Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6 PROGNOSE DER VERÄNDERUNG DES LANDSCHAFTSBILDES BEI DURCHFÜHRUNG DES VORHABENS

6.1 Beschreibung der Maßnahme

Derzeit liegt die Mindesttiefe der Fahrrinne der Unter- und Außenelbe auf Kartennull (KN) -13,5 m. Folgende Vertiefungen sind geplant (zukünftige Kilometrierung in der Mitte der ausgebauten Fahrrinne = Fahrrinnenkilometrierung; N):

  • durchgehend im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke von km 621,8 N (Köhlbrand) bzw. km 624,4 N (Norderelbe) bis km 632 N auf KN -15,3 m (=NN -16,7 m),
  • keilförmig von km 632 N (KN -15,3 m) bis km 648 N auf KN -14,4 m (=NN -15,8 m),
  • teilvertieft auf KN -14,4 m von km 648 N bis km 713,2 N,
  • von km 713,2 N (KN -14,4 m) bis km 747,9 N auf KN -15,2 m (=NN -17 m) zunehmend.

Bereichsweise wird schon heute die derzeitige Sollsohle von KN -13,5 m aufgrund natürlicher Übertiefen mehr oder minder überschritten. Insofern ist eine tatsächliche Vertiefung nur in Teilbereichen erforderlich.

Die heutigen und künftigen Solltiefen sind die für die Schiffahrt vorzuhaltenden Tiefen. Diese können zeitweilig im Zuge von Unterhaltsbaggerungen durch Baggertoleranzen und Vorratsbaggerungen um ca. 0,5 m überschritten werden.

Im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke werden die Fahrrinnenbreiten in einigen Teilabschnitten geringfügig verändert, ansonsten bleiben sie unverändert. Von Wedel bis Bielenberg wird die Fahrrinne um rund 50 m verbreitert, während im Außenelbebereich seewärts von Cuxhaven die Breite um bis zu 100 m zurückgenommen wird. In den übrigen Abschnitten der Unterelbe bleiben die Fahrrinnenbreiten im wesentlichen erhalten.

Durch die Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne werden voraussichtlich ca. 26,5 Mio. m; Baggergut anfallen. Dabei handelt es sich überwiegend um Fein- bis Grobsande mit unterschiedlich hohen Schluff- und Kiesanteilen. Im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke (Altenwerder/Klostertor (Strom-km 620 A) bis Blankenese (Strom-km 635 A)) werden auch Geschiebemergel und steiniges Moränenmaterial anfallen.

Die Unterbringung des Baggergutes ist auf verschiedene Arten geplant:

  • Ufernahe Strombaudeponien (für gering schluff- und kieshaltige Sande). Die Oberkante der Deponiekörper liegt auf MTnw -3 m.
  • Spülfeld Pagensand (feinkörnige Sedimente). Zwei Aufspülungen bis auf eine Höhe von NN + 9 m.
  • Strandvorspülungen Othmarschen/Nienstedten/Blankenese, Schweinesand/Neßsand, Bullenhausen und Heuckenlock (Sand).
  • Klappgrube Mühlenberger Loch (Geschiebemergel). Zur Herstellung der Grube muß am südlichen Fahrrinnenrand zwischen Strom-km 632,5 A und Strom-km 634,5 A ca. 1 Mio. m; Sand ausgebaggert werden, der zusammen mit dem in der Fahrrinne anfallenden Material untergebracht wird.
  • Aufspülung der Brammer Bank als Alternative zum Spülfeld Pagensand. Anlage eines Spülfeldes mit einer Höhe von NN +5,90 m auf den Wattflächen und Flachwasserbereichen der Brammer Bank.
  • Stützkörper und Drainagen auf den Schlickhügeln Francop und Feldhofe (Sand).
  • Diverse Baumaßnahmen im Bereich des Hamburger Hafens, z.B. Hafenbeckenverfüllungen und Flächenaufhöhungen (vgl. Kap. 5).

Als potentiell landschaftsbildverändernd müssen alle Maßnahmen und Prozesse gelten, die entweder visuell direkt wirkende Veränderungen (z.B. neue Bauwerke, Veränderung der Uferlinie) im Untersuchungsgebiet oder in dessen Nähe hinterlassen oder über allmähliche Veränderungen des Wasserspiegels oder der Strömungsgeschwindigkeit der Elbe indirekt landschaftsbildwirksame Veränderungen verursachen können. Baumaßnahmen, für die zwar bei der Fahrrinenanpassung anfallendes Baggermaterial verwendet wird, die mit ihr aber nicht in ursächlichem Zusammenhang stehen und somit Gegenstand eigener Genehmigungsverfahren sind, werden im Kapitel "Prognose über die Veränderung des Landschaftsbildes ohne Durchführung des Vorhabens" (Kap. 5) behandelt.

