Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

7 BESCHREIBUNG UND BEWERTUNG DES IST-ZUSTANDES

7.1 Gewässer 7.1.1. Hydrologie und Morphologie Die Hydrologie und die Morphologie der Tideelbe stellen wichtige abiotische Faktorenkomplexe dar, die die Lebensraumbedingungen und insbesondere die Struktur der Biozönosen im Untersuchungsgebiet direkt oder indirekt prägen. In diesem Kapitel sollen die für die hydrologische und morphologische Ausformung des Gewässers wesentlichen Faktoren kurz skizziert und die derzeitige Ausprägung von Hydrologie und Morphologie bewertet werden. Hydrologie Die Elbe entwässert in der Bundesrepublik Deutschland eine Fläche von insgesamt 96.967 km2; (ARGE ELBE 1984). Das Untersuchungsgebiet dieser UVS umfaßt beinahe den gesamten Bereich der Tideelbe, die sich wiederum in vier Abschnitte unterteilen läßt (vgl. Tab. 7.1 - 1).   Tab. 7.1 - 1: Bezeichnung der Abschnitte der Bundeswasserstraße Elbe (BMV 1992)
 

Bezeichnung des Elbabschnittes Strom-km

o Böhmische Elbe 

Von der Quelle bis zur deutsch-tschechischen Grenze 

Fließstrecke 415,0 km

o Oberelbe 

Landesgrenze bis Elstermündung

Strom-km 0,0 - 198,6

o Mittelelbe 

Elstermündung bis Wehr Geesthacht 

Strom-km 198,6 - 585,9

o Tideelbe: 

Wehr Geesthacht bis Feuerschiff Elbe   - Obere Tideelbe  - Hamburger Stromspaltungsgebiet  - Unterelbe  - Außenelbe

Strom-km 585,9 - 769,4 

Strom-km 585,9 - 607,5  Strom-km 607,5 - 625,6  Strom-km 625,6 - 727,7  Strom-km 727,7 - 769,4

Die obere Grenze der Tideelbe ist durch das Wehr Geesthacht festgelegt. Dieses Stauwehr wurde 1960 in Betrieb genommen, um die weitere rückschreitende Erosion (flußaufwärts gerichtete Tieferlegung der Sohle) einzudämmen. Es stellt eine künstliche Tidegrenze dar, die jedoch bei hohen Oberwasserabflüssen und Sturmfluten aufgehoben wird, um eine mögliche Überströmung der Deiche zu verhindern. Bei Strom-km 607,5 A endet die obere Tideelbe und der Strom teilt sich in die Norder- und Süderelbe (Hamburger Stromspaltungsgebiet). Die Süderelbe geht in den Köhlbrand über, der sich bei Strom-km 625,6 A wieder mit der Norderelbe vereinigt. Von dort an weitet sich die Unterelbe allmählich zu einer breiten Trichtermündung (Ästuar )1) auf. Im Verlauf vom Wehr Geesthacht bis zur Nordsee münden eine Reihe von Nebenflüssen in die Elbe. Diese Nebenflüsse stehen natürlicherweise unter Tideeinfluß, der häufig einige Kilometer stromauf durch Bauwerke (Wehre, Siele, Schleusen) begrenzt wird (vgl. Tab. 7.1 - 2). Die an den Mündungen der Nebenflüsse eingerichteten Sturmflutsperrwerke begrenzen den Tideeinfluß im Normalfall nicht, da sie nur bei Sturmfluten geschlossen werden. Dies hat zur Folge, daß das Wasser in der Tideelbe bei Sturmfluten höher aufläuft, da weniger Raum zur Ausbreitung der Wassermassen zur Verfügung steht.   Tab. 7.1 - 2: Tidebeeinflußte Nebenflüsse in Niedersachsen und Schleswig-Holstein mit den tidebegrenzenden Bauwerken
 

Niedersachsen Schleswig-Holstein
Ilmenau Wehr Pinnau -
Luhe Wehr Krückau -
Este Wehr Stör -
Lühe - Wedeler Au Wehr
Schwinge Schleuse   
Oste Wehr   

Die Nebenelben stellen überwiegend die Reste alter Nebenarme der Tideelbe dar, die durch Baggergutablagerungen (Spülfelder, aufgespülte Inseln) vom Hauptstrom der Unterelbe abgetrennt wurden. Nebenelben sind nur in den Untersuchungsabschnitten III, IV, V und VI vorhanden (vgl. Tab. 7.1 - 3). Tab. 7.1 - 3: Nebenelben der Tideelbe
 

Untersuchungsabschnitt
III IV V VI
Hahnöfer Nebenelbe, Lühesander NebenelbeHaseldorfer Binnenelbe, Bützflether Süderelbe, Ruthenstrom, Pagensander NebenelbeWischhafener Süderelbe, Glückstädter NebenelbeNeufelder Rinne

Im folgenden werden die wichtigsten Faktoren, die die Hydrologie des Untersuchungsgebietes beeinflussen, noch einmal kurz beschrieben. Eine umfassende Erläuterung der Tidedynamik erfolgte bereits in Kapitel 5. o Gezeiten Die astronomisch bedingten Gezeiten sind immer vorhanden und streng periodisch. In der Nordsee und im Elbeästuar beträgt die Periode im Mittel 12 Stunden und 25 Minuten. Es treten jeweils zweimal pro Tag Hoch- und Niedrigwasser auf. Die bei Hochwasser in das Elbeästuar einschwingende Tidewelle wird durch die Verengung des Gewässerquerschnitts verformt und steilt sich auf. o Oberwasserzufluß Das Oberwasser wirkt sich nicht nur auf die Wasserstände, die Strömungen und den Stofftransport aus, sondern es vermischt sich mit dem durch die Tidewelle in die Elbe eindringenden Meerwasser und bewirkt so die Ausbildung der Brackwasserzone. Somit hat der Oberwasserzufluß eine übergreifende Bedeutung für die Verbreitung limnischer und mariner Organismen in der Unter- und Außenelbe. Der Oberwasserzufluß ist abhängig von den Witterungsverhältnissen, dem Oberflächenabfluß und den Retentionsräumen (Hochwasserrückhaltevermögen) im Einzugsgebiet der Elbe. Während die Abflußmaxima im März und April mit dem Einsetzen der Schneeschmelze in den Mittelgebirgen erreicht werden, verursachen die geringen Niederschlagsmengen im Herbst häufig ausgedehnte Niedrigwasserperioden in der Elbe. Die starken sommerlichen Niederschläge führen hingegen zu keiner Erhöhung des Abflusses, da in der warmen Jahreszeit auch die Verdunstung steigt. Der monatliche sowie der langjährige Verlauf des Oberwasserzuflusses am Pegel Neu-Darchau ist der Abbildung 7.1 - 1 zu entnehmen. Der Pegel Neu-Darchau befindet sich in der Mittelelbe bei Strom-km 536,4 (A) und erfaßt den Abfluß aus ca. 90% des Einzugsgebietes. Der langjährige Mittelwert für den Oberwasserzufluß der Jahresreihe 1875-1993 liegt bei 706 m3;/s.   Abb. 7.1 - 1: Monatlicher und langjähriger Oberwasserzufluß am Pegel Neu Darchau

o Wind Meteorologische Einflüsse wie starke und anhaltende Westwinde können zu Windstau führen und Sturmfluten zur Folge haben. Anhaltende starke Ostwinde drücken hingegen das Wasser aus der Elbe und können in Zusammenhang mit niedrigem Oberwasser extreme Niedrigwasserstände nach sich ziehen. Aus diesem Grund können die Extremwerte der gemessenen Tidehoch- und Tideniedrigwasserstände, über einen langen Zeitraum betrachtet, bis zu 10 m auseinanderliegen (SCHOEN 1983). Für die meisten Lebensräume sowie für Flora und Fauna spielen diese Extremwasserstände, die zu kurzer Überflutung und kurzem Trockenfallen führen und zudem selten auftreten, eine untergeordnete Rolle. Von Bedeutung sind sie hingegen für den Hochwasserschutz, die Schiffahrt sowie die Kultur- und Sachgüter. Durch den Wind werden auch Wellen unterschiedlichen Ausmaßes und wechselnder Richtung erzeugt. In Verbindung mit der periodischen Laufrichtung des Tideflusses ändert sich somit die natürliche Belastung der Ufer durch Wellenschlag von Ort zu Ort. o Strömungsverhältnisse Die Strömungsverhältnisse in einem Ästuar stellen im wesentlichen eine Überlagerung der Gezeitenströme mit Triftströmungen (Wind), Drehströmungen (Rechtsablenkung), Dichteströmungen (Salzgehalt des Meerwassers), örtlichen Strömungen (an Buhnen, in Hafeneinfahrten, Rinnen usw.) und Oberwasserzufluß dar. Das Flußbett der Elbe weist mehrere ausgeprägte Rinnen auf, durch die der größte Teil des Wassers fließt. Es erreicht dort bzw. in der Hauptrinne die größten Fließgeschwindigkeiten, da aufgrund der großen Wassertiefen in diesem Bereich die Bodenreibung bezogen auf die gesamte Wassersäule am geringsten ist. In den rauheren, flacheren Randbereichen sind die Fließgeschwindigkeiten geringer, da die Tidewelle aufgrund der Bodenreibung schneller abgebremst wird, während in der tiefen Hauptrinne die Massenträgheit weiter wirksam ist (FLÜGGE 1993). Die unterschiedlichen Strömungsverhältnisse prägen auf vielfältige Weise die aquatischen und terrestrischen Lebensräume. Zum einen wirken sie über die Prozesse Transport, Sedimentation und Erosion auf die Böden, die Sedimente, das Lichtklima und das Relief. Zum anderen wirken sie direkt auf Pflanzen und Tiere, die sich nur in den Lebensräumen aufhalten bzw. ansiedeln können, an deren Strömungsgeschwindigkeiten sie angepaßt sind. Bei den terrestrischen Lebensräumen betrifft letzteres vornehmlich den Einflußbereich der periodischen Wasserstandsschwankungen. o Stromkenterung Die Stromkenterung (Strömungsumkehr beim Wechsel des Tidestroms) tritt im Küstenvorfeld und im Elbeästuar kurz nach dem Eintritt der Scheitelwasserstände ein, allerdings mit sehr großen regionalen Unterschieden (z.B. in den flachen Randbereichen der Elbe stets sehr viel früher als in der Hauptrinne). Im inneren Teil der Tideelbe vom Wehr Geesthacht bis Glückstadt wird sie in starkem Maße durch den jeweiligen Oberwasserzufluß bestimmt. o Flut- und Ebbedauer Bei einer mittleren Dauer einer vollen Tide von ca. 12 h 25 min sind in der offenen See beide Tidephasen nahezu gleich lang. Typisch für Ästuare wie die Elbe ist, daß die Ebbedauer zunimmt, je weiter man zur Tidegrenze vordringt, und dazu korrespondierend die Flutdauer abnimmt. So verringert sich die Flutdauer von 5½; bis 6 Stunden in der Außenelbe auf 3½; bis 4 Stunden unterhalb des Wehres Geesthacht. Entsprechend verlängert sich die Ebbedauer von 6½; bis 7 Stunden in der Außenelbe auf 8½; bis 9 Stunden am Wehr Geesthacht. o Tidewasserstände, Überflutungsdauer und -häufigkeit Die auffälligste und für die Charakterisierung der Lebensräume wichtigste Ausprägung der Tidedynamik sind die schwankenden Wasserstände. Diese werden zumeist als Mittleres Tidehochwasser (MThw), Mittleres Tideniedrigwasser (MTnw) und daraus resultierend Mittlerer Tidenhub (MThb) angegeben. Es handelt sich hierbei um monatlich oder jährlich gemittelte Scheitelwasserstände, i.d.R. jedoch um 3- bzw. 5-Jahres-Mittel. Die einzelnen Meßwerte schwanken um diese Mittelwerte und können bei extremen Wasserständen um mehrere Dezimeter davon abweichen. Mit den Wasserstandshöhen verbunden sind die Überflutungsdauer und -häufigkeit. Wasserstände, Überflutungshäufigkeiten und -dauern wirken sich vielfältig auf die Lebensräume der Tiere und Pflanzen aus. Zum einen beeinflussen sie die Standortfeuchte sowie das Sedimentations- und Erosionsgeschehen (z.B. Übersandung, Verlagerung von Strandwällen), zum anderen stellen sie für Pflanzen und Tiere natürliche Einflüsse in Verbindung mit Strömung und Wellenschlag dar. Die natürliche Dynamik des Tideflusses ist heute stark eingeschränkt. Durch Eindeichungen und Strombaumaßnahmen veränderten sich nicht nur die Tidewasserstände. Der Strom wurde so geregelt und seitlich begrenzt, daß umfangreichere natürliche Umbildungen des Flußbettes nur noch unterhalb von Brunsbüttel auftreten (z.B. Verlagerung der Medemrinne) und die einst bis zum Geestrand reichende bei Hochwasser überflutete Fläche auf schmale Vordeichländer begrenzt ist. Die Nebenflüsse sind im Mündungsbereich durch eine starke Gezeitendynamik geprägt. Der von der Elbe einschwingende Tidenhub wird jedoch stromaufwärts aufgrund abnehmender Wassertiefen (Reibungseinflüsse) deutlich gedämpft. Hinsichtlich der Tidedynamik weisen die Nebenflüsse recht unterschiedliche Charakteristika auf, da sie z.T. mit tidebegrenzenden Bauwerken versehen sind (vgl. Tab. 7.1 - 2). Einen Sonderfall stellt die Schwinge dar, bei der das Thw im Mündungsbereich bei Stadersand die gleiche Höhenlage aufweist wie das Thw in Stade. o Salzgehalte/Brackwasserzone Die Brackwasserzone in einem Tideästuar ist der Bereich, in dem sich Süß- und Salzwasser mischen. Bestimmte Salzgehaltsschwankungen sowie eine sehr anpassungsfähige Biozönose kennzeichnen dieses Gebiet. Die stromauf gelegene Grenze (obere Brackwassergrenze) gibt Aufschluß darüber, wie weit das mit der Flut von See her eindringende Wasser stromauf gelangen kann. Nach ARGE ELBE (1992) liegt die obere Brackwassergrenze bei Chloridgehalten von 300 mg/l, was einem Salzgehalt von 0,5‰ entspricht. Diese Definition der Brackwassergrenze ist allgemein anerkannt und gilt auch für diese UVS (MATERIALBAND II a, MATERIALBAND VII). Die Lage der Brackwasserzone wird beeinflußt durch

