Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

2.6.2 Zoobenthos

In der Elbe sind hydrobiologische Untersuchungen seit mehr als 100 Jahren durchgeführt worden. Beginnend mit den aus heutiger Sicht historischen Arbeiten von KIRCHENPAUER (1862) und DAHL (1893) setzt sich die Elbe-Forschung bis in unsere Tage fort (u. a. SFB 327, 1994). Von verschiedenen Autoren wurde auch das Zoobenthos bearbeitet. Diesbezügliche, umfassende Arbeiten über den gesamten Untersuchungsraum sind allerdings dünngesät (CASPERS, 1965; FIEDLER, 1991). In der Regel beschränkten sich die Untersuchungen auf lokal begrenzte Abschnitte im Elbe-Ästuar oder spezifische Zonierungen, wie z. B. Wattgebiete, Hanglagen oder Fahrrinnenbereiche. Darüber hinaus lag entsprechend der Fragestellung der jeweiligen Forschung der Schwerpunkt auf den unterschiedlichsten Fauneneinheiten. Beispielsweise bearbeiteten SCHLIENZ (1922) und MOVAGHAR (1964) die Crustaceenfauna der Wattgebiete bzw. Fahrrinne. Riemann (1966) konzentrierte sich auf die Verbreitung der Nematoden im Interstidial der Fahrrinne, während PFANNKUCHE (1977) das Vorkommen der Oligochäten in den Süßwasserwatten untersuchte. MÜLLER & FAUBEL (1993) beschäftigten sich mit der Verbreitung der Turbellaria im Litoral vom Süßwasser bis ins Mesohalinikum. Von KÜHL (1972) gibt es eine umfassende Darstellung der elbespezifischen Literatur bis 1971, die sowohl das Benthos als auch Plankton umfaßt, einschließlich Daten zur Hydrographie der Tideelbe. Seit 1986 hat der SFB 327 seine Arbeit aufgenommen, um die "Wechselwirkungen zwischen abiotischen und biotischen Prozessen in der Tide-Elbe" zu untersuchen (SFB 327,1994). Leider gehört die Bodenfauna nicht zu den bevorzugten Forschungsschwerpunkten, so daß in dieser Hinsicht einzig die freiland-ökologische Arbeit von BLOME & FAUBEL (1996) über die eulitoralen Nematoden zu nennen ist

In der Tabelle 2.6.2.1 wird eine Zusammenschau der wesentlichen Zoobenthos-Untersuchungen gegeben, soweit sie für den Untersuchungsraum relevant sind.

Tab. 2.6.2.1: Ausgewählte Literatur zu Zoobenthos-Untersuchungen in der Tideelbe

Autor

Zeitraum

Strom-km (A); UA

Watt

Hang

Flußsohle

KIRCHENPAUER(1862)1858 - 1862675 - 745; (IV) V-VII 

Seetonnen

 
DAHL (1893)1888 - 1889630 - 740; (II)III-VII

+

+

+

SCHLIENZ (1923)1920570 - 728; I-VI(VII)

+

  
CASPERS (1948)1946 - 1947630 - 745; (II)III-VII

+

  
CASPERS (1951)1950630 - 745; (II)III-VII  

+

KONIETZKO (1951)1950634 - 712,5; III-VI

Gezeitengräben

  
GARMS (1961)(1951) -1954 -1957635 - 716; III-VI

Gezeitengräben

  
KOTHÉ (1961)1953 - 1957475 - 610; I 

+

+

MOVAGHAR (1964)1950 - 1959630 - 762; (II)III-VII 

(+)

+

JEPSEN (1965)1954 - 1960705 - 750; VI-VII

+

  
CASPERS (1965)1950 - 1965630 - 762; (II)III-VII

+

+

+

RIEMANN (1966)1962 - 1963473 - 765; I-VII  

+

MATTHIAE (1977)1975684 - 727; V-VI

+

  
PFANNKUCHE (1977)1973 - 1975642 - 648-(654); III

+

  
GRIMM (1979)1963 - 1965550 - 595; I 

+ (Steinschüttung)

(+)

OHDE (1981)1965 - 1968728 - 750; VII

+

  
LELING (1986)1985 - 1986680 - 708; V-VI

+

+

+

FIEDLER (1991)1984 - 1986632 - 730; III-VII 

+

(+)

MÜLLER & FAUBEL (1993)1991584 - 684; I-V

+

+

 
ORTEGA et al. (1994)1991 - 1993Hafenbecken; II 

Kai, Uferbefestigung

+

UA = Untersuchungsabschnitt

Der Schwerpunkt der vorliegenden Untersuchung lag dezidiert in der Bestandsaufnahme des Makrozoobenthos. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß mit dem eigenen Probenmaterial die wirbellose Makrofauna quantitativ erfaßt wurde. Gewöhnlich werden Tiere > 1000 µm dieser Größenklasse zugeordnet. Gesiebt wurde unfraktioniert mit einer Maschenweite von 250 µm (vgl. Kap. 2.2.2). Die Maschenweite eines Siebes stellt hingegen kein definitives Maß für die Organismengröße oder deren Dimension dar. Die obere Klassengrenze für Meiofauna wird allgemein mit 1000 µm angegeben, obwohl einige Autoren sie auch bei 500 µm festlegen (PFANNKUCHE & THIEL, 1988). Die letztgenannte Größe wird ebenfalls als unteres Klassenlimit für die Erfassung von Makrozoobenthos besonders im limnischen Bereich empfohlen. Diese Fraktion steht vorwiegend für die juvenile Makrofauna oder temporäre Meiofauna (PFANNKUCHE & THIEL, l. c.). Da die untere Grenze für Meiofauna allgemeingültig mit 42 µm definiert wird, ist vorauszusetzen, daß der Anteil dieser Organismengruppe weder qualitativ noch quantitativ dokumentiert ist. Die Fauneneinheiten Nematoda und Turbellaria sind durch die Festlegung auf ³ 250µm im Probenmaterial enthalten und wurden der Vollständigkeit halber einbezogenen, da eine Vielzahl dieser Tiere mehr oder weniger größer ist (CANNON & FAUBEL, 1988; RIEMANN, 1966, 1988). Viel wichtiger als das Meiobenthos, das nicht Zielsetzung der Untersuchung war - für die Bestandsanalyse eher peripher - war die quantitative Erfassung juveniler und kleiner Oligochätenformen, wie beispielsweise Naididen, Enchytraeiden und Propappiden.

Diese Kurzfassung zur Frage der einzusetzenden Maschenweite ist nicht allein von theoretischem Interesse, sondern vorrangig methodischer Natur. Problematisch wird die qualitative wie quantitative Auswertung im Vergleich mit anderen Autoren, da erfahrungsgemäß je nach Zielsetzung unterschiedliche Maschenweiten beim Sieben der Bodenproben eingesetzt werden. Bei Gebrauch von beispielsweise 1000 µm-Sieben im limnischen aber auch schon brackigem Bereich ist davon auszugehen, daß ein Großteil der Makrofauna im wahrsten Sinne des Wortes durch die Lücken fällt, während der Einsatz solcher Maschenweiten aber im marinen Bereich durchaus gerechtfertigt ist. Dieses und die daraus resultierende Schwierigkeit wirklich vergleichbarer Literaturangaben ist eine nicht zu unterschätzende Hypothek für die nachfolgende Auswertung.

 

2.6.2.1 Untersuchungsjahre 1993 bis 1995 und Literaturvergleich

Gemäß Planung wurden vom 05. Mai bis 09. Dezember 1993 die regulären Benthosproben auf den festgelegten Quer- bzw. Längsprofilen und ausgewiesenen Umlagerungsstellen genommen. Am 21. Juli und 09. September 1994 sowie 05. Oktober 1995 wurden zusätzliche Proben gezogen. In diesen Fällen handelte es sich um Nachbeprobungen auf weiteren, nachträglich genannten Umlagerungsstellen sowie in Flußabschnitten mit unterschiedlicher Intensität der Unterhaltungsbaggerei (vgl. Kap. 2.2).

Detaillierte Angaben zur Artenzusammensetzung, Abundanz (Individuen m-2) und Biomasse (AFTG in mg m-2) für die jeweiligen Stationen und Termine sind tabellarisch im Anhang (Tab. A 2.6.2.1 bis A 2.6.2.6) zu finden. Zu beachten ist, daß die Summenwerte "Individuen" ohne die Anzahl der calanoiden und cyclopoiden Copepoda und Cladocera ermittelt wurde, da diese beiden Taxa bis auf wenige Ausnahmen dem Plankton der Elbe zuzurechnen sind. Foraminifera und Ostracoda sowie Harpacticoida wurden quantitativ dagegen berücksichtigt, weil es sich um benthische Organismen handelt. Die Abundanzen dieser Organismen können jedoch weit höher liegen, da ein Großteil der Tiere unter 250 µm mißt und zwangsläufig beim Sieben verloren geht. Dadurch wird die Individuendichte ohne Frage verfälscht, auf die Biomasseberechnung hat dieser Umstand aber einen untergeordneten Einfluß.

Da die Methode der Probennahme wie Aufarbeitung während der Untersuchung unverändert blieb, ist die Vergleichbarkeit der Daten gewährleistet.

 

2.6.2.1.1 Taxaliste und regionale Verbreitung

Insgesamt wurden auf den untersuchten Abschnitten zwischen Geesthacht und Scharhörn 110 Taxa nachgewiesen. 86 % der Bodenfauna konnte bis zum Art- bzw. Gattungsniveau bestimmt werden. Der qualitative Nachweis der einzelnen Arten, bezogen auf die sieben, per Konvention definierten Abschnitte (UA) der Tideelbe, ist in Tabelle 2.6.2.2 dargestellt. Die Aufstellung repräsentiert ausschließlich die eigenen Untersuchungsergebnisse der Jahre 1993 bis 1995 sowohl im Längs- als auch Querprofil. Das Hamburger Stromspaltungsgebiet (UA II: Strom-km (A) 610 - 632) wurde im Rahmen der eigenen Untersuchung nicht beprobt, so daß in dieser Spalte keine Einträge sind. Es ist allerdings davon auszugehen, daß in UA II Faunenelemente sowohl aus dem oberstromigen Untersuchungsabschnitt I als auch aus dem unterstromigen UA III verbreitet sind und stetig siedeln. Aus Untersuchungen der 80er und 90er Jahren in Norder- und Süderelbe sowie den Hafenbecken (u. a. HAGGE, 1985; KRIEG & KAUSCH, 1985; ORTEGA et al., 1994; KRIEG & MAASER, 1996) ist eine Artenstruktur dokumentiert, die diese Auffassung stützt.