6.2 Wirkfaktoren

Aus der Beschreibung der Baumaßnahme lassen sich landschaftsbildverändernde Wirkfaktoren ableiten. Grundsätzlich sind visuell direkt wirkende Baumaßnahmen und die indirekt wirkende Veränderung der Tidedynamik im Ästuar zu unterscheiden. Folgende Wirkfaktoren sind für das Schutzgut Landschaft festzustellen:

  • Änderung des Tidehochwassers (Thw) und des Tideniedrigwassers (Tnw),
  • Änderung der Strömungsgeschwindigkeit,
  • Strandvorspülung,
  • Aufspülung von Landflächen mit Baggergut,
  • Aufspülung von Wattflächen und Flachwasserbereichen,

Im folgenden werden die potentiell landschaftsbildverändernden Maßnahmenbestandteile der Fahrrinnenanpassung nach Wirkfaktoren geordnet behandelt.

Die Bewertung der einzelnen Baumaßnahmen wird auf der Ebene der flächengenauen Bewertung (1. Bewertungsschritt) ausgeführt. Diese Bewertungsebene ist aufgrund ihrer Detailliertheit besser für die Bewertung einzelner Maßnahmenbestandteile geeignet als die flächenaggregierte Bewertung der Landschaftsbildbereiche (2. Bewertungsschritt). Darüber hinaus wäre der Einfluß eines Eingriffes auf die Wertstufe des Landschaftsbildbereiches vom Größenverhältnis der Eingriffsfläche zur Fläche des Landschaftsbildbereiches abhängig. In einem kleinen Landschaftsbildbereich hätte eine bestimmte Baumaßnahme also eine stärkere Veränderung der Wertstufe des Landschaftsbildbereiches zur Folge als in einem größeren. Die flächengenaue Bewertung ermöglicht dagegen eine genaue, vergleich- und quantifizierbare Betrachtung der Veränderungen der Voraussetzungen für das Landschaftserleben durch die einzelnen Bestandteile und Varianten der Maßnahme.

6.2.1 Änderung von Tidehoch- und Tideniedrigwasser

Durch die Verwirklichung der beschriebenen Maßnahme werden Veränderungen im Tidegeschehen der Elbe erwartet. Die Bundesanstalt für Wasserbau-Außenstelle Küste (BAW-AK) modellierte mit Hilfe eines Rechenmodells diese Auswirkungen (MATERIALBAND I). Dabei zeigte sich, daß das Tidehochwasser (Thw) voraussichtlich höher auflaufen und das Tideniedrigwasser (Tnw) niedriger ablaufen wird. Die Veränderungen wurden innerhalb verschiedener Szenarien modelliert, so daß sich für Thw und Tnw jeweils ein Prognosekorridor ergibt. Dieser Untersuchung liegen die äußeren Werte der Korridore, also die größte der prognostizierten Thw-Erhöhungen und die größte Tnw-Verringerung zugrunde. Mit dem Eintreten dieser Werte ist regelmäßig zu rechnen. Der ebenfalls durch die BAW-AK berechnete Wert für die größtmögliche Veränderung (ungünstigster berechneter Fall plus Sicherheitszuschlag) ist lediglich für die Deichsicherheit von Bedeutung und wurde hier nicht berücksichtigt.

Die Veränderungen werden im Verlauf des Ästuars unterschiedlich stark eintreten. Die prognostizierte Erhöhung des Thw beträgt in der Außenelbe nur wenige Millimeter, steigt oberhalb Cuxhavens deutlich an und erreicht bei Brokdorf (km 688 N) 1 cm, nahe der Störmündung (km 678 N) 2 cm und bei Pagensand (km 663 N) 3 cm. Die maximale Erhöhung ist mit 3,8 cm für den Bereich zwischen Blankenese (km 635 N) und Köhlbrandhöft (km 625 N) prognostiziert. In der oberen Tideelbe beträgt die Erhöhung gleichmäßig ca. 3,4 cm.