die Gezeiten,

den Oberwasserzufluß und

die Windstauwirkung von der Seeseite. Die obere Brackwassergrenze kann je nach hydrologischen und meteorologischen Randbedingungen (Wind, Oberwassermenge usw.) in einem 80 km langen Elbabschnitt variieren. In Zeiten mit anhaltend niedrigen Oberwasserzuflüssen, wie im Sommer und Herbst, dringt die obere Brackwassergrenze stromauf bis in den Bereich Lühesand vor (BERGEMANN 1995). Dies geschieht sehr langsam über einen Zeitraum von mehreren Wochen. Bei einem Anstieg des Oberwasserzuflusses hingegen wird die Brackwasserzone innerhalb weniger Tiden stromab verschoben. Die derzeitigen Salzgehaltsverhältnisse bzw. die Lage der Brackwasserzone sind bereits durch die vorangegangenen Ausbaumaßnahmen wesentlich beeinflußt. Die Ergebnisse der Untersuchungen von RIEDEL-LORJÉ, KOHLA & VAESSEN (1995) und BERGEMANN (1995) deuten darauf hin, daß die obere Brackwassergrenze infolge der Fahrrinnenvertiefungen seit Beginn dieses Jahrhunderts bis zu ca. 20 km weiter stromauf vorgedrungen ist. Von den Nebenflüssen liegen die Stör und die Oste ständig im Einflußbereich der Brackwasserzone der Elbe. Es handelt sich bei ihnen zudem um die beiden größten tidebeeinflußten Nebenflußsysteme der Elbe, die aufgrund ihrer Lage innerhalb des Systems eine eigene Brackwasserzone aufweisen. Die Mündungen von Pinnau und Krückau befinden sich bei anhaltend niedrigen Oberwasserzuflüssen der Tideelbe im oberen Bereich der Brackwasserzone und unterliegen damit wechselnden Salzgehalten. Die Lage der Brackwasserzone in der Pinnau und Krückau selbst ist wiederum sehr stark von deren Oberwasserzufluß abhängig. o Sturmfluten Die Sturmfluten stellen Extremereignisse dar, die in Abhängigkeit von astronomischen, meteorologischen und hydrologischen Einflüssen einen sehr unterschiedlichen Verlauf und Charakter aufweisen. Die höchsten Sturmflutwasserstände in der Elbe treten bei gleichzeitigem Eintreffen von sehr hohen Tidewasserständen und sehr starken Stürmen auf. o Seegangsbelastung Der in der Außenelbe noch deutlich ausgeprägte Seegang dringt aufgrund der starken Dämpfung der Wellen durch die Watten nicht allzuweit in das Elbeästuar ein. Die Wellen sind bis Cuxhaven nachweisbar und können noch Wellenhöhen bis 2 m erreichen (NLÖ 1989 zitiert in MATERIALBAND I). In der Unterelbe bis zum Hamburger Hafen herrscht ausschließlich lokal entstandener Windseegang vor, wobei im Bereich von Nienstedten und des Fischereihafens in Hamburg bei Starkwindereignissen Wellenhöhen bis 0,5 m gemessen wurden. Morphologie Unter dem Begriff Morphologie werden in dieser UVS nicht nur die morphologischen Strukturen des Gewässers, sondern auch die der angrenzenden, semiterrestrischen (amphibischen) und terrestrischen Lebensräume verstanden. In Wechselwirkung mit der Tidedynamik hat die Morphologie wesentlichen Einfluß auf die Lebensraumbedingungen in der Tideelbe. Im natürlichen Zustand unterliegt das Relief von den Stromrinnen bis zum Deichvorland einer intensiven Morphodynamik, die vor allem durch die Tidedynamik und das damit verbundene heterogene Strömungsgeschehen bedingt ist. Dieses wirkt sich wiederum auf den Materialtransport, die Sedimentation und die Erosion aus. Sichtbare Ergebnisse der natürlichen Dynamik sind Stromspaltungen, Bettverlagerungen, übergroße Strombreiten, Kolke und Auflandungen (Sände, Watt), Nebenarme, Rinnen, Priele, Abbruchkanten und Strömungsrippel. Die Gewässersohle der Elbe zwischen Hamburg und Cuxhaven läßt sich anhand der Abflußquerschnitte in folgende morphologisch unterschiedliche Bereiche einteilen (vgl. MATERIALBAND I):

