bank) ist eine erhebliche Veränderungen des Landschaftsbildes zu erwarten. Da das Landschaftserleben in kleinräumigen Zusammenhängen stattfindet, relativiert die weitgehende Konstanz im übrigen Untersuchungsgebiet diese Veränderungen nicht. Diese Teilräume würden im Rahmen der Durchführung des Vorhabens erheblich und nachhaltig verändert werden. Für die Abwägung zwischen den Alternativen Spülfeld Pagensand und Aufspülung Brammer Bank wurden die jeweiligen Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Generell ist dabei zwischen den geringeren Verlusten an landschaftsbildrelevanten Qualitäten bei Aufspülung auf der Brammer Bank und der um das sechsfache geringeren Flächeninanspruchnahme für das Spülfeld auf Pagensand abzuwägen. Für beide Maßnahmen sind Varianten mit geringeren negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild denkbar. Der Vergleich der oben beschriebenen Auswirkungen der mit der Fahrrinnenanpassung verbundenen landschaftsbildwirksamen Maßnahmen mit den kulturlandschaftlichen Prozessen der Vergangenheit zeigt, daß sich der Trend, große Flächen für moderne Nutzungen zu überprägen und damit kulturhistorisch bedeutsame Landschaftsteile und naturnahe Bereiche zu zerstören, auch in Zukunft fortsetzen wird.