Die Verringerung des Tnw zeigt eine ähnliche räumliche Verteilung, jedoch setzt die deutliche Veränderung der Werte bereits vor Cuxhaven (km 734 N) ein. Das Maximum der Veränderung wird erst im Bereich Altenwerder/Klostertor (km 620 N) erreicht und liegt mit 7,1 cm deutlich über dem der Thw-Erhöhung. In der oderen Tideelbe fallen die Werte stark ab, um bei Geesthacht (km 585 N) 2,2 cm zu erreichen.

Auswirkungen auf das Landschaftsbild durch veränderte Thw- und Tnw-Stände sind insbesondere durch eine Veränderung der Vegetation im Uferbereich möglich. Im Kapitel 9.4.2 der UVS werden, aufbauend auf den Angaben aus dem Fachgutachten zu den terrestrischen Lebensgemeinschaften (MATERIALBAND VI), folgende Biotopgruppen in Abhängigkeit vom Maß der Thw-Änderung als betroffen eingestuft: Weidenauwald (ab 1 cm), Weidenauengebüsch (ab 1 cm), Brackwasserröhricht (ab 2 cm), Flußröhricht (ab 2 cm), sonstige Röhrichte (ab 2 cm) sowie Uferstaudenfluren (ab 2 cm) (vgl. UVS, Kap. 9.4.2, Karte "Ausbaubedingte Beeinträchtigungen der terrestrischen Lebensgemeinschaften").

Diese Biotoptypen können zwar mit der sich ändernden MThw-Linie wandern, jedoch ist ihre Ausweichfläche nach oben durch Deiche, Bebauung oder andere Nutzungen, wie z.B. Beweidung, begrenzt. Durch die Erhöhung der MThw-Linie steht diesen Biotoptypen insgesamt eine geringere Fläche zur Besiedelung zur Verfügung. Im Fachgutachten wird deshalb vereinfachend davon ausgegangen, daß alle Bestände der obengenannten Biotoptypen einen Anteil ihrer Fläche einbüßen. Der voraussichtliche Flächenverlust beträgt bei einem MThw-Anstieg von 1-2 cm 2%, bei 2-3 cm 3,5% und bei 3-4 cm 5%. Diese Werte sind als Durchschnittswerte zu verstehen! Für das Landschaftsbild ergibt sich daraus bei Betrachtung der drei Kriterien "Raumstruktur und Formenschatz", "Naturnähe" und "Anthropogene Prägung" folgendes:

  • Raumstruktur und Formenschatz
    Flächengenaue Bewertung: Vegetationsbestände werden hier nicht nach ihrer Grundfläche bewertet, sondern nach der Fläche, auf die sich ihre raumstrukturierende Qualität auswirkt (vgl. Bewertungsvorschrift für das Kriterium "Raumstruktur und Formenschatz", Kap. 2.4.1). Folglich würde nur das völlige Verschwinden von Röhrichten oder Auengehölzen die Qualität (Flächenwertstufen 1 ("Feine Kammerung") und Flächenwertstufe 2 ("Grobe Kammerung")) maßgeblich beeinträchtigen. Aufgrund des Durchschnittscharakters der Prognosewerte ist ein Totalverlust bestimmter Bestände nicht auszuschließen. Der Verlust von Auengehölzen ist aufgrund der oben beschriebenen Wasserstandsveränderung nicht zu erwarten, muß jedoch für Röhrichte angenommen werden, wenn Bestände schmal sind und ein Wandern wegen landseitiger Begrenzung nicht möglich ist. Damit müssen sie in den Bereichen mit einer Thw-Erhöhung ab 2 cm (oberhalb der Störmündung, km 678 N) als gefährdet gelten. Die betroffenen Biotopobertypen können der Karte "Zusammenfassende Darstellung der Biotoptypen" (UVS Teil 1) entnommen werden. Sie befinden sich überwiegend an den Ufern der Nebenflüsse Krückau (Landschaftsbildbereiche 6.13, 6.14), Pinnau (6.9, 6.10, 6.11), Schwinge (6.7, 6.8), Lühe (6.6) und Este (6.4, 6.5). Entlang der Elbe sind schmale Röhrichtbestände in folgenden Landschaftsbildbereichen für das Kriterium von Bedeutung: Krautsand (4.13), Bützflether Außendeich (4.12), Lühesand (4.19), Mojenhörn (4.11), Eschschallen (4.4), Fährmannssander Watt (4.1), Laßrönne Ost (1.12) und Grünerdeich (1.5) (vgl. Kriteriumkarte "Raumstruktur und Formenschatz").
    Flächenaggregierte Bewertung: Da aufgrund des Durchschnittscharakters der Prognosewerte nur ein Gefährdungsrisiko festgestellt werden kann, ist das Maß der Veränderung der Wertstufen der Landschaftsbildbereiche nicht vorherzusagen. Die Wertstufen der oben aufgeführten Landschaftsbildbereiche sind, soweit sie aufgrund der Flächenwertstufen "Feine Kammerung" und "Grobe Kammerung" entstanden sind, als gefährdet zu betrachten, d.h. hier ist eine Änderung der Wertstufe der Landschaftsbildbereiche nicht auszuschließen.
  • Naturnähe
    Flächen, die durch eine Erhöhung der MThw-Linie den Auengehölzen und den Röhrichten verloren gehen, werden zu Wattflächen. Damit ändert sich ihre Bewertung als "Naturraumtypische Biotopobertypen" (Flächenwertstufe 2) nicht. Diese nicht bewertungsrelevante Veränderung betrifft alle Landschaftsbildbereiche mit Auengehölz- und/oder Röhrichtbiotopen oberhalb Brokdorf (km 688 N).
  • Anthropogene Prägung
    Mit der Abnahme der Fläche der Röhricht- und Auengehölzbiotope verringert sich die nicht anthropogen geprägte Fläche. Das Ausmaß der Verringerung ist aber zu gering, um für die Bewertung relevant zu sein.