In Abb 2.6.2.1 ist der prozentuale Anteil der jeweiligen Arten zusammengefaßt in Taxagruppen auf übergeordnetem Niveau dargestellt. Die Oligochätenarten repräsentieren mit 25 % den größten Teil der benthischen Makrofauna in der Tideelbe. Polychäten und Muscheln (Bivalvia) sind mit jeweils 16 % am Arteninventar beteiligt. Schnecken (Gastropoda) sowie Amphipoda (vulgo Flohkrebse) sind mit annähernd 13 % und Nessel- (Cnidaria) wie sonstige Krebstiere (Crustacea) mit 8 % vertreten.

Die Hydrozoa sind eine Klasse des Tierreiches, die in der aktuellen Elbeforschung wenig Beachtung findet. Hinweise zu Vorkommen und Verbreitung der benthischen Polypen- wie pelagischen Medusengenerationen geben u. a. KIRCHENPAUER (1862), HARTLAUB (1907), THIEL (1968) und KÜHL (1972). Kirchenpauer (l. c.) war der erste, der die Außen- und Unterelbe in vier Regionen unterschiedlicher Salinität einteilte, die er wiederum dem Vorkommen vier charakteristischer, sessiler Polypen zuordnete. Interessant ist in diesem Zusammenhang die Verbreitung von Obelia longissima (syn. Laomedea gelatinosa). Nach den Beobachtungen von Kirchenpauer beschränkte sich die Ausdehnung dieser Art auf den Elbeabschnitt zwischen km (A) 735 bis 710 (III. Region nach Kirchenpauer). In seiner Arbeit hat er den Aufwuchs an Fahrwassertonnen bis auf die Höhe von Glückstadt (Strom-km (A) 675) untersucht. Nach den eigenen Ergebnissen ist Obelia longissima inzwischen bis Strom-km (A) 673 nachzuweisen. In Abb. 62 ist die Verbreitung dieser und weiterer Arten aus der Familie der Campanulariidae zusammengefaßt dargestellt; sie reicht hinauf bis Pagensand (Strom-km (A) 664). Allerdings bezieht sich der am weitesten stromauf liegende Fund auf die Art Laomedea calceolifera.

Abb. 2.6.2.1: Relativer Anteil nachgewiesener Arten- zugeordnet Taxa höherer Ordnung. Tideelbe-Untersuchung 1993 - 1995

 

Eine weitere Polyp aus der Familie der Clavidae Cordylophora caspia (syn. Cordylophora albicola; C. caspia f. albicola; vulgo Keulenpolyp) ist im Bereich der Unterelbe eine weit verbreitete Art (KIRCHENPAUER, l. c.; DAHL, 1893; SCHÖLL et al., 1993). Offenbar hat sich ihr Besiedlungsschwerpunkt aus der eigentlichen Brackwasserzone weit in die limnische Tideelbe und darüber hinaus verlagert. Im Untersuchungsgebiet ist sie von Strom-km (A) 680 (Hollerwettern) bis zur Station Geesthacht beobachtet worden. Auffällig ist, daß einerseits in zeitgenössischen Arbeiten der Unterelbe C. caspia wenig oder gar nicht mehr erwähnt wird (u. a. ARGE ELBE, 1991; FIEDLER, 1991; RIEDEL-LORJÉ, 1981; LELING, 1986), während andererseits wiederholt zahlreiche Funde aus der Mittel- und oberen Elbe gemeldet werden (PETERMEIER & SCHÖLL, 1994; ARGE ELBE, 1991). Aus der Autökologie ist bekannt, daß die Art eine weite Salinitätsspanne von 0 bis 35 ‰ toleriert (SCHÖNBORN et al.1993), und die Süßwassergrenze somit keine Barriere darstellt.

Über den qualitativen Nachweis der Turbellaria (Strudelwürmer) und Nematoda (Fadenwürmer) informieren die Tab. 2.6.2.2 und Abb. 2.6.2.2. Beide Tierklassen sind im gesamten Untersuchungsgebiet verbreitet. Eine Differenzierung beispielsweise zum Vorkommen bzw. der räumlichen Abgrenzung zwischen marinen und limnischen Arten ist aufgrund der Auswertung als Großtaxa ausgeschlossen. Diese artenreichen, faunistischen Einheiten stellen hohe taxonomische Ansprüche und ihre Bearbeitung sollte nur von erfahrenen Spezialisten vorgenommen werden, zumal die Turbellarienfauna nur zweifelsfrei nach histologischer Bearbeitung zu bestimmen ist. Demgemäß mußte sich die Darstellung des diesbezüglichen Probenmaterials mit dem Konstatieren der Klassenzugehörigkeit begnügen.

Tab. 2.6.2.2: Liste der nachgewiesenen Taxa und ihre Verbreitung in der Tideelbe

Zoobenthosuntersuchung 1993 und 1995

UNTERSUCHUNGSAbschnitte (UA) der Tideelbe

Elbe-Strom-km (A)

756-727

727-704

704-677

677-650

650-632

632-610

610-586

Taxa

Art

VII

VI

V

IV

III

II

I

Foraminifera indet. 

x

x

x

x

x

  
Cnidaria:Hydrozoa 

Polypengeneration

 
 Cordylophora caspia (PALL.)  

x

x

x

 

x

 Hydra sp.    

x

 

x

 Laomedea calceolifera HIN.

x

x

 

x

   
 Laomedea flexuola ALD. 

x

     
 Obelia longissima ( PALL.)

x

x

x

    

Medusengeneration

 
 Obelia sp.

x

x

     
 Rathkea sp.

x

      
 Sarsia sp.

x

x

     
Nemertini indet. 

x

x

     
Rotatoria indet. 

x

  

x

  

x

Nematoda indet. 

x

x

x

x

x

 

x

Turbellaria indet. 

x

x

x

x

x

 

x

Mollusca 

Nudibranchia

 
 Tergipes tergipes FORSK.

x

x

     

Gastropoda

 
 Hydrobia ulvae (PENN.)

x*

x

     
 Hydrobia cf. stagnalis (BAST.)

x

x*

     
 Littorina littorea L.

x

x*

     
 Littorina obtusata L.

x

      
 Lunatia sp. 

x

     
 Nassarius reticulatus L. 

x*

     
 Oenopota turricula MONT.

x*

      
 Retusa obtusa MONT. 

x

     
 Bithynia tentaculata (L.)      

x

 Potamopyrgus antipodarum (SMITH)    

x

 

x

Bivalvia

 
 Abra alba WOOD

x*

x*

     
 Barnea candida L.

x

x

     
 Cerastoderma edule L.

x*

x*

     
 Corbula gibba (OLIVI) 

x*

     
 Donax vittatus (DA COSTA)

x

      
 Ensis americanus L.

x

      
 Macoma balthica L.

x*

x

     
 Mya arenaria L.

x*

x*

     
 Mya truncata L. 

x

     
 Mytilus edulis L.

x

x

     
 Scrobicularia plana DA COSTA

x*

      
 Spisula sp.

x

      
 Tellina fabula (GMEL.)

x*

x*

     
 Tellina tenuis (DA COSTA)

x*

x

     
 Dreissena polymorpha PALL.    

x

  
 Pisidium sp.   

x

x

 

x

* = ausschließlich Schalen oder Gehäuse toter Mollusken

Fortsetzung Tab. 2.6.2.2

UNTERSUCHUNGSAbschnitte (UA) der Tideelbe

Elbe-Strom-km (A)

756-727

727-704

704-677

677-650

650-632

632-610

610-586

Taxa

Art

VII

VI

V

IV

III

II

I

Articulata 
Annelida 
Clitellata:
Oligochaeta
 

adulte Tubificidae

 
 Limnodrilus hoffmeisteri CLAP.   

x

x

  
 Limnodrilus claparedeanus RATZ.   

x

x

  
 Limnodrilus profundicola (VERR.)   

x

x

  
 Limnodrilus udekemianus CLAP.   

x

x

  
 Potamothrix moldaviensis (VEJ.&MRAZ.)   

x

x

  
 Aulodrilus pluriseta (PIG.)   

x

x

  
 Psammoryctides barbatus (GRU.)   

x

x

  
 Tubifex tubifex (MUELL.)   

x

x

  
 Tubifex ignotus (STOLC.)   

x

   
 Tubifex costatus (DAHL)  

x

    
 Potamothrix hammoniensis (MICH.)   

x

x

  
 Ilyodrilus templetoni (SOUTH.)    

x

  

juv. Tubificidae ohne HB*)

   

x

x

x

 

x

juv. Tubificidae mit HB*)

    

x

x

 

x

Aeolosomatidae

 
 Aeolosoma hemprichi EHRENB.   

x

x

  
 Aeolosoma variegatum VEJ.    

x

  

Naididae

 
 Nais barbata (MUELL.)      

x

 Nais elinguis MUELL.    

x

  
 Nais variabilis PIG.      

x

 Paranais frici HRA.      

x

 Stylaria lacustris (L.)   

x

   
 Vejdovskjella intermedia (VEJ.)   

x

x

  
 Chaetogaster diastrophus (GRUIT.)      

x

Propappidae

 
 Propappus volki MICH.  

x

x

x

 

x

Enchytraeidae

 
 Enchytraeus spp.   

x

x

 

x

 Pachydrilus spp.   

x

x

 

x

Polychaeta

 
 Polychaeta indet.

x

x

x

x

   
 Anaitides maculata OERS.

x

      
 Capitella capitata (FABR.)

x

x

     
 Eteone longa (FABR.)

x

x

     
 Heteromastus filiformis (CLAP.) 

x

     
 Magelona papillicornis (O.F.M.)

x

      
 Marenzelleria viridis (VERR.)

x

x

x

x

x

  
 Microphthalmus similis BOBR.

x

      
 Nephtys caeca (FABR.)

x

      
 Nephtys ciliata (O.F.M.) 