einen rinnenförmigen Bereich zwischen Hamburg und der Störmündung,

einen Übergangsbereich zwischen der Störmündung und Balje und

einen trichterförmigen Bereich zwischen Balje und Cuxhaven. Die Gewässersohle weist mehrere ausgeprägte Rinnen auf, wobei die Hauptrinne gleichzeitig die Fahrrinne bildet. Seewärts von Cuxhaven schneidet diese Abflußrinne der Elbe in das der Küste vorgelagerte Watt. Der Anteil der Fahrrrinnenfläche an der Gesamtabflußquerschnittsfläche ist relativ gering. Er beträgt bei Wedel ca. 20% und lediglich in einer Engstelle bei Grünendeich (Strom-km 645,5 A) ca. 55%. Die o.g. Einteilung spiegelt die generellen morphologischen Umbildungsprozesse wider. So ist der rinnenförmige Bereich, in dem überwiegend Tiefenerosion stattfindet, durch die seitlich begrenzte Ausdehnung der Abflußrinne und der Flußwatten gekennzeichnet. In dem morphologisch relativ stabilen Übergangsbereich findet vergleichsweise wenig Erosion statt. Der trichterförmige Bereich ist durch die Ausweitung der Abflußquerschnitte in nördliche Richtung (Zurückweichen des Medemsandes/Medemgrundes und des Neufelder Watts) sowie Nebenrinnenbildung nördlich der Hauptabflußrinne geprägt. Es überwiegen horizontale Erosionsprozesse. Im seewärtigen Teil des Ästuars verursacht die West-Ost-Drift in der Deutschen Bucht einen Zustand verstärkter Umlagerungsprozesse. Die Gewässersohle ist unregelmäßig verformt und durch "natürliche" Übertiefen (in diesem Fall Bereiche mit größeren Tiefen als die Solltiefe) und Riffelformationen strukturiert. Die Riffel prägen insbesondere im rinnenförmigen Bereich die Sohle, die sich daher bereichsweise durch ein stark bewegtes Relief auszeichnet. Sie weist aber auch Kuppenbereiche (Reste von kuppigen Grundmoränen) mit relativ glatter Gewässersohle ohne ausgeprägte Riffelstrukturen auf. Die Wassertiefen reichen im rinnenförmigen Bereich bis ca. NN -20 m. Der Übergangsbereich ist ähnlich wie der rinnenförmige Bereich ausgeprägt. Die im trichterförmigen Bereich relativ schwach strukturierte Sohle weist erst am seewärtigen Ende größere Übertiefenbereiche auf. Die größte Wassertiefe erreicht die Fahrrinne in einem Übertiefenbereich bei Cuxhaven mit NN -35 m (vgl. MATERIALBAND I). Die natürliche Morphodynamik des Gewässers ist durch zahlreiche anthropogene Eingriffe mittlerweile stark eingeschränkt. Diese setzten mit der Besiedlung der Elbmarschen und ihrer Nutzbarmachung im 7. Jahrhundert ein. Der Bau von Hafenanlagen, von denen die ältesten aus dem 9. Jahrhundert stammen, und die seit dem 14. Jahrhundert durchgeführten wasserbaulichen Maßnahmen stellten weitere Eingriffe dar. Darüber hinaus wurden durch den Deichbau bereits seit dem 12. Jahrhundert große Flächen der natürlichen Überflutung entzogen (nach PALUSKA 1989 und REKY 1992). Direkte Veränderungen der Flußsohle erfolgten seit Beginn des letzten Jahrhunderts. So wurden gegen das Verschlicken von Hafenanlagen Stromeggen bei ablaufendem Wasser eingesetzt (Aufrühren des Fahrwassergrundes). Seit Mitte des letzten Jahrhunderts erfolgten schließlich verschiedene Fahrrinnenvertiefungen (Baggerungen), wobei mit den seit Beginn dieses Jahrhunderts durchgeführten "großen" Fahrrinnenvertiefungen die intensivsten Veränderungen verbunden waren (vgl. Kap. 7.7). Die umfangreichen Maßnahmen, zu denen auch das Abdämmen von Nebenelben sowie die Anlage von Uferbefestigungen gehören, haben im Landschaftsraum Tideelbe zu einer deutlichen Verringerung der tidebeeinflußten Priel- und Marschgräben sowie der Vordeichländer, der Flachwasserzonen und der Nebengewässer geführt. Die natürliche Dynamik der Ufer (Erosion, Abbruchkanten) wurde auf großen Strecken eingeschränkt bzw. unterbunden. Zugleich nahmen die Tiefwasserbereiche 10 m unter MTnw zu. Trotz der eingeschränkten natürlichen Dynamik und der geringen Höhenunterschiede weist das Untersuchungsgebiet viele verschiedene Lebensräume auf, da je nach Hangneigung bereits wenige Zentimeter Höhenunterschied große Veränderungen der Lebensbedingungen für Tiere und Pflanzen bedeuten können. 7.1.1.1 Grundlagen der hydrologischen und morphologischen Bewertung Die Bewertung eines Fließgewässers beschränkte sich bisher auf die Erfassung physikalisch-chemischer und bestimmter biologischer Parameter. In den vergangenen Jahren wurden allerdings Konzepte entwickelt, die über die reine Erfassung der Gewässerbelastung im Rahmen der Gewässergüteklassen (LAWA 1990) oder die Untersuchung ausgewählter Arten der aquatischen Biozönose hinausgehend eine ökologische Bewertung des Gewässerzustandes anstreben. So führte die ARGE ELBE im Rahmen einer gewässerökologischen Studie eine Flächenbilanzierung von morphologischen Strukturelementen durch (ARGE ELBE 1984). Des weiteren liegt für die Unterweser ein erster Ansatz zur ökologischen Bewertung eines Tidegewässers vor (PLANUNGSGRUPPE GRÜN & AG AQUATISCHE ÖKOLOGIE 1993). Bei der Bewertung der Faktorenkomplexe zur Hydrologie und Morphologie besteht jedoch die Schwierigkeit, handhabbare Kriterien für nachvollziehbare Bewertungsverfahren zu finden. In Abweichung von den für die vorliegende UVS aufgestellten Bewertungsgrundsätzen (vgl. Kap. 6), orientiert sich die Bewertung der hydrologischen und morphologischen Verhältnisse teilweise an einem Referenzzustand gegen Ende des 19. Jahrhunderts bzw. zu Anfang des 20. Jahrhunderts, für den verwendbare Datengrundlagen (Pegelmessungen, historische Karten) zur Verfügung standen. Die Rekonstruktion eines weiter zurückliegenden "natürlichen" Zustands ist auf der Basis der verfügbaren Daten nicht möglich. Der Bezug auf einen historischen Zustand geschieht an dieser Stelle unter der Prämisse, daß in dem betrachteten Zeitraum die hydrologischen und morphologischen Voraussetzungen zur Entwicklung eines zur Selbstregulierung fähigen Systems gegeben waren. Man kann unter hydro- und morphodynamischen Gesichtspunkten noch von einem weitgehend intakten Lebensraum reden 2) . Anthropogene Störungen der Hydrodynamik waren bis zu diesem Zeitpunkt in geringem Umfang erfolgt und hatten diese nur unwesentlich verändert. Durch Eindeichungen gab es allerdings schon Veränderungen der Morphodynamik, indem große Teile der Marschen dem Überschwemmungsgeschehen bereits entzogen waren. Die Bewertung der Hydrologie erfolgt anhand der historischen Entwicklung der Tidewasserstände. Mit den Aufzeichnungen der Pegelmessungen stehen hierfür Wasserstandsdaten zur Verfügung, die teilweise weit in das letzte Jahrhundert zurückreichen und es ermöglichen, ein Tidegeschehen als Referenzzustand heranzuziehen, das noch weitgehend unbeeinflußt von anthropogenen Einflußfaktoren ist und damit dem Zielsystem entspricht. Der Erhalt und die Entwicklung einer natürlichen Morphodynamik stellen die umweltschutzfachlichen Ziele bei der Bewertung der Morphologie dar. Die Bewertung richtet sich an diesen Zielen aus und erfolgt anhand von zwei Kriteriengruppen:

Morphologische Strukturelemente: - Vordeichfläche, - Wattfläche, - Flachwasser und - Tiefwasser.

Bauliche Veränderungen: - Uferbeschaffenheit und - Querschnittsausprägung. Informationen über die morphologischen Strukturelemente konnten den historischen Seekarten aus den Jahren 1896 und 1905 und anderen Kartenwerken entnommen werden. Die baulichen Veränderungen lassen sich hingegen anhand von aktuellen Unterlagen über die Uferbeschaffenheit und Querschnittsausprägung bewerten. 7.1.1.2 Bewertung der historischen Wasserstandsentwicklung Als Referenzzeitpunkt für die Bewertung der historischen Wasserstandsentwicklung wurde das Jahr 1902 festgelegt, da mit Ausnahme des Abschnitts V (Pegel Brunsbüttel: Pegelmessungen seit 1932) in allen Untersuchungsabschnitten Wasserstandsdaten von 1902 an verfügbar sind. Von den verschiedenen zur Verfügung stehenden Elbepegeln wurde pro Untersuchungsabschnitt ein repräsentativer Pegel ausgewählt. Betrachtet werden die 3-jährigen übergreifenden Jahresmittel (dadurch Glättung des Oberwassereinflusses) bezogen auf das Gewässerkundliche Jahr (01.11. bis 31.10.). Alle Werte sind in cm über Pegelnull ( NN -5 m) angegeben. Veränderung des MTnw Der Maßstab für die Bewertung der Veränderungen des MTnw orientiert sich an der Gefährdung der ökologisch wertvollen Flachwasserzonen. Das Absinken oder Ansteigen des MTnw um 1 m bedeutet einen so deutlichen Verlust der vorhandenen Flachwasserzonen, daß mit gravierenden Folgen für die aquatischen Lebensgemeinschaften zu rechnen ist. Die prozentuale Skalierung der fünf Wertstufen wird daher an der maximalen Veränderung von 100 cm ausgerichtet, die nach dieser Definition 100% Verlust bedeuten würde (vgl. Tab. 7.1 - 4). Der Aspekt, daß bei einer Veränderung des MTnw neue Flachwasserzonen entstehen könnten, wird hierbei vernachlässigt. Tab. 7.1 - 4: Bewertungsrahmen für das MTnw und das MThw
 

Wertstufe Veränderung  
  in Prozent in cm
Wertstufe 1 < 10% < 10 cm
Wertstufe 2 < 30% < 30 cm
Wertstufe 3 < 50% < 50 cm
Wertstufe 4 < 70% < 70 cm
Wertstufe 5 ³ 70% ³ 70 cm

In Tabelle 7.1 - 5 sind die Pegeldaten der Jahre 1902 und 1993 sowie die sich aus der Veränderung des MTnw ergebenden Wertstufen aufgeführt. Tab. 7.1 - 5: Bewertung der Veränderung des MTnw (cm über Pegelnull)
 

Unter- suchungsabschnitt Pegel Jahr Veränderung Wertstufe
1902 1993
I Zollenspieker 644 484 -160 5
II St. Pauli 462 350 -112 5
III Schulau 404 363 -41 3
IV Glückstadt 360 374 +14 2
V Brunsbüttel 348 366 +18 2
VI Cuxhaven 345 354 +9 1

Veränderung des MThw Der Maßstab für die Bewertung der Veränderungen des MThw orientiert sich an der Gefährdung der ökologisch wertvollen Röhrichtzonen. Das Absinken oder Ansteigen des MThw um 1 m bedeutet einen vollständigen Verlust der Röhrichtzonen auf den Wattflächen. Zugrunde liegen die Untersuchungen von KÖTTER (1961), nach denen sich die Röhrichte der Wattflächen im Bereich zwischen MThw und MThw -1 m im Optimalstadium befinden. Die prozentuale Skalierung der fünf Wertstufen wird daher an der maximalen Veränderung von 100 cm ausgerichtet, die nach dieser Definition 100% Verlust der Wattröhrichte bedeuten würde (vgl. Tab. 7.1 - 4). In Tabelle 7.1 - 6 sind die Pegeldaten der Jahre 1902 und 1993 sowie die sich aus der Veränderung des MThw ergebenden Wertstufen aufgeführt. Tab. 7.1 - 6: Bewertung der Veränderung des MThw (cm über Pegelnull)
 

Unter- suchungsabschnitt Pegel Jahr Veränderung Wertstufe
1902 1993
I Zollenspieker 712 745 +33 3
II St. Pauli 659 708 +49 3
III Schulau 653 687 +34 3
IV Glückstadt 646 656 +10 2
V Brunsbüttel 620 648 +28 2
VI Cuxhaven 630 651 +21 2

Veränderung des MThb Der Maßstab für die Veränderungen des MThb ergibt sich aus der Zusammenschau der Veränderungen des MThw und MTnw. Eine Zunahme des MThb von 2 m ergibt sich aus der maximalen MTnw- (1 m) und maximalen MThw-Veränderung (1 m) und würde nach den o.g. Definitionen 100% Verlust der Flachwasserzonen und/oder Röhrichte bedeuten (vgl. Tab. 7.1 - 7). Tab. 7.1 - 7: Bewertungsrahmen für den MThb
 

Wertstufe Veränderung
  in Prozent in cm
Wertstufe 1 < 10% < 20 cm
Wertstufe 2 < 30% < 60 cm
Wertstufe 3 < 50% < 100 cm
Wertstufe 4 < 70% < 140 cm
Wertstufe 5 ³ 70% ³ 140 cm

In Tabelle 7.1 - 8 sind die Daten der Jahre 1902 und 1993 sowie die sich aus der Veränderung des MThb ergebenen Wertstufen aufgeführt. Tab. 7.1 - 8: Bewertung der Veränderung des MThb [cm]
 

Unter- suchungsabschnitt Pegel Jahr Veränderung Wertstufe
1902 1993
I Zollenspieker 68 261 +193 5
II St. Pauli 197 358 +161 5
III Schulau 249 324 +75 3
IV Glückstadt 286 282 -4 1
V Brunsbüttel 272 282 +10 1
VI Cuxhaven 285 297 +12 1

7.1.1.3 Bewertung der morphologischen Strukturelemente Bei den morphologischen Strukturelementen handelt es sich um charakteristische Landschaftselemente des Ökosystems der Tideelbe, die eine Vielzahl bedeutender Lebensraumfaktoren beeinflussen. Die Bewertung dieser Kriteriengruppe geht von der Grundüberlegung aus, daß bei einer bestimmten Größe der einzelnen Strukturelemente grundsätzlich die Möglichkeit zur Ausprägung der gebietstypischen Lebensraumbedingungen und der funktionalen Zusammenhänge gegeben ist. Die Bilanzierung der Flächengröße der einzelnen Strukturelemente im derzeitigen Zustand und der Vergleich dieser Daten mit einem aus ökologischer Sicht weitgehend optimalen Zustand (Referenzzustand) eignet sich daher zur Bewertung der Ausprägung der Morphologie. Die morphologischen Strukturelemente werden folgendermaßen definiert:

Die Vordeichflächen sind durch aperiodische Überflutungen bei höheren Wasserständen gekennzeichnet und liegen zwischen dem Ufer (MThw-Linie) und der Geestkante oder dem Deich, die den Überschwemmungsbereich landseitig begrenzen.