Die Veränderung der MThw-Linie hat keine direkten Auswirkungen auf das Landschaftsbild. Wenn es jedoch zum vollkommenen Verschwinden von sehr schmalen Röhrichtbeständen kommen würde, hätte dies Auswirkungen auf die Qualitäten "Feine Kammerung" und "Grobe Kammerung" des Kriteriums Raumstruktur- und Formenschatz. Da sich nicht prognostizieren läßt, ob es zu solchen Totalverlusten kommt, muß die Veränderung der MThw-Linie als ein Gefährdungsrisiko für die Raumstruktur und den Formenschatz des Landschaftsbildes der betroffenen Landschaftsbildbereiche gelten.

6.2.2 Änderung der Strömungsgeschwindigkeit

Die Änderungen der maximalen Flut- und Ebbstromgeschwindigkeiten liegen im Bereich zwischen 0 bis 3 cm/s, vereinzelt bis zu 5 cm/s. Diese Veränderungen sind nach Aussage der BAW-AK als gering einzuschätzen und betreffen hauptsächlich den Bereich der Fahrrinne (MATERIALBAND I).

Mögliche landschaftsbildrelevante Wirkungen dieser Änderung der Strömungsverhältnisse wären Veränderungen der Uferlinie oder der Wattflächen. Beides ist nach der Aussage der Fachgutachter zur morphologischen Entwicklung der Hauptstromrinne, den Nebenelben und -rinnen, der Vordeichländer, der Elbinseln und der Nebenflüsse nicht zu erwarten (MATERIALBAND I). Demnach ist nicht mit Auswirkungen auf das Landschaftsbild zu rechnen.

6.2.3 Strandvorspülung

Im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke sollen ca. 10% des sandigen Baggergutes für Strandvorspülungen benutzt werden. In folgenden Bereichen sind derartige Maßnahmen vorgesehen:

  • Othmarschen/Nienstedten/Blankenese
  • Schweinesand/Neßsand
  • Bullenhausen
  • Heuckenlock

Es handelt sich hier ausschließlich um Flächen, auf denen bereits Strandvorspülungen stattgefunden haben. Nach den Erfahrungen des Amtes Strom- und Hafenbau müssen diese Vorspülungen alle 3-5 Jahre wiederholt werden, um das inzwischen abgetragene Material zu ersetzen. Es handelt sich bei der vorgesehenen Maßnahme demnach nicht um eine nachhaltige Landschaftsveränderung, sondern um die temporäre Wiederherstellung eines instabilen Sollzustandes.

6.2.4 Aufspülung von Landflächen mit Baggergut

Die Unterbringung von Baggergut durch Aufspülung auf feste Landflächen ist im Landschaftsbildbereich "Pagensand Nord" (4.21) vorgesehen. Auf einer Grundfläche von insgesamt 39 ha ist die Anlage zweier Spülfelder geplant. Ihre Oberkante wird auf einer Höhe von NN + 9,0 m liegen. Das südliche Spülfeld ist mit einer Länge von ca. 875 m und einer Breite von ca. 400 m deutlich größer als die ca. 400 m lange nördliche Aufspülung (vgl. Abb. 65 - 67).