x

     
 Nephtys hombergii SAV.

x

      
 Neanthes succinea FREY & LEUCK. 

x

x

    

*) = HB: Haarborsten

Fortsetzung Tab. 2.6.2.2

UNTERSUCHUNGSAbschnitte (UA) der Tideelbe

Elbe-Strom-km (A)

756-727

727-704

704-677

677-650

650-632

632-610

610-586

Taxa

Art

VII

VI

V

IV

III

II

I

Polychaeta

Nereidae indet.

x

  

x

   
 Pisione remota (SOUTH.)

x

      
 Polydora ciliata (JOHN.)

x

x

x

    
 Polydora ligni WEBST.   

x

    
 Pygospio elegans CLAP.

x

x

x

    
Arthropoda 
Mandibulata 
Crustacea 
Phyllopoda    

x

x

 

x

Copepoda 

x

x

x

x

x

 

x

Ostracoda 

x

x

x

x

x

 

x

Harpacticoida

 

x

      

Cirripedia

 
 Balanus improvisus DARW.

x

x

x

    
 Balanus sp. 

x

     
Malacostraca 
Peracarida 

Mysidacea

 
 Mesopodopsis slabberi (VAN BEN.) 

x

     
 Neomysis integer (LEACH) 

x

x

 

x

  

Amphipoda

 
 Bathyporeia pelagica (BATE)

x

      
 Bathyporeia pilosa LIND.

x

x

x

x

x

  
 Bathyporeia sarsi WATK.

x

      
 Bathyporeia sp. 

x

     
 Corophium curvispinum SARS 

x

 

x

x

  
 Corophium lacustre VAN-HÖF. 

x

 

x

   
 Corophium volutator (PALL.) 

x

x

x

x

  
 Gammarus duebeni LILJ. 

x

     
 Gammarus locusta (L.)

x

      
 Gammarus salinus SPO. 

x

     
 Gammarus zaddachi (SEXT.) 

x

 

x

x

 

x

 Haustorius arenarius (SLAB.)

x

x

     

Isopoda

 
 Asellus aquaticus (L.)      

x

Eucarida 

Decapoda

 
 Carcinus maenas (L.) 

x

     
 Crangon crangon ( L.)

x

      
 Eriocheir sinensis MIL. - EDW.   

x

x

 

x

Insecta indet.    

x

x

 

x

Chironomidae indet.    

x

x

 

x

Summe Taxa*)

42(51)

43(51)

20

38

39

 

25

*) = Klammerwert einschließlich Schalen oder Gehäuse toter Mollusken

Eine neuere Arbeit von MÜLLER & FAUBEL (1993) gibt Informationen über Artenzusammensetzung und Verbreitung der Turbellarienfauna des Eu- und Sublitorals im oligohalinen und Süßwasserbereich der Tideelbe (Strom-km (A) 584 -684). Die Autoren wiesen 21 Arten nach. BLOME & FAUBEL (1996) haben auf den Wattflächen zwischen Fährmannssand und Steilsand (Duhner Watt) die eulitorale Nematodenbesiedelung untersucht (Strom-km (A) 645 - 730) und insgesamt 84 Nematoden-Arten identifizieren. Beide Arbeiten geben Daten zur Autökologie und Verbreitung einzelner Turbellaria- undNematoda-Arten in der Tideelbe.

Für fundierte Hinweise zur regionalen Verteilung der Mollusken (Weichtiere) hat sich das vorliegende Untersuchungsmaterial als sehr lückenhaft erwiesen. Abgesehen davon, daß überwiegend tote Muschelschalen und Schneckengehäuse geborgen wurden, lassen die wenigen Lebendfunde nur begrenzte Rückschlüsse zu. Schill ist für die regionale Zuordnung ungeeignet, da es sich mit dem Geschiebetrieb weiträumig zerstreut.

Die amerikanische Scheidenmuschel (Ensis americanus; vielfach als E. directus angegeben) wurde auf sandigen Böden im Außenelbebereich gefunden. Ihr Nachweis beschränkte sich auf die marinen Klappstellen unterhalb Cuxhavens. Die Muschel ist seit den späten 70er bis frühen 80er Jahren heimisch. LAMMEN & PIPER (1992) fanden die Art (syn. E. directus) auf dem Neuwerker und Scharhörner Watt.

Die Weiße Bohrmuschel (Barnea candida) wurde in Ton- und Mergelschichten bis auf die Höhe von Brunsbüttel nachgewiesen (Tab. 2.6.2.2). Nach eigenen Beobachtungen schafft das Tier durch seine Bohrtätigkeit in der vertikalen wie aber auch horizontalen Ausrichtung ein vielgestaltiges Gängesystem in den Kleiböden, die in der Folge von weiteren Arten besiedelt werden können. Im Gegensatz zu den ansonsten verarmten Kleiproben zeichneten sich die von den Bohrmuscheln vorbereiteten Böden durch eine relativ hohe Arten- und Individuendichte aus. Für diverse Polychäten- (vielborstige Würmer) und Amphipodenarten (Flohkrebse), die üblicherweise eine Präferenz für Fein- und Mittelsand zeigen, bietet sich solchermaßen ein neu geschaffener Lebensraum (vgl. Anhang: Proben B VII und K-700-1 vom 22.09.93 in Tab. A 2.6.2.1 und 2).

Die Verbreitung von Mytilus edulis (Miesmuschel) und Macoma balthica (Platt- oder Baltische Tellmuschel) beschränkte sich auf das Gebiet unterhalb Brunsbüttel. Beide Arten wurden schon von KIRCHENPAUER (l. c.) und DAHL (l. c.) bis etwa Strom-km (A) 715 » 710 beschrieben. LELING (1986) beobachtete M. balthica bis Strom-km (A) 700, jedoch oberhalb Strom-km (A) 708 nur in sehr geringen Individuenzahlen. FIEDLER (1991) beschreibt das Vorrücken dieser Art bis Strom-km (A) 705. Für M. edulis gibt der Autor als obere Grenze Strom-km (A) 708 an. Nach den eigenen Untersuchungen sind lebende Exemplare beider Muschelarten bis Strom-km (A) 706 nachgewiesen worden. Die stromaufwärtige Besiedlung wird begrenzt durch die durchschnittliche Lage der mesohalinen Zone im Ästuar. Zwar können die Tiere auch weit unter 10 ‰ existieren, im allgemeinen haben sie allerdings eine Präferenz zu höheren Salzgehalten (SCHLIEPER, 1958; WILLMANN, 1989). Zum Indikationswert von u. a. M. edulis stellt die ARGE ELBE (1991) fest, daß das Vordringen des Nordseewassers in das äußere Ästuar durch die Verbreitung dieser Art dokumentiert wird.

Aus Untersuchungen von MARTENS (1992) ist eine altgewachsene Miesmuschel-Bank im Bereich zwischen Cuxhaven und Altenbruch bekannt (Gesamtlänge ca. 7,6 km). Es dürfte sich um das von CASPERS (1954) beschriebene Vorkommen zwischen Cuxhaven und Otterndorf handeln (Strom-km (A) 726 bis 711). Ihre lokale Verbreitung ist auf den südlichen Fahrrinnenrand beschränkt.

Während juvenile und adulte Arten von Cerastoderma edule und Macoma balthica im oberen, instabilen Sedimenthorizont siedeln, bewohnen adulte Mya-Arten ab 6 cm Schalenlänge lagebeständige Schichten zwischen 15 bis 30 cm (OHDE, 1981). D. h., die tief im Sediment vorkommenden Alttiere werden von Bodengreifern nicht erfaßt (RUMOHR, 1980).

Innerhalb der Gruppe der Süßwassermuscheln ist das Vorkommen der Dreikantmuschel Dreissena polymorpha wieder bedeutsam geworden. Seit den 30er/40er Jahren galt sie in der Tideelbe als verschollen. Erst gegen Ende der 80er Jahre ist sie wieder in der oberen Tideelbe beobachtet worden. Inzwischen erreicht sie wieder hohe Bestandszahlen. Das Tier ist ein typischer Hartsubstratsiedler und oberhalb der MTnw-Linie bis auf den Gewässergrund verbreitet. Dort treibt sie in Aggregaten über der Sohle oder festgewachsen an einzelnen Steinen. In der eigenen Untersuchung sind rd. 200 Ind. m-² am Hang gegenüber Blankenese gefunden worden, auf dem Querschnitt Lühesand dagegen nur noch Einzelexemplare. Auf den Steinschüttungen bei Zollenspieker und Seemannshöft wurden rd. 300 Dreikantmuscheln m-² registriert, bei Grauerort noch sporadisch < 10 Muscheln m-² (ARGE ELBE, 1994). KRIEG & MAASER (1996) fanden in der Süderelbe zwischen Köhlbrand- und Kattwykbrücke von Mai bis August 1995 erstaunlich hohe Populationsdichten mit durchschnittlich 5.000 Muscheln m-² auf der Flußsohle. Die Population setzte sich hauptsächlich aus ein- bis zweijährigen Muscheln zusammen.

Nach den eigenen Befunden kann für die Schnecken (Gastropoda) Hydrobia ulvae und H .cf. stagnalis 1 sowie Littorina littorea ein den letztgenannten Muscheln analoges Besiedlungsgebiet genannt werden (Tab. 2.6.2.2). Literaturangaben, u. a. KÜHL (1972), LELING (l. c.), FIEDLER (l. c.), bestätigen dieses.

Interessant ist der Nachweis von Tergipes tergipes oberhalb von Cuxhaven bis Strom-km (A) 723. Diese Nacktschneckenart (Nudibranchia) wurde von KÜHL (l. c.) regelmäßig an der "Alten Liebe" in Cuxhaven während des Sommers beobachtet. Das Tier lebt vergesellschaftet mit Hydroidpolypen-Kolonien. KÜHL identifizierte den Polypen als Laomedea gelatinosa (syn. Obelia longissima). Nach den eigenen Ergebnissen siedelte T. tergipes sowohl in Polypenkolonien von Laomedea calceolifera als auch von Obelia longissima. Mit Rückgang der Polypenkolonien im August - September verschwanden auch die Nacktschnecken (vgl. Anhang: Proben B VII und B VIII vom 11.05. und 22.09.93 in Tab. A 2.6.2.1). Inwieweit das Vordringen des Nordseewassers in die Elbe-Mündung durch die Präsenz der Nacktschnecken belegt wird, läßt sich aus den eigenen Ergebnissen und wenigen Literaturzitaten (vgl. KÜHL, 1972) nicht stichhaltig herleiten. Grundsätzlich ist das Vorkommen von marinen Nacktschnecken aber mit höheren Salzgehalten gekoppelt. Zum Zeitpunkt der Probennahme im Mai lag die Salinität mit >18 ‰ bei Strom-km (A) 721,6 im unteren polyhalinen Bereich (umgerechnet aus Chloridangaben nach ARGE ELBE, 1994). KÜHL konstatiert für verschiedene Nacktschnecken ein regelmäßiges Aufsteigen dieser Tiere in Jahren bei niedrigem Oberwasserabfluß.

