Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

7.4.2.2 Fauna Zur Beschreibung der terrestrischen Tierwelt wurden repräsentative Tiergruppen ausgewählt, die für die untersuchten Lebensräume besonders typisch sind, an das Überflutungsregime im Uferbereich eng gebunden sind und damit Indikatoren für die lebensräumlichen Bedingungen darstellen. Die untersuchten Tiergruppen spiegeln eine Vielzahl qualitativer, räumlicher und zeitlicher Habitatansprüche wider, deren Analyse eine tierökologische Gesamtbewertung des Untersuchungsgebietes ermöglicht. Detailangaben zu Erfassungsmethoden und Untersuchungsergebnissen der einzelnen Tiergruppen sind den jeweiligen Fachgutachten (MATERIALBAND VI) zu entnehmen. Folgende Tierartengruppen wurden untersucht:

Seehunde,

Brutvögel,

Rastvögel,

mausernde Eider- und Brandenten,

Nacht- und Kleinschmetterlinge sowie

uferberwohnende Käfer. Im Mittelpunkt der Untersuchungen zur terrestrischen Fauna stehen die Vögel, weil die terrestrischen Außendeichsflächen aufgrund ihrer hohen Produktivität für diese Tiergruppe eine besondere Bedeutung als Jahres-, Brut-, Durchzugs-, Rast-, Mauser- und Überwinterungslebensraum haben. Begutachtet wurde insbesondere die Situation der Brutvögel, Rastvögel und mausernden Eider- und Brandenten. Seehunde wurden aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber Lage- und Größenveränderungen von Sandbänken und Verschiebungen im aquatischen Nahrungsangebot ausgewählt. Als typische Wirbellose der Außendeichsflächen und kleinräumig spezialisierte Bewohner der Röhrichte, Naßwiesen und Spülsäume wurden Nacht- und Kleinschmetterlinge sowie spülsaumgebundene Käfer untersucht. Seehunde Zur Bestandsabschätzung der Seehunde (Phoca vitulina) im Untersuchungsgebiet wurden die Ergebnisse mehrjähriger Flugzählungen zwischen 1990 und 1995 ausgewertet. Da die Ergebnisse regelmäßiger Befliegungen zur Verfügung standen, wurde auf gesonderte Geländeuntersuchungen in den Untersuchungsabschnitten VI und VII verzichtet. Vergleichbare Daten für die Elbabschnitte oberhalb Brunsbüttel liegen nicht vor und stützen sich vornehmlich auf Zufallsbeobachtungen Ortskundiger. Im Frühjahr/Sommer 1995 wurden deshalb potentielle Liegeplätze am Elbufer und auf den Elbsänden zwischen Brunsbüttel und Finkenwerder ergänzend nach Seehunden abgesucht. In nahezu allen Abschnitten des Untersuchungsgebietes sind bereits Seehunde beobachtet worden. Bestände mit traditionellen Liegeplätzen und regelmäßiger Reproduktion finden sich aber nur in den Untersuchungsabschnitten VI und VII. Im Sommer 1995 wurden hier maximal 370 Tiere gezählt. Während der Jahre 1991 - 1995 lebten im Untersuchungsgebiet etwa 3,6 % der gesamten Wattenmeerpopulation. Bei den Sichtungen oberhalb Brunsbüttel (Untersuchungsabschnitte I-V) handelt es sich offenbar nur um temporäre Einwanderungen einzelner Tiere oder kleinerer Rudel. Die Reproduktionsleistung der Seehunde im Untersuchungsgebiet lag zwischen 1990 und 1995 bei nur 8-15%. Es ist das im Vergleich zum sonstigen Wattenmeer, wo großräumig Reproduktionsraten um bis zu 20% erreicht werden, reproduktionsschwächste Gebiet an der schleswig-holsteinischen Nordseeküste. Auf den flachliegenden, vergleichsweise lang überfluteten Sänden finden vor allem säugende Jungtiere nur suboptimale Aufzuchtbedingungen. Trotz der schwachen Reproduktion haben die Seehundbestände in den Untersuchungsabschnitten VI und VII mit im Mittel 20% überdurchschnittlich (Schleswig-Holstein im Mittel 14%) zugenommen, weil vermutlich aus weiter nördlich und westlich liegenden Nachbarpopulationen ständig Tiere zuwandern. Besonders anziehend wirken vermutlich die verhältnismäßig reichen Fischvorkommen im Elbeästuar. Die Lage der Seehundliegeplätze in den Untersuchungsabschnitten VI und VII, auf denen zwischen 1993 und 1995 wenigstens einmal Tiere beobachtet wurden, zeigt Abb. 7.4 - 8. Die im Sommer am stärksten besetzten Liegeplätze befinden sich im Prielsystem der Schatzkammer, am Medemgrund und an der Scharhörnbalje. Die wichtigsten Jungtierbänke liegen in der Schatzkammer, wo 1995 mehr als die Hälfte aller Jungtiere des Untersuchungsgebietes gezählt wurden. In den Untersuchungsabschnitten I bis V wurden wiederholt Einzeltiere oder kleine Rudel von Seehunden beobachtet. Die Tiere wurden fast ausschließlich im Wasser (z.B. Ostemündung, Brammer Bank, Mühlenberger Loch) gesichtet. Regelmäßig genutzte Liegeplätze oder Aufzuchtplätze mit erfolgreicher Reproduktion sind nicht nachzuweisen. Besonders häufig werden Seehunde hier zur Laichzeit der Stinte im April/Mai gesichtet. Die Tiere folgen vermutlich wandernden Fischschwärmen stromaufwärts, halten sich dann in deren Laichgebieten auf, bis das abnehmende Nahrungsangebot oder zunehmender Tourismus sie in Richtung Nordsee zurückdrängt. Abb. 7.4 - 8: Seehundliegeplätze im Untersuchungsgebiet

Brutvögel Im Untersuchungsgebiet wurden die Brutvögel bis auf das Gebiet des Hamburger Hafens5) flächendeckend erfaßt. Zusätzlich wurden auch in einigen unmittelbar an das Untersuchungsgebiet angrenzenden Gebieten Kartierungen durchgeführt oder bestehende Gutachten übernommen. Diese Gebiete (Nordkehdinger Außendeich, Borghorster Wiesen, Seeve-Mündung) weisen als Vogellebensräume eine starke Verknüpfung mit dem Untersuchungsgebiet auf. Die Daten wurden im Zeitraum von 1991 bis 1996 erhoben. Der überwiegende Teil der Daten stellt die Situation der Brutperioden 1993 und 1994 dar. Das gesamte Artenspektrum wurde qualitativ erfaßt. Gefährdete und gebietstypische Brutvögel, insbesondere Arten der Küsten- und Ästuarlebensräume sowie alle Arten innerhalb von Küstenvogelkolonien wurden im Rahmen einer modifizierten Revierkartierung quantitativ erfaßt (vgl. Tab. 7.4 - 14). Vorhandene Daten wurden nur dann miteinbezogen, wenn sie methodisch vergleichbar und zur Kartierzeit nicht älter als 5 Jahre waren. In Schleswig-Holstein und Hamburg wurde entsprechend dem von BRUNCKHORST et al. (1988) für Küstenvögel vorgeschlagenen Vorgehen eine dreimalige Begehung der Flächen durchgeführt. Dies ist nach RECK (1992) ausreichend, um den Wert einer Brutvogelgemeinschaft im Rahmen einer UVU zu beschreiben. In Niedersachsen wurde davon abweichend mit sechs Begehungen kartiert, da zwei Drittel der zu kartierenden Flächen bereits mit sechsmaligen Begehungen kartiert waren und so eine Vereinheitlichung der Datengrundlage erreicht werden konnte. Die Brutvogelgemeinschaften des Elbeästuars weisen eine charakteristische Artenzusammensetzung mit zum Teil individuenstarken Vorkommen typischer Arten auf. Insgesamt wurden im Untersuchungsgebiet 110 Arten nachgewiesen. Charakterarten sind Teichrohrsänger und Rohrammer in den Röhrichten, Austernfischer und Rotschenkel im Deichvorland sowie Feldlerche und Kiebitz in den Zwischendeichsgebieten, Kögen und Poldern. Stockenten, Löffelenten und Bläßhühner sind typische Elemente der Pütten, Marschengräben und sonstigen Neben- und Seitengewässer der Elbe. Andere Küstenvögel, wie beispielsweise Möwen und Seeschwalben, brüten in individuenstarken Kolonien auf den Inseln und exponierten Vorländern. Im Untersuchungsgebiet sind Brutvorkommen zahlreicher gefährdeter Vogelarten nachgewiesen worden (vgl. Tab. 7.4 - 14). Achtzehn der nachgewiesenen Brutvogelarten werden in mindestens einer der zugrundegelegten Roten Listen als vom Aussterben bedrohte Art geführt. Für diese Arten sind die Lebensräume im Elbeästuar von existenzsichernder Bedeutung. Verluste von Brutgebieten können zum Aussterben der jeweiligen Art führen. Von den nachgewiesenen Brutvögeln werden 15 als Anhang I-Arten der EG-Vogelschutzrichtlinie geführt. Für die Lebensräume dieser Vogelarten sind auf der Grundlage der EG-Vogelschutzrichtlinie besondere Schutzmaßnahmen anzuwenden. Tab. 7.4 - 14: Quantitativ erfaßte Brutvogelarten (57 Arten)
 

Artnamewissenschaftlicher Artname BRD HH NS SH EG
AlpenstrandläuferCalidris alpina 1 - 0 1  
AusternfischerHaematopus ostralegus + 4 + +  
BartmeisePanurus biarmicus + 5 3 4  
BekassineGallinago gallinago 2 2 2 2  
BeutelmeiseRemiz pendulinus + 4 + 4  
BlaukehlchenLuscinia svecica 2 1 2 1 *
BrandgansTadorna tadorna + 4 + +  
BrandseeschwalbeSterna sandvicensis 3 - 2 3 *
BraunkehlchenSaxicola rubetra 3 3 2 3  
DrosselrohrsängerAcrocephalus arundinaceus 2 1 1 2  
FeldschwirlLocustella naevia + + + +  
FlußregenpfeiferCharadrius dubius 3 3 + 4  
FlußseeschwalbeSterna hirundo 2 0 2 2 *
FlußuferläuferTringa hypoleucos 1 1 1 1  
Großer BrachvogelNumenius arquata 2 1 2 3  
HeringsmöweLarus fuscus     
KampfläuferPhilomachus pugnax 1 1 1 1 *
KarmingimpelCarpodacus erythrinus 4 - + 4  
KiebitzVanellus vanellus 3 2 3 3  
KleinspechtDendrocopus minor + + 3 4  
KnäckenteAnas querquedula 2 1 2 3  
KormoranPhalacrocorax carbo 3 - 3 2  
KrickenteAnas crecca 3 2 3 3  
KüstenseeschwalbeSterna paradisea 3 - 2 3 *
LachmöweLarus ridibundus + + + +  
LachseeschwalbeGelochelidon nilotica 1 - 1 1 *
LöffelenteAnas clypeata 3 3 2 3  
NachtigallLuscinia megarhynchos + + 3 +  
Neuntöter Lanius collurio 3 2 3 3 *
NonnengansBranta leucopsis 5 - 5 + *
PfeifenteAnas penelope 5 - 5 5  
PirolOriolus oriolus + 4 + 4  
RebhuhnPerdix perdix 3 2 3 3  
RohrschwirlLocustella luscinoides 3 1 2 +  
RohrweiheCircus aeruginosus 3 3 3 + *
RotschenkelTringa totanus 3 2 2 3  
SaatkräheCorvus frugilegus 3 3 3 3  
SäbelschnäblerRecurvirostra avosetta + 1 + + *
SandregenpfeiferCharadrius hiaticula + 2 + +  
SchafstelzeMotacilla flava 3 3 3 3  
SchilfrohrsängerAcrocephalus schoenobaenus 2 1 2 3  
SchnatterenteAnas strepera + 1 2 +  
SchwarzkopfmöweLarus melanocephalus 4 - 3 4  
SeeregenpfeiferCharadrius alexandrinus 2 0 2 3  
SilbermöweLarus argentatus + 4 + +  
SturmmöweLarus canus + 4 + +  
SumpfrohrsängerAcrocephalus palustris + + + +  
TeichrohrsängerAcrocephalus scirpaceus + + + +  
TüpfelrallePorzana porzana 2 1 2 2 *
UferschnepfeLimosa limosa 2 2 2 2  
Wachtelkönig 1Crex crex 1 1 1 2 *
WanderfalkeFalco peregrinus 2 0 1 0 *
WasserralleRallus aquaticus 3 3 3 +  
WeißstorchCiconia ciconia 2 1 1 1  
WiesenpieperAnthus pratensis 3 3 3 3  
WiesenweiheCircus pygargus 1 0 1 2 *
ZwergseeschwalbeSterna albifrons 2 1 1 2 *

Erläuterungen:Rote Listen:

NS = Niedersachsen und Bremen, Stand 1995 (HECKENROTH 1995) SH = Schleswig-Holstein, Stand 1991 (KNIEF ET AL: 1990, erg. 1992) HH = Hamburg, Stand 1994 (GARTHE & MITSCHKE 1992, erg. 1994) D = Deutschland, Stand 1991 (DDA & DS/ IRV 1991) * = Anhang 1-Art (EG-Vogelschutzrichtlinie 1979, 1992)

Gefährdung:0 = ausgestorbene oder verschollene Art

1 = vom Austerben bedrohte Art 2 = stark gefährdete Art 3 = gefährdete Art 4 = potentiell gefährdete Art 5 = Vermehrungsgast + = Brutvogel, nicht gefährdet 1: weltweit gefährdet nach WORLD CONSERVATION MONITORING CENTRE (1990)

Der Schutz des weltweit gefährdeten Wachtelkönigs, der im Untersuchungsgebiet mit 21 Brutrevieren in einem seiner bedeutendsten Brutgebiete in der Bundesrepublik Deutschland vertreten ist, stellt eine internationale Verpflichtung dar. Seine Brutplätze liegen im Vorland und auf den Inseln oft nahe der mittleren Hochwasserlinie im landseitigen Bereich der Röhrichte im Übergang zu sporadisch extensiv genutzten Wiesen und Brachen. Verbreitungsschwerpunkte sind der Asseler Sand, die Inseln Rhinplatte und Pagensand sowie das Vorland der Pinnaumündung mit dem Eschschallen und die Ilmenau/Luhe-Mündung oberhalb Hamburgs. Die Lage der Brutplätze gefährdeter und weiterer ästuartypischer Arten (vgl. Tab. 7.4 - 14) werden in den Karten zu der Biotoptypenkartierung (vgl. MATERIALBAND VI) dargestellt. Die Auswahl gefährdeter und ästuartypischer Arten richtet sich neben den Roten Listen nach der Präsenz und den spezifischen Habitatansprüchen der Arten. Die Auswahl beschränkt sich auf besonders gefährdete und spezialisierte Arten, die in Ästuaren noch regelmäßig und zum Teil in großen Beständen vorkommen. Die Übersicht der Brutbestände ausgewählter ästuartypischer Brutvogelarten in Tab. 7.4 - 15 stellt die Verteilung auf die drei Hauptlebensräume Sandinseln, Vorland und Elbufer sowie die Nebenflüsse dar. Im Bereich der Nebenflüsse dokumentiert das eingeschränkte Spektrum ästuartypischer Arten den hohen Grad der Beeinträchtigung der Vogellebensräume durch Sperrwerksbau und enge Eindeichung. Lediglich die Mündungsbereiche der Oste mit einem Brutvorkommen des Kampfläufers und der Ilmenau/Luhe mit Brutvorkommen des Wachtelkönigs weisen eine herausragende Bedeutung auf. Einzelne Elbinseln werden noch von großen Seeschwalbenkolonien besiedelt. Allerdings ziehen sich die Seeschwalben, insbesondere Arten mit hohen Ansprüchen an die Qualität ihres Lebensraumes wie die Zwergseeschwalbe, immer mehr auf Sandinseln in der Außenelbe zurück. Individuenstarke Brutvorkommen von Küstenvögeln wie dem Säbelschnäbler verteilen sich in abnehmender Dichte bis in das obere Ästuar. In der Nordkehdinger Außendeichsmarsch brüten Säbelschnäbler auch deichnah im Binnenpolder. Die Jungen werden kurz nach dem Schlüpfen über den Deich ins Vorland geführt. Die Verknüpfung von Binnendeichsbrutplätzen und außendeichs gelegenen Nahrungshabitaten wird auch für Austernfischer, Kiebitz, Uferschnepfe, Kampfläufer und andere dokumentiert. Der große Sturmmöwenbrutbestand des Elbeästuars mit der größten Kolonie auf der Pionierinsel zwischen Lühesand und dem linken Elbufer erreicht mit 1972 Paaren annähernd ein Drittel des Gesamtbestandes der niederländisch-deutsch-dänischen Küste und der Inseln im Wattenmeer. Tab. 7.4 - 15: Brutbestände ausgewählter ästuartypischer Vögel zwischen 1992 - 1996
 

Artname Sandinseln Bp Vorland/Elbufer Bp Nebenflüsse Bp Gesamtes Unter-suchungsgebiet Bp
Rohrweihe 3 27 3 33
Wachtelkönig 6 10 5 21
Säbelschnäbler 25 479 - 504
Sandregenpfeifer 23 19 - 42
Seeregenpfeifer 4 11 - 15
Alpenstrandläufer - 1 - 1
Kampfläufer 3 33 1 37
Großer Brachvogel 6 2 - 8
Sturmmöwe 2.254 165 - 2.419
Lachseeschwalbe - 43 - 43
Brandseeschwalbe 913 - - 913
Flußseeschwalbe - 356 - 356
Küstenseeschwalbe - 70 - 70
Fluß-/Küstenseeschwalbe 2.186 - - 2.186
Zwergseeschwalbe 45 - - 45
Blaukehlchen - 5 - 5
Rohrschwirl 2 16 5 23
Schilfrohrsänger 9 93 17 119
Drosselrohrsänger 1 4 1 6
Karmingimpel 2 2 - 4
Erläuterung: Bp = Brutpaare

Rastvögel Das Elbeästuar wird nicht nur von Brutvögeln als Nahrungs- und Fortpflanzungsrevier genutzt, sondern dient zu bestimmten Jahreszeiten auch durchziehenden, mausernden, rastenden oder überwinternden Vogelarten als Teillebensraum. Zur Beurteilung des Ist-Zustandes wurden die verfügbare Literatur und weitere, größtenteils unveröffentlichte Beobachtungsdaten ausgewertet. Das Untersuchungsgebiet wurde flächendeckend bearbeitet. In Teilbereichen wurde es wegen nicht ausreichender Trennbarkeit vorhandener Daten (Insel Trischen) bzw. nur sehr schwach ausgeprägter Trennung von Binnen- und Außendeichsflächen (eingedeichte Flächen des Nordkehdinger Außendeichs) über das eigentliche Untersuchungsgebiet hinaus ausgedehnt. Flächen ohne oder mit nur mit geringer Bedeutung für Rastvögel, wie beispielsweise die weit vorgedeichten Strecken ohne Vorland zwischen Neufeld und St. Margarethen oder Barnkrug und Mühlenberger Loch, blieben unberücksichtigt. Auf gesonderte Geländeaufnahmen wurde verzichtet, da bereits seit Jahrzehnten kontinuierlich Zählungen durchgeführt werden. Für drei ökologische Gruppen ziehender Vögel ist die Unterelbe von Bedeutung:

Watvögel: Diese Arten sind besonders auf die nahrungsreichen Schlickwattbereiche angewiesen.

Vorwiegend pflanzenfressende Enten- und Gänsevögel: Für diese Arten sind die seichten Verlandungsbereiche und gelegentlich überfluteten Vordeichsgrasländer von großer Bedeutung. Die Krickente ist fast ausschließlich auf die schlickigen Süßwasserwatten nahe der MTHW-Linie angewiesen.

Die freien Wasserflächen der Elbe sind von Bedeutung für fischfressende Arten wie z.B. Kormoran (Phalacrocorax carbo) und Gänsesäger (Mergus merganser). Die ausgedehnten Schilfbereiche entlang der Elbe dienen darüber hinaus vermutlich nicht unerheblichen Mengen von ziehenden Singvögeln als Schlafplatz. Das Ästuar der Unterelbe bietet einigen Vogelarten aufgrund seiner langanhaltenden Niedrigwasserphasen einmalig günstige Bedingungen für die Nahrungsaufnahme. So halten sich im Bereich der Elbmündung 40% der Gesamtpopulation des Sichelstrandläufers und 25% der Gesamtpopulation des Dunklen Wasserläufers auf. Die Unterelbe zwischen Barnkrug und Otterndorf stellt einen der bedeutendsten Rast- und Überwinterungsplätze an der deutschen Küste mit rund 10% des Weltbestandes des Zwergschwans und etwa 20-30% der an der Nordsee durchziehenden Weißwangengänse dar. Mausernde Eider- und Brandenten Die Bestände von mausernden Eider- und Brandenten werden seit 1986 im gesamten deutschen Wattenmeer über Flugzeugzählungen erfaßt. Ausgewertet wurden insgesamt 75 (Schleswig-Holstein) bzw. 25 (Niedersachsen/Hamburg) Eiderenten- und 20 Brandentenzählungen aus den Jahren 1986 bis 1995. Da die Brandenten nur in den Sommermonaten aufgenommen wurden, fand ergänzend eine Literaturauswertung zur Bestandsabschätzung zwischen Herbst und Frühjahr statt. Gesonderte Geländeerhebungen wurden nicht durchgeführt. Betrachtet wurde ausschließlich das äußere Ästuar der Elbe unterhalb der Ostemündung, da nur dieses für die mausernden Populationen von Bedeutung ist. Das Wattenmeer, vor allem der schleswig-holsteinische und niedersächsische Teil, ist mit einem Gesamtmauserbestand von 250.000-300.000 Tieren ein international bedeutendes Mauser- und Überwinterungsgebiet für Eiderenten. Die Enten ziehen zwischen Juni und September aus ihren Brutgebieten zur Mauser ein und treten teilweise bereits im Winter ihren Heimzug an. Bis April haben die meisten Eiderenten das Wattenmeer wieder verlassen. Während der herbstliche Mauserbestand in den letzten 20 Jahren sehr stark zugenommen hat, veränderte sich die Anzahl überwinternder Tiere nur wenig. Im schleswig-holsteinischen Teil des Untersuchungsgebietes werden nur im Sommer und Frühherbst nennenswerte Eiderentenbestände mit durchschnittlich 2.100 Exemplaren beobachtet. Die höchsten Zahlen werden in den Prielsystemen Neufahrwasser und Schatzkammer erreicht. Südlich der Elbe sind die Sommer- und Winteraufenthalte deutlich höher und ausgeglichener und stehen vermutlich mit einem verbesserten Nahrungsangebot (Verbreitung der Miesmuschel) im Zusammenhang. Durchschnittlich rasten auf niedersächsischer Seite im Sommer 3.900 und im Winter 5.000 Tiere. Bei einzelnen Zählungen wurden hier bis zu 14.000 Eiderenten pro Tag dokumentiert. Bevorzugt werden vor allem die Teilbereiche zwischen dem Leitdamm von Cuxhaven und Neuwerk und im Gebiet nordwestlich Scharhörn. In den Wattenmeerteil des Untersuchungsgebietes fliegen jährlich bis zu 150.000 Brandenten ein, um dort in den Monaten Juli und August in großen Verbänden von bis zu mehreren 10.000 Individuen zu mausern. Dies entspricht rund 75% der im Wattenmeer mausernden Brandenten und nahezu der Hälfte der nordwesteuropäischen Population. Zum Ende des Winters verteilen sich die Vögel wieder in ihre nördlichen und westlichen Brutgebiete (z.B. nordfriesische und ostfriesische Inseln), so daß sich zur Brutzeit zwischen April und Juni nur sehr wenig Brandenten im Untersuchungsgebiet aufhalten. Zur spätsommerlichen Mauser versammeln sich die Brandenten vor allem im schleswig-holsteinischen Wattenmeer. Traditionell werden hier vor allem die störungsfreien und vor Beutegreifern geschützten Sandflächen um Trischen, Scharhörn und Knechtsand genutzt. Diese Schwerpunkträume verlieren in neuerer Zeit vermutlich durch Garnelenfischerei, Erosionserscheinungen und lokale Salzgehaltsveränderungen an Attraktivität. Von 1988 bis 1993 verlagerten die Vögel ihren Schwerpunkt um Trischen in die Priele Schatzkammer und Klotzenloch, während Scharhörn zunehmend an Bedeutung verlor. Diese Entwicklung verläuft seit 1994 wieder rückläufig. Knechtsand wird wegen anhaltender Erosion der trockenfallenden Flächen nur noch von wenigen Brandenten genutzt. Nacht- und Kleinschmetterlinge Nacht- und Kleinschmetterlinge wurden mit Hilfe von Lichtfallen an 42 repräsentativen Standorten entlang der Elbe, ihrer Nebenflüsse und der Zwischendeichsflächen aufgenommen (vgl. Abb. 7.4 - ). Die Standorte entlang der Elbe wurden 1993, die entlang der Nebenflüsse und Zwischendeichsflächen 1994 untersucht. Mit 395 nachgewiesenen Arten konnte ein beachtliches Spektrum an Nacht- und Kleinschmetterlingen festgestellt werden. Tab. 7.4 - 16 zeigt in einer Übersicht die an den Fallenstandorten nachgewiesenen Gesamtartenzahlen sowie den Anteil von Einzelnachweisen und gefährdeten Arten. Mit 20-26% wurden besonders hohe Anteile an Rote-Liste-Arten an den Standorten Hadelner Außendeich, Hörner Außendeich, Drochtersen-Assel, Schwarztonnensand, Wisch, Neufeld, Bishorst/Hohenhorst und Ilmenau gefangen. Die Artenzahlen nehmen an der Elbe und den Nebenflüssen Oste und Stör flußaufwärts kontinuierlich zu. Während am Trischendamm nur 16 Arten nachgewiesen wurden, zeigen die Standorte Drage und Ilmenau mit 139 bzw. 147 Arten die vergleichsweise höchsten Frequenzen. Die Standorte südlich der Elbe verfügen über signifikant höhere Artenzahlen (im Mittel 81 Arten) als das Nordufer (im Mittel 49 Arten). Für diese deutliche Artendifferenzierung der Ufer sind vermutlich die wesentlich größeren Vordeichs- und Habitatflächen auf niedersächsischer Seite verantwortlich. Für Nacht- und Kleinschmetterlinge im Untersuchungsgebiet wichtige Habitate sind:

Quellerfluren,

Sandstrände,

Röhrichte,

Hochstauden- und Krautfluren sowie

Auengebüsche und Auwälder. Die Qualität eines Einzelhabitates ist vor allem von der Ausprägung bestimmter, faunistisch wertvoller Strukturmerkmale abhängig. Nacht- und Kleinschmetterlinge bevorzugen beispielsweise Röhrichte mit einer vollständigen Aufeinanderfolge von verlandeten, wechselfeuchten und ständig überstauten Teilbereichen, großflächig nicht oder nur gering genutzten Pflanzenbeständen und kleinflächig schütteren Beständen mit Gehölzdurchsatz. Die Pflanzenbestände sollten in ihrer Alterstruktur heterogen aufgebaut sein und über charakteristische Halmformen (abgeknickt aber nicht überflutet) zur Überwinterung verfügen. Abb. 7.4 - 9: Lichtfallenstandorte der Nacht- und Kleinschmetterlingskartierung

Tab. 7.4 - 16: Artenvielfalt der nachtaktiven Schmetterlinge im Untersuchungsgebiet
 

Standort Gesamt-artenzahl Artnachweis nur am Standort Rote-Liste-Arten
Anzahl % Anzahl %
Hadelner Außendeich 42 0 0 11 26
Hörner Außendeich 57 0 0 14 25
Drochtersen-Assel 76 2 3 15 20
NSG Schwarztonnensand I 72 1 1 15 21
NSG Schwarztonnensand II 64 1 2 15 23
Stade-Bützfleth 83 5 6 7 8
Wisch 68 2 3 16 24
Uferzone bei Hahnöfersand 77 0 0 9 12
NSG Heuckenlock/Stillhorn 96 2 2 6 6
Drage 138 6 4 19 14
Uferzone bei Staustufe Geesthacht 124 4 3 13 10
Oortkatener See/Warwisch 103 4 4 12 12
Trischendamm 16 0 0 2 13
Neufeld 23 2 9 5 22
St. Margarethen 46 3 7 8 17
Hollerwettern 38 0 0 5 13
Krückau-Mündung (LFChnhüser Deich) 28 0 0 3 11
Seestermühe (Pagensander Nebenelbe) 67 4 6 13 19
Bishorst/Hohenhorst (NSG Drommel) 55 2 4 12 22
Haseldorf (NSG Drommel) 48 3 6 5 10
Hetlinger Schanze 42 1 2 3 7
Uhrendorf am Störufer bei Wewelsfleth 30 1 3 4 13
Kremper Au bei Borsfleth 23 0 0 1 4
Audeich/Pinnau 79 3 4 10 13
Oste Nord 71 3 4 11 15
Oste Mitte 64 2 3 8 13
Oste Süd 107 6 6 19 18
Schwinge 107 3 3 12 11
Este 75 3 4 14 19
Ilmenau 147 11 7 32 22
Dornbusch 62 1 2 6 10
Krautsander Außendeich 91 3 3 11 12
NSG Kleine Wurth 65 3 5 12 18
Ruthenstrom 45 0 0 8 18
Asseler Sand/Teich 65 0 0 12 18
Flutgraben Asseler Sand 35 1 3 5 14
Heiligenstedten (Stör) 75 5 7 8 11
Deicherde (Stör) 59 5 8 8 14
Bahrenflether Deich (Stör) 62 3 5 8 13
Neuenkirchen (Stör) 56 2 4 3 5
Seester Ziegelei (Krückau 89 8 9 6 7
Kleevendeich (Pinnau) 38 0 0 1 2

Typische Vertreter des Schilfröhrichts sind zum Beispiel der Holzbohrer Phragmatecia castaneae sowie die Eulenfalter Mythimna obsoleta, Senta flammea, Archanara geminipuncta, Archanara dissoluta, Rhizedra lotusa und Arenostula phragmitidis. Auf das Rohrkolbenröhricht haben sich der Zünsler Calamotropha paludella und die Eulenfalter Nonagria typhae und Archanara sparganii spezialisiert. Uferbewohnende Käfer Uferbewohnende Käfer wurden an 44 für das Untersuchungsgebiet typischen Fangstellen, die zwischen Mai 1993 und Juni 1994 mindestens dreimal begangen wurden, untersucht. Die Fangstellen (vgl. Abb. 7.4 - ) wurden pro Fangtermin mindestens eine Stunde, in der Regel aber eineinhalb Stunden nach Individuen abgesucht und per Hand besammelt. In den Wintermonaten 1993/94 wurden an zahlreichen Standorten Gesiebeproben entnommen. In den Auwaldbereichen wurden überwiegend Rindengesiebe, auf den von Röhricht und Grünland geprägten Flächen die Geniste der Winterhochwässer untersucht. Ergänzend wurden verfügbare Daten aktueller Bodenfallenuntersuchungen und Handaufsammlungen ausgewertet. Als Fangstellen wurden überwiegend Salzwiesen, Röhrichte, Grünländereien, Auwälder, Marschengräben und Obstbaugebiete im Deichvorland ausgewählt. Insgesamt konnten im Untersuchungsgebiet 583 Käferarten, hiervon 154 Laufkäfer (Carabidae) und 429 Arten sonstiger Gruppen (z.B. Kurzflügler, Rüsselkäfer) nachgewiesen werden. 131 Arten oder 23% der Gesamtarten werden in den Roten Listen von BRD oder Schleswig-Holstein geführt. Einen besonders hohen Anteil stenöker und in der Elbtalaue schwerpunktmäßig verbreiteter Arten zeigen die Fangstellen am Trischendamm, Kaiser-Wilhelm-Koog, Neufelder Watt, Eschschallen, Schweenssand, Heuckenlock, Geversdorf (Oste), Beidenfleth (Stör), Krautsand (Wischhafener Süderelbe), Krückau Sperrwerk (Binnendeich) und Hetlinger Schanze (Binnendeich) (vgl. Abb. 7.4 - 11). Die für die Käferfauna der Flußlandschaften wertvollen Lebensräume beschränken sich im Untersuchungsgebiet vornehmlich auf die

Elbinseln Schwarztonnensand, Pagensand, Bishorster Sand, Neßsand und Stover Werder als Sekundärlebensräume für Käferarten dynamischer Uferstrukturen und Dünen sowie auf

unverbautes, nicht oder extensiv genutztes, möglichst weitläufiges Deichvorland mit Auwaldbeständen, ausgedehnten Röhrichten oder Salzwiesen am Dieksander Koog, Neufelder Watt, St. Margarethen, Kollmar Bielenberg, Eschschallen, Haseldorfer Elbvorland, Heuckenlock, Schweenssand und Zollenspieker. Abb. 7.4 - 10: Untersuchungsflächen der Käferkartierung

Abb. 7.4 - 11: Anteile stenöker und schwerpunktmäßig in der Elbaue verbreiteter Käferarten (dunkler Balken) an den Gesamtfängen

Salzwiesen und deren natürliche Abbruchkanten, Röhrichte, Dünen, Spülsäume auf Sand, Auwälder mit oder ohne Tideeinfluß und Wattflächen sind besonders bedeutsame Habitate für uferbewohnende Käfer. Die offenen Sandflächen der Elbinseln beispielsweise bieten trotz ihrer noch jungen Entstehungsgeschichte für zahlreiche Spezialisten günstige Sekundärlebensräume. Bei Schwarztonnensand, Pagensand, Bishorster Sand und Neßsand wurden als typische Vertreter salzwasserbeeinflußter Ufer der in Schleswig-Holstein vom Aussterben bedrohte Sandlaufkäfer Cicindela maritima und der potentiell bedrohte Laufkäfer Amara convexiuscula nachgewiesen. Oberhalb der Flutlinie sind hier als Dünenbewohner die zum Teil gefährdeten Laufkäfer Cicindela hybrida, Calathus ambiguus, Calathus ochropterus und Amara quenseli sowie der Blatthornkäfer Aegialia arenaria charakteristisch. Für die Insel Schwarztonnensand wird zudem noch der in Schleswig-Holstein stark gefährdete Laufkäfer Masoreus wetterhallii als ausgesprochen wärmeliebender Bewohner von Trockenrasen, Heiden und Dünen gemeldet. Andere lebensraumtypische Formen im Untersuchungsgebiet sind zum Beispiel die Laufkäfer Ocys harpaloides (Weichholzaue), Odocantha melanura (Schilf- und Rohrkolbenröhricht), Bembidion maritimum (salzwasserbeeinflußte Watten) und Dyschirius salinus (Abbruchkanten und Freistellen von Salzwiesen), die Kurzflügler Bledius spectabilis und Bledius tricornis (Abbruchkanten und Freistellen von Salzwiesen) sowie der RFCsselkäfer Thryogenes festucae (brackwasserbeeinflußtes Röhricht).