Das südliche Spülfeld soll auf einer heute als Grünland genutzten Fläche entstehen und grenzt im Süden und Osten an bereits aufgespülte Bereiche. Das nördliche, kleinere Spülfeld soll auf eine heute bereits niedrig aufgespülte Fläche aufgesetzt werden. Im Norden und Osten grenzt es ebenfalls an bereits bestehende Spülfelder. Die Böschungen steigen im Verhältnis von 1:5 und reichen elbseitig bis auf den der Insel vorgelagerten Wattstreifen. Zwischen den beiden Spülfeldern bleiben ein ca. 500-300 m breiter Grünlandbereich sowie ein Teich bestehen.

Durch die Anlage des Spülfeldes auf Pagensand ergeben sich folgende Wirkungen auf das Landschaftsbild:

  • Raumstruktur und Formenschatz
    Flächengenaue Bewertung: Beide Teile des Spülfeldes werden mit der Hälfte ihrer Grundfläche (ca. 20 ha) Flächen der Flächenwertstufe "Grobe Kammerung" (Flächenwertstufe 2) überdecken, die durch Landschaftsbildelemente der Vegetation (Auwald, Baumreihen, Röhrichte) zustande kommen. Diese Qualität würde durch die Aufspülung vollständig verlorengehen und sich nach der Durchführung der Maßnahme in der beschriebenen Form voraussichtlich nicht wieder einstellen (vgl. Abb. 65).
    Flächenaggregierte Bewertung: Durch die Verringerung der Fläche der Flächenwertstufe "Grobe Kammerung" um ca. 20 ha verringert sich die Bewertung des Landschaftsbildbereiches nicht. Der Landschaftsbildbereich "Pagensand Nord" (4.21) wird auch nach der Durchführung der Maßnahme noch gute Voraussetzungen für das Erleben von Raumstruktur und Formenschatz aufweisen.
  • Naturnähe
    Flächengenaue Bewertung: Beide Teile des Spülfeldes werden größtenteils Flächen mit Grünland und Ruderalflur der Flächenwertstufe 3 ("Landschaftsraumtypische Biotopobertypen") überdecken. In der Uferzone werden aber auch Wattflächen, Röhrichte, Auwaldbestände, also naturraumtypische Biotopobertypen der Flächenwertstufe 2 zerstört (zusammen: ca. 35 ha). Am Rand und innerhalb der Grünlandfläche sind auch Flächen deutlicher und starker anthropogener Prägung (Flächenwertstufen 4 und 5) betroffen, die jedoch zusammen mit weniger als 10% nur einen geringen Teil der betroffenen Fläche ausmachen. Das nördliche Spülfeld wird außerdem einen 350 m langen "Bereich naturraumtypischer Zonierung" (Watt - Röhricht - Auwald) zerstören. Nach Beendigung der Maßnahme wird sich voraussichtlich eine Vegetation einstellen, die mit der auf dem ähnlich hohen und flächenhaften Spülfeld im nördlichen Bereich der Insel vergleichbar ist: Magerrasen auf dem trockenen, hochgelegenen Plateau, im unteren Bereich der Böschung Ruderalfluren und Auengebüsch, im Übergangsbereich zum Watt Röhricht. Der größte Teil der aufgespülten Flächen würde nach dem Eingriff und Besiedelung mit den für Spülfelder charakteristischen Biotopen als "Biotopobertypen geringer Naturraumbindung" (Flächenwertstufe 4) eingestuft (vgl. Abb. 66).
    Flächenaggregierte Bewertung: Die Wertstufe des rund 323 ha großen Landschaftsbildbereiches "Pagensand - Nord" (4.21) wird durch die 39 ha umfassende Maßnahme nicht verändert. Der Landschaftsbildbereich wird auch nach der Baumaßnahme insgesamt noch gute Voraussetzungen für das Erleben der Naturnähe bieten.
  • Anthropogene Prägung
    Flächengenaue Bewertung: Die südliche Aufspülung würde zur Hälfte eine "Historische Kulturlandschaft, unverändert seit 1880" (Flächenwertstufe 1) und eine "Kulturlandschaft, unverändert seit 1955" (Flächenwertstufe 2) überdecken. Dieses ca. 26 ha große, niedrig gelegene Grünland mit Wegenetz, Baumreihen und einer Wurt ist Zeugnis der früheren landwirtschaftlichen Nutzung Pagensands und des Zustandes der Insel vor der weitgehenden Überprägung durch Aufspülungen. Heute ist der Grünlandbereich an drei Seiten von aufgespülten Flächen umgeben. Nach Anlage eines Spülfeldes an dieser Stelle wäre nicht nur die Geschichte Pagensands nicht mehr in der Landschaft ablesbar; es ginge die letzte auf einer Insel im Strom gelegene Grünlandfläche nahezu vollständig verloren. Die aufgespülten Flächen würden als "Kulturlandschaft, stark verändert seit 1955" bewertet und zudem als durch Aufspülung überprägter Bereich gekennzeichnet werden (vgl. Abb. 67).
    Flächenaggregierte Bewertung: Die Bewertung der Anthropogenen Prägung des Landschaftsbildbereiches "Pagensand-Nord" (4.21) ändert sich durch die Ausführung der geplanten Baumaßnahme nicht, da nur rund 12% des Landschaftsbildbereiches betroffen sind. Es handelt sich wie bisher um einen Landschaftsbildraum mit sehr schlechten Voraussetzungen für das Erleben der anthropogenen Prägung.

