Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6.6 Fische

In den letzten 150 Jahren ist es in den großen Flüssen und Ästuaren zum Aussterben und zu einem drastischen Rückgang in der Abundanz vieler Fischarten gekommen. Nach LOZÁN et al. (1996) können folgende Gründe als allgemeine Ursachen für die Veränderung und Gefährdung der Fischfauna genannt werden:

- Wasserbau mit dem Verlust von Lebensräumen
- Beeinträchtigung durch Schiffsverkehr
- starke Verschmutzung
- Eutrophierung
- Sauerstoffmangel
- Versalzung
- zu intensive Fischerei

Die Veränderungen der Fischfauna sind meistens auf das Zusammenwirken mehrerer dieser Faktoren zurückzuführen. Auch in der Tideelbe haben in der Vergangenheit neben den Eutrophierungserscheinungen und Veränderungen des Wasserchemismus die Veränderungen gewässermorphologischer Strukturen (Reduktion der Überschwemmungsflächen und Flachwassergebiete, Verlust natürlicher Uferstrukturen, Reduktion der Strukturvielfalt) zu erheblichen??? Beeinflussungen des Reproduktionsgeschehens geführt (vgl. auch Kapitel 2.6.3.1 und 3.6.2). Durch den geplanten Ausbau der Elbe wird erneut in das Flußökosystem eingegriffen werden, was eine Reihe von Auswirkungen nach sich ziehen wird (vgl. hierzu SCHIRMER, 1993). Sofern sie die Fische betreffen, sollen sie im folgenden dargestellt werden.

6.6.1 Auswirkungen von Baggerung und Verklappung auf die Fische

6.6.1.1 Auswirkungen von Baggerungen

Zunächst wird auf die Auswirkungen der Baggerungen während der Baumaßnahme eingegangen. Sie finden, mit Ausnahme der Aushebung der Mergelklappgrube im Mühlenberger Loch, alle im Bereich der jetzigen Fahrrinne sowie aufgrund der Fahrrinnenverbreiterungen und der Überbaggerungen an den Rändern in den an die Fahrrinne angrenzenden Bereichen statt. Nähere Angaben über die zu baggernden Bereiche befinden sich in Kapitel 6.5.1.1. Abhängig von dem anstehendem Sediment werden entweder Eimerkettenbagger oder Hopperbagger eingesetzt. Der Einsatz der Eimerkettenbagger wird als weniger problematisch angesehen. Da sie zum Ausbaggern von schwer lösbaren Böden wie Ton und Mergel eingesetzt werden, kann davon ausgegangen werden, daß kaum Fische im Sediment eingegraben sind, wie es z.B. von den Plattfischen oder den Aalen bekannt ist. Aufgrund der Arbeitsweise der Eimerkettenbagger werden die Fische eher verscheucht und in der Lage sein zu fliehen.

Anders sieht es beim Einsatz der Hopperbagger aus, mit denen gemäß der Baumaßnahmenbeschreibung der Träger des Vorhabens der größte Teil der Sedimente gebaggert werden soll. Sie werden für die Entnahme locker gelagerter, überwiegend sandiger Böden verwendet. Dieser Baggertyp saugt mit seinen seitlich an Rohrleitungen geführten Saugköpfen ein Boden-Wasser-Gemisch auf. Hierbei kann davon ausgegangen werden, daß es zur Dezimierung benthischer und bodennah lebender pelagischer Fischarten kommt. Die Anströmgeschwindigkeiten der Wasser-Sand-Gemische auf den Saugkopf können bis zu 6 m/s betragen. Zur besseren Einschätzung dieser Geschwindigkeiten werden im folgenden für einige Fischarten deren in der Literatur genannte Schwimmgeschwindigkeiten aufgeführt:

- Ketalachs (Oncorhynchus keta) 2,43 m/s (YOZA et al., 1985)
- Hering (Clupea harengus) 25,3 cm 1,03 m/s (HE & WARDLE, 1988)
- Japanische Flunder (Paralichthys olivaceus), Larve 4 mm/s (FUKUHARA, 1986)

Für die kleinen Fischarten Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus), Gründling (Gobio gobio) und Moderlieschen (Leucasoius delineatus) werden von STAHLBERG & PECKMANN (1987) maximale Strömungsgeschwindigkeiten von 0,4 m/s angegeben, bei denen die Fischarten noch in der Lage waren zu schwimmen. Generell kann man sagen, daß die Schwimmgeschwindigkeiten von Fischen maximal das Sechsfache ihrer Körperlänge pro Sekunde erreichen können. Derart hohe Geschwindigkeiten können aber nur kurzfristig aufrechterhalten werden.

Diese Werte machen deutlich, daß durch die hohen Anströmgeschwindigkeiten der Hopperbagger eine Flucht der Fische während des Baggervorganges nicht möglich ist, mit der Folge, daß es zu Bestandsverlusten kommt. Da aus der Literatur keine Untersuchungen bekannt sind, die Aussagen über die Erfassbarkeit und Mortalität von Fischen durch den Einsatz von Saugbaggern ermöglichen, kann dieser Verlust nicht quantifiziert werden. Ohne spezielle Untersuchungen hierzu, ist nicht vorherzusagen, welche Arten in welchem Ausmaß betroffen sein könnten. Es wird aber ausdrücklich auf eine potentielle Gefährdung der Fische durch die Saugbaggerei hingewiesen. Dies gilt für alle Baggerbereiche. Es wäre sinnvoll, während der Baumaßnahme begleitende Untersuchungen des Baggergutes durchzuführen, um eine Abschätzung möglicher Gefährdungspotentiale einzelner Arten vornehmen zu können.

Bei den zu baggernden Bereichen (s.o.) kann davon ausgegangen werden, daß sich in ihnen keine direkten Laichgebiete der Fische befinden, die durch den Baggervorgang zerstört werden könnten. Die pelagischen Eier der Finte (Alosa fallax), deren Laichplätze strömungsberuhigte Zonen auf flachen Sänden sind, werden Richtung Hauptstrom verdriftet. Nach Untersuchungen von HASS (1965 und 1968) nimmt die Eidichte zum Boden hin zu. Somit können die Eier beim Baggervorgang miteingesaugt und beschädigt werden. Die Finte hat ihr Hauptlaichgebiet am Südufer der Tideelbe zwischen Stromkilometer 645 und 660. Der Gesamtbestand dieser Fischart verringerte sich in der Elbe in den Jahren 1991 bis 1994. Dies ist auf einen verminderten Reproduktionserfolg zurückzuführen, obwohl sich das Laichgebiet weiter stromauf, in ursprünglich zum Laichen aufgesuchte Regionen verlagert hat. Es befindet sich jedoch jetzt im Einzugsbereich des Kühlwassersystems des Kernkraftwerkes Stade, so daß mit einer erhöhten Ei- und Larvenmortalität gerechnet werden muß (THIEL et al., 1995b). Da es sich bei der Finte um eine europaweit gefährdete Art handelt (THIEL, 1995), deren Bestand in der Elbe erhalten bleiben muß, wird die zusätzliche Vernichtung von Eiern der Finte durch die Saugbagger als sehr bedenklich angesehen.

Die im o.g. Laichgebiet der Finte liegenden Baggerbereiche sind besonders betroffen, jedoch besteht die Beeinträchtigung auch für ober- und unterhalb liegende Gebiete, in die die Eier mit der Strömung verdriftet werden.

In Kapitel 6.5.1.1 werden die Auswirkungen der Baggerung auf das Zoobenthos beschrieben. An den Stellen, wo gebaggert wird, ist mit der vollständigen Vernichtung des Zoobenthos zu rechnen. Für die Fische bedeutet dies einen Verlust an Nahrungsplätzen. Zusätzlich zu den Baggerflächen kommen noch die Klappstellenbereiche hinzu, an denen das Zoobenthos durch die Verklappung ebenfalls geschädigt wird (näheres hierzu s. Kapitel 6.5.1.2). Bei der betroffenen Fläche handelt es sich um insgesamt rund 2000 ha (vgl. Kapitel 6.5.1.1). Welche Auswirkungen diese Einschränkungen im Nahrungsangebot auf die Fischbestände haben, läßt sich nicht quantitiv prognostizieren. Sie sind u.a. abhängig von dem Zeitraum, den das Benthos benötigt, um die betroffenen Flächen wiederzubesiedeln (vgl. Kapitel 6.5.1). Fische sind zwar in der Lage, auszuweichen und andere Nahrungsplätze aufzusuchen, jedoch wird sich der Fraßdruck auf diese Gebiete erhöhen und es kann zur Konkurrenz der Arten untereinander kommen. Es ist daher nicht auszuschließen, daß es zu lokalen Veränderungen im Arten- und Abundanzspektrum kommt.

