Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

2.4 Kriterien für die Erfassung und Bewertung des Landschaftsbildes

Im folgenden Kapitel werden die Kriterien der Landschaftsbildbewertung vorgestellt. Die in Kapitel 1.2 dargelegte Auffassung vom Landschaftsbild als individuelle Interpretation des Erlebten durch jeden einzelnen Wahrnehmenden bietet einen Ansatz zur Strukturierung der Untersuchung, birgt aber auch Bewertungsprobleme in sich: Das Landschaftsbild wird in dieser Untersuchung auf das Reizangebot für die einzelnen Sinnschichten untersucht. Während für die perzeptive und die symptomatische Sinnschicht plausible Grundannahmen über Qualitäten und Beeinträchtigungen des Landschaftserlebens getroffen werden können, entzieht sich die symbolische Sinnschicht weitgehend der Operationalisierung. Die emotionalen Assoziationen der Betrachter sind zu individuell, eine Zuordnung bestimmter Symbolgehalte zu Landschaftsbildelementen ist nicht durchführbar. Für die perzeptive und die symptomatische Sinnschicht wurden Kriterien ermittelt, die unter der Voraussetzung der im Kapitel 1.2 angesprochenen Grundannahmen maßgeblich für das Landschaftserleben sind:

Perzeptive Sinnschicht:

  • Raumstruktur und Formenschatz: Welche Landschaftsbildelemente gliedern und strukturieren den Raum? Welche Landschaftsbildelemente sind für den Formenschatz einer Landschaft relevant? Welche Landschaftsbildelemente stören die Raumstruktur ?

Symptomatische Sinnschicht:

  • Naturnähe: Welche Landschaftsbildelemente bewirken den Eindruck von Naturnähe, welche nicht?
  • Anthropogene Prägung: Welche Landschaftsbildelemente sind anthropogen geprägt, welche nicht? Inwieweit sind historisch gewachsene Landschaftsbildelemente erhalten, wo prägen sie die Eigenart des Landschaftsbildes? Welche besonders gravierenden Überprägungen haben stattgefunden?

Nach diesen drei Kriterien werden in dieser Untersuchung die Möglichkeiten des Landschaftserlebens ermittelt.

Abb. 4: Operationalisierung des Landschaftsbildbegriffes

Die Erfassung und Bewertung des Landschaftsbildes erfolgt für jedes Kriterium in zwei, aufeinander aufbauenden Bewertungsschritten:

1. Bewertungsschritt: Flächengenaue Bewertung:

Ziel dieses ersten Bewertungsschrittes ist es, die Voraussetzungen für das Landschaftserleben im Untersuchungsgebiet flächendeckend und flächengenau zu ermitteln. Für jedes der drei Kriterien werden die maßgeblichen Landschaftsbildelemente bestimmt. Anhand von Bewertungsvorschriften wird auf Basis der ermittelten Landschaftsbildelemente ein Bewertungsrahmen mit mehreren Qualitätsstufen (Flächenwertstufen) für die einzelnen Kriterien definiert, die in drei Kriterienkarten (Maßstab 1:50.000) dargestellt sind. Für jede Fläche im Untersuchungsgebiet läßt sich anhand dieser Karten die Qualität der Voraussetzungen für das Landschaftserleben bestimmen (vgl. Abb. 30). Die Ergebnisse der flächengenauen Bewertung sind darüber hinaus die Vorstufe für die flächenaggregierte Bewertung.

2. Bewertungsschritt: Flächenaggregierte Bewertung:

Ziel der flächenaggregierten Bewertung ist es, mittels eines arithmetischen Verfahrens unterschiedliche Teilräume (Landschaftsbildbereiche) miteinander zu vergleichen. Grundlage für diesen 2. Bewertungsschritt ist die Unterteilung des Untersuchungsgebietes in handhabbare Teilflächen, sogenannte Landschaftsbildbereiche. Nur so ist es möglich, den gegenwärtigen Zustand des Landschaftsbildes bezogen auf eine Raumeinheit zu erfassen und mittels eines arithmetischen Verfahrens vergleichend zu beschreiben (vgl. Kap. 2.6).

Abb. 5: Ablauf des Bewertungsverfahrens in den einzelnen Kriterien

Die zweite Grundlage der flächenaggregierten Bewertung ist der im ersten Bewertungsschritt (flächengenaue Bewertung) erarbeitete Bewertungsrahmen mit den darin definierten Flächenwertstufen, die die Qualität des Landschaftsbildes für die drei Kriterien wiedergeben. Zusätzlich fließen Auf- bzw. Abwertungsparameter in die Bewertung mit ein. Jeder Landschaftsbildbereich wird daraufhin für jedes Kriterium mittels eines fünfstufigen Bewertungsrahmens bewertet. Das Ergebnis dieser flächenaggregierten Bewertung wird für jedes Untersuchungskriterium in einer Bewertungskarte (Maßstab 1:100.000) dargestellt. Die Bewertung der Landschaftsbildbereiche anhand der Kriterien wird in Erhebungs- und Bewertungsbögen dokumentiert, die als Anhang beigefügt sind (vgl. Abb. 45).

Eine aggregierte Bewertung des Landschaftsbildes auf der Ebene der Landschaftsbildräume wurde nicht durchgeführt, da eine Flächenaggregierung für zum Teil mehrere tausend Hektar große Bereiche schon aufgrund der Unterschiedlichkeit der auf einer solchen Fläche zu erwartenden Landschaftsbilder zu keinen für die UVU sinnvollen Ergebnissen führen kann. Eine aggregierte Bewertung der drei Untersuchungskriterien ist nicht sinnvoll, denn eine hohe Qualität in einem Kriterium ist bereits eine hinreichende Voraussetzung für hochwertiges Landschaftserleben. Die drei Kriterien spiegeln verschiedene Sinnschichten des Landschaftserleben wider, deren Qualitäten nicht vergleichbar und deshalb auch nicht aggregierbar sind.