Obwohl sich die Bewertung des Landschaftsbildbereiches in den drei Kriterien nicht verändern wird, ist festzustellen, daß das Landschaftsbild durch die Anlage der Spülfelder in allen drei Kriterien erheblich und nachhaltig beeinträchtigt wird.

Abb. 65: Geplante Aufspülung und Situation des Kriteriums "Raumstruktur und Formenschatz" im Bereich Pagensand (Legende: Abb. 7)

Abb. 66: Geplante Aufspülung und Situation des Kriteriums "Naturnähe" im Bereich Pagensand (Legende: Abb. 15)

Abb. 67: Geplante Aufspülung und Situation des Kriteriums "Anthropogene Prägung" im Bereich Pagensand (Legende: Abb. 21)

6.2.5 Aufspülung von Wattflächen und Flachwasserbereichen

Alternativ zur Anlage weiterer Spülfelder auf Pagensand ist eine Aufspülung auf der Brammer Bank möglich (Landschaftsbildbereich "Krautsand" (4.13)). Auf einer Grundfläche von ca. 250 ha entstünde ein Strombauwerk, dessen Oberkante mit einer Höhe von ca. NN + 5,90 m etwa 1,70 m über das MThw herausragen würde. Folgende Wirkungen auf das Landschaftsbild sind zu erwarten:

  • Raumstruktur und Formenschatz
    Flächengenaue Bewertung: Das neue Strombauwerk entsteht auf einer bisher nicht bewerteten Fläche. Es werden also keine vorhandenen Qualitäten zerstört. Auch ist das Vorhandensein einer Insel an sich weder ein positiver noch ein negativer Faktor für dieses Kriterium. Die zukünftige Bewertung ergibt sich vielmehr aus der Gestaltung und Nutzung der Fläche.
    Ein Vergleich mit den bereits bestehenden, ebenfalls als Strombauwerke zur Deponierung von Baggergut entstandenen Elbinseln zeigt, daß durchaus Flächen entstehen können, die wertvolle Voraussetzungen für Raum- und Formerleben bieten. Ausschlaggebend für die unterschiedlichen Qualitäten ist hauptsächlich die Vegetation auf der Insel, die wiederum abhängig ist von der Höhe der Aufspülung, der Modellierung der Geländeoberfläche, der Art des deponierten Substrats sowie der Ufergestaltung und -befestigung. Eine Bebauung der Flächen würde Raumstruktur und Formenschatz ebenfalls beeinflussen. "Feine Kammerung" (Flächenwertstufe 1) wird auf diesen Inseln nicht erreicht, "Grobe Kammerung" (Flächenwertstufe 2) jedoch auf mehr als der Hälfte ihrer Grundfläche. Diese Qualität kann sich nicht einstellen, wenn Inseln zu schmal sind (Bereich zwischen Neßsand und Hanskalbsand, Rhinplatte) oder zu hoch aufgespült (Teile Pagensands und Schwarztonnensands). Demnach kann, eine entsprechende Gestaltung der Insel vorausgesetzt, ein für das Raum- und Formenerleben wertvoller Bereich entstehen.
    Flächenaggregierte Bewertung: Durch den Bau des Strombauwerkes würde ein neuer Landschaftsbildbereich entstehen. Der Vergleich mit den anderen Elbinseln läßt einen Flächenwert von 2 erwarten. Es sind keine Großobjekte (Abwertungsparameter) vorhanden, so daß die neue Insel voraussichtlich gute Voraussetzungen für das Erleben von Raumstruktur und Formenschatz bieten würde.
  • Naturnähe
    Flächengenaue Bewertung: Durch die Anlage des Strombauwerkes würden ca. 138 ha Wattfläche verloren gehen, das entspricht etwa 55% der Grundfläche der neuen Insel. Im Gegenzug würden - legt man eine ähnliche Biotopstruktur wie auf Pagensand, Schwarztonnensand und Lühesand zugrunde - großflächig "Biotopobertypen geringer Naturraumbindung" (Flächenwertsufe 4) und/oder "Landschaftsraumtypische Biotopobertypen" (Flächenwertstufe 3) entstehen. Röhricht- und Auengehölzbiotope, die, wie die zerstörten Wattflächen, in die hochbewertete Kategorie "Naturraumtypische Biotopobertypen" (Flächenwertstufe 2) fallen, sind zwangsläufig auf die nicht oder nur gering befestigten Uferzonen beschränkt. Über die Größe derartiger Zonen liegen keine detaillierten Informationen vor. Eine deutliche Verringerung der Flächenwertstufen gegenüber dem jetzigen Zustand ist zu erwarten.
    Flächenaggregierte Bewertung: Durch den Bau des Strombauwerkes würde ein neuer Landschaftsbildbereich entstehen. Das Entstehen von "Bereichen naturraumtypischer Zonierung" (Aufwertungsparameter) ist, je nach Ausbildung der Uferbefestigung, möglich. Demnach würde der Landschaftsbildbereich, je nach Bedeutung des Aufwertungsparameters, durchschnittliche bis gute Voraussetzungen zum Erleben der Naturnähe bieten.
  • Anthropogene Prägung
    Flächengenaue Bewertung: Durch die Anlage des Strombauwerkes steigt der anthropogen geprägte Flächenanteil im Untersuchungsgebiet. Als "Kulturlandschaft, stark verändert seit 1955" ist die aufgespülte Fläche dann der Flächenwertstufe 3 zuzuordnen. Setzt man eine ähnliche Entwicklung der Nutzung wie bei den anderen durch Strombaumaßnahmen entstandenen Inseln voraus, werden große Flächen der Flächenwertstufe 4 ("Nicht anthropogen genutzt") entstehen.
    Flächenaggregierte Bewertung: Durch die in der flächengenauen Bewertung der Anthropogenen Prägung prognostizierten Nutzung des Strombauwerkes Brammer Bank und aufgrund der Überprägung der gesamten Fläche durch Aufspülung würde mit der neuen Insel ein Landschaftsbildbereich mit sehr schlechten Voraussetzungen für das Erleben der Anthropogenen Prägung entstehen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, daß die Aufspülung der Brammer Bank in der beschriebenen Form erhebliche und nachhaltige Auswirkungen auf das Landschaftsbild der betroffenen 250 ha großen Fläche hat. Hiervon ist vor allem die Naturnähe des Landschaftsbildes betroffen (138 ha).

Abb. 68: Geplante Aufspülung und Situation des Kriteriums "Naturnähe" im Bereich Brammer Bank (Legende: Abb. 15)

6.3 Vergleich der Varianten "Spülfeld Pagensand" und "Aufspülung Brammer Bank"

Die Möglichkeit der Aufspülung der Brammer Bank ist eine Alternative zum vorgesehenen Spülfeld auf Pagensand. Zwischen beiden Vorhabenvarianten ist abzuwägen. Folgende Punkte sind dabei für das Landschaftsbild von Bedeutung:

Tab. 10: Vergleich zwischen den Auswirkungen der Aufspülung Pagensand und dem Spülfeld Brammer Bank für das Landschaftsbild

  Spülfeld Pagensand Aufspülung Brammer Bank
Eingriffsfläche 39 ha 250 ha
Kriterium "Raumstruktur und Formenschatz" Erhebliche Verluste der Qualität "Grobe Kammerung" Keine Verluste vorhandener Qualitäten
Kriterium "Naturnähe" Erhebliche Verluste von naturraumtypischen und landschaftsraumtypischen Biotopobertypen Erhebliche Verluste von naturraumtypischen Biotopobertypen
Kriterium "Anthropogene Prägung" Erhebliche Verluste von Flächen der Kategorien "Historische Kulturlandschaft, unverändert seit 1880" und "Kulturlandschaft, unverändert seit 1955" Keine Verluste bestehender Qualitäten, aber starke, der Eigenart der Kulturlandschaft nicht entsprechende Veränderung