Neben den oben beschriebenen Auswirkungen sind auch Auswirkungen des Baggervorganges auf den Schwebstoffgehalt zu erwarten. Die Bearbeiter der Schwebstoffthematik in der vorliegenden UVU gehen in ihrem Gutachten (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe) davon aus, daß es aufgrund der ausbaubedingten zusätzlichen Materialumlagerungen zu keinem signifikanten Anstieg der Schwebstoffkonzentrationen in den einzelnen Untersuchungsabschnitten kommen wird. Es ist nicht damit zu rechnen, daß die Verklappungen und Baggerungen zu signifikanten Erhöhungen der Schwebstoffkonzentrationen über die Grundbelastung in den einzelnen Untersuchungsabschnitten hinaus führen werden (MATERIALBAND II). Das Fehlen von Naturmeßdaten erschwert jedoch die Einschätzung der Wirkungen der ausbaubedingten Sedimentumlagerungen.

Aus hydrobiologischer Sicht müssen allerdings auch lokal und zeitlich begrenzte Erhöhungen der Schwebstoffkonzentrationen in ihren Auswirkungen beurteilt werden, wie sie aufgrund der geplanten Bagger- und Verklappungstätigkeit zu erwarten sind.Aus

Während der Baggerungen können Teile des Baggergutes in Suspension gehen, mit der Strömung in andere Gebiete der Tideelbe verfrachtet werden und eine Veränderung des Schwebstoffgehaltes bewirken. Die Größe dieses Effektes hängt im wesentlichen von der Art des Baggergutes sowie von dem eingesetzten Baggertyp ab. Auch in diesem Fall sind bei dem Einsatz von Eimerkettenbaggern keine größeren Auswirkungen auf die Fische zu erwarten. Da sie für die Entnahme von schwer lösbaren bindigen Böden wie Ton und Mergel eingesetzt werden, kann man davon ausgehen, daß das Baggergut ohne größere Verluste in der Wassersäule in die Klappschuten überführt wird, so daß nicht mit einer Verfrachtung des Materials im Wasserkörper zu rechnen ist.

Problematischer sieht es wiederum beim Einsatz der Hopperbagger aus. Sie werden für die Entnahme locker gelagerter, überwiegend sandiger Böden eingesetzt, mit denen nach Aussage der Träger des Vorhabens im wesentlichen im Einsatzbereich der Hopperbagger zu rechnen ist. Zwar herrschen nach den Ergebnissen der Sedimentuntersuchungen im Rahmen der UVU (MATERIALBAND III) in der Fahrrinne Fein- bis Grobsande vor, jedoch sind in ihnen eingelagerte Schlickschichten durchaus nicht untypisch. Die während der Baumaßnahme eingesetzten Hopperbagger besitzen einen Überlauf, das bedeutet, das beim Saugvorgang mit angesaugte Wasser und das darin suspendierte Feinmaterial wird während des Ladevorganges seitlich über die Laderaumkante abgeleitet. Eine Studie der BfG (Kuz, 1994), in deren Rahmen verschiedene Baggertypen untersucht worden sind, zeigt, daß Saugbagger mit Überlauf die höchste Schwebstoffbelastung im Gewässer bewirken. Beim Einsatz von Hopperbaggern ergibt sich im Umfeld der Baggerungen eine Erhöhung des Schwebstoffgehaltes, besonders wenn die beim Saugvorgang aufgenommenen Böden schlickige Anteile enthalten, da für die Verdriftung von Klappgut besonders die Feinstsedimentanteile in Frage kommen. Eine solche Schwebstoffahne breitet sich nach PAUL (1992) aus dem Überlauf des Hopperbaggers mit wachsender Entfernung vom Bagger aus, wobei der Schwebstoffgehalt jedoch mit zunehmender Entfernung deutlich abnimmt. Eine auf das Untersuchungsgebiet bezogene Abschätzung des hierdurch während der Ausbauphase erhöhten Schwebstoffgehaltes ist fachlich praktisch unmöglich (vgl. MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe).

Der Planung der Träger des Vorhabens ist nicht exakt zu entnehmen, wieviele Bagger gleichzeitig in einem oder mehreren Baggerabschnitten tätig sein werden. Eine Dauer der Bauarbeiten in den einzelnen Abschnitten von bis zu 18 Monaten, die zu baggernde Gesamtmenge und der geplante Einsatz der Hopperbagger an sieben Tagen der Woche "rund um die Uhr" machen aber deutlich, daß mit dem Risiko eines erhöhten Schwebstoffgehaltes im Wasser zu rechnen ist. Die Beeinträchtigungen dadurch werden im Bereich der Trübungszone, die bereits sehr hohe Schwebstoffgehalte aufweist, sicherlich kleiner ausfallen als in Bereichen mit geringerer Grundbelastung des Wassers mit Schwebstoffen. Für den limnischen Teil der Tideelbe, der im Jahresmittel niedrige Schwebstoffkonzentrationen aufweist und der auch die wichtigsten Laich- und Aufwuchsgebiete dominanter Elbfische enthält besteht das größte Risiko einer Beeinträchtigung.

Die Zunahme der Schwebstoffkonzentrationen kann sich folgendermaßen auswirken: Die Schwebstoffe können sich auf den Kiemen der Fische, insbesondere der Fischlarven absetzen (DE GROOT, 1979), diese verstopfen und dadurch die Sauerstoffversorgung einschränken. Ebenso kann es zu Schwebstoffablagerungen auf pelagischen Eiern kommen mit der Folge, daß sich die Sauerstoffversorgung der Embryonen verschlechtert und es zu Pilz- und/oder Bakterienbefall kommt und dadurch die Eimortalitäten ansteigen. Sedimentieren die Schwebstoffe und lagern sich am Boden ab, so kann es zum Zusedimentieren von Laich und damit zu seiner Vernichtung kommen. Die von MESSIEH et al. (1981) durchgeführten Experimente an Heringseiern zeigen beispielhaft, daß auf dem Laich abgelagertes Sediment ein Ansteigen der Eimortalität bewirken kann. Die von DE GROOT (1979) noch genannten Auswirkungen zum Thema Schwebstofferhöhung können nach Aussagen des Gutachten zu den gelösten Stoffen (MATERIALBAND II) vernachlässigt werden. Es sind keine Wirkungen der Feststoff-Freisetzungen auf die Schadstoff-, Nährstoff- und Sauerstoffkonzentrationen in der Elbe zu erwarten.

Generell gesehen werden die adulten Fische eher weniger unter einer Erhöhung des Schwebstoffgehaltes leiden als die Larven. Sie sind in der Lage, fortzuschwimmen und das trübe Wasser zu meiden. BOUCHAUD et al. (1979), die die Auswirkungen einer punktuellen Einleitung von Schwebstoffen in Fließgewässer untersucht haben, konnten jedoch feststellen, daß es aufgrund gestörter Nahrungsgrundlagen (Reduktion des Makrozoobenthos) zu einer Abundanz- und Biomassereduzierung der Fischpopulationen kam. Das Artenspektrum veränderte sich, da andere Arten vom Fehlen der Bestände profitierten.

 

6.6.1.2 Auswirkungen von Verklappungen

Nach den Auswirkungen der Baggerung sollen nun die möglichen Auswirkungen der Verklappungen auf die Fischfauna beschrieben werden. Die Anzahl und Lage der im Rahmen der Fahrrinnenanpassung benutzten Klappstellen sind in der HT-Studie Nr. 74 (SIEFERT & FERK, 1995) und in einer WSA-Studie zur Baumaßnahmenbeschreibung (WOLF & WITTEN, 1995) näher beschrieben. Die folgenden Aussagen gelten auch für die geplanten Strombauwerke.

Die Verklappungen des anfallenden Baggergutes dürften zu einer vollständigen Vertreibung der Fischfauna in den unmittelbaren Verklappungsarealen führen. Es wird ebenso wie in den Baggerbereichen zu einem Verlust an Nahrungsplätzen kommen, da auf den Klappstellen das Zoobenthos durch die Verklappung ebenfalls geschädigt wird (näheres hierzu s. Kapitel 6.5.2.1 und vgl. oben Baggerungen). Sofern die Klappstellenbereiche als Laichplätze benutzt werden, wird es zur Beeinträchtigung der Laichplätze kommen. Das Verklappungsgut kann Laichsubstrate und Fischlaich überdecken. Ob und wenn ja welche Fischarten direkt auf den benutzten Klappstellen laichen ist nicht bekannt. Die Verklappung in demr Strombaudeponiewerk Twielenfleth liegt jedenfalls im Hauptlaichgebiet der Finte (Alosa fallax), das sich am Südufer der Tideelbe zwischen Stromkilometer 645 und 660 befindet. Die Strombaudeponie stellt eine zusätzliche zu der schon oben bei der Baggerung beschriebenen Beeinträchtigung dieser europaweit gefährdeten Art dar.

Durch die Verklappung kann es zur Veränderung der Sedimente kommen. Dies betrifft die Klappstellen Hanskalbsand und Hetlingen, auf denen Geschiebemergel verklappt, die Aufspülung der Brammer Bank, auf die Klei, feinsandiger Schluff und stark schluffhaltiger Feinsand aufgespült werden, die Klappgruppe nördlich des Mühlenberger Loches, in der Ton und Mergel deponiert werden sollen, sowie dasie Strombauwerk Klappstellen Hollerwettern und -Scheelenkuhlen. Diese Verklappungen führen zu einer Veränderung der Substratverhältnisse und können durch eine reduzierte und veränderte Benthosbesiedelung (vgl. Kapitel 6.5.1.2) zu einem verringerten Nahrungsangebot für die Fische führen mit den schon oben bei den Auswirkungen der Baggerungen beschriebenen Folgen. Im Fall der Brammer Bank, die nach ARGE ELBE (1984) ein Fortpflanzungs- und Aufwuchsgebiet darstellt, bedeutet die Überschichtung mit anderem Material auch eine Veränderung im Laichsubstrat (auch auf die Brammer Bank wird später näher eingegangen).