Die durch den regelmäßigen Wechsel von Überflutung und Trockenfallen geprägten Wattflächen liegen zwischen dem Ufer (MThw-Linie) und der Mittleren Tideniedrigwasser-Linie (MTnw-Linie).

Das Flachwasser schließt an die Wattflächen an und weist im Vergleich mit dem tieferen Wasser ein relativ gutes Lichtklima auf. Es wird im Rahmen der vorliegenden Arbeit als Bereich bis 2 m unter MTnw definiert.

Das Tiefwasser weist Tiefen von mehr als 2 m unter MTnw auf, wobei das Tiefwasser 10 m unter MTnw differenziert betrachtet wird. Die Bereiche mit mehr als 10 m Wassertiefe unter MTnw weisen eine geringere ökologische Wertigkeit auf. Die Erfassung des Ist-Zustandes beruht auf der Auswertung folgender Datengrundlagen:

Peilplänen des Amtes Strom- und Hafenbau aus dem Jahr 1995,

der Jahreshauptpeilung der WSÄ Hamburg und Cuxhaven 1992/1993 sowie

Luftbildern aus dem Jahr 1992. Auf der Grundlage dieser Informationen wurde eine Karte erstellt, die die Uferlinie (MThw-Linie), die MTnw-Linie sowie die 2-m-Tiefenlinie (MTnw -2 m-Linie) in einer zwischen den Planungsbeteiligten abgestimmten Form enthält (Karte 7.1 - 2). Es handelt sich jeweils um die aktuellsten verfügbaren Informationen über die Topographie der Gewässersohle. Die Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Planungsgrundlagen trägt der Tatsache Rechnung, daß die Morphologie des Untersuchungsgebietes einer hohen Dynamik und somit permanenten Änderung unterworfen ist. Zur Abgrenzung der Tiefen 10 m unter MTnw im Ist-Zustand wurden schließlich die Seekarten der Jahre 1992 und 1993 ausgewertet. Die Ergebnisse der Flächenbilanzierung der morphologischen Strukturelemente sind in Tabelle 7.1 - 9 zusammengestellt. Die Flächen der Nebenflüsse mit Tideeinfluß (Wasser- und Vordeichsfläche) werden in Karte und Tabelle separat dargestellt, als Trennlinie gelten die Sturmflutsperrwerke. Tab. 7.1 - 9: Flächengrößen der morphologischen Strukturelemente im Ist-Zustand
 

Morphologisches 

Strukturelement

Untersuchungsabschnitt
I II III IV V VI VII
Vordeichfläche1 594 1520 751 2603 1778 2669 717
Wattfläche1 146 35 1138 1832 2830 14790 12371
Flachwasser 127 102 666 827 604 2774 3681
Tiefwasser1 638 2235 1557 4289 5242 8181 12175

Tiefwasser 

10 m u. MTnw2

- - 749 1566 2678 2397 3736
Nebenflußvordeichfläche 421 - 325 3791 904 943 -
Nebenflußwasserfläche 41 - 71 223 288 400 -

Erläuterungen:  

Alle Flächenangaben in ha.  1 Datengrundlage: Peilpläne des Amtes Strom- und Hafenbau sowie der WSÄ, Luftbilder (vgl. Karte 7.1 - 2)  2 Datengrundlage: Seekarten 1992 und 1993 (vgl. Abb. 7.1 - 6) 

Der Referenzzustand wird im wesentlichen auf der Grundlage von historischen Seekarten (Stand 1896 und 1905) erhoben, wobei diese Karten nur für den Bereich der Tideelbe zwischen dem Hamburger Hafen und der Nordsee vorliegen. Eine Bilanzierung des Referenzzustandes anhand der historischen Seekarten kann somit lediglich für die Untersuchungsabschnitte III bis VII erfolgen (vgl. Karte 7.1 - 1). Für den Bereich oberhalb von Hamburg (Untersuchungsabschnitt I) mußte auf die Königlich Preussische Landesaufnahme von 1887 zurückgegriffen werden. Diese stellt Watt-, Flachwasser- und Tiefwasserflächen nicht differenziert dar, so daß nur die Gesamtwasserfläche und die Vordeichflächen bilanziert werden können (vgl. Abb. 7.1 - 2). Ergänzende Informationen über die morphologischen Strukturelemente lassen sich einem Kartenwerk von 1932 entnehmen (DIE ELBE 1932/34), in dem jedoch nicht zwischen Wattflächen und Flachwasserbereichen unterschieden wird (vgl. Abb. 7.1 - 3). Im Untersuchungsabschnitt II läßt sich der Referenzzustand hingegen gar nicht bilanzieren. Dies liegt im wesentlichen daran, daß die Seekarten den Untersuchungsabschnitt nicht vollständig abdecken. Darüber hinaus ist eine eindeutige Unterscheidung von Sommer- und Winterdeichen in diesem Untersuchungsabschnitt nicht überall möglich. Abb. 7.1 - 2: Untersuchungsabschnitt I - Referenzzustand

Abb. 7.1 - 3: Untersuchungsabschnitt I - Gewässerstruktur um 1932 (nach DIE ELBE 1932/34)

Tab. 7.1 - 10: Flächengrößen [ha] der morphologischen Strukturelemente im Referenzzustand
 

Morphologisches Strukturelement Untersuchungsabschnitt
I III IV V VI VII
Vordeichfläche 12021 2607 4465 5739 2347 293
Wattfläche 5042 10041 735 1047 3810 16012 12651
Flachwasser   1233 1059 418 4564 4327
Tiefwasser 5102 1790 5150 6252 7348 11713
Tiefwasser 10 m u. MTnw - 36 428 1582 1543 3411

Erläuterungen: 

Für den Untersuchungsabschnitt II sind keine Daten verfügbar.  Alle Daten für die Untersuchungsabschnitte III-VII wurden den historischen Seekarten von 1896 und 1905 entnommen (vgl. Karte 7.1 - 2).  1 Datengrundlage: Königlich Preussische Landesaufnahme von 1878 (vgl. Abb. 7.1 - 2)  2 Die Elbe (1932/34) (vgl. Abb. 7.1 - 3)

Die Bewertung der morphologischen Strukturelemente Vordeichfläche, Wattfläche und Flachwasser erfolgt anhand der Abnahme der Flächengröße gegenüber dem Referenzzustand. Die im Ist-Zustand durch Sturmflutsperrwerke abgetrennten Flächen der Nebenflüsse werden nicht in die Bilanzierung einbezogen und daher auch nicht in Tabelle 7.1 - dargestellt. Diese Flächen können weder den eingedeichten Bereichen gleichgesetzt werden, noch gehören sie zu den Flächen, die dem Tidegeschehen einschließlich der Sturmfluten vollständig unterworfen sind. Wie bereits erläutert, lassen sich im Untersuchungsabschnitt I Wattflächen und Flachwasserbereiche mit den zur Verfügung stehenden Kartengrundlagen nicht unterscheiden. Daher wird in diesem Kapitel die Summe aus beiden Strukturelementen bewertet (vgl. Tab. 7.1 - 15). Neben der absoluten Flächengröße der einzelnen Strukturelemente stellt das Verhältnis von Wattflächen zu Flachwasserbereichen bzw. die Änderung dieser Größe ein weiteres Bewertungskriterium dar. Der Bewertung dieses Kriteriums liegt die Überlegung zugrunde, daß ein dem Referenzzustand entsprechendes Verhältnis von Wattflächen und Flachwasserbereichen als weitgehend optimal für die Ausbildung der Wechselbeziehungen zwischen diesen beiden wichtigen Strukturelementen anzusehen ist. Die Bewertung des Strukturelements Tiefwasser bezieht sich nur auf das Tiefwasser 10 m unter MTnw und dessen Flächenzunahme gegenüber dem Referenzzustand von 1896/1905 (vgl. Abb. 7.1 - 5 und 7.1 - 6). Diese Bereiche können als Indikatoren für die anthropogene Überprägung durch die insbesondere in diesem Jahrhundert durchgeführten Fahrrinnenvertiefungen herangezogen werden. Sie haben nur eine geringe Bedeutung für das Ökosystem und weisen in vielerlei Hinsicht (Strömung, Lichtklima etc.) sehr ungünstige Lebensbedingungen auf, so daß Vergrößerungen dieser Flächen negativ zu bewerten sind. Tab. 7.1 - 11: Bewertungsrahmen für die morphologischen Strukturelemente  
 

Wertstufe   Veränderung [%]   Vordeichfläche, Wattfläche und Flachwasser   Verringerung gegenüber dem Referenzzustand Quotienten aus Wattfläche und Flachwasserfläche   Veränderung gegenüber dem Referenzzustand Tiefwasser 10 m u. MTnw   Zunahme gegenüber dem Referenzzustand
Wertstufe 1 < 10 wenig bis keine Verringerung sehr geringe bis keine Veränderung sehr geringe bis keine Zunahme
Wertstufe 2 < 30 wenig Verringerung geringe Veränderung geringe Zunahme
Wertstufe 3 < 50 mäßige Verringerung mäßige Veränderung mäßige Zunahme
Wertstufe 4 < 70 starke Verringerung starke Veränderung starke Zunahme
Wertstufe 5 ³ 70 sehr starke Verringerung sehr starke Veränderung sehr starke Zunahme

Vordeichfläche Die aperiodisch überfluteten Vordeichflächen liegen oberhalb der MThw-Linie, die sich im Untersuchungsgebiet von NN +1,51 m bei Cuxhaven (Brunsbüttel NN +1,48 m) und NN + 2,45 m bei Zollenspieker bewegt, und werden landseitig durch die Geestkante (Elbhänge) oder den Deich begrenzt. Im naturnahen Zustand sind die fast ebenen Flächen in Ufernähe durch die verstärkte Ablagerung gröberer Sedimente leicht erhöht (Uferwall) und senken sich landeinwärts geringfügig ab (durchschnittliche Neigungen £3°;). Wegen der bevorzugten Ablagerung feinkörniger Sedimente sind die Senken zumeist vernäßt. Die Uferprofile bzw. die Übergänge zwischen der Vordeichfläche und dem Wasser oder dem Watt sind vielfältig. Sie können fließend erfolgen, natürliche steile Abbruchkanten aufweisen oder durch Verbauung steil ausgebildet sein (vgl. Abb. 7.1 - 4). Tab. 7.1 - 12: Bewertung der Größe der Vordeichfläche
 

Untersuchungsabschnitt 1896/1905 [ha] 1992 [ha] Veränderung [%] Wertstufe
I 1202 594 51 4
II1 - - - (5)
III 2607 751 71 5
IV 4465 2603 42 3
V 5739 1778 -69 4
VI 2347 2669 +14 1
VII 293 717 +145 1

Erläuterungen: 

1 Die Datengrundlage ermöglicht für den Untersuchungsabschnitt II keine in sich schlüssige Bilanzierung der morphologischen Strukturelemente (vgl. Tab. 7.1 - ). Somit wird die extreme Überformung des Untersuchungsabschnittes gegenüber dem Zustand von vor ca. 100 Jahren pauschal mit der Wertstufe 5 belegt. 