Beide Varianten sind erhebliche und nachhaltige Eingiffe in die Landschaft. Ihre Durchführung würde das Landschaftsbild stark verändern und erheblich Verluste von für das Landschaftserleben wertvollen Landschaftsbildelementen bzw. der kulturlandschaftlichen Eigenart widersprechende Überformungen mit sich bringen. Möglichkeiten zur Verminderung der negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild sind jedoch gegeben:

  • Spülfeld Pagensand
    Die zur Aufspülung vorgesehenen Flächen weisen in allen drei Kriterien gute bis sehr gute Flächenwertstufen auf. Geringere Qualitätsverluste wären zu erwarten, wenn bereits aufgespülte Flächen zur Ablagerung des Baggergutes ausgewählt und die Uferbereiche nicht beeinträchtigt würden.
  • Aufspülung Brammer Bank
    Eine Verringerung der negativen Auswirkungen der Maßnahme wäre möglich, wenn der Verlust an Wattfläche durch die Ansiedlung naturraumtypische Biotopobertypen in den Uferbereichen - möglichst in naturraumnaher Abfolge Watt-Röhricht-Auengehölz - stattfinden würde. Dafür wären breite, flache Uferzonen sowie der weitgehende Verzicht auf die Anlage von Deckwerken und sonstigen Uferbefestigungen die notwendige Voraussetzung.

6.4 Zusammenfassung der Auswirkungen des Vorhabens

Die Auswirkungen der Maßnahme auf die Voraussetzungen des Landschaftserlebens ergeben sich größtenteils aus der oberirdischen Ablagerung des Baggergutes. Für das Untersuchungsgebiet ergibt sich daraus folgendes:

  • Auf dem größten Teil der Flächen des Untersuchungsgebietes werden sich die Voraussetzungen für das Landschaftserleben voraussichtlich nicht signifikant verändern.
  • Als einziger Wirkfaktor betrifft die Änderung des Tidehochwassers große Teile des Untersuchungsgebietes. Ihre landschaftsbildrelevante Auswirkung besteht in der Gefährdung sehr schmaler Röhrichtbestände als strukturierende Elemente der Landschaft. Nur bei dem Totalverlust eines erheblichen Anteils der schmalen Röhrichtbestände würde sich die Qualität der Raumstruktur und des Formenschatzes nachhaltig verschlechtern. Da diese Verluste nicht auszuschließen sind, geht von der Änderung des Tidehochwassers ein Risiko und eine potentielle Gefährdung für die Qualität des Landschaftserlebens aus.
  • Im Teilraum Pagensand (alternativ: Brammer Bank) ist eine erhebliche Veränderung des Landschaftsbildes zu erwarten. Da das Landschaftserleben in kleinräumigen Zusammenhängen stattfindet, relativiert die weitgehende Konstanz im übrigen Untersuchungsgebiet diese Veränderungen nicht. Diese Bereiche würden im Rahmen der Durchführung des Vorhabens erheblich und nachhaltig verändert werden.
    Für die Abwägung zwischen den alternativen Baggergutdeponien Spülfeld Pagensand und Aufspülung Brammer Bank wurden die jeweiligen Vor- und Nachteile gegenübergestellt. Generell ist dabei zwischen den geringeren Verlusten an landschaftsbildrelevanten Qualitäten bei Errichtung der Baggergutdeponie Brammer Bank und der um das sechsfache geringeren Flächeninanspruchnahme für das Spülfeld auf Pagensand abzuwägen. Für beide Maßnahmen sind Varianten mit geringeren negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild denkbar.

Der Vergleich der oben beschriebenen Auswirkungen der mit der Fahrrinnenanpassung verbundenen landschaftsbildwirksamen Maßnahmen sowie der in Kapitel 4 beschriebenen sonstigen Vorhaben mit den kulturlandschaftlichen Prozessen der Vergangenheit zeigt, daß sich der Trend, große Flächen für moderne Nutzungen zu überprägen und damit kulturhistorisch bedeutsame Landschaftsteile und naturnahe Bereiche zu zerstören, auch in Zukunft fortsetzen wird.