Im Klappstellenbereich kann es lokal zu Veränderungen hydrologischer und hydraulischer Kennwerte (z.B.Strömung) kommen und somit zu veränderten Standortbedingungen für die Fische. Im Rahmen der Hydromechanik (MATERIALBAND I, Tidedynamik) wurden zu dieser Thematik keine Untersuchungen durchgeführt, so daß hierüber keine Aussagen getroffen werden können. Derartige Untersuchungen gibt es nur für die Strombauwerke. Hierbei handelt es sich um Klappstellen, die aus strombaulichen Gründen im Gegensatz zu den anderen Umlagerungsstellen als dauerhafte Strombauwerke geplant sind. Im Falle von Krautsand und Twielenfleth sollen sie eine Minderung der Unterhaltungsbaggerung, im Falle von Hollerwettern-Scheelenkuhlen eine Reduzierung der Uferbelastung durch die Reduzierung der Strömungsgeschwindigkeiten bewirken. Sofern weitere als die oben beschriebenen Auswirkungen der Strombaumaßnahmen auf die Fische zu erwarten sind, wird in den entsprechenden Unterkapiteln von Kapitel 6.6.2 daraufeingegangen. Grundlage hierfür sind die Untersuchungen der BAW-AK zu den Strombaumaßnahmen (MATERIALBAND I). Es wurden nur die drei obengenannten Strombaumaßnahmen berücksichtigt. Die genaue Beschreibung der jeweiligen Strombaumaßnahme befindet sich in Kap. 6.5.1.2.1.

Ebenso wie die Baggerungen wirken sich auch die Verklappungen auf den Schwebstoffgehalt aus. Über die lokale und zeitliche Begrenzung der Auswirkungen können keine Aussagen getroffen werden. Sie werden aber größer sein als die der Baggerungen. So zeigen die Untersuchungen der AWU (1994) zur Verklappung von sandigen Sedimenten (= relativ geringer Feinstmaterialanteil), daß auch in Entfernungen > 1500 Metern von der Klappstelle noch mit erhöhten Trübungswerten zu rechnen ist. Es kam zu einer Erhöhung der Trübung beim Durchgang der Schwebstoffwolke gegenüber der Grundbelastung um 25 Prozent. Für schlickige Sedimente konnte eine Studie der BfG (1995) zeigen, daß es bei der Verklappung in einer Wassertiefe von fünf bis sechs Metern zur Bildung einer deutlichen Schwebstoffwolke mit Schwebstoffgehalten von z.T. über 1000 g/m³ in 500 Metern Entfernung vom Verklappungsort kam. Der Einsatz von Hopperbaggern mit Überlauf bewirkt auch hier die größten Belastungen, da diese das kompaktere Material ablassen. Erst in einer Entfernung von 6500 Metern konnte keine Veränderung des natürlichen Schwebstoffgehaltes durch die Verklappung festgestellt werden. Die räumliche und zeitliche Ausbreitung der Trübungswolke ist abhängig von der vorherrschenden Tidephase und davon, ob der Bagger während der Fahrt oder bei Stillstand verklappt. Die Untersuchungen der BfG (1995) ergaben, daß eine Verspülung des Klappmaterials gegen Ende der Ebbstrom-Phase die stärkste Belastung des Wassers mit Schwebstoffen bewirkt.

Bei einer Verklappung von feineren Sedimenten ist also mit einer deutlichen "Fernwirkung" des verklappten Materials auf Gebiete innerhalb der Umgebung der Klappstelle zu rechnen. Im Falle der Verklappung von Sanden wird sie zwar geringer ausfallen, aber dennoch festzustellen sein. Es kann nicht prognostiziert werden, "wo und in welchem Umfang Teilmengen der freigesetzten (verklappten) Sedimente langfristig zur Ablagerung kommen und dadurch die bereits vorhandene Sedimentation beschleunigen" (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen).

Viele der in der Baumaßnahmenbeschreibung genannten Klappstellen werden zwar heute schon im Rahmen der Unterhaltungsbaggerei für die Verklappung von Baggergut verwendet. Dies ist jedoch kein Grund, die Auswirkungen als vernachlässigbar anzusehen. Alle oben beschriebenen Auswirkungen der Ausbaubaggerungen und -verklappungen gelten für die bisherigen, für die in Zukunft stattfindenen sowie für die ausbaubedingt erhöhten Unterhaltungsmaßnahmen ebenso. Es stand bisher nur nie zur Diskussion, ob, und wenn ja welche Beeinträchtigungen die Unterhaltungsbaggerei für das Flußökosystem bedeutet. Außerdem ist zu bedenken, daß die während der Baumaßnahme anfallenden Bagger- und Verklappungsmengen die der Unterhaltung teilweise übersteigen. So beträgt das Verhältnis von mittlerer jährlicher Unterhaltungs- zu Ausbaubaggermengen für die einzelnen Zuständigkeitsbereiche folgende Werte:

- Hamburger Delegationsbereich 1 : 8 (jährliches Mittel aus 6 Jahren)
- Revierstrecke des WSA Hamburg 1 : 1 (jährliches Mittel aus 12 Jahren)
- Revierstrecke des WSA Cuxhaven 1 : 2,2 (jährliches Mittel aus 12 Jahren)

Gleiches gilt demnach für die Verklappungsmengen. Es wird Baggergut aus einem flächenmäßig großen Gebiet auf wenige, relativ kleine Bereiche konzentriert, die von den Baggern mit weit höherer Frequenz angelaufen werden. Hinzu kommt, daß gleichzeitig im gesamten Gebiet von Strom-km (A) 624,4 bis 750 gebaggert und verklappt werden wird.

Bei den Veränderungen des Schwebstoffgehaltes durch die Verklappung wird es sich nicht um kurzfristige Schwankungen, wie sie im Bereich der Trübungszone natürlicherweise typisch sind, sondern um längerfristig anhaltende Belastungen handeln.

Die Auswirkungen der aufgrund der Verklappungen erhöhten Schwebstoffgehalte auf die Fische werden grundsätzlich die gleichen sein, wie die schon oben bei den Baggerungen beschriebenen (s. Kap. 6.6.1.1).

Die größeren Auswirkungen der Verklappung auf den Schwebstoffgehalt und die Lage der Klappstellen, die sich im Vergleich zu den Baggergebieten näher an den Laich- und Aufwuchsgebieten befinden, bewirken jedoch, daß die Beeinträchtigungen der Fische durch den Schwebstoffgehalt bei den Verklappungen größer eingeschätzt werden. Die Tabelle 6.6.1.1 listet die Klappstellen auf, die sich in der Nähe von bekannten Laich- und Aufwuchsgebieten befinden.

 

Tab. 6.6.1.1: Klappstellen in Nähe von Laich- und Aufwuchsgebieten

Klappstellenbezeichung Betroffene Gebiete
Mergel-Klappgrube Mühlenberger Loch Mühlenberger Loch: wichtiges Reproduktions- und Hauptaufwuchsgebiet dominanter Elbfischarten (z.B. Stint, Flunder)
Hanskalbsand Hahnöfer Nebenelbe: wichtiges Reproduktions- und Aufwuchsgebiet
Strombauwerkdeponie Twielenfleth liegt im Laichgebiet der Finte (s.Text)
Brammer Bank (Alternative zur Aufspülung Pagensand) Brammer Bank: Fortpflanzungs- und Aufwuchsgebiet (ARGE ELBE, 1984)
km A 706 Ostemündung: Aufwuchsgebiet der euryhalinen und marinen Fischarten
km A 711 Neufelder Rinne: Fortpflanzungs- und Aufwuchsgebiet (ARGE ELBE, 1984)
km A 714 Medemgrund: Fortpflanzungs- und Aufwuchsgebiet (ARGE ELBE, 1984)
km A 733, 737, 741 Aufwuchsgebiete mariner Arten wie Hering, Sprotte, Sand- und Strandgrundel