  Abb. 7.1 - 4: Uferprofil-Typen mit zunehmender anthropogener Verformung (verändert nach PREISINGER 1991) Wattflächen

Viele Bereiche der Tideelbe weisen die durch den Wechsel von Überflutung und Trockenfallen charakterisierten Wattflächen auf. Diese sanft geneigten Flächen liegen zwischen der MThw- und der MTnw-Linie (NN ca. -2,5 m bis -1,84 m). Die Wattflächen stellen aufgrund folgender Funktionen ein wichtiges Kompartiment des Ökosystems Tideelbe dar:

Als Brut- und Rastplatz sind sie für die Avifauna von herausragender Bedeutung (vgl. Kap. 7.4.2)

Die in den Watten lebenden Bakterien tragen entscheidend zum Nährstoffumsatz und somit zur natürlichen Selbstreinigung des Gewässers bei (vgl. Kap. 7.1.3).

Sie sind Gebiete hoher benthischer Produktion (vgl. Kap. 7.4.1). Die größten zusammenhängenden Wattflächen des Untersuchungsgebietes finden sich in der Außenelbe. Weitere großflächige Wattflächen befinden sich z.B. im Bereich des Gleithanges zwischen Glückstadt und dem Osteriff sowie in strömungsberuhigten Gebieten wie dem Mühlenberger Loch und den Nebenelben. Kleinere Wattflächen sind im allgemeinen in Ufernähe oder in Prielen wie denen des NSG Heuckenlock vorhanden. Tab. 7.1 - 13: Bewertung der Größe der Wattfläche
 

Untersuchungsabschnitt 1896/1905 [ha] 1992 [ha] Veränderung [%] Wertstufe  
I1 - - - vgl. Tab. 7.1 - 15
II2 - - - (5)
III 735 1138 +55 1
IV 1047 1832 +75 1
V 3810 2830 26 2
VI 16012 14790 -8 1
VII 12651 12371 2 1

Erläuterungen: 

1 Die Datengrundlage ermöglicht für den Untersuchungsabschnitt I keine Unterscheidung zwischen Wattflächen und Flachwasser (vgl. Tab. 7.1 - ). Die Bewertung wird anhand der Summe aus beiden Strukturelementen vorgenommen (vgl. Tab. 7.1 - 15).  2 Die Datengrundlage ermöglicht für den Untersuchungsabschnitt II keine in sich schlüssige Bilanzierung der morphologischen Strukturelemente (vgl. Tab. 7.1 - ). Somit wird die extreme Überformung des Untersuchungsabschnittes gegenüber dem Zustand von vor ca. 100 Jahren pauschal mit der Wertstufe 5 belegt. 

  Flachwasser Zwischen der MTnw-Linie und der Gewässersohle bis ca. 2 m unter MTnw befindet sich das Flachwasser. Hierzu gehören seichte Uferbereiche, Priele, Gräben und i.d.R. die Nebenelben, die durch hochwasserfreie Inseln oder hochgelegene Wattgebiete von der Hauptabflußrinne getrennt sind. Mit Ausnahme der Pagensander und der Glückstädter Nebenelbe liegen alle Nebenelben am Südufer. Die Ausdehnung des Flachwassers im Uferbereich der Elbe ist abhängig vom Gefälle zur Fahrrinne. Flachwasserbereiche sind aufgrund folgender Funktionen von besonderer Bedeutung für das Ökosystem Tideelbe:

o Sie zeichnen sich aufgrund des günstigen Lichtklimas zum einen durch eine hohe Primärproduktion (Aufbau von organischer Substanz aus anorganischer Substanz) der im Wasser lebenden Organismen aus. Zum anderen tragen Flachwasserbereiche zu einer Erhöhung des biogenen Sauerstoffeintrags in das Gewässer bei (vgl. Kap. 7.1.3).

o Aufgrund des milden Strömungsklimas ist das Flachwasser ein wichtiges Rückzugsgebiet für planktische Organismen und Fische (vgl. Kap. 7.4.1).

o Die hohe Primärproduktion und das milde Strömungsklima begünstigen den Aufwuchs von Fischlarven. Tab. 7.1 - 14: Bewertung der Größe des Flachwassers  
 

Untersuchungsabschnitt 1896/1905 [ha] 1992 [ha] Veränderung [%] Wertstufe  
I1 - - - vgl. Tab. 7.1 - 15
II2 - - - (5)
III 1233 666 46 3
IV 1059 827 22 2
V 418 604 +44 1
VI 4564 2774 -39 3
VII 4327 3681 15 2

Erläuterungen: 

1 Die Datengrundlage ermöglicht für den Untersuchungsabschnitt I keine Unterscheidung zwischen Wattfläche und Flachwasser. Die Bewertung wird anhand der Summe aus beiden Strukturelementen vorgenommen (vgl. Tab. 7.1 - 15).  2 Die Datengrundlage ermöglicht für den Untersuchungsabschnitt II keine in sich schlüssige Bilanzierung der morphologischen Strukturelemente (vgl. Tab. 7.1 - ). Somit wird die extreme Überformung des Untersuchungsabschnittes gegenüber dem Zustand von vor ca. 100 Jahren pauschal mit der Wertstufe 5 belegt. 

Tab. 7.1 - 15: Bewertung der Veränderung der Summe aus Wattfläche und Flachwasser für den Untersuchungsabschnitt I (vgl. Abb. 7.1 - 3)
 

Untersuchungsabschnitt 1932/34 [ha] 1992 [ha] Veränderung [%] Wertstufe
I 504 273 146 ha Watt + 127 ha Flachwasser -46 3

Verhältnis von Wattfläche zu Flachwasser Bei der Bewertung der Strukturelemente Wattfläche und Flachwasser blieb bislang die Tatsache unberücksichtigt, daß die in verschiedenen Untersuchungsabschnitten positiv bewertete Zunahme des Strukturelements Wattfläche vor allem auf Kosten der Ausdehnung des Flachwassers erfolgte. Um diesen Aspekt in die Bewertung mit einfließen zu lassen, wird das Größenverhältnis der Strukturelemente Wattfläche und Flachwasser als weiteres Bewertungskriterium verwendet. Tab. 7.1 - 16: Bewertung der Veränderung des Quotienten aus Wattfläche (W) und Flachwasser (F)
 

Untersuchungsabschnitt

1896/1905 

W/F

1992 

W/F

Veränderung 

[%]

Wertstufe
III0,61,71+1875
IV0,992,22+1245
V9,114,68493
VI3,515,33+524
VII2,923,36+152

Erläuterungen: 

Die für eine Bewertung erforderlichen Daten lagen nur für die Untersuchungsabschnitte III bis VII in ausreichendem Umfang vor.

Im Zusammenhang mit diesem Kriterium ist noch zu erwähnen, daß die Gesamtwasserfläche in allen Untersuchungsabschnitten (II nicht betrachtet) zwischen 8 und 10% abnahm, die Summe aus Wattfläche und Flachwasser in den Untersuchungsabschnitten III, V, VI und VII zwischen 7 und 20% ab- und im Abschnitt IV um 11% zunahm. Tiefwasser Wie zuvor erläutert, beschränkt sich die Bewertung des Strukturelements Tiefwasser auf die Bereiche mit Wassertiefen 10 m unter MTnw, da diese als Indikatoren für die anthropogene Überprägung durch die Vertiefung der Gewässersohle gelten. Aus den Abbildungen 7.1 - 5 und 7.1 - 6 geht hervor, daß in allen fünf betrachteten Untersuchungsabschnitten die Flächengrößen des Tiefwassers 10 m unter MTnw in den letzten hundert Jahren zugenommen haben. Von besonderer Bedeutung ist dabei, daß das Tiefwasser 10 m unter MTnw nicht nur im Bereich der heutigen Fahrrinne, sondern in einem breiten Korridor entlang der Fahrrinne durchgängig von Hamburg bis zur Nordsee vorhanden ist. Noch um die Jahrhundertwende waren diese Bereiche lokal begrenzt. Sie nahmen zwar stromab zu, bildeten aber im Gegensatz zum aktuellen Zustand kein durchgehendes Band. In Tabelle 7.1 - 17 sind die Daten der Jahre 1896/1902 und 1992/93 sowie die sich aus den Veränderungen des Tiefwassers 10 m unter MTnw ergebenden Wertstufen aufgeführt. Tab. 7.1 - 17: Bewertung des Tiefwassers 10 m und MTnw in den Untersuchungsabschnitten III-VII
 

Untersuchungsabschnitt 1896/1905 [ha] 1992/93 [ha] Zunahme [%] Wertstufe
III 36 749 1981 5
IV 428 1566 266 5
V 1582 2678 69 4
VI 1543 2397 55 4
VII 3411 3736 10 2

Erläuterungen: 

Die für eine Bewertung erforderlichen Daten lagen nur für die Untersuchungsabschnitte III bis VII in ausreichendem Umfang vor.