Als Antagonisten aus dem limnischen Bereich ist zumindest noch die Verbreitung der Deckelschnecken Bithynia tentaculata und Potamopyrgus antipodarum von Bedeutung. Während B. tentaculata eine autochthone Süßwasserart darstellt, ist P. antipodarum aus Neuseeland eingeschleppt (Neozoa) und seit 1899 bei uns heimisch. Im Gegensatz zu Bithynia ist Potamopyrgus salztoleranter und verträgt bis 1,7 ‰ (SCHMEDJE & KOHMANN, 1992). Das Verteilungsmuster erhärtet dies. Die Funde von B. tentaculata waren auf die obere Tideelbe beschränkt (bis Strom-km (A) 610); P. antipodarum hingegen wurde bis Strom-km (A) 648 (Querschnitt Lühesand) nachgewiesen.

In der Gruppe der Polychaeta (vielborstige Würmer) wurden 15 Arten im Sublitoral identifiziert (Tab. 2.6.2.2). Der Schwerpunkt ihrer Verbreitung war auf den marin-brackigen Bereich begrenzt. Aus der Familie der Nereidae wurden Würmer bis auf die Höhe Pagensand (Strom-km (A) 664) beobachtet (Abb. 2.6.2.2). Nach KÜHL (1972) beschränkte sich das Vorkommen der herkömmlichen Polychäten bis Ende der 60er Jahre auf die polyhaline Zone bis max. Strom-km (A) 700 (Brunsbüttel). Mitte der 80er Jahre waren die Polychäten längst bis Strom-km (A) 674 (Glückstadt) vorgedrungen (FIEDLER, 1991).

Das Vorkommen eines Vielborsters aus der Familie der Spionidae, Marenzelleria viridis (20 Synonyme bekannt: u. a. Scolecolepides viridis, Scolecolepis viridis, Marenzelleria wireni), ist zu Beginn der 80er Jahre für verschiedene Ästuare der Nord- und Ostsee von Bedeutung geworden. Diese Art hat ihr ursprüngliches Verbreitungsgebiet an der Ostküste Nordamerikas. Ihre Einwanderung erfolgte vermutlich mit dem Transport der Larven in Ballastwasser von Schiffen (BOCHERT et al., 1994 b).

Die ersten Tiere in Europa wurden 1982 im Forth-Ästuar (Schottland) von McLUSKY et al. (1993) gefunden. Der Wurm breitete sich in der Nordsee rapide aus. ESSINK & KLEEF (1988) beobachteten das Tier 1983 in der Ems-Mündung, GROTJAHN & MICHAELIS (zit. nach KOLBE, 1993) 1986 erstmals in der Weser-Mündung und LELING (1986) im Elbe-Ästuar 1985 bis Strom-km (A) 690. Erstaunlicherweise gibt es in der Elbe-Untersuchung 1984 bis 1986 von FIEDLER (l. c.) keinen Hinweis auf diese Art. Inzwischen ist M. viridis sehr viel weiter stromauf nachgewiesen. Nach den eigenen Ergebnissen liegt die obere Verbreitungsgrenze dieser Spionide bei Strom-km (A) 648. Die Art besiedelt sowohl die Lühesander Süderelbe als auch die Flachwasserbereiche der Stromelbe. 1994 wurde M. viridis bei Oevelgönne im Sublitoral gefunden (SCHÖLL, pers. Mit.). 1996 wurden dichte Bestände adulter Tiere im Mühlenberger Loch auf einer sandigen Untiefe lokalisiert (ZETTLER, pers. Mitt.).

M. viridis hat sich seit dem ersten Auftreten in den Ästuaren rapide ausgebreitet. Die opportunistische Spionide zählt heute zu den dominierenden Faunenelementen und hat sich den Untersuchungsraum bis über die obere Brackwassergrenze erschlossen. Eine Verdrängung anderer Arten durch M. viridis ist bis auf wenige Ausnahmen unwahrscheinlich. Während ESSINK & KLEEF (1993) mit dem Auftreten der Spionide in der Ems eine Verringerung der Dichten von Hediste diversicolor (syn. Nereis diversicolor) registrierten, konnte KOLBE (1993) in der Wesermündung keine negative Beziehung zwischen den beiden Arten beobachten. Nach ZETTLER (1995, 1996) und ZETTLER et al. (1995) wurde trotz eines Massenvorkommens von M. viridis in der Darß-Zingster Boddenkette keine Abnahme der Abundanzen bzw. Biomassen der Nereide festgestellt. Nach ZETTLER (1996) ist eher eine positive Wechselwirkung wahrscheinlich. Der Autor bezeichnet M. viridis als "ecosystem engineer", der durch die Veränderung des Besiedelungssubstrates physikalische, chemische und biologische Verhältnisse schafft, die anschließend auch von anderen Arten bevorzugt besiedelt werden. Im Folgenden eine Aufzählung der Potenzen dieses wichtigen, dominanten Neueinwanderers, die seine wesentlichen Kolonisierungsvorteile ausmachen (veränd. n. ZETTLER, 1996):

hohe Resistenz gegenüber niedrigen Salinitäten (< 0,5 ‰)
hohe Resistenz gegenüber niedrigen Temperaturen bei niedrigen Salinitäten
Larvalentwicklung benötigt > 5 ‰ Salzgehalt
planktische Larvalphase von > 3 Wochen; Migrationsmöglichkeiten auf großen Distanzen
Lebensdauer von rd. 3 Jahren; Überdauern ungünstiger Lebensbedingungen
hohe Motilität der Adulten; Migrationsmöglichkeiten auf kleineren Distanzen
Reproduktion in der Ostsee während der kalten Jahreszeit von Oktober bis Januar, in der Nordsee von Februar bis Mai/Juni; Tideelbe ???
unterschiedliche Sedimentpräferenz der Adulten (Sande) und der Larven (Schlicke)
hohe Bioturbation und Irrigation; chemische und physikalische Sedimentveränderung; Nährstoffangebot; hohe Biomasse und Produktion
geringe, negative Wechselwirkungen mit anderen Benthonten

Mit Ausnahme der genuinen Brackwasserart Marenzelleria viridis erreichten die Polychäten ihr Verbreitungsmaximum im poly- und mesohalinen Bereich. Während euryhalin-marine Arten, wie beispielsweise Magelona papillicornis, Microphthalmus similis oder Nephtys caeca, aufgrund ihrer geringen Toleranz gegenüber Salzgehaltsschwankungen den äußeren Mündungsbereich seewärts besiedelten, wanderten dahingehend unempfindliche Arten stromauf. So wurden die Polychätenarten Polydora ciliata und Pygospio elegans bis Strom-km (A) 684 nachgewiesen. Juvenile Tiere aus der Familie der Nereidae wurden regelmäßig auf dem Pagensander Querschnitt (Strom-km (A) 664) beobachtet. Die planktischen Larvenstadien können mit Sicherheit über einen großen Bereich stromaufwärts verdriften, ehe es zum Larvenfall kommt. Auffällig ist, daß in dem eigenen Probenmaterial die einheimische Art H. diversicolor an keiner Station einwandfrei identifiziert werden konnte, obwohl sie aufgrund ihrer hohen physiologischen Potenz von der polyhalinen bis in die untere oligohaline Zone existieren kann (MATTHIAE, 1977; LELING, l. c.). Eine Zunahme der Salinität würde vermutlich das Vorkommen von H. diversicolor im Oligohalinikum unterstützen (ZETTLER, 1995). Bei günstigen Bedingungen wie geringem Oberwasserabfluß und oberstromiger Verschiebung der Brackwasserzone könnte in der Folge auch dieser Elbe-Abschnitt besiedelt werden.

Verschiedene Arten der Polychäten sind taxonomisch unsicher (RASMUSSEN, 1973). Bedingt durch die geringen morphologischen Unterschiede kann nicht ausgeschlossen werden, daß in dem Material nicht andere und/oder weitere Arten vertreten sind. Die Trennung der Arten ist anhand von fixierten Tieren recht schwierig und aufgrund der teilweise immensen Individuenzahlen auch praktisch nicht durchführbar. Die Zuordnung für u. a. Polydora ciliata (RASMUSSEN, 1973; GRAY 1982), Capitella capitata (GRASSLE & GRASSLE, 1977), Heteromastus filiformis (GRAY, 1980), Anaitides maculata (ANGER, 1975) und Marenzelleria viridis (ZETTLER et al., 1995) ist so mit einer gewissen Unsicherheit behaftet.

Zahlreiche Arten bauen senkrechte (C. capitata) oder L- bzw. U-förmige Röhren (M. viridis bzw. P. ciliata) oder ein Gangsystem (Hediste diversicolor). Teilweise reichen die Röhren bis zu 30 cm und tiefer ins Sediment. Grundsätzlich sitzen die Jungtiere in den obersten Schichten, während die Adulti tiefe Horizonte bevorzugen. Allerdings verlassen Jugendstadien wie ältere Tiere ihre Wohnröhren. So sind u. a. Pygospio elegans und Hediste diversicolor "gute" Schwimmer. Capitella capitata kriecht auch auf dem Sediment umher; Polydora ciliata, wenn die rasenförmigen Siedlungen instabil werden. Dagegen verläßt Heteromastus filiformis so gut wie niemals seine Röhre und Scoloplos armiger keinesfalls das Sediment. Durch die Probenahmetechnik ist nicht auszuschließen, daß einige Polychätenarten demnach quantitativ unterrepräsentiert sind; in verstärktem Maße trifft das auf adulte Tiere zu.