Die Lage der Mergelklappgrube in unmittelbarer Nachbarschaft zum Mühlenberger Loch, einem hochproduktiven Watt- und Flachwasserbereich, der mit zu den wichtigsten Reproduktions- und Aufwuchsgebieten der Fische in der Tideelbe gehört, wird als bedenklich angesehen. Hier sollen eine Million m³ Sand mit Hopperbaggern gebaggert werden und die dann entstandene Klappgrube soll anschließend mit 650.000 m³ Geschiebemergel verfüllt werden. Die Abdeckung des Mergels erfolgt vermutlich innerhalb eines Jahres durch das natürliche morphologische Geschehen (Beschreibung der Baumaßnahme). Das Mühlenberger Loch wird über einen Zeitraum von einem Jahr zuzüglich der Dauer der Bagger- und Verklappungsarbeiten gestört werden. Die Mergelverklappungen weisen einen relativ großen Tonanteil zwischen 24 und 45 Prozent auf. Für die Verdriftung von Verklappgut kommen besonders die Feinstsedimentanteile (Ton/Schluff) in Frage. Auch wenn die bindigen Mergel-Böden teils als kompakte Einheit vom Klappschiff zur Sohle sinken, so ist damit zu rechnen, daß mengenmäßig relevante Feinsedimentanteile bereits während des Durchsinkens der Wassersäule herausgelöst werden und in Transport gelangen. Diese Gefahr besteht besonders bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten (vgl. MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen). Dieses Risiko scheint auch von Seiten der Auftraggeber gesehen zu werden, denn sie planen, daß "die Verklappungen in die Grube zu solchen Tidephasen vorzunehmen (sind), bei denen möglichst wenig Material in Schwebe in das Mühlenberger Loch gelangt" (SIEFERT & FERK, 1995). Um die Auswirkungen der Störung gering zu halten, ist zu wünschen, daß die dortigen Baggerungen und Verklappungen unbedingt auf die Tidephasen beschränkt werden, in denen die "Fernwirkung" der Maßnahme minimal ist. Da eine Erhöhung des Schwebstoffgehaltes im Mühlenberger Loch Auswirkungen auf mehrere Glieder des Nahrungsnetzes hat (vgl. Kapitel 6.2, 6.4 und 6.5), kann dies weitreichende Einschränkungen für das Nahrungsangebot der Endkonsumenten Fische bedeuten, deren negative Folgen nicht prognostizierbar sind.

Als Alternative zur Aufspülung von Klei und schluffigem Baggergut auf Pagensand wird von den Auftraggebern eine Aufspülung auf der Brammer Bank vorgesehen. Hierbei ist eine großflächige Aufspülung geplant, die das MThw um ca. 1,70 m überragen würde, mit der Folge, daß eine neue Insel in der Elbe entstehen würde, die ungefähr die Größe der Rhinplatte hätte. Ihre Grundfläche würde ca. 60 ha Flachwasserbereiche und ca. 138 ha Wattfläche vernichten (nach Berechnungen der PL-Nord). Bei der Brammer Bank handelt es sich, wie schon oben erwähnt, um ein Fortpflanzungs- und Aufwuchsgebiet der Fische. In der Vergangenheit haben neben anderen Ursachen vor allem weiträumige Reduktionen der Überschwemmungsflächen und Flachwassergebiete sowie der Verlust von natürlichen Uferstrukturen zu erheblichen??? Beeinflussßungen des Reproduktionsgeschehens in der Unterelbe geführt (NELLEN, 1992; THIEL et al., 1995b). Neben den Fischen sind durch den Verlust der Flachwasser- und Wattbereiche auch das Phytobenthos sowie das Phyto- und Zooplankton betroffen (vgl. Kapitel 6.2, 6.3 und 6.4). Die Aufspülung auf der Brammer Bank wird deshalb als erheblicher und nachhaltiger Eingriff bewertet. Aus hydrobiologischer Sicht muß dieser Eingriff als besonders schwerwiegend beurteilt werden, da ein weiteres strukturreiches Watt -und Flachwassergebiet großflächig zerstört wird.

Durch die Aufspülung auf Pagensand werden nach Berechnungen der PL-Nord 2,1 ha Wattflächen, von denen 0,3 ha Flußwattröhricht sind, vernichtet. Auch dieser Verlust wird aus den oben genannten Gründen als erheblich eingestuft.

Den Hafenbecken in Hamburg als strömungsberuhigten Bereichen kommt heute eine nicht vernachlässigbare Ersatzfunktion für Flachwasserzonen zu (KAUSCH, 1996a). Man findet dort bei ausreichenden Sauerstoffgehalten des Wassers stets ansehnliche Fischpopulationen von Stint, Plötze, Brassen, Barsch, Kaulbarsch, Zander u.a.. Von Plötze und Brassen konnten sogar Laichaktivitäten an den Steinschüttungen beobachtet werden. Aufgrund des hohen Tidenhubes fällt der Großteil der Eier jedoch bei Ebbe trocken und stirbt ab (ORTEGA et al., 1994).

Bei allen oben beschriebenen Auswirkungen der Baggerungen und Verklappungen ist eine Vermeidung nicht möglich. Minderungen wären bei den Auswirkungen auf die Laichplätze und den Laich der Fische denkbar, sofern Baggerung und Verklappung außerhalb der Laichzeiten durchgeführt werden würden. In der Praxis wird dies allerdings kaum eingehalten werden können, da das Ausmaß der Sensibilität einzelner Arten gegenüber den Baumaßnahmen in Abhängigkeit von der saisonalen Abundanzdynamik erheblich differiert. Hinzu kommt, daß bei anderen Organismengruppen der Elbe zur Minderung ihrer Beeinträchtigungen ebenfalls Zeiten im Jahresverlauf in Frage kommen, in denen Baggerungen und Verklappungen unterbleiben sollten, so daß im Endeffekt nur eine kurze Zeit des Jahres für die Durchführung der Arbeiten unbedenklich ist. Wenn dann noch die Anforderung, die Auswirkungen auf den Schwebstoffgehalt gering zu halten, indem die Baggerungen und Verklappungen unbedingt auf die Tidephasen beschränkt werden, in denen die "Fernwirkung" der Maßnahme minimal ist, mitberücksichtigt wird, verlängert sich die Bauphase immens.

 

6.6.2 Auswirkungen der veränderten Gewässermorphologie und davon abhängiger Parameter auf die Fische

Im folgenden Text werden die Auswirkungen der veränderten Gewässermorphologie und die der davon abhängigen Parameter auf die Fische der Tideelbe beschrieben. Die Grundlage dieser Überlegungen bilden die Ergebnisse der hydronumerischen Modellrechnungen der BAW (MATERIALBAND I, Tidedynamik). Die ausbaubedingten Veränderungen der Hydrodynamik werden von der BAW aufgrund der errechneten geringen Größenänderungen überwiegend als unerheblich eingestuft. In den nachstehenden Kapiteln wird nur auf die Parameter eingegangen, durch deren Änderungen Beeinträchtigungen der Fische möglich sind. Alle anderen Kenngrößen werden nicht behandelt. Ihre Auswirkungen sind zwar meist gering, doch setzen sieoft die tendentielle Beeinträchtigung des Lebensraumes durch früherer Baumaßnahmen fort.

Die Auswirkungen beziehen sich alle auf den Zeitraum nach der Baumaßnahme und sind in ihrem Wirkungszeitraum unbegrenzt.t

6.6.2.1 Auswirkungen von Veränderungen der Watt- und Flachwasserbereiche

Durch die von der BAW prognostizierten Änderungen der Tidewasserstände kommt es in der Tideelbe zu Absenkungen des MTnw von < 1 cm (unterhalb Kugelbake) bis zu 710 cm (bei St. Pauli). Die Änderungen des MThw betragen < 1 cm (unterhalb Brunsbüttel) bis zu 45 cm (bei St. Pauli).

Das Verfahren der mathematisch-numerischen Modellierung erhält eine Reihe von Annahmen und Näherungen, die es notwendig machen, bei den Änderungen der Tidewassergrößen einen Sicherheitszuschlag zu berücksichtigen (MATERIALBAND I, Tidedynamik). Aus diesem Grund werden nicht die Rechenwerte verwendet, sondern im Sinne einer "worst-case" Betrachtung die Prognosewerte.

Durch die prognostizierte Erhöhung des MThw kann es zum Verlust von Flußwatt-Röhricht kommen (MATERIALBAND VI). Die Prognose zur Entwicklung der terrestrischen Flora hat ergeben, daß mit einem Verlust von ca. 27 ha Röhricht-Uferstaudenflur zu rechnen ist. Da gleichzeitig mit den Pflanzen die mit ihnen assoziierte Fauna verlorengeht, kommt es für die Fische zu einem Verlust an Stand- und Nahrungsplätzen. Für die phytophilen Laicher bedeutet es einen Verlust an Laichsubstrat und damit an Laichplätzen. Ihre Jungfische leben nach dem Schlüpfen zwischen den Pflanzen und nutzen das dort herrschende Mikroklima. Die Pflanzen bieten ihnen Schutz vor zu starker Sonnenstrahlung und Strömung (LOZAN et al., 1996). Eine Absenkung des MTnw hat zur Folge, daß Fischlaich trockenfallen kann und dadurch vernichtet wird.

Die von der BAW prognostizierten MTnw - Absenkungen können zu Verlagerungen der an der MTnw-Linie definierten Flachwasserbereiche (MTnw minus 2 m) und zu Änderungen ihrer Flächengröße führen. Das Gutachten der BAW liefert keine quantitativen Aussagen zur Veränderung der Flachwasserbereiche. Von der PL-Nord wurde auf der Grundlage der aus den Peilplänen abgeleiteten Isolinien von MTnw, MTnw minus 2m und MTnw minus 4m eine vereinfachte Modellbetrachtung der Gegebenheiten durchgeführt (vgl. PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE + UMWELT, 1997 UVS ???). Aus dem Abstand der Linien zueinander kann auf die durchschnittliche Neigung der Flachwasserbereiche und der unterhalb anschließenden Bereiche geschlossen werden. Je nach Neigung kann es entweder zu gleichbleibenden Flächengrößen, Flächenverkleinerungen oder Flächenvergrößerungen der Flachwasserbereiche kommen. Erste überschlägige Betrachtungen bezogen auf die Uferlänge ermöglichen die Bereiche zu ermitteln, für die die Abnahmetendenzen überwiegen. Eine Überlagerung dieser Bereiche mit denen der ökologisch bedeutsamen Flachwasserbereiche ermöglicht eine Abschätzung der Bereiche, die ??? betroffen sein können. Dies gilt Deutliche Abnahmetendenzen bestehen für die folgenden Gebiete:

- Mühlenberger Loch und Hahnöfer Nebenelbe
- Nordspitze Pagensand und Haseldorfer Binnenelbe und Haseldorfer Binnenelbe
- Nordspitze Schwarztonnensand und dortige Nebenelbe
- Brammer Bank
- Böschrücken
- Störmündung
- Ostemündung

Eine Überlagerung dieser Bereiche mit denen der ökologisch bedeutsamen Flachwasserbereiche ermöglicht eine Abschätzung der Gebiete, für die erhebliche Beeinträchtigungen entstehen können. Hierzu gehören insbesondere die Bereiche des Mühlenberger Loches, der Hahnöfer Nebenelbe und der Brammer Bank. Um eine Vorstellung über die Größe der Abnahme zu erhalten, wurden von der PL-Nord exemplarisch einige Beispielschnitte konstruiert und die jeweilige Veränderung errechnet (vgl. PLANUNGSGRUPPE ÖKOLOGIE + UMWELT, 1997 UVS ???). Für die Beispielschnitte im Mühlenberger Loch wurde bei einer Zugrundelegung der MTnw-Absenkung um gut 6 cm eine maximale Breitenabnahme des vorhandenen Flachwasserbereiches um ca. 56,6 m festgestellt. Zwei andere Querschnitte im Mühlenberger Loch ergaben Breitenabnahmen von 16,3 m bzw. 37,8 m. Die entsprechenden Werte für den Bereich der Brammer Bank betragen 4,9 m. Diese Zahlen machen deutlich, daß zumindest in den Gebieten mit maximalen ausbaubedingten Veränderungen der Tidewasserstände teilweise größere Flächen verloren gehen können. Berücksichtigt man, daß für diese Berechnungen nicht die Prognosewerte sondern lediglich die Rechenergebnisse der BAW verwendet wurden, kann man davon ausgehen, daß die Breitenabnahmen eher noch größer ausfallen werden.

Flachwasserbereiche stellen wichtige Aufwuchs- und Rückzugsgebiete für die Fische dar. Auf ihre ökologische Bedeutung ist im Rahmen dieses Gutachtens schon mehrfach hingewiesen worden (vgl. Kapitel 6.2 und 6.3). Eine Verringerung der Flachwasserbereiche bedeutet einen Verlust an Lebensraum für die Fische und damit eine Verschlechterung ihrer Lebensbedingungen in der Tideelbe.

Im Bereich des Mühlenberger Loches ist durch die Flachwasserabnahme mit einer deutlichen Beeinträchtigung für die Fischfauna zu rechnen. Die Haseldorfer Binnenelbe ist ein Gebiet mit einer noch relativ hohen Habitatsheterogenität (KAFEMANN et al., 1996), die die Ursache dafür ist, daß hier höhere Diversitäten der Fischfauna bestimmt werden als in den anderen Nebenstromgebieten der Tideelbe (THIEL et al., 1995a). Auch in diesem Teil der Elbe wird aufgrund der ökologischen Funktion dieser Nebenelbe für die Fischfauna eine Abnahme der Flachwasserbereiche als besonders kritisch angesehen.

Eine Flächenbilanz der Abnahme der Flachwasserbereiche ist leider nicht möglich. Die größten Veränderungen wird es dort geben, wo die Absenkungen des MTnw am höchsten ausfallen. Dies betrifft besonders die UA II und III. Die in diesem Kapitel beschriebenen Auswirkungen sind alle nicht zu vermeiden. Eine Minderung der Beeinträchtigungen ist ebenso nicht möglich.

 

6.6.2.2 Auswirkungen von Veränderungen des Salzgehaltes

Durch das Zusammentreffen von Fluß- und Meerwasser kommt es im Ästuar zur Bildung einer Brackwasserzone, deren Lage durch den Oberwasserabfluß und die Gezeiten bestimmt wird. Mit der Flut dringt salzhaltiges Wasser, aufgrund der größeren Dichte vor allem in den tieferen Schichten der Hauptrinne, in das Ästuar ein. Bei langanhaltenden niedrigen Oberwasserabflüssen, die in der Elbe im Sommer und Herbst typisch sind, kann die Brackwasserzone bis in den Bereich Stadersand/Wedel vordringen (MATERIALBAND I, Tidedynamik). Erhöhtes Oberwasser kann die Zone, die mehrere Wochen zum Vordringen benötigt, innerhalb weniger Tiden wieder stromab bewegen. Große Salzgehaltsvariationen sind demnach charakteristisch für das Elbeästuar.

Durch Vertiefungen und den intensiven Stromausbau und -umbau der letzten 100 Jahre hat sich die Brackwasserzone immer weiter stromaufwärts verlagert, vom Böschrücken und der Ostemündung (km (A) 705 -710, Mitte voriges Jahrhundert) über Glückstadt (km (A) 675, Mitte heutiges Jahrhundert) bis zur heutigen, oben genannten Lage (KAUSCH, 1996a und MATERIALBAND I, Tidedynamik). Da durch die Errichtung des Wehrs Geesthacht der limnische Bereich der Tideelbe stromauf begrenzt worden ist, wird er durch das Vordringen der Brackwassserzone immer mehr verkleinert, mit der Folge, daß das vertiefte Ästuar immer salziger wird (KAUSCH, 1996a).

Die Ergebnisse der Modellrechnungen der BAW liefern nur sehr geringe ausbaubedingte Veränderungen im Salzgehalt. Sie liegen zwischen ± 0,1 ‰ und maximal 0,3 ‰, bleiben aber alle deutlich unter 0,2 % der in den jeweiligen Bereichen auftretenden maximalen Salzgehalte (MATERIALBAND I, Tidedynamik). Für die Brackwasserzone wird eine leichte Verlagerung stromaufwärts prognostiziert, die nach Angaben der Schwebstoffgruppe 500 m beträgt (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe). Bei Wedel nimmt der Salzgehalt um 0,02 ‰, bei Stadersand um 0,05 ‰ und bei Glückstadt um ca. 0,1 ‰ zu.

Bei den Fischen in der Tideelbe steuert der Salzgehalt in entscheidenem Maße die Artenzahl und -zusammensetzung sowie die Fischbiomasse (vgl. Kapitel 2.6.3.2). Der Salzgehalt hat seine Hauptwirkungsrichtung im Elbelängsschnitt. Auswirkungen auf die Fische sind aufgrund der geringen Veränderungen nur insoweit prognostizierbar, als durch die Verlagerung der oberen Brackwassergrenze stromaufwärts der limnische Bereich der Tideelbe, der nach oben durch das Wehr Geesthacht künstlich begrenzt ist, weiter verkleinert wird. Der Lebensraum für limnische Fische wird eingeschränkt. Dieser Verlust von Lebensraum setzt die tendentielle Beeinträchtigung des Teilabschnittes im Zuge früherer Ausbaumaßnahmen fort. Eine Vermeidung und Minderung dieser Auswirkung ist unmöglich.

 

6.6.2.3 Auswirkungen von Veränderungen des Schwebstoffregimes

Während in Kapitel 6.6.1 bereits die Auswirkungen des erhöhten Schwebstoffgehaltes durch die Baggerungen und Verklappungen diskutiert worden sind, soll in diesem Kapitel auf die Ergebnisse der Schwebstofftransportmodellierung, die auf den Ergebnissen der hydromechanischen Modellierung aufbaut, eingegangen werden. Die Art der Beeinträchtigung der Fischfauna durch erhöhte Schwebstoffe ist die gleiche, wie die bei den Baggerungen und Verklappungen beschriebene und soll hier nicht nochmals erläutert werden.

Über das gesamte Untersuchungsgebiet gemittelt bewegen sich die Änderungen unter 5 Prozent. In der Deckschicht (0 - 2 m) in Randbereichen des Mühlenberger Loches, bei Neßsand, bei Hetlingen und am Südufer gegenüber Brunsbüttel kommt es nach dem Ausbau zu Konzentrationserhöhungen von 10 - 40 Prozent. Lokale Erhöhungen der Bodenbelegungsdichte gibt es um die Insel Hanskalbsand/Neßsand, am gegenüberliegenden Nordufer der Elbe und großräumiger in den Wattgebieten im Cuxhavener Bereich (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe). Im größten Teil der für Fische generell wichtigen Lebensräume der Nebenelben und Flachwasserbereiche sind keine ausbaubedingten Veränderungen zu erwarten.

Die Beeinträchtigung der Fische gilt für alle Gebiete, in denen es zu Zunahmen der Schwebstoffgehalte oder der Bodenbelegung kommt. Das Mühlenberger Loch, in dessen südöstlichem Teil die Konzentrationen in der Deckschicht sich maximal um 20 Prozent erhöhen werden und die Buhnenfelder im Bereich des Osteriffs, für die die Zunahmen bei 5 bis 10 Prozent liegen werden, sind als besonders beeinträchtigt anzusehen, da in ihnen schon durch die Baggerungen und Verklappungen Auswirkungen auftreten (siehe oben, u.a. durch die besondere Nähe zu Klappstellen). Hinzu kommt, daß es sich hier um bedeutsame Bereiche für die Fischfauna der Elbe handelt. Das Osteriff gilt als Aufwuchsgebiet euryhaliner und mariner Fische und das Mühlenberger Loch als wichtiges Reproduktions- und Aufwuchsgebiet dominanter Elbfischarten, wie z.B. Stint und Flunder.

Im Erosions- und Sedimentationsgeschehen sind laut Prognose der Schwebstoffgruppe keine flächendeckenden Veränderungen zu erwarten (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe). Signifikante Änderungen gibt es jedoch in der Hahnöfer Nebenelbe , in der mit einer Zunahme der Deposition zu rechnen ist und am Nordufer von Hanskalbsand, wo es zu einer dauerhaften Sedimentation kommt (Auswirkungen siehe Kap. 6.6.1.1 und 6.6.1.2)

Die Ergebnisse der Schwebstoffmodellierung ermöglichen es nicht, Änderungen in der Korngrößenverteilung und der Schadstoffbelastung der Sedimente vorherzusagen (MATERIALBAND II). Somit sind Veränderungen in der Beschaffenheit der Oberflächensedimente, die Auswirkungen auf die Fische haben könnten, nicht zu ermitteln.

Eine Vermeidung und Minderung der oben genannten Auswirkungen ist unmöglich.

 

6.6.2.4 Auswirkungen von Veränderungen des Strömungsregimes

Die Strömungsgeschwindigkeit in der Elbe hat Auswirkungen auf die Struktur der Fischgemeinschaft und wirkt hauptsächlich im Elbequerschnitt. Sie beeinflußt die Artenzahl und Artenzusammensetzung sowie die Fischabundanz. In den Randbereichen sind im Vergleich zum Hauptstrom geringere Strömungsgeschwindigkeiten, so daß die Nebenstromgewässer in stärkerem Maße von strömungsindifferenten bzw. limnophilen Arten (Brasse, Zope, Güster) als Lebensraum genutzt werden als die Stromelbe. Der Hauptstrombereich mit seinen größeren Wassertiefen und deutlich höheren Strömungsgeschwindigkeiten wird von strömungsliebenden, pelagischen Arten wie Hering und Sprotte genutzt (vgl. Kapitel 2.6.3.2 und THIEL et al., 1995a).

Durch die bisherigen Vertiefungen und ihre Begleitmaßnahmen, wie z.B. der Bau von Leitdämmen und Buhnen zur Konzentrierung des Hauptabflusses auf die Fahrrinne, haben die Strömungsgeschwindigkeiten in der vertieften Fahrrinne zugenommen, während sie in den flacheren Bereichen in Ufernähe abgenommen haben. Die Folge sind negative Konsequenzen für die Struktur und Funktion des ursprünglichen Ökosystems (vgl. KAUSCH, 1996a).

Die Veränderungen im Strömungsklima durch die geplante Baumaßnahme betragen nach den Ergebnissen der Berechnung der BAW (MATERIALBAND I, Tidedynamik) für mittlere Flutstromgeschwindigkeiten ± 3 cm/s und für maximale Flutstromgeschwindigkkeiten ± 5 cm/s. Diese Aussagen gelten ebenso für mittlere und maximale Ebbstromgeschwindigkeiten. In der Tendenz findet die Erhöhung in der Fahrrinne statt, während im Nebenfahrwasser es eher zur Verringerung der Strömung kommt. Die Flutstromdauer vergrößert sich unterhalb von Brunsbüttel um 3 Minuten und verringert sich kleinräumig oberhalb von Brunsbüttel ebenfalls um bis zu 3 Minuten. Zum Teil kann es lokale Abweichungen geben. Im Bereich der Fahrrinne kommt es zu Veränderungen des Flut- und Ebbstromvolumens. Der Durchfluß der Fahrrinne wird gestärkt, in den Nebenbereichen nehmen die Volumina ab, so daß ein geringerer Austausch zwischen Fahrrinne und Randbereichen stattfindet. Durch die Vergrößerung der Aufenthaltszeiten (< 2 %) wird dieser Effekt wieder kompensiert (MATERIALBAND I, Tidedynamik).

Aus den geringen zu erwartenden Veränderungen im Strömungsklima lassen sich keine Auswirkungen auf die Struktur der Fischgemeinschaft bezüglich ihrer Artenzahl und -zusammensetzung prognostizieren. Generell läßt sich sagen, daß Erhöhungen der Strömungsgeschwindigkeiten gerade für Fischlarven und juvenile Fische problematisch sind, da sie aus ihren Aufwuchsgebieten verdriftet werden können. Überall wo sich die Strömung erhöht, besteht das Risiko einer Beeinträchtigung für die Fische. Auch niedrige Erhöhungen von 3 - 5 cm/s können sich auswirken, sofern dadurch ein kritischer Wert überschritten wird. So zeigen die Versuche von STAHLBERG & PECKMANN (1987), daß die kleinen Fischarten Dreistachliger Stichling (Gasterosteus aculeatus), Gründling (Gobio gobio) und Moderlieschen (Leucaspius delineatus) ab Strömungsgeschwindigkeiten > 0,4 m/s nicht mehr in der Lage sind, gegen die Strömung anzuschwimmen.

Die geplanten Strombaumaßnahmen verstärken dieses Risiko. So werden sich die maximalen Flutstromgeschwindigkeiten in der Hauptrinne im Bereich des Strombauwerkes Twielenfleth und Hollerwettern-Scheelenkuhlen um bis zu 9 cm/s gegenüber dem Prognosezustand erhöhen. Im Gebiet des Strombauwerkes Krautsand erhöht sich die maximale Flutstromgeschwindigkeit um 3 cm/s, die maximale Ebbestromgeschwindigkeit um bis zu 9 cm/s in der Hauptrinne.

Vor der Einmündung zur Lühesander Nebenelbe kommt es zu einer Abnahme der maximalen Flutstromgeschwindigkeit von 15 cm/s. Die Geschiebefracht wird in der Hauptrinne erhöht, vor der Einmündung zur Lühesander Nebenelbe nimmt sie ab. Damit besteht die Gefahr einer Verlandung der Nebenelbe, die einen strömungsberuhigteren, flacheren und damit wichtigen Lebensraum u. a. für die Fische darstellt.

Zum Schluß soll noch auf einen Bereich oberhalb Hamburgs im Untersuchungsabschnitt I aufmerksam gemacht werden. Im Teilgebiet 19 der CD zu MATERIALBAND I (Anlage I.1.1.19.F.1) betragen die Flutstromgeschwindigkeiten im Ist-Zustand in einem großen Teil am Nordufer 0 - 0,3 m/s. Die ausbaubedingten Änderungen liegen in der Größenordnung von 0,07 - 0,11 m/s. Die Strömungsgeschwindigkeit verändert sich dort also maximal um rund 36 Prozent. Nach Untersuchungen von THIEL (pers. Mitteilung) ist der UA I ein wertvolles Laich- und Aufwuchsgebiet für limnische Fischarten, aber auch für die Flunder, so daß die Strömungsveränderungen sich hier negativ in der oben beschriebenen Weise auswirken könnenEine Vermeidung und Minderung der oben genannten Auswirkungen ist unmöglich

 

6.6.2.5 Auswirkungen von Veränderungen der Gewässergüte

Die Ergebnisse der Bearbeiter der Gewässergüte zeigen, daß keine ausbaubedingten Änderungen in der Gewässergüte erwartet werden. Die Sauerstoff- und Nährstoffsituation wird sich in allen Untersuchungsabschnitten nicht verändern (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe). Ebenso sind keine vom Ist-Zustand abweichenden Wirkungen der Schwebstoffe auf den Nährstoff- und Sauerstoffhaushalt sowie auf die Belastung durch organische und anorganische Schadstoffe zu erwarten.

Aus hydrobiologischer Sicht müssen allerdings auch lokal und zeitlich begrenzte Veränderungen der Sauerstoffkonzentrationen in ihren Auswirkungen beurteilt werden.

Der Sauerstoffgehalt ist für die Fische ein wichtiger abiotischer Faktor in ihrem Lebensraum. Sauerstoffgehalte in der Elbe von < 3 mg/l führen zu einem vollständigen Abwandern von Stinten und Flundern aus diesen Gebieten (THIEL et al., 1995a). Bei Sauerstoffmangel kommt es zum Absterben der Fische, die nicht in der Lage sind, diese Regionen zu meiden. Der Reproduktionserfolg der Fische wird durch auftretenden Sauerstoffmangel an den Eiern verringert. Trotz der nur sehr geringen Auswirkungen des veränderten Tidehubs auf das Sauerstoffregime muß festgehalten werden, daß sich die Tendenz zur Verschlechterung aufgrund von:

- Verringerung des physikalischen Sauerstoffeintrages durch die Verkleinerung des Verhältnisses von Wasseroberfläche zu Wasservolumen hervorgerufen durch die Vertiefung und Verbreiterung der Fahrrinne,
- Verringerung der Flachwassergebiete durch die Baumaßnahme, sie gelten als Orte hoher biogener Sauerstoffproduktion besonders im limnischen Bereich der Tideelbe,
- Beeinträchtigung der Primärproduktion und damit des biogenen Sauerstoffeintrages des Phytoplanktons durch die Baumaßnahme (Kapitel 6.2) und
- Beeinträchtigung der Primärproduktion und damit des biogenen Sauerstoffeintrages des Phytobenthos durch die Baumaßnahme (Kapitel 6.3)

fortsetzen wird. Eine Vermeidung und Minderung der oben genannten Auswirkungen ist unmöglich.

 

6.6.2.6 Auswirkung von Veränderungen der Schiffsbelastung

Durch den Ausbau wird die Fahrrinne in einigen Bereichen verbreitert werden und damit näher an die flachen Randbereiche heranreichen. Vor allem in diesen Abschnitten können Sog und Schwell der Schiffe, sowie die nachlaufenden Bug- und Heckwellen, die Fische, ihre Eier und Larven verfrachten und schädigen. Fischbrut, die sich hauptsächlich in flacheren Randbereichen aufhält, kann von diesen Wellen auf die Böschung geworfen werden und dort umkommen (SCHIRMER, 1993). Quantitative Auswirkungen können nicht prognostiziert werden.

Die Ergebnisse des Gutachtens zu Seegangsbelastung (MATERIALBAND I) zeigen keine Änderungen der Belastung der Ufer. Ausbaubedingte Änderungen der schiffserzeugten Belastung (MATERIALBAND I) können im Bereich Wedel bis Pagensand-Nord nur bei hohen Schiffsgeschwindigkeiten > 12 Kn auftreten. Zwischen Schwarztonnensand und Brunsbüttel ist mit einer stärkeren Belastung des vorgelagerten Unterwasserstrandes bei zu hohen Schiffsgeschwindigkeiten zu rechnen. Die Beeinträchtigungen hierdurch werden wie oben beschrieben ausfallen.

Eine Vermeidung und Minderung der Auswirkungen ist nur durch Begrenzung der Fahrtgeschwindigkeit der Schiffe möglich.

 

6.6.2.7 Auswirkungen in den Nebenflüssen

Die Veränderungen der abiotischen Systemparameter (Tidewasserstände, Strömungsgeschwindigkeiten, Flut- und Ebbedauer sowie Salzgehalte) durch die Ausbaumaßnahmen in der Unter- und Außenelbe werden sich auch in die Nebenflüsse hinein fortsetzen. Im folgenden sollen die Ergebnisse der Modellierung der BAW (MATERIALBAND I, Tidedynamik) für die Nebenflüsse und ihre Auswirkungen auf die Fischfauna diskutiert werden.

Die Baumaßnahmen sind auf die Elbe beschränkt. Baggerungen und Verklappungen sind im Rahmen des Vorhabens in den Nebenflüssen nicht geplant und es wird aufgrund der geringen Veränderungen im Tidenhub zu keiner nachhaltigen Veränderung im Sedimentationsverhalten der Nebenflüsse kommen und somit auch zu keinem erhöhten Unterhaltungsaufwand (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen). Die oben für die Elbe beschriebenen Auswirkungen der Baggerungen und Verklappungen sind hier nicht zu diskutieren.

Veränderungen wird es im wesentlichen bei den Tidewasserständen und dem Salzgehalt geben, für alle anderen Systemparameter liegen sie unterhalb der Meßbarkeitsgrenze (vgl. MATERIALBAND I, Nebenflüsse). Beim Salzgehalt liegen nur für die Nebenflüsse Pinnau, Krückau, Stör und Oste Ergebnisse vor (vgl. Tabelle 6.6.2.1), obwohl die obere Brackwasserzone bei niedrigen Oberwasserabflüssen bis in den Bereich Stadersand/Wedel vordringen kann und demnach in der Schwinge und Lühe auch Salzgehaltsveränderungen zu erwarten wären.

 

Tab. 6.6.2.1: Übersicht der ausbaubedingten Änderungen von Thw und Tnw in den Mündungen der Nebenflüsse (PrognosewerteWerte aus , MATERIALBAND I)

Nebenfluß Thw Tnw Salzgehalte
Ilmenau + 4 cm - 36 cm keine Angaben
Este + 45 cm - 106 cm keine Angaben
Lühe + 5 cm - 5 9 cm keine Angaben
Schwinge + 34 cm - 47 cm keine Angaben
Pinnau + 34 cm - 37 cm bis zu + 0,05 ‰
Krückau + 4 cm - 36 cm bis zu + 0,05 ‰
Stör + 12 cm - 34 cm bis zu + 0,1 ‰
Oste + 0 cm - 12 cm bis zu - 0,1 bzw + 0,5 ‰

Die Werte für die Tidehochwasseränderungen gelten für die Flußmündungen und setzen sich fast unvermindert bis zur Tidegrenze in die Flüsse hinein fort. Bei den Daten der Tideniedrigwasser kommt es flußaufwärts je nach Charakteristik des Flusses zur Minderung der Absenkung (vgl. MATERIALBAND I, Gutachten Nebenflüsse). Aus der Tabelle ist ersichtlich, daß die Flüsse Este und Lühe am stärksten von den Veränderungen betroffen sind, da dort an den Mündungen die größten Tidewasserstandsänderungen auftreten. Die Auswirkungen veränderter Wasserstände auf die Fische entsprechen den in Kapitel 6.6.2.1 genannten und sollen hier nicht wiederholt werden. Der in Kapitel 6.6.2.1 genannte Verlust von Flußwattröhricht in der Größenordnung von 27 ha beeinhaltet auch die Verluste in den Nebenflüssen. Die dort beschriebenen Auswirkungen auf Stand- , Laich- und Nahrungsplätze sgelten in den Nebenflüssen ebenso. Für die Nebenflüsse liegt zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Prognose zur Veränderung der Ufervegetation vor (MATERIALBAND VI), so daß Aussagen über Verluste von Stand- und Nahrungsplätzen sowie an Laichsubstrat nicht getroffen werden können.

Aufgrund von Tideniedrigwasserabsenkungen besteht in den kleinen Ästuaren der Nebenflüsse immer mehr die Gefahr, daß sie bei Ebbe völlig leerlaufen und ihre Flachwassergebiete zu periodisch trockenfallenden Wattgebieten werden (HÖPNER, 1994 zit. in KAUSCH, 1996a). Durch den Ausbau wird diese Tendenz weiter verstärkt, besonders in der Este und Lühe.

Ebenso wie sich in der Elbe durch den intensiven Stromausbau und -umbau der letzten 100 Jahre die Brackwasserzone immer weiter stromaufwärts verlagert hat (vgl. Kapitel 6.6.2.2), wird der Einfluß des Salzgehaltes in den Nebenflüssen immer mehr flußaufwärts vorgedrungen sein. Die Auswirkungen der ausbaubedingten Änderungen der Salzgehalte auf die Fische sind nur insoweit prognostizierbar, als durch die Verlagerung des Salzeinflusses flußaufwärts der limnische Bereich der Nebenflüsse weiter verkleinert wird. Dies gilt besonders für die Nebenflüsse, die als Tidegrenze künstliche Bauwerke (Schleusen, Wehre) haben, die den Fluß in zwei voneinander getrennte Abschnitte zergliedern.

Der Ausbau zur Schiffahrtsstraße hat zur Reduktion ursprünglicher Habitatsheterogenität und Veränderung des Strömungsregimes und damit zum Verlust aquatischen Lebensraumes für einige Fischarten in der Tideelbe geführt (vgl. Kaptiel 3.6.2). Aus diesem Grund haben die Nebenflüsse der Elbe eine große Bedeutung für den Erhalt von Restpopulationen heute gefährdeter Arten, die sich in der Tideelbe nicht mehr selbständig reproduzieren können. Es sei hier besonders auf den Erhalt von Restpopulationen der Quappe in der Pinnau, Este, Lühe, Schwinge und Oste hingewiesen. Veränderungen in den Nebenflüssen stellen ein Gefährdungspotential dieser Funktion der Nebenflüsse für die Fische dar.

 

6.6.3 Nullvariante

Ausgangspunkt für diese Betrachtung ist die Beschreibung des Ist-Zustandes und die daraus abgeleitete Bewertung. Der Ist-Zustand ist das Resultat vielfältiger, natürlicher und anthropogener Einflüsse, die das Fließgewässer so geformt haben, wie es sich heute darstellt. Für eine Nullvariante kann deshalb allein der bisherige Trend fortgeschrieben werden.

Die Prognose zur Nullvariante für die Fische basiert im wesentlichen auf den Veränderungen der natürlichen Umweltparameter Salzgehalt, Strömungsgeschwindigkeit, Sauerstoffgehalt, Wassertemperatur, und Schwebstoffgehalt. Desweiteren werden die geplanten Baumaßnahmen im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke und der Wasser- und Schiffahrtsämter hinterfragt. Zum Schluß wird auf die Auswirkungen möglicher Klimaänderungen und die des Meeresspiegelanstiegs auf die Fische eingegangen

 

6.6.3.1 Veränderungen der natürlichen Umweltparameter

Die natürlichen Umweltparameter Schwebstoffgehalt und Salzgehalt werden sich nach Aussagen der Gutachter (MATERIALBAND II) im Rahmen der Nullvariante nicht verändern. Die bekannten Schwankungsbreiten der Brackwassergrenze und die Schwebstoffverteilung in der Tideelbe durch variierende Oberwasserabflüsse bleiben bestehen. Bei einer Unterstellung unveränderter klimatischer und wasserbaulicher Randbedingungen ist mit keiner signifikanten Veränderung in der Unterhaltungsbaggerung zu rechnen und somit auch nicht mit dadurch stärker als üblich erhöhten Schwebstoffgehalten. Die Auswirkungen der Unterhaltungsbaggerungen werden die gleichen wie im Ist-Zustand sein. Unter der Annahme, daß es zu keiner veränderten Strategie in den Baggergutumlagerungen kommt, wird sich der Sauerstoffgehalt nicht verändern (MATERIALBAND II). Die in Kapitel 6.6.4 beschriebenen Auswirkungen auf das Phytoplankton können jedoch zu einem verringerten biogenen Sauerstoffeintrag führen und damit den Sauerstoffhaushalt der Tideelbe beeinflussen. Die Auswirkungen solcher Veränderungen auf den Fischbestand lassen sich nicht quantitativ abschätzen. Die Wassertemperaturen werden sich ohne die unter 6.6.4.3 beschriebenen Klimaveränderungen und den Meeresspiegelanstieg nicht verändern. Eine Prognose zur Veränderung des Strömungsregimes in der Nullvariante liegt nicht vor. Auswirkungen von Folgeerscheinungen veränderter lokaler Strömungsverhältnisse können daher nicht beschrieben werden.

 

6.6.3.2 Strombaumaßnahmen

Die Auswirkungen von Strombaumaßnahmen werden nur insoweit beschrieben, als sie eine Bedeutung für die Fische haben können.

Das Zuschütten von Hafenbecken bedeutet allgemein eine Vernichtung von Lebensraum für die Fische. ORTEGA et al. (1984) haben in ihren Untersuchungen auf den besonderen (bio-) ökologischen Wert der Hafenbecken hingewiesen. In Hamburg kommt ihnen heute als strömungsberuhigten Bereichen eine nicht vernachlässigbare Ersatzfunktion für Flachwasserzonen zu (KAUSCH, 1996a). Man findet dort bei ausreichenden Sauerstoffgehalten des Wassers stets ansehnliche Fischpopulationen von Stint, Plötze, Brassen, Barsch, Kaulbarsch, Zander u.a.. Das fortgesetzte Zuschütten von Hafenbecken bedeutet eine Abwertung des offenen Systems Stromelbe - Hafenbecken.

Die Maßnahmen im Zuge der Hafenerweiterung Altenwerder, die Öffnung der Alten Süderelbe und der Bau des Estesperrwerks können nicht bewertet werden. Für sie sind eigenständige UVUs in Bearbeitung, deren Ergebnisse den Gutachtern nicht vorliegen, die aber alle im Zusammenhang untereinander gesehen werden müßten. Die Öffnung der Alten Süderelbe wie auch der Bau des Este-Sperrwerks im unmittelbaren Bereich des Mühlenberger Loches wird sicherlich Folgen für dieses auch bezüglich der Fischpopulationen hochproduktive Gebiet haben, die aber in ihren Ausmaßen nicht abgeschätzt werden können.

Beim Bau der Mehrzweckumschlagsanlage im Amerikahafen Cuxhaven sind Auswirkungen auf die Fische nicht untersucht worden, so daß hierzu keine Aussagen getroffen werden können. Die Verlegung des Ostefahrwassers nach Süden zur Sicherung des Osteriff-Stacks wird im Rahmen einer UVU (BfG, 1990) prinzipiell als umweltverträglich betrachtet. Auswirkungen auf die Fische, die dort ein wichtiges Aufwuchsgebiet besitzen, sind aber sicher nicht ganz auszuschließen. Die Kurvenabflachung im Bereich des Leitdammes Kugelbake wird während der Bauzeit zu Veränderungen des Schwebstoffgehaltes und damit zu den in Kapitel 6.6.1 beschriebenen Auswirkungen auf die Fische führen.

 

6.6.3.3 Anstieg des Meeresspiegels

Die hydrologischen Folgen möglicher Klima- und Meeresspiegeländerungen für die Tideelbe werden in der HT-Studie Nr. 81 (SIEFERT, 1995) beschrieben. Die vorhersehbaren Auswirkungen von Klimaänderungen auf die Ökologie des Elbe-Ästuars sind Thema eines Artikels von KAUSCH (1996b). Wichtig für die Fische ist das Zusammenspiel von Veränderungen der Oberwasserführung, die den Salzgehalt beeinflussen und dem Anstieg des Meeresspiegels (= MSL) sowie Temperaturerhöhung und Veränderungen im Sauerstoffgehalt.

Eine Verlagerung der Klimazonen Richtung Norden wird zu höheren winterlichen und geringeren sommerlichen Niederschlägen führen, mit der Folge daß sich das Abflußverhalten der Tideelbe wie folgt ändert: Die winterlichen Abflüsse werden größer, die sommerlichen kleiner werden als heute und dadurch bedingt wird die Brackwasserzone über weitere Strecken hin und her wandern als heute. Im Winter werden größere Abflüsse sie weiter in das äußere Ästuar drängen, im Sommer werden kleinere Abflüsse ein stärkeres Vordringen stromauf ermöglichen (KAUSCH, 1996b). Für die Trübungszone, deren Auftreten mit dem Salzgradienten gekoppelt ist, gilt ähnliches. Ob sich aufgrund jährlich wiederkehrender hoher Abflußraten die Trübstoffgehalte der Elbe verringern, muß erst noch geklärt werden. Durch die Verlagerung der Brackwasserzone wird der Lebensraum der limnischen Fischarten der Tideelbe, der durch das Wehr Geesthacht stromauf künstlich begrenzt wird, verkleinert und damit auch der Bereich der höchsten Produktion. Der Meeresspiegelanstieg (realistische Größe + 25 cm in den nächsten hundert Jahren, SIEFERT, 1995) bewirkt eine Zunahme der Flachwasserbereiche auf Kosten der Wattgebiete. Generell ist dies positiv für die Fische zu sehen. Es bleibt aber zu berücksichtigen, daß sich in den tieferen Bereichen die Wassertiefen vergrößern werden und damit die Effekte wieder ausgleichen werden. Als negativ muß jedoch die landseitige Verschiebung der Wattbereiche auf Kosten der ohnehin schon stark reduzierten Vordeichländereien angesehen werden. Die Tideröhrichte und ihre Litoralfauna werden die Verlierer sein. Nahrungs-, Stand- und Laichplätze werden für die Fische verlorengehen.

Höhere Wassertemperaturen werden die Umsatzgeschwindigkeit aller biologischen Prozesse in der Elbe steigern. Mit steigenden Temperaturen steigt die Respiration, das Verhältnis von Produktion zu Respiration sinkt, die heterotrophen Prozesse sind bevorteilt. Das heißt: Die Trophie wird abnehmen, die Saprobie zunehmen (KAUSCH, 1996b). Der Sauerstoffhaushalt wird in warmen Sommern stärker vorbelastet sein als heute. Das Risiko sommerlicher Fischsterben steigt mit zunehmender Erwärmung an.

Durch die Erwärmung wird es zu Verschiebungen der Artenzusammensetzung kommen: Wärmeliebende Arten werden von Süden zuwandern, kälteliebende nach Norden abgedrängt werden. Zu dauerhaften Ausfällen im Artenbestand kann es z.B. bei der Meerforelle kommen, wenn für diesen Winterlaicher die Wassertemperaturen die erforderlichen niedrigen Werte nicht mehr erreichen. Die Meerforelle laicht in den Nebenflüssen des Elbeästuars und ihr Schlupferfolg ist aufgrund der hohen Sauerstoffzehrung in den Kiesbänken schon heute kaum gewährleistet (KAUSCH, 1996b). Viel subtiler hingegen sind indirekte Temperaturauswirkungen. Sie können sich darin äußern, daß das "Timing" zwischen Nahrungsangebot und Beute für das erfolgreiche Weiterbestehen einer Art nicht mehr stimmt. Diese Veränderungen im Nahrungsangebot können weitreichende Folgen für die Fische haben.