  Abb. 7.1 - 5: Ausdehnung des Tiefwassers 10 m unter MTnw 1896/1905

Abb. 7.1 - 6: Ausdehnung des Tiefwassers 10 m unter MTnw 1992/93

Strukturvielfalt Die Strukturvielfalt blieb bei der Bewertung der morphologischen Strukturelemente bisher unberücksichtigt, weil dieses für die Ausprägung der Lebensgemeinschaften wichtige Kriterium sich nicht zufriedenstellend quantifizieren läßt. In diesem Kapitel erfolgt eine qualitativ-beschreibende Bewertung der Strukturvielfalt, die jedoch nicht in Wertstufen umgesetzt wird. Die Elbe weist im Untersuchungsabschnitt I durchschnittliche Breiten von 300 m bis maximal 450 m bei Zollenspieker auf. Die Vordeichflächen sind überwiegend schmal und nur in Ausnahmefällen erreichen sie Breiten von mehr als 200 m. Die Vordeichflächen nahmen im wesentlichen durch zahlreiche Deichvorverlegungen um die Hälfte ab. Mit dem Bau des Seeve-Siels (1963/64) wurden darüber hinaus ca. 320 ha Überschwemmungsfläche vom Tideeinfluß abgetrennt. Wattflächen und Flachwasserbereiche stellen heute i.d.R. nur noch sehr schmale uferbegleitende Säume dar. Demgegenüber war die Gewässermorphologie noch in den 30er Jahren von Wattflächen und Flachwasserbereichen geprägt, die nicht nur große Flächenanteile (nahezu 50% der Gesamtwasserfläche) einnahmen, sondern auch außerordentlich reich strukturiert waren (vgl. Abb. 7.1 - 3). Im Vergleich damit ist der heutige Zustand als sehr strukturarm zu bezeichnen. Das Wehr und die Schleuse Geesthacht mit dem zugehörigen Schleusenkanal und den dadurch bedingten morphologischen Änderungen haben den oberen Teil des Untersuchungsabschnittes deutlich verändert. So befinden sich unmittelbar unterhalb des Wehrs die einzigen Gewässerbereiche mit mehr als 10 m Wassertiefe (Auskolkung). Entlang der Ilmenau, die durch ein Sperrwerk dem Sturmflutgeschehen entzogen ist, hat die Größe der tidebeinflußten Flächen ebenfalls aufgrund von Eindeichungen abgenommen. Neben diesen Verlusten an Vordeichflächen trägt vor allem der starke Uferverbau dazu bei, daß die Ilmenau insgesamt als strukturarm zu bezeichnen ist. Im Untersuchungsabschnitt II spaltet sich die Tideelbe in die Norder- und Süderelbe auf, deren durchschnittliche Breiten 200 bis 300 m betragen. Unterhalb des Zusammenflusses der beiden steigt die durchschnittliche Breite auf 500 m an. Der östliche Teil des Untersuchungsabschnittes II ist ähnlich zu beurteilen wie Abschnitt I, da stellenweise noch Vordeich- und Wattflächen sowie Flachwasserbereiche vorkommen (z.B. in den NSG Heuckenlock und Schweenssand an der Süderelbe). Dagegen wurden im westlichen Teil des Untersuchungsabschnittes diese Strukturelemente und die Ufer nahezu vollständig durch Hafenanlagen beseitigt bzw. überbaut. Wattflächen und Flachwasserbereiche kommen heute im Bereich des Hamburger Hafens lediglich als Sekundärstrukturen vor. Tiefwasser 10 m unter MTnw, die im Referenzzustand kaum in Erscheinung traten, nehmen im Ist-Zustand den überwiegenden Anteil der Wasserflächen ein. Insgesamt weist der westliche Teil des Abschnitts II gegenüber dem Referenzzustand extreme Überformungen und Umwandlungen auf. Darüber hinaus führten die Abtrennung der Dove- und Goseelbe durch den Bau der Tatenberger Schleuse (1951) sowie die Eindeichung der Süderelbe zwischen Altenwerder und dem Mühlenberger Loch ("Alte Süderelbe") zu umfangreichen Verlusten an tidebeeinflußten Überschwemmungsflächen (Dove- und Goseelbe ca. 1900 ha). Der Untersuchungsabschnitt III zeichnet sich durch die Aufspaltungen des Stroms in Haupt- und Nebenelben bei der Inselgruppe Neßsand/Schweinsand/Hanskalbsand sowie bei Lühesand aus. Im Bereich Neßsand ist der Hauptstrom ca. 700 m und die Hahnöfer Nebenelbe durchschnittlich 500 m breit. Im Bereich des Mühlenberger Loches weist die Unterelbe eine maximale Breite von 2,8 km auf. Auf der Höhe Grünendeich/Wedeler Watt schwankt die Breite der Wasserfläche zwischen 1 km bei Niedrig- und 2 km bei Hochwasser. Bei Lühesand beträgt die Breite des Hauptstroms ca. 1 km und die der Lühesander Nebenelbe durchschnittlich 300 m. In diesem Abschnitt prägt die als Steilufer ausgebildete Geestkante (Elbhänge) das Nordufer der Unterelbe. Die überwiegend sehr schmalen Vordeichflächen sind nur an einer Stelle westlich der Lühe 500 m breit. Die Wattflächen erreichen insbesondere im Mühlenberger Loch, im Bereich der Inseln und westlich von Wedel große Ausdehnungen. Größere Flachwasserbereiche sind ebenfalls im Mühlenberger Loch, in der Hahnöfer Nebenelbe sowie westlich von Wedel vorhanden. Die Flächenbilanzierungen für Untersuchungsabschnitt III zeigen gegenüber dem Referenzzustand erhebliche Abnahmen der Vordeichflächen, wobei der größte Verlust an Überschwemmungsflächen im Bereich der Haseldorfer Marsch erfolgte. Hier wurden insbesondere mit dem Gewässernetz der Haseldorfer und Hetlinger Binnenelbe großflächig sehr vielfältige und für das Untersuchungsgebiet charakteristische Strukturen dem Tidegeschehen entzogen. Durch die Eindeichungen an der Borsteler Binnenelbe und dem Mühlenberger Loch gingen ebenfalls Überschwemmungsbereiche verloren. Mit der Borsteler Binnenelbe wurde ein Nebenarm der Elbe vollständig vom Hauptstrom abgetrennt. Die historische Seekarte zeigt für diesen Untersuchungsabschnitt einen kleinräumigen Wechsel insbesondere von Flachwasser- und Wattbereichen. Demgegenüber kennzeichnen den Ist-Zustand die großen Wattflächen und Flachwasserbereiche und die extreme Zunahme des Tiefwasser 10 m unter MTnw (Verzwanzigfachung). Die Entstehung der großflächigen Wattbereiche ist vor allem auf die Abdämmung der Süderelbe zurückzuführen, die darüber hinaus auch zu den großen Verlusten an tidebeeinflußten Flächen (im Untersuchungsabschnitt II) führte. Die großflächigen Inselaufspülungen (Neßsand-Hanskalbsand und Lühesand) stellen weitere anthropogene Überprägungen dar, die die aktuelle Morphologie bestimmen. Die Vordeichflächen der Nebenflüsse Este, Lühe und Wedeler Au sind aufgrund der Sperrwerke nicht mehr dem Sturmflutgeschehen ausgesetzt. Im Vergleich zum Referenzzustand ist der Ist-Zustand somit als strukturarm zu bezeichnen. Die Elbe erweitert sich im Untersuchungsabschnitt IV auf ca. 3 km. Sie ist hier durch die Inseln Auberg/Drommel sowie die durch umfangreiche Aufspülungen entstandenen Inseln Pagensand, Schwarztonnensand und Rhinplatte und die zugehörigen Nebenelben gegliedert. Die Inseln weisen Größen von mehreren Kilometern Länge und mehreren hundert Metern Breite auf. Die Breite der Vordeichflächen variiert zwischen wenigen Metern bei Kollmar und 1,5 km beim Asseler Sand. Größere Wattflächen finden sich im Bereich der Inseln und der Einmündungen der Nebenflüsse. Die Bilanzierungen für den Untersuchungsabschnitt IV belegen die großflächigen Verluste an Überschwemmungsflächen durch Eindeichungen. Am Nordufer der Elbe sind hiervon insbesondere die Haseldorfer Marsch und die sich anschließenden Flächen zwischen Pinnau und Krückau betroffen. Am Südufer handelt es sich im wesentlichen um den Bereich Bützflether und Stader Sand, wo die eingedeichten Flächen teilweise zur Industrieansiedlung aufgehöht wurden. Von besonderem Interesse für diesen Untersuchungsabschnitt ist die große Eindeichung des Bereiches zwischen Wischhafen und Assel, der jedoch noch über die Sturmflutsperrwerke des Ruthenstroms und der Wischhafener Süderelbe an das Tidegeschehen angeschlossen ist. Durch die neugezogene Hauptdeichlinie zwischen diesen beiden Sperrwerken sind sehr große Flächen (Wischhafener-, Kraut-, Gauensieker- und der halbe Asseler Sand) dem Sturmflutgeschehen entzogen worden. Damit ist auch das reich strukturierte und für das Untersuchungsgebiet charakteristische Gewässernetz aus Wischhafener Süderelbe, Krautsander Binnenelbe, Ruthenstrom, Gauensieker Süderelbe und Barnkruger Süderelbe sowie zahlreiche kleinere Gewässer nur noch eingeschränkt dem Tidegeschehen unterworfen. Das Tiefwasser 10 m unter MTnw hat in diesem Untersuchungsabschnitt gegenüber dem Referenzzustand um das 2,5fache zugenommen. Des weiteren sind die in diesem Untersuchungsabschnitt befindlichen Nebenflüsse Krückau, Pinnau, Schwinge sowie die Bützflether und Wischhafener Süderelbe und einige kleinere Nebengewässer der Elbe durch Sperrwerke vom Sturmflut-, nicht aber vom normalen Tidegeschehen abgetrennt. Im Untersuchungsabschnitt V erweitert sich die Elbe auf eine Breite von ca. 5 km. Die Elbe ist hier nicht durch Inseln gegliedert. Während das Nordufer überwiegend aus schmalen Vordeichflächen besteht, kommen am Südufer großflächige, bis nahezu 500 m breite, beim Allwördener Außendeich sogar zwischen 1 und 1,5 km breite Vordeichflächen vor. Vor dem Südufer befinden sich zudem ausgedehnte, bis zu 1 km breite Wattflächen mit bereichsweise angegliederten Flachwassergebieten. Die Bilanzierungen für den Untersuchungsabschnitt V dokumentieren vor allem die großflächigen Änderungen der Vordeichflächen im Bereich Nordkehdingen zwischen der Ostemündung und Freiburg. Das Tiefwasser 10 m unter MTnw hat in diesem Untersuchungsabschnitt gegenüber dem Referenzzustand im Vergleich zu den Untersuchungsabschnitten II bis IV wenig, aber immer noch um etwa 50%, zugenommen. Aufgrund des Sperrwerkes sind die Vordeichflächen der Stör nicht mehr dem Sturmflutgeschehen ausgesetzt. Der nördliche Teil des Untersuchungsabschnittes VI gehört bereits zum Wattenmeer. Dementsprechend erreichen die Vordeichflächen des Nordufers Breiten von 0,5 bis 1,5 km und die ihnen vorgelagerten Watten Breiten von mehr als 10 km. Am Südufer weist das überwiegend sehr schmale Vordeichland die für eine Flußlandschaft charakteristischen Breiten auf. Im Bereich der Ostemündung ist das Deichvorland jedoch 1,5 km und die vorgelagerten Watten mehr als 500 m breit. Die Ergebnisse der Bilanzierung für Untersuchungsabschnitt VI sind beeinflußt durch die Landgewinnung (Köge) und die Ausweitung des Hafens von Cuxhaven. Generell haben sich die Strukturen durch die Verlagerung der Wattflächen und Sände verändert. Diese Verlagerungen lassen sich vermutlich auch auf die Auswirkungen von Ausbaumaßnahmen, Landgewinnung etc. zurückführen. Das Tiefwasser 10 m unter MTnw hat hier wie im Untersuchungsabschnitt V gegenüber dem Referenzzustand um etwa 50% zugenommen. Ein Sturmflutsperrwerk trennt die Oste vom Sturmflutgeschehen ab. Der Untersuchungsabschnitt VII gehört vollständig zum Wattenmeer. Vordeichflächen sind zwischen Cuxhaven und Sahlenburg vorhanden sowie auf Neuwerk, Scharhörn und Nigehörn. In diesem Untersuchungsabschnitt haben sich die Strukturen ebenso wie im Untersuchungsabschnitt VI durch Verlagerung der Wattflächen verändert. Besonders fällt dabei die Verlagerung von Scharhörn nach Osten auf: Im Referenzzustand liegt Scharhörn noch außerhalb des Untersuchungsgebietes. Das Tiefwasser 10 m unter MThw hat gegenüber dem Referenzzustand nur geringfügig zugenommen. 7.1.1.4 Bauliche Veränderungen Neben den zuvor betrachteten morphologischen Strukturelementen stellen die Beschaffenheit des Ufers und die Querschnittsausprägung weitere wichtige Parameter zur Beurteilung der Natürlichkeit des morphologischen Zustands eines Gewässers dar. Uferbeschaffenheit Das Ufer ist aufgrund zahlreicher Wechselwirkungen eng mit den anderen Kompartimenten eines Fließgewässers verknüpft und trägt in natürlicher Ausprägung wesentlich zu dessen Strukturvielfalt bei. Im natürlichen Zustand bewirken die für ein Tidegewässer typischen dynamischen Prozesse eine kontinuierliche Veränderung der Uferlinie. Durch Erosion und Sedimentation entstehen unregelmäßige Ufer mit Uferabbrüchen und -anlandungen. Der Ausbau der Unterelbe zu einem Großschiffahrtsweg hatte u.a. den Bau von Ufersicherungen und damit unter ökologischen Gesichtspunkten eine Monotonisierung der Uferstrukturen zur Folge (vgl. Abb. 7.1 - 4). Die Veränderung der Uferbeschaffenheit durch Verbau eignet sich daher als Kriterium, um die Auswirkungen anthropogener Eingriffe in ein Fließgewässer zu erfassen. Für die Bestandsaufnahme der Uferbeschaffenheit wurden folgende Daten und Unterlagen herangezogen und ausgewertet:

Aufnahme des verbauten Uferbefestigungsmaterials im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke (RIECKHOFF 1992, 1993a-c),

Kartierung der Uferbefestigungen im Rahmen der Biotoptypenkartierung durch das Büro für Biologische Bestandsaufnahmen Dr. Kurz,

Luftbilder des Untersuchungsgebietes,

Topographische Karten 1:25.000 und 1:50.000,

Informationen der Wasser- und Schiffahrtsämter Hamburg, Cuxhaven und Lauenburg sowie des Amtes Strom- und Hafenbau. Auf der Grundlage dieser hinsichtlich des Differenzierungsgrades sehr unterschiedlichen Materialien wurde eine Karte der Uferbeschaffenheit (vgl. Karte 7.1 - 3) erstellt, in der folgende Kategorien unterschieden werden:

Steinschüttungen

Pflasterungen einschließlich Aufschleppen 3)

Senkrechte UferbefestigungenZu dieser Kategorie zählen sowohl Kaimauern neuerer Bauart mit Stahl- oder Stahlbetonspundwand als auch Kaimauern älterer Bauart mit Holzpfahlgründung und Holzspundwand.

Hölzerne Vorsetze

Naturnahes Ufer (Schlick- und Sandufer)Neben den Abschnitten mit wenig beeinflußten Uferstrukturen umfaßt diese Kategorie auch Bereiche, in denen - natürliche, z.T. mit Vegetation bestandene Substrate die Uferbefestigung überdecken, - die Uferlinie durch Vorspülungen zwar anthropogen überprägt ist, die morphodynamischen Prozessen der Erosion und Sedimentation aber weiterhin wirksam sind Eine noch stärkere Differenzierung der Uferbeschaffenheitskategorien, die auch die unter ökologischen Aspekten unterschiedliche Qualität der Uferbefestigungen berücksichtigt, ist mit den zur Verfügung stehenden Daten nicht möglich. Für die Bewertung der Uferbeschaffenheit wird das Fehlen jeglicher Uferbefestigung als Zielzustand definiert. Die einzelnen Wertstufen ergeben sich aus dem prozentualen Anteil des unverbauten Ufers: Tab. 7.1 - 18: Bewertungsrahmen für die Uferbeschaffenheit
 

WertstufeBeschreibungAnteil des unverbauten Ufers
Wertstufe 1nicht bis sehr gering verbaut90%
Wertstufe 2gering verbaut70%
Wertstufe 3mäßig verbaut50%
Wertstufe 4stark verbaut30%
Wertstufe 5sehr stark verbaut£30%

Im folgenden werden die sieben Untersuchungsabschnitte in bezug auf die Uferbeschaffenheit kurz beschrieben und bewertet, wobei sich die Aussagen auf die in der Karte 7.1 - 3 dargestellten Kategorien beziehen. Die Wertstufen sind in der Tabelle 7.1 - 19 zusammengefaßt. Im Untersuchungsabschnitt I sind die Ufer überwiegend durch Steinschüttungen gesichert (ca. 52%). Die naturnah ausgeprägten Uferabschnitte haben einen Anteil von 31% an der Uferlänge und befinden sich u.a. im NSG Zollenspieker sowie bei Stove, Rosenweide und Bullenhausen Süd. In bezug auf die Uferbeschaffenheit ist Abschnitt I somit als geringwertig (Wertstufe 4) einzustufen.Der Untersuchungsabschnitt II umfaßt das Hamburger Stromspaltungsgebiet. In diesem Abschnitt ist das Ufer aufgrund der Hafennutzung fast vollständig verbaut, wobei neben Steinschüttungen vor allem senkrechte Uferbefestigungen vorkommen. Da naturnahe Uferbereiche nur noch in Resten vorhanden sind (ca. 5% der Uferlänge), erhält der Abschnitt die Wertstufe 5 (sehr hoch belastet). Im Untersuchungsabschnitt III beträgt der Anteil der naturnah ausgeprägten Uferstrukturen rd. 57%, so daß der Abschnitt hinsichtlich der Uferbeschaffenheit insgesamt eine mittlere Wertigkeit (Wertstufe 3) aufweist. Naturnahe Ufer kommen u.a. in den NSG Neßsand, Hahnöfersand und Fährmannsand sowie bei Hanskalbsand vor. Die verbauten Uferbereiche sind überwiegend mit Steinschüttungen befestigt. Der Untersuchungsabschnitt IV zeichnet sich durch den vergleichsweise höchsten Anteil naturnaher Uferstrukturen (75%) aus. Zusammenhängende naturnahe Uferstrukturen befinden sich insbesondere im Elbvorland des NSG Haseldorfer Binnenelbe und vor Krautsand sowie in den NSG Seestermüher Vorland und Schwarztonnensand. Bei einem Anteil von 25% verbauten Ufers ist der Abschnitt als hochwertig (Wertstufe 2) einzustufen. Im Untersuchungsabschnitt V überwiegen naturnah ausgeprägte Uferstrukturen, die sich u.a. in den NSG Alwördener Außendeich und Außendeich Nordkehdingen sowie im Bereich der nördlichen Störmündung und bei St. Margarethen befinden. In diesem Abschnitt sind rd. 35% der Uferlänge verbaut, was einer mittleren Wertigkeit (Wertstufe 3) entspricht. Im Untersuchungsabschnitt VI herrschen ebenfalls naturnah ausgeprägte Ufer vor. Sie befinden sich u.a. im Bereich des NSG Hadelner und Belumer Außendeich, des Neufelder Koogs und des Kaiser-Wilhelm-Koogs. Die hauptsächlich mit Steinschüttungen verbauten Ufer haben einen Anteil von ca. 36% an der Uferlänge, so daß der Abschnitt VI als mittelwertig (Wertstufe 3) einzustufen ist. Auch der Untersuchungsabschnitt VII ist durch überwiegend naturnahe Uferstrukturen gekennzeichnet. Allerdings sind 39% der Uferlänge mit Steinschüttungen befestigt, was einer mittleren Wertigkeit (Wertstufe 3) entspricht. Für die Nebenflüsse werden die Uferbeschaffenheiten in Tabelle 7.1 - 20 zusammengefaßt, bilanziert und bewertet. Es zeigt sich, daß die Lühe die wenigsten Uferverbauungen aufweist. 90% des Ufers sind als naturnah zu bezeichnen. Das Ufer der Ilmenau ist hingegen zu 100% mit Steinschüttungen verbaut. Der Grad der Uferverbauung der übrigen Nebenflüsse bewegt sich zwischen 21% und 40%. Tab. 7.1 - 19: Bewertung der Uferbeschaffenheiten in den Untersuchungsabschnitten I-VII  
 

Untersuchungsabschnitt Länge   Verbautes Ufer Naturnahes Ufer Wertstufe
Steinschüttung Pflasterung (incl. Aufschleppen) Senkrechte Ufer-befestigung Summe  
  km km % km % km % km % km %  
I 87,5 45,4 51,9 13,8 15,8 0,9 1,0 60,1 68,7 27,4 31,3 4
II 241,5 111,1 46,0 17,7 7,3 100,2 41,5 229,0 94,8 12,5 5,2 5
III 166,3 59,3 35,7 3,7 2,2 8,4 5,0 71,4 42,9 94,9 57,1 3
IV 264,7 49,6 18,7 5,9 2,2 11,0 4,2 66,5 25,1 198,2 74,9 2
V 153,8 42,8 27,8 3,0 2,0 7,6 4,9 53,4 34,7 100,4 65,3 3
VI 65,7 18,9 28,8 1,2 1,8 3,3 5,0 23,4 35,6 42,3 64,4 3
VII 26,4 10,3 39,0 - - 0,1 0,4 10,4 39,4 16,0 60,6 3

Tab. 7.1 - 20: Bewertung der Uferbeschaffenheiten der Elbenebenflüsse
 

Nebenfluß Länge Verbautes Ufer Naturnahes Ufer Wertstufe
Steinschüttung Pflasterung (incl. Aufschleppen) Senkrechte Ufer- befestigung Summe
km km % km % km % km % km %  
Ilmenau 23,4 23,4 100 - - - - 23,4 100 - - 5
Este 26,4 1,2 4,6 0,8 3,0 3,7 14,0 5,7 21,6 20,7 78,4 2
Lühe 24,4 0,1 0,4 - - 2,4 9,8 2,5 10,2 21,9 89,8 2
Schwinge 9,7 5,6 57,7 - - 1,5 15,5 7,1 73,2 2,6 26,8 5
Pinnau 17,7 3,9 22,0 - - 1,4 7,9 5,3 29,9 12,4 70,1 2
Krückau 23,3 4,2 18,0 - - 0,8 3,4 5,0 21,4 18,3 78,6 2
Stör 55,4 19,8 35,7 0,1 0,2 2,7 4,9 22,6 40,8 32,8 59,2 3
Oste 83,6 24,0 28,7 - - 4,2 5,0 28,2 33,7 55,4 66,3 3

Querschnittsausprägung Die Querschnittsausprägung eines Fließgewässers ist ein Indikator für die Natürlichkeit der Gewässermorphologie, wobei eine Fließstrecke mit typischer Querschnittsausprägung ohne Regelungsbauwerke (Buhnen, Parallelwerke und Leitdämme) den unter ökomorphologischen Gesichtspunkten optimalen Zustand eines Gewässers darstellt. Die Anlage von Regelungsbauwerken dient der Verbesserung der Schiffbarkeit (Herstellung einer ausreichenden Wassertiefe) und bewirkt u.a. die Einengung des Stromes, die Bündelung der Wassermassen und infolgedessen eine stärkere Erosion im Bereich des Fahrwassers. Bei der Bewertung der Querschnittsausprägung wird der Grad der anthropogenen Veränderung durch Regelungsbauwerke ermittelt und qualitativ beschrieben (vgl. Tab. 7.1 - 21). In diesem Zusammenhang werden die Abweichungen aufgrund von Fahrrinnenvertiefungen nicht berücksichtigt. Dieser Aspekt der anthropogenen Veränderungen wird indirekt bei der Betrachtung der Veränderung der Tiefwasserbereiche 10 m unter MTnw berücksichtigt. Tab. 7.1 - 21: Bewertungsrahmen für die Querschnittsausprägung
 

WertstufeBeschreibung der Querschnittsausprägung
Wertstufe 1Fließstrecke mit typischer Querschnittsausprägung ohne Regelungsbauwerke.
Wertstufe 2Querschnittsausprägung in wenigen Teilbereichen der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert.
Wertstufe 3Querschnittsausprägung in mehreren Bereichen der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert.
Wertstufe 4Querschnittsausprägung in weiten Bereichen der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert.
Wertstufe 5Querschnittsausprägung im überwiegenden Bereich der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert.

Die Bewertung der Querschnittsausprägung beschränkt sich auf die Untersuchungsabschnitte I bis VI, da nur diese Bereiche der Tideelbe als Flußlandschaft mit der typischen Querschnittsausprägung ausgebildet sind. Diese typische Querschnittsausprägung einer Flußlandschaft besteht in der Gliederung in Gewässersohle, Ufer und Auen- bzw. Marschenlandschaften. Demgegenüber liegt der Untersuchungsabschnitt VII im Bereich der Außenelbe, die vollständig zum Wattenmeer gehört und keinen Flußcharakter mehr besitzt. Die Beschreibungen in der folgenden Tabelle lassen sich durch die topographischen Informationen in der Karte 7.1 - 3 nachvollziehen. Tab. 7.1 - 22: Bewertung der Querschnittsausprägung
 

UABeschreibung des derzeitigen ZustandesWertstufe
IQuerschnittsausprägung in weiten Bereichen der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert .4
IIQuerschnittsausprägung im überwiegenden Bereich der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert(*).5
IIIQuerschnittsausprägung in weiten Bereichen der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert .4
IVQuerschnittsausprägung in wenigen Teilbereichen der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert.2
VQuerschnittsausprägung in mehreren Bereichen der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert.3
VIQuerschnittsausprägung in mehreren Bereichen der Fließstrecke durch Regelungsbauwerke verändert.3

Erläuterungen: 

UA Untersuchungsabschnitt  (*) Im Hamburger Stromspaltungsgebiet resultieren die Veränderungen der Querschnitte aus dem Uferverbau und der Anlage von Hafenbecken.

  7.1.1.5. Fazit Die derzeitigen hydrologischen und morphologischen Verhältnisse in der Tideelbe sind das Ergebnis umfangreicher anthropogener Eingriffe (Fahrrinnenvertiefungen, Vordeichungen, Bau von Sperrwerken, Absperrung von Nebenelben, Aufspülung von Inseln, Uferbefestigungen usw.), die zum einen die Tidedynamik im Untersuchungsgebiet deutlich veränderten und die zum anderen die ursprünglich hohe Morphodynamik sehr stark einschränkten. Hydrologie Die Veränderungen des MTnw sind in den stromauf gelegenen Untersuchungsabschnitten I und II am stärksten ausgeprägt, was sich in einer sehr geringen Wertigkeit (Wertstufe 5) dieser Abschnitte widerspiegelt. In Richtung Außenelbe nimmt die Intensität der anthropogenen Veränderungen des MTnw immer stärker ab. So weisen der Untersuchungsabschnitt III bereits eine mittlere Wertigkeit, die Abschnitte IV und V eine hohe und der Abschnitt VI sogar eine sehr hohe Wertigkeit auf. Das MThw hat sich insbesondere in den stromauf gelegenen Untersuchungsabschnitten nicht in dem Maße verändert wie das MTnw, so daß die Abschnitte I bis III hinsichtlich der Veränderung des MThw eine mittlere Wertigkeit (Wertstufe 3) erreichen. In den Untersuchungsabschnitten IV bis VI deuten die Wasserstandsänderungen auf eine hohe Wertigkeit (Wertstufe 2) hin. Bei der Bewertung des MThb fällt auf, daß sich die Veränderungen des MTnw und MThw bereichsweise in ihren Wirkungen auf den Tidenhub nahezu aufheben. In den Untersuchungsabschnitten IV bis VI stieg sowohl das MTnw als auch das MThw kaum an, so daß sich der Tidenhub nur wenig vergrößerte und im Untersuchungsabschnitt IV sogar leicht gesunken ist. In den Untersuchungsabschnitten I bis III hingegen ist das MTnw jeweils gesunken und das MThw gestiegen, wodurch sich der Tidenhub vergrößert und somit stärker verändert hat. Auf die Bewertung dieses Kriteriums wirkt sich dies dahingehend aus, daß die Untersuchungsabschnitte IV bis VI als sehr hochwertig (Wertstufe 1) einzustufen sind, obwohl sie bei der Einzelbewertung von MTnw und MThw jeweils nur hohe Wertstufen erreichen. In den Untersuchungsabschnitten I und II entsprechen die Veränderungen des MThb sehr geringen Wertigkeiten (Wertstufe 5), obwohl die Veränderungen des MThw noch eine mittlere Wertigkeit anzeigen. Insgesamt gesehen sind infolge der Veränderungen der Tidedynamik die Untersuchungsabschnitte I und II als sehr hoch belastet (Wertstufe 5) zu bewerten. Während die Wertstufen im Abschnitt III noch eine mittlere Belastung (Wertstufe 3) anzeigen, sind die Abschnitte IV bis VI nur gering belastet (Wertstufe 2). Die Bewertung der Kriterien in den einzelnen Untersuchungsabschnitten veranschaulichen Abbildung 7.1 - 7 und Tabelle 7.1 - 23. Tab. 7.1 - 23: Zusammenfassung der Wertstufen der hydrologischen Bewertung für die Untersuchungsabschnitte
 

Parameter Untersuchungsabschnitt
I II III IV V VI
MTnw 5 5 3 2 2 1
MThw 3 3 3 2 2 2
MThb 5 5 3 1 1 1
Gesamt 5 5 3 2 2 2

Abb. 7.1 - 7: Bewertung der historischen Entwicklung der Tidewasserstände

Morphologie Die Größe der Vordeichflächen hat im Untersuchungsgebiet insbesondere durch umfangreiche Deichvorverlegungen abgenommen. In den Untersuchungsabschnitten II und III sind die Veränderungen am größten, so daß diese Abschnitte nur eine sehr geringe Wertigkeit (Wertstufe 5) aufweisen. Demgegenüber erreichen die Untersuchungsabschnitte VI und VII aufgrund der teilweise deutlichen Ausweitung der Vordeichflächen sehr hohe Wertigkeiten (Wertstufe 1). Die Wattflächen haben im oberen und unteren Strombereich des Untersuchungsgebietes (Untersuchungsabschnitte I und II sowie V bis VII) ab- und in den Untersuchungsabschnitten III und IV zugenommen. Da der Verlust von Wattflächen in den stromab gelegenen Untersuchungsabschnitten V bis VII deutlich geringer ist als im Abschnitt I, ergeben sich dort, wie in den Abschnitten III und IV, durchweg sehr hohe bis hohe Wertigkeiten (Wertstufe 1 und 2). Der Untersuchungsabschnitt II ist aufgrund der starken Abnahme der Wattflächen als sehr geringwertig (Wertstufe 5) einzustufen. Bei den Flachwasserbereichen der Untersuchungsabschnitte I, III, IV, VI und VII ist eine geringe bis mittlere Abnahme der Flächen zu verzeichnen, was hohen bis mittleren Wertigkeiten (Wertstufe 2 und 3) entspricht. Extreme treten in den Untersuchungsabschnitten II und V auf. Während Untersuchungsabschnitt II aufgrund der deutlichen Verringerung der Flachwasserbereiche Wertstufe 5 (sehr geringe Wertigkeit) aufweist, zeichnet sich der Untersuchungsabschnitt V wegen der Zunahme der Flachwasserbereiche durch eine sehr hohe Wertigkeit (Wertstufe 1) aus. Die Veränderungen des Quotienten aus Wattfläche und Flachwasser fallen in den Untersuchungsabschnitten III und IV aufgrund der starken Zunahme der Wattflächen bei gleichzeitiger Abnahme der Flachwasserbereiche am deutlichsten aus, so daß hier sehr geringe Wertigkeiten (Wertstufe 5) vorliegen. Im Untersuchungsabschnitt V sind die Verhältnisse genau umgekehrt. Wegen der geringeren Abnahme der Wattflächen und Zunahme der Flachwasserbereiche wird die Wertstufe 3 erreicht. In den Untersuchungsabschnitten VI und VII nehmen sowohl die Watt- als auch die Flachwasserbereiche ab. Während Abschnitt VII aufgrund der schwächer ausgeprägten Veränderung als hochwertig einzustufen ist (Wertstufe 2), weist Untersuchungsabschnitt VI eine geringe Wertigkeit (Wertstufe 4) auf. Aufgrund nicht ausreichender Datengrundlage läßt sich die Änderung des Quotienten aus Wattfläche und Flachwasserbereichen für den Untersuchungsabschnitt I und II nicht ermitteln. Die Tiefwasserbereiche 10 m unter MTnw haben in allen Untersuchungsabschnitten zugenommen. Die Zunahme ist in den Untersuchungsabschnitten II bis IV am stärksten ausgeprägt, so daß diese Abschnitte eine sehr geringe Wertigkeit (Wertstufe 5) aufweisen. Die Untersuchungsabschnitte V und VI sind wegen der Zunahme der Tiefwasserbereiche 10 m unter MTnw als geringwertig (Wertstufe 4) einzustufen. Demgegenüber zeichnet sich der Untersuchungsabschnitt VII bei einer geringen Zunahme der Tiefwasserbereiche durch eine hohe Wertigkeit (Wertstufe 2) aus. Aufgrund der nicht ausreichenden Datengrundlage konnten in den Untersuchungsabschnitten I und II Änderungen des Tiefwassers nicht ermittelt werden. Die Uferbeschaffenheit ist infolge des starken Uferverbaus durch Steinschüttungen und senkrechte Uferbefestigungen in den Untersuchungsabschnitten I und II mit den Wertstufen 4 und 5 am geringwertigsten. Die übrigen Untersuchungsabschnitte weisen mit Ausnahme von Abschnitt IV mittlere Wertigkeiten auf. Untersuchungsabschnitt IV zeichnet sich durch den vergleichsweise höchsten Anteil naturnaher Ufer aus und ist daher als hochwertig (Wertstufe 2) anzusehen. Die ausgeprägtesten Änderungen der Querschnittsausprägungen durch Regelungsbauwerke lassen sich in den Untersuchungsabschnitten I bis III feststellen, die daher auch nur geringe und sehr geringe Wertigkeiten aufweisen (Wertstufe 4 und 5). Die Untersuchungsabschnitte V und VI zeichnen sich durch eine mittlere und der Untersuchungsabschnitt IV durch eine hohe Wertigkeit aus. Für den im Bereich der Außenelbe liegenden Untersuchungsabschnitt VII entfällt eine Bewertung, da dieser aufgrund seiner Lage im Wattenmeer keine für Flußlandschaften typische Querschnittsausprägung zeigt. Die Bewertung der morphologischen Strukturelemente und baulichen Veränderungen hinsichtlich der Natürlichkeit (Referenzzustand) ergibt für die Untersuchungsabschnitte II bis IV sehr geringe Wertigkeiten und für die Untersuchungsabschnitte I, V und VI geringe Wertigkeiten. Sie sind somit infolge der anthropogenen Überprägungen als sehr hoch bis hoch belastet anzusehen. Der vollständig zum Wattenmeer gehörende Untersuchungsabschnitt VII weist die geringsten Änderungen gegenüber dem Referenzzustand auf und ist als mittel belastet (Wertstufe 3) einzustufen. Abbildung 7.1 - 8 und Tabelle 7.1 - 24 fassen die Bewertung der Morphologie in den Untersuchungsabschnitten zusammen. Tab. 7.1 - 24: Gesamtbewertung Morphologie
 

Untersuchungsabschnitt
ParameterIIIIIIIVVVIVII
Vordeichfläche4553411
Wattfläche (W)3 11211
Flachwasser (F)  32132
Quotient W/F--55342
Tiefwasser 10 m unter MTnw--55442
Uferbeschaffenheit4532333
Querschnittsausprägung454233-
Gesamt4555443

Abb. 7.1 - 8: Bewertung der Morphologie im Untersuchungsgebiet