Abb.2.6.2.2: Qualitative Verteilung ausgewählter Taxa im Elbe-Längsprofil (1993/94)

Die Auswertung der Literatur und eigener Daten zeigt, daß die Tideelbe über eine reichhaltige Oligochätenfauna (wenigborstige Würmer) verfügt (Tab. 2.6.2.2). In der aktuellen Untersuchung (1993-1995) wurden in dem Gewässerabschnitt von Geesthacht (Strom-km (A) 586) bis St. Margarethen (Strom-km (A) 690) mindestens 23 Arten festgestellt. Insbesondere im Bereich der limnischen Tideelbe sind die Wenigborster die dominante Tiergruppe des Makrozoobenthos. Mit steigendem Salzgehalt gehen Arten- und Individuenzahlen jedoch deutlich zurück. PFANNKUCHE (1977) gibt als obere Verbreitungsgrenze für Süßwassertubificiden einen kritischen Salzgehalt von 6-7 ‰ an. Im Gegensatz zu den eigenen Untersuchungen konnte LELING (1986) limnische Tubificiden (Schlammröhrenwürmer) vereinzelt noch bis Strom-km (A) 700 nachweisen. CASPERS (1958) und Matthiae (1977) stellten ebenfalls auf dem Böschrücken (Höhe Balje) eine entsprechende Besiedlung fest. Weiter seewärts schließt sich dann das Verbreitungsgebiet der marinen Tubificidae an, z. B. Tubifex costatus oder Tubificoides benedii. Diese Arten konnten im eigenen Probenmaterial nicht zweifelsfrei identifiziert werden, was nicht zwangsläufig heißen muß, daß sie im äußeren Untersuchungsgebiet nicht vorkamen. Bevorzugt siedeln diese Würmer auf Wattflächen, über die keine eigenen Untersuchungen vorliegen.

Bestandskundliche Untersuchungen der Oligochätenfauna der Tideelbe haben eine relativ lange Tradition. Aus den zahlreichen Arbeiten seien an dieser Stelle nur einige, aber wesentliche Veröffentlichungen zitiert: MICHAELSEN (1901, 1903), VOLK (1903), HENTSCHEL (1917), CASPERS (1958), DZWILLO (1966), GRIMM (1979) und PFANNKUCHE (1981).

Bei der Durchsicht aktueller Elbe-Literatur ist auffällig, daß die Enchytraeidae und insbesondere die Propappidae keine unbekannten, aber "vernachlässigten" Familien der Oligochaeta darstellen. Aufgrund der eigenen Untersuchung ist deutlich geworden, daß diese faunistischen Einheiten ein bestandsbildendes Glied der benthischen Fahrrinnengemeinschaft repräsentieren. Im Untersuchungsgebiet sind diese primitiven Würmer bis unterhalb Brokdorf nachgewiesen worden (Abb. 2.6.2.2). Dominante Art war Propappus volki (Propappidae). Zur Verbreitung von P. volki in der Tideelbe und oberhalb Geesthachts sowie zu seiner Lebensweise geben SCHÖLL et al. (1995) zusätzliche Hinweise.

1915 ist die als verschollen genannte Art erneut von MICHAELSEN (1916) in der Norderelbe gefunden und beschrieben worden. Sehr eindrucksvoll schildert MICHAELSEN die Lebensweise von P. volki bzw. dessen Anpassung an das "unwirkliche Fahrrinnenmilieu". Er vermutete, daß sich die Tiere mit dem Hinterende im Kiesgrund verankern, sich regelrecht festkleben: "Nach meiner Schätzung würde die stärkste Strömung, derer der Elbstrom oberhalb Hamburgs fähig ist, sie nicht von ihrer Verankerung losreißen können."

Obwohl die Propappidae/Enchytraeidae die häufigste, d. h. die am gleichmäßigsten verbreitete Tiergruppe innerhalb der Fauna der Gewässersohle darstellen, liegen bisher kaum Erkenntnisse über Vorkommen und Verbreitung in der Fahrrinne der Tideelbe vor. Eine mögliche Ursache für das geringe wissenschaftliche Interesse an der Besiedlung der Fahrrinne mag auf die fatale Aussage von CASPERS (1954) zurückzuführen sein, der die Stromrinne von Glückstadt bis Hamburg als unbesiedelt beschrieb, obwohl schon Mitte der 60er Jahre diese Unterstellung von seinen Schülern gründlich widerlegt wurde (MOVAGHAR, 1964; RIEMANN, 1966). Andererseits dürfte es auch das unkritische Festhalten an Maschenweiten ³ 500 µm bei der Probenaufbereitung sein, wobei die Tiere einfach durch das Sieb fallen. Und letztendlich liegt der Verdacht nahe, daß, wenn schon Tiere gefunden wurden, sie fälschlicherweise juvenilen Tubificiden zugeordnet worden sind.

Analog der Verbreitung der Propappidae/Enchytraeidae ist die der Tubificidae (Abb. 2.6.2.2). Juvenile Tiere (Tubificiden ohne Haarborsten) wurden elbabwärts bis Strom-km (A) 690 (St. Margarethen) in den Proben gefunden. Limnodrilus hoffmeisteri, Limnodrilus claparedeanus, Limnodrilus profundicola und Potamothrix moldaviensis waren die am häufigsten vertretenen Arten. Geschlechtsreife Tiere aus der Gattung Limnodrilus wurden bis Strom-km (A) 671 (Rhinplatte) nachgewiesen. Auf den Querschnitten Pagensand (Strom-km (A) 664) und Lühesand (Strom-km (A) 648) mit ihren Nebenelben waren jeweils 10 von insgesamt 11 Tubificidenarten vertreten, davon 9 Arten gemeinsam (Tab. 2.6.2.2).

Limnodrilus hoffmeisteri wird übereinstimmend sowohl für den limnischen als auch oligohalinen Bereich der Tideelbe als dominante Art beschrieben (DZWILLO, 1966; PFANNKUCHE, 1977; MATTHIAE, 1977). Er gilt allgemein als anspruchsloser Kosmopolit, der eine Vielzahl von aquatischen Biotopen besiedelt. Eindeutige Habitatspräferenzen sind nicht bekannt. So ist es nicht verwunderlich, daß diese Art in den unterschiedlichsten Sedimenttypen zu finden ist. Im Gegensatz zu der Art Tubifex tubifex ist L. hoffmeisteri wesentlich toleranter gegenüber Sauerstoffmangel und auch widerstandsfähiger gegen den Einfluß stärkerer Strömung (DZWILLO, l. c.). Dies könnte ein möglicher Grund dafür sein, daß L. hoffmeisteri T. tubifex heute in der Tideelbe weitgehend verdrängt hat. Nach den eigenen Befunden und anderer Autoren wird letztere Art kennzeichnenderweise nur noch vereinzelt vermerkt (KRIEG & KAUSCH, 1985; POSEWANG-KONSTANTIN et al., 1992).

Die übrigen Limnodrilus-Arten sind ähnlich anpassungsfähig und besiedeln Sedimenttypen von Sand bis Schlick. Das Vorkommen von L. profundicola wurde 1962 von DZWILLO (1966) zum ersten Mal für den Hamburger Elbe-Abschnitt beschrieben. Inzwischen ist die Art häufig verbürgt. In der vorliegenden Untersuchung wurde L. profundicola bis Strom-km (A) 672 (Rhinplatte) identifiziert, bevorzugt in Sänden. LELING (1986) wies diese und die weiteren Arten aus der Gattung Limnodrilus bis Strom-km (A) 700 nach.

Potamothrix moldaviensis trat zwar seltener auf als L. hoffmeisteri, zeigte aber einen deutlichen Verbreitungsschwerpunkt in den gröberen Substraten der Fahrrinnenstationen von Pagen- und Lühesand. Diese Art zeigt ähnliche Habitatspräferenzen wie Aulodrilus pluriseta und Psammmoryctides barbatus. Im Vergleich zu den Limnodrilus-Arten benötigt sie höhere Sauerstoffgehalte und meidet schlickige Substrate (DZWILLO, l. c.; KRIEG & KAUSCH, 1985, 1988). Die Befunde aus den Jahren 1993-95 stehen dazu in keinem Widerspruch.

Die nicht zu bestimmenden, unreifen Tubificiden wurden in Tubificidae mit und ohne Haarborsten (HB) differenziert. In die Gruppe der Würmer ohne Haarborsten fallen zum weitaus größten Teil juvenile Exemplare aus der Gattung Limnodrilus, aber auch unreife Tiere der Art Potamothrix moldaviensis. An allen Stationen war der Anteil der nicht geschlechtsreifen Würmer ohne Haarborsten deutlich größer als der mit Haarborsten. Ein durchaus übliches Ergebnis.

Für differenzierte Aussagen zur Verbreitung verschiedener Naididenarten im Elbe-Ästuar reicht das eigene Untersuchungsmaterial nicht aus. Obwohl mit 250 µm-Maschenweite gesiebt wurde, waren die Funde dieser Taxa verhältnismäßig selten und lückenhaft. Nais elinguis, eine typische Art des Ästuars, konnte aufgrund der Beprobungsstrategie nicht quantitativ erfaßt werden, da sie im limnischen bis oligohalinen Bereich bevorzugt auf den Schlickwatten siedelt (PFANNKUCHE et al., 1975). Nach den Untersuchungen von LELING (1986) ist N. elinguis bis Strom-km (A) 700 heimisch, Paranais litoralis sogar bis Strom-km (A) 708.

Vejdovskyella intermedia war die einzige Naididenart, die in den eigenen Untersuchungen häufiger auftrat. Bezeichnenderweise lag der Schwerpunkt ihrer Verbreitung auf den Fahrrinnenstationen oder Probestellen mit geringem Feinkornanteil. FRENZEL (1983) beschreibt V. intermedia als Bestandteil von Sandbodengemeinschaften. Nach MILLBRINK (1973, zit. nach LEARNER et al., 1978) ist diese Naididenart aber auch im Profundal (Tiefenwasser) verbreitet. Die eigenen Angaben aus der Fahrrinne sowie der überwiegend sandigen Flachwasserzone der Elbe decken sich mit den Literaturangaben.

In der Klasse der höheren Krebse (Malacostraca) wurden im Untersuchungsgebiet 17 Taxa eindeutig bis auf das Artniveau bestimmt. Die faunistischen Einheiten der niederen Krebstiere (Entomostraca) wie Phyllopoda (Blattfußkrebse, vulgo Wasserflöhe) wurden nicht weiter aufgeschlüsselt, da entsprechend dem selektiven Charakter der Beprobung nur die rein ben-thischen Formen in die nähere Auswertung einbezogen wurden. Die Gruppe der litoralen, über dem Substrat schwimmenden Formen, die hauptsächlich durch die o. g. Klasse repräsentiert wird, wurde bewußt ausgeklammert. Dies gilt auch für die Copepoda (vulgo Ruderfußkrebse), von denen lediglich die Harpacticoida als Großtaxon quantitativ berücksichtigt wurden ( vgl. Kap. 2.6.2.1).

Im Elbe-Ästuar sind 6 endemische Mysidacea-Arten (Schwebgarnelen) bekannt (KÜHL, 1972). In den eigenen Proben wurde überwiegend Neomysis integer bestimmt. Die Verbreitung dieser Art reicht von der mesohalinen Zone bis in die Süßwasserregion (Tab. 2.6.2.2). FIEDLER (1991) fand N. integer von Cuxhaven bis Hamburg. Im Rahmen der vorliegenden Untersuchung wurde sie bis Lühesand (Strom-km (A) 648) nachgewiesen. Interessant ist noch ein Hinweis aus dem Jahr 1886, nach der diese Mycidaceae von KRAEPELIN im Hamburger Wasserleitungsnetz beobachtet wurde.

SCHLIENZ (1923) erforschte das Vorkommen von Amphipoden (vulgo Flohkrebsen) im Litoral der Elbe von Schnackenburg (Strom-km (A) 570) bis Cuxhaven (Strom-km (A) 725), und er machte Angaben zur Verbreitung von 10 Arten. MOVAGHAR (1964) untersuchte im Tonnenbewuchs und in der Fahrrinne der Tideelbe die Verteilung der Amphipodenfauna und konnte 30 Arten identifizieren. Sie vervollständigte und berichtigte die älteren Daten von KIRCHENPAUER (1862), DAHL (1891) und VOLK (1903) und formulierte prinzipielle Aussagen zu den ökologischen Randbedingungen hinsichtlich der Besiedlungsmöglichkeiten dieser Arten. Sie unterteilte das Gebiet der auf der Flußsohle lebenden Amphipoden von Außen- und Unterelbe in drei Zonen: die Ampelisca brevicornis-Zone (1), die Bathyporeia-Zone (2) und die Gammarus-Corophium-Zone (3).

Mit einer Ausnahme lassen sich die eigenen Ergebnisse bezüglich der Amphipodenbesiedlung mit denen der Untersuchung von MOVAGHAR (l. c.) gut vergleichen. Aussagen zur Zone (1) - seewärts von Scharhörn - können nicht getroffen werden, da dieser Außenelbebereich selbst nicht beprobt wurde. Die Befunde aus den beiden weiteren Zonen sind so gut wie übereinstimmend.

Weite Strecken des Elbe-Ästuars sind durch das Vorkommen von Flohkrebsen aus der Familie der Haustoriidae gekennzeichnet: Bathyporeia pelagica, Bathyporeia pilosa, Bathyporeia sarsi und Haustorius arenarius. Im Mündungsgebiet seewärts von Cuxhaven (Strom-km (A) 727; Abschnitt VII) lebten als Bestandteile der endobenthischen Makrofauna fast ausschließlich die genannten Amphipoden, vereinzelt vergesellschaftet mit Gammarus locusta, während auf der Substratoberfläche noch Crangon crangon (Garnele, vulgo Krabbe) vorkam (Tab. 2.6.2.2). Stromaufwärts zwischen Cuxhaven und Oste-Mündung (Strom-km (A) 725-705) mischten sich diese Bestände mit den Gammaridenarten Gammarus salinus, Gammarus zaddachi und Gammarus duebeni sowie dem Schlickkrebs Corophium volutator.

Für die Haustoriden zeigte sich eine deutliche Abnahme der Häufigkeiten von seewärts entsprechend dem fallenden Salzgradienten: von Bathyporeia pelagica (polyhaline A.) über Bathyporeia sarsi (poly-mesohaline A.) zu Haustorius arenarius (mesohaline A.). Bathyporeia pilosa ist von MOVAGHAR (l. c.) als extrem omnieuryhaline Art beschrieben worden, vergleichbar Gammarus zaddachi. D. h. diese Tiere sind in der Lage, periodische und aperiodische starke Salzgehaltsschwankungen zu tolerieren. Entsprechend ist ihre stromaufwärtige Verbreitung in der Tideelbe. In den Jahren 1952-1958 erstreckte sich das Vorkommen von Bathyporeia pilosa von Strom-km (A) 762 bis auf die Höhe von Pagensand (MOVAGHAR, l. c.). FIEDLER (l. c.) fand sie in seinem gesamten Untersuchungsraum bis in den Hamburger Hafenbereich (1984-1986). In den eigenen Untersuchungen 1993-95 wurde die Art bis Hanskalbsand (Strom-km (A) 644) nachgewiesen (Abb. 2.6.2.2). Gammarus zaddachi kam bis Geesthacht vor, darüber hinaus ist die Art aber auch bis in die Mittelelbe verbreitet (ARGE ELBE, 1991).

Analog den o.g. poly-mesohalinen Haustoriden ist die Verbreitung der Gammariden Gammarus locusta und Gammarus salinus. Während sich das Vorkommen von G. locusta auf das Außenelbegebiet mit B. pelagica und B. sarsi beschränkte, siedelte G. salinus hauptsächlich im Abschnitt zwischen Cuxhaven und der Oste-Mündung gemeinsam mit Bathyporeia pilosa und Corophium volutator. Die drei letzten Arten favorisieren zwar die gleichen Salzgehalte, haben jedoch unterschiedliche Substratpräferenzen. Durch die morphologische Inhomogenität der Hanglagen und Flußsohle liegen Sand- und Schlickflächen kleinräumig eng beieinander, sodaß diese Amphipoden scheinbar zusammen vorkommen. Bathyporeia spp. und Haustorius arenarius 2 bevorzugen allerdings die rein sandigen Areale der Flußsohle. Im Querprofil kann es jedoch an Schar- und Wattkante zu Vermischungen mit zitierten Gammariden bzw. Corophiden (Schlickkrebsen) kommen (LELING, 1986). G. salinus ist ausgeprägt fleckenhaft verteilt. Eine flächenhaft-quantitative Aussage ist durch diese Patchiness sehr fragwürdig (GOSSELCK, pers. Mit.).

Die regionale Verteilung von G. salinus im Mündungstrichter der Elbe, wie von MOVAGHAR (l. c.) beschrieben, wird durch neuere Untersuchungen von MEURS & ZAUKE (1988) bestätigt. Ergänzend teilen die Autoren eine weitere Art mit, Gammarus duebeni, die in der Elbe von MOVAGHAR (1964) nicht, aber schon von SCHLIENZ (1923) nachgewiesen wurde. In den eigenen Proben von Strom-km (A) 717 und 723 konnte sie ebenfalls identifiziert werden. Das Auftreten von G. duebeni in der Elbe läßt sich vermutlich durch die Einwanderung aus Vordeichgräben erklären (GARMS, 1961). Andererseits steht die lokale Verbreitung von G. duebeni nicht im Widerspruch zur beobachteten Fähigkeit, kurzfristig in temporär ausgesüßte Habitate vorzudringen und diese zu besiedeln (MEURS & ZAUKE, l. c.). Saisonale Fluktuationen wie regionale Verteilung, insbesondere auch im großräumigen Maßstab, deuten auf eine hohe Reaktionsfähigkeit dieser euryhalinen Art hin. Vergleichbar flexibel reagiert Gammarus zaddachi auf Umweltveränderungen.

Eine in den eigenen Untersuchungen nicht verbürgte und vor 1993 auch von anderen Autoren nicht genannte Flohkrebsart, Gammarus tigrinus, ist von SPIEKER (1994, 1995) erstmalig 1993 in der Tidelbe nachgewiesen worden. 1995 wurde die Art von KRIEG & MAASER (1996) in der Süderelbe lokalisiert. Die in Weser und Rhein sehr verbreitete Art (ursprünglich in Nordamerika beheimatet; in der Weser bewußt ausgesetzt) scheint inzwischen von der Mittelelbe weiter stromabwärts gewandert zu sein (PETERMEIER & SCHÖLL, 1994).

Aus der Familie der Corophiidae konnten drei Arten eindeutig bestimmt werden (Tab. 2.6.2.2): Corophium volutator (Schlickkrebs), Corophium curvispinum und Corophium lacustre. Die aktuelle Verbreitung in der Tideelbe ist in Abb. 2.6.2.2 dargestellt.

MOVAGHAR (1964) begrenzt das Vorkommen von Corophium volutator (vulgo Schlickkrebs) auf das Gebiet zwischen Strom-km (A) 737 bis 708 (Oste-Mündung). LELING (1986) bestätigt diesen Befund für das Fahrwasser. Sie gibt aber weiterhin an, daß diese Art auf den schlickreichen Hangstationen noch bis Strom-km (A) 680 vorkommt. Die obere Begrenzung im Sublitoral der Flußsohle ist vermutlich strömungsbedingt. Die Salinität hat in diesem Flußabschnitt eine untergeordnete Funktion. Corophium volutator gilt wie Bathyporeia pilosa als omnieuryhalin und dringt bis in das Oligohalinikum vor (RIEDEL-LORJÉ et al., 1995). Der eigene Nachweis bis in die Lühesander Süderelbe (Strom-km (A) 648) ist in diesem Sinne nicht verwunderlich (Abb. 2.6.2.2). Sicherlich wird das Aufsteigen von C. volutator im Elbe-Ästuar durch die Lage der oberen Brackwassergrenze manipuliert; Quer- wie Längsverbreitung werden aber auch durch seine Präferenz für Schlicksubstrate gesteuert (eurytope A.).

Der Schlickkrebs unterscheidet sich deutlich von Corophium curvispinum durch seine Substratansprüche. C. curvispinum bevorzugt Hartsubstrate und baut seine Röhren gerne in pflanzlichem und tierischem Aufwuchs, vergleichbar mit Corophium lacustre. Hinsichtlich der Salztoleranzen unterscheiden sich die beiden Arten. Während C. curvispinum sich als Neueinwanderer aus dem Pontokaspischen Raum vorwiegend über das Süßwasser von Flüssen und Kanälen verbreitet hat (GLEDHILL et al., 1993), ist C. lacustre wie auch C. volutator eine autochthone Brackwasserart. Corophium curvispinum wurde im eigenen Probenmaterial sowohl im Oligohalinikum bei Strom-km (A) 648 (Lühesander Süderelbe) als auch im Mesohalinikum bei Strom-km (A) 723 (Höhe Altenbruch) gefunden. SCHLIENZ (1923) gibt als obere Verbreitungsgrenze dieser Art (syn. Corophium devium) den rein limnischen Bereich der Süderelbe bei Harburg an (Untersuchungszeitraum 1920-1922). 1990 wurde der Amphipode erstmals wieder in der Unterelbe bei Brokdorf (Strom-km (A) 683) festgestellt (ARGE ELBE, 1991). SPIEKER (1994) wies C. curvispinum 1993 am südlichen Elbeufer bei Grauerort nach (Strom-km (A) 660). Die zeitliche Abfolge der Funde gibt Hinweise auf die anhaltende Abwärtswanderung dieser Art bis in die mixo-haline Zone des Ästuars.

Nach STOCK (1952) siedelt C. curvispinum häufig vergesellschaftet mit der Brackwasserart Corophium lacustre in der mixo-oligohalinen bis unteren mesohalinen Zone. Die eigenen Befunde aus den Nebenelben des Querschnittes Pagensand sind zumindest ein Indiz für das gemeinsame Vorkommen (Anhang: Tab. A 2.6.2.4). Ansonsten dürfte der Verbreitungsschwerpunkt von Corophium lacustre mehr im Mesohalinikum liegen. Dies deckt sich in etwa mit den Untersuchungsergebnissen von PETERMEIER & SCHÖLL (1994), die C. lacustre 1992 in der Unterelbe nachgewiesen haben. 1994 beobachtete SPIEKER (1995) Corophium lacustre auf den Steinschüttungen bei Grauerort (Strom-km (A) 660). SCHLIENZ (1923) konstatierte das Massenvorkommen dieser Art zwischen Freiburg und Brunsbüttel (Strom-km (A) 683 - 698) in seiner Untersuchung aus den 20-er Jahren. Selten bis häufig fand er die Art im Bereich zwischen Strom-km (A) 652 bis 702,5.

Für fundierte Hinweise zur regionalen Verteilung der Decapoden (Zehnfußkrebse) hat sich das vorliegende Untersuchungsmaterial als zu lückenhaft erwiesen (Methodik der Probenahme). En detail handelt es sich um wenige Einzelfunde (Tab. 2.6.2.2). Eriocheir sinensis (vulgo Wollhandkrabbe) ist zweifelsohne eine Krebsart, die im gesamten Untersuchungsraum verbreitet ist (PETERMEIER & SCHÖLL, 1994; SCHÖLL et al., 1995). Das Tier führt von seinen Laichplätzen im äußeren Ästuarbereich (in der mixo-polyhalinen Zone seewärts von Cuxhaven) stromaufwärts gerichtete Wanderungen durch. Die erste Wollhandkrabbe wurde 1923 in der Elbe gefunden und als solche identifiziert (KÜHL, 1974). 1932 wurde sie schon in der oberen Elbe entdeckt. Die Krabbe gilt allgemein als großer Fischereischädling.

Die Großgruppe der Hexapoda (Insekten) hat naturgemäß ihren Verbreitungsschwerpunkt im limnischen Gebiet. Oberhalb des Hamburger Hafens zwischen Bunthaus und Geesthacht wurden neben Chironomiden (vulgo Zuckmückenlarven3) vereinzelt Larvenstadien von Köcher- und Eintagsfliegen gefunden. Der am weitesten stromabliegende eigene Beleg einer Zuckmückenart Parachironomus gr. arcuatus lag bei Strom-km (A) 674 (Rhinplatte). SPIEKER (1994) wies bei seinen Hartsubstratuntersuchungen bei Strom-km (A) 660 (Grauerort) Zuckmücken (Puppen) aus den gleichen Taxa der Orthocladiinae nach. FIEDLER (1991) fand allerdings noch unterhalb der Störmündung (Strom-km (A) 683) Chironomidenlarven.

 

2.6.2.1.2 Taxa-, Individuenzahlen und Biomassen im Längsschnitt

Die Abundanzen (Individuen m-2), Arten- und Taxazahlen je Station und Probennahme sind im Anhang aufgelistet (Tab. A 2.6.2.1-6). Für die Darstellung der durchschnittlichen Gesamtindividuenzahlen bzw. Gesamtbiomassen im Längsprofil (Abb. 2.6.2.3-4) ist zu bedenken, daß die jeweiligen Kollektive sehr unterschiedlich besetzt waren (Anzahl n der entsprechenden Probennahme ist aus den o. g. Anhangstabellen zu ermitteln; im Extrem von n = 1 bis n = 80). Zweifelsohne läßt sich bei einer ein- oder zweifachen Besetzung nicht von einem Mittelwert sprechen, andererseits wurde dieser Kompromiß gewählt, um zumindest, wenn auch minimale, Gemeinsamkeiten für den regionalen Vergleich festlegen zu können. Zweckmäßigerweise wurde die Stationsauswahl nicht auf die Längsschnittuntersuchungen begrenzt4, da die Darstellung sonst zu lückenhaft geblieben wäre (i. d. F. "terra incognita" zwischen Strom-km (A) 608,5 bis 705). Aufgenommen in die Mittelwertbetrachtung wurden die 1993/94 beprobten 14 Umlagerungsflächen (vgl. Kap. 2.2.1), das 1994 noch untersuchte Gebiet zwischen Rhinplatte (Strom-km (A) 674) und Juelssand (Strom-km (A) 651) sowie die Querprofile Lühesand (Strom-km (A) 648) und Pagensand (Strom-km (A) 664). Außerdem bleibt zu beachten, daß für die durchschnittliche Wiedergabe der quantitativen Parameter nur die Datensätze aus den Tiefwasserproben5 berücksichtigt wurden (Tab. A 2.2.1.2). Grundsätzlich sind darüber hinaus auch die Zahlen aus den Nebenelben (Schwarztonnensand, Pagensander Nebenelbe und Lühesander Süderelbe) bei der Mittelwertbildung außer acht gelassen worden, d. h. die Längsprofilbeschreibung beschränkt sich auf durchschnittliche Angaben zur quantitativen benthischen Besiedlung des Fahrwassers.

Die Verteilung der mittleren Taxazahlen im Längsschnitt über den Untersuchungsraum zeigte mehr oder weniger abfallende Werte von Strom-km (A) 747 (Höhe Neuwerk) bis Strom-km (A) 664 (Pagensand). Zwar pendeln die Durchschnittszahlen auf der Strecke Neuwerk bis Höhe Altenbruch (Strom-km (A) 723) unregelmäßig zwischen 5 und 17 Taxa, als Tendenz lassen sich elbeaufwärts deutlich rückläufige Taxazahlen herauslesen (Abb. 2.6.2.3). Zwischen Strom-km (A) 700 und 648 schwankten die Angaben um einen Wert von durchschnittlich 6 Taxa. Im Bereich der oberen Tideelbe lagen sie nicht wesentlich darüber.

Während in der Tideelbe die Zahl der Süßwasserarten schon bei schwacher Versalzung des Flußwassers in Richtung See abnimmt, verringert sich die Zahl der marinen Taxa stromaufwärts wesentlich langsamer (RIEMANN, 1966; FIEDLER, 1991). Das Artenminimum liegt nicht unbedingt in der Mitte der Brackwasserzone, sondern eher zum Oligohalinikum hin, wie es aus der Graphik ersichtlich ist. REMANE & SCHLIEPER (1971) haben sich im Detail mit dem brackwasserbedingten Artenrückgang beschäftigt. In summa ist die Artenvielfalt im Brackwasser geringer als in marinen und limnischen Gebieten mit vergleichbaren Lebensräumen. Die erstaunlich niedrigen Taxazahlen im limnischen Abschnitt der oberen Tideelbe (Abschnitt I: Bunthaus bis Geesthacht) sind wahrscheinlich durch die Einförmigkeit der Flußsohle bedingt. Zufluchtsstätten scheinen eher die Hartsubstrate der Uferstreifen zu sein, obgleich GRIMM (1979) die Fauna der oberen Tideelbe in dem künstlichen Lebensraum der Steinschüttungen als "letztes Aufgebot" titulierte. Andererseits fand er in seiner Untersuchung insgesamt 41 Taxa (analog "faunistische Einheiten"), während in den eigenen Beprobungen des Flußbettes unterhalb MTnw nur insgesamt 21 Taxa verbürgt sind (Tab. A 2.6.2.6).

Knapp 80 % der durchschnittlichen Individuenzahlen lagen zwischen 1.000 bis 10.000 Ind. m-2. Die höchsten Abundanzen wurden in der oberen Tideelbe bei Zollenspieker (Strom-km (A) 598) ermittelt. Im Durchschnitt betrug hier die Besiedlungsdichte über 350.000 Tiere und schwankte im Extrem zwischen 241.042 und 648.333 Ind. m-2. Vergleichbar hoch waren diese Zahlen vor Bunthaus (Strom-km (A) 608,5) und unterhalb Geesthachts (Strom-km (A) 588). Auffällig sowohl im räumlichen als auch zeitlichen Vergleich war der Befund vom 17.05.1993 für Station Bu 1 (Strom-km (A) 608,5; südliche Fahrrinne). Die Besiedlungsdichte von 7 x 104 Ind. m-² differierte erheblich von den bei Bunthaus-Spitze ansonst beobachteten Abundanzwerten von 2 - 4 x 105 Ind. m-². Denkbar ist ein Zusammenhang mit der Unterhaltungsbaggerei. Gemäß vorliegendem Baggerprotokoll des Amtes für Strom- und Hafenbau, Hamburg, wurden in diesem Abschnitt der südlichen Fahrrinne bis zum 10.03.1993 48.159 t TS Sand entnommen. Zur Baggertätigkeit in der oberen Tideelbe bleibt noch anzufügen, daß 1993 im Bereich des WSA Lauenburg zwischen Bunthaus und dem Wehr Geesthacht keine entsprechenden Eingriffe stattgefunden haben. Bei Strom-km (A) 599,1 (unterhalb Zollenspieker) wurden jedoch vom 29.07. bis 11.08.1993 ca. 6.000 m3 Sand umgelagert (NEUMANN - WSA LAUENBURG, pers. Mitt.), was allerdings auf die Populationen der beprobten Querschnitte keine nachhaltigen Auswirkungen hatte (plausibel wegen der identischen Größenordnung der Mai- und Septemberproben).

Abb. 2.6.2.3: Makrozoobenthos 1993 und 1994 - Mittlere Individuen- und Taxazahlen im Elbe-Längsprofil

Durchgängig über 90 % des Bestandes wurden durch drei Taxa gebildet: Propappus volki (Propappidae)6, Enchytraeus sp. (Enchytraeidae) und Turbellaria (Strudelwürmer). Subdominant waren noch Zuckmückenlarven (Chironomidae indet.). Hohe Individuenzahlen für P. volki melden auch SCHÖLL et al. (1995) aus der Mittelelbe, jedoch sind ihre Angaben um eine Zehnerpotenz niedriger.

Mittlere Individuendichten über 10.000 Ind. m-2 wurden für Strom-km (A) 648 (Lühesand), Strom-km (A) 685 (Scheelenkuhlen) sowie Strom-km (A) 723, 729 und 737 berechnet, wobei die letzten drei Stationen ober- und unterhalb von Cuxhaven liegen. Mit durchschnittlich knapp 150.000 Ind. m-2 repräsentierte die Besiedlung bei Station B VII (Strom-km (A) 723; auf Höhe Altenbruch) einen absoluten Spitzenwert. An beiden Probennahmeterminen, sowohl im Mai 1993 (239.792 Ind. m-2) als auch im September 1993 (57.813 Ind. m-2), wurden hier die höchsten Individuenzahlen für Unter- und Außenelbe ermittelt (Tab. A 2.6.2.1). Als dominant erwiesen sich die röhrenbewohnenden, euryhalin-marinen Würmer Polydora ciliata und Pygospio elegans (Polychaeta 7). Im Mai war der Bestand noch durch die Gemeinschaft von Laomedea calceolifera (Hydroidpolyp) und Tergipes tergipes (Nacktschnecke) geprägt (vgl. Kap. 2.6.2.1.1: Hydrozoa und Mollusken). Subdominant waren im weiteren verschiedene Flohkrebsarten (vgl. Kap. 2.6.2.1.1: Amphipoda). Vergleichbar hohe Besiedlungsdichten mit Gammariden elbeaufwärts von Cuxhaven gibt auch MOVAGHAR (1964) an.

Als Ursache für diese vom Trend abweichende Individuendichte sind mehrere Varianten oder ihre Kombination zu diskutieren. Das Sediment der Mai-Probe war von schlickiger Konsistenz und somit bevorzugtes Substrat für die genannten Polychäten. Die koloniebildenden Hydroidpolypen bieten wiederum Siedlungsraum für Folgearten, wie Nacktschnecken und Gammariden. Der Sedimenttyp der September-Probe hingegen war Klei. Hydroidpolypen wurden zu diesem Zeitpunkt dementsprechend nicht nachgewiesen. Das unwirtliche Substrat wurde aber durch die Bohrmuschel Barnea candida für Sekundärbesiedler (in diesem spez. Fall Polychäten und Amphipoden) vorbereitet, so daß deren Artenvielfalt bei gleichzeitig relativ hoher Individuendichte plausibel ist (vgl. Kap. 2.6.2.1.1: Mollusken).

Die auffällig geringe Individuendichte bei Strom-km (A) 673 (im Mittel 1.423 Ind. m-2) hat sicherlich ihre Ursache in der intensiven Unterhaltungsbaggerei im Abschnitt Rhinplatte. 1993/94, wie aber auch in den Vorjahren, wurden zwischen Strom-km (A) 670 bis 676 die größten Baggermengen mit > 10 x 106 m3 im Delegationsbereich des WSA Hamburg gefördert (lt. Baggerprotokolle, WSA Hamburg). Die Auswirkungen der Unterhaltungsbaggerei auf die benthische Besiedlung wird in Kap. 3.3 im Detail diskutiert.

Bemerkenswerterweise konnte FIEDLER (1991) in seiner Untersuchung die vorliegenden, mittleren Bestandszahlen nicht näherungsweise feststellen. Zwischen Cuxhaven und Glückstadt errechnete FIEDLER (l. c.) durchschnittlich weniger als 300 Ind. m-2. Wenn man die für die UVU getroffene Konvention für Flachwasserbereiche anwendet (MTnw bis -2 m), stammen seine Proben grundsätzlich aus dem Tiefwasser, obwohl er im Gegensatz zur vorliegenden Arbeit bevorzugt den oberen Hangbereich im Fahrwasser beprobt hatte. Entscheidender für die abweichenden Ergebnisse dürfte vermutlich die Wahl der Maschenweite gewesen sein. Während FIEDLER (l. c.) sein Material über 1.000 µm aufkonzentrierte, wurden die eigenen Proben über 250 µm Maschenweite gesiebt (vgl. Kap. 2.2.2 und Kap. 2.6.2).

Der Vergleich der mittleren Abundanzen zeigt keine signifikanten Unterschiede zwischen Umlagerungsflächen (schwarze Säulen) und Fahrwasserstationen (weiße Säulen) auf. In bezug auf die Artenvielfalt gilt entsprechendes. Die Entnahmestellen auf den Umlagerungsflächen lagen ebenfalls bis auf wenige Ausnahmen mehr oder weniger unter der Flachwassergrenze (Tab. A 2.2.1.2 und A 2.6.2.2). Allerdings konnte festgestellt werden, daß die Individuenzahlen im oberen Hangbereich (2 bis 4 m unter MTnw) im Trend niedriger ausfielen als im unteren Hangbereich (>->> 4 m bezogen auf MTnw). Auch unter Berücksichtigung der allgemein hohen Variabilität der Besiedlungsdichte bleibt dieser Befund gültig. So gesehen ist die Einbeziehung auch dieser Untersuchungsergebnisse für die Längsprofilbetrachtung problemlos.

In qualitativer Hinsicht zeigt das Artenspektrum der Umlagerungsflächen in den UA V - VII ausgeprägt opportunistische Merkmale. Sowohl "enrichment" als auch "generelle" Opportunisten (vgl. PEARSON & ROSENBERG, 1978; BLUHM, 1990) waren aspektbildend. Erstere, wie Capitella capitata, sind in organisch verschmutzten und durch Sauerstoffmangel gestreßten Flächen abundant. Die anderen Polychäten Marenzelleria viridis, Polydora ciliata, Heteromastus filiformis und Neanthes succinea (syn. Nereis succinea) sind generelle Opportunisten, die bevorzugt freie Gebiete besiedeln - unabhängig davon, wodurch diese entstanden sind. Weitere generelle Opportunisten sind z. B. die Muscheln Macoma balthica, und auch Mytilus edulis kann sich opportunistisch verhalten. Charakteristischerweise sind die genannten Arten auch die bestandsbildenden Besiedlungselemente auf den untersuchten Umlagerungsflächen (vgl. Tab. A 2.6.2.2). Während M. viridis und P. ciliata auf fast allen K-Flächen nachgewiesen wurden, beschränkte sich das Vorkommen von N. succinea auf die Klappstellen im mesohalinen Abschnitt (vgl. Kap. 2.6.2.1.6). Die bevorzugte Verbreitung von C. capitata auf den diesbezüglichen Arealen liegt gagegen im Meso- und Polyhalinikum. Die Muscheln zeigten ein Verbreitungsmuster analog zu C. capitata. Weiteres zur qualitativen und quantitativen Besiedlung der Umlagerungsflächen wird in Kap. 2.6.2.2 diskutiert.

In der nachfolgenden Abbildung 2.6.2.4 sind die durchschnittlichen Gesamtbiomassedaten als aschefreies Trockengewicht dargestellt (AFTG8). In die Mittelwertbildung sind folgende Fauneneinheiten aufgenommen worden: Nematoda und Turbellaria, die Oligochätenfamilien Aeolosomatidae, Propappidae, Enchytraeidae, Naididae und Tubificidae sowie die Polychäten und Amphipoden. Alle anderen Taxa sind ausgeschlossen. Dieser Ausschluß gilt für alle nachstehenden Gesamtbiomassebetrachtungen in Tideelbe und Nebenflüssen.

Für die beiden letztgenannten Tiergruppen liegen eigene Labormessungen zum AFTG vor. Dem AFTG der drei erstgenannten Großtaxa liegen morphometrische Messungen zugrunde. Über Konvertierungsfaktoren wurde das AFTG indirekt ermittelt (vgl. Kap. 2.2.2).

Abb. 2.6.2.4: Mittlere Gesamtbiomassen AFTG mg m-2 im Elbe-Längsprofil (1993/94), Kilometerangaben (A)

Über 50 % der mittleren Stationsbefunde lagen unter 100 mg AFTG m-2, mehr als 40 % lagen zwischen 100 bis 1.000 mg AFTG m-2, ein einzelner Durchschnittswert erreichte 7.372 mg AFTG m-2.

Im limnischen Abschnitt der oberen Tideelbe (Strom-km (A) 588 bis 608,5) wurden Biomassen über 500 mg AFTG m-2 erreicht. Fast 85 % der Biomasse wurde durch Propappidae/ Enchytraeidae (Oligochaeta) repräsentiert. Der restliche Anteil setzte sich im wesentlichen aus Nematoden und Turbellarien zusammen.

Vom Oligo- zum Mesohalinikum nahmen entsprechend dem lokalen Artenspektrum die Biomassezahlen in der Tendenz zu. In Richtung See steigt naturgemäß das Vorkommen der Polychäten an. Analog ihrer Größe bringen diese Würmer mehr Biomasse auf die Waage. Der Vergleich der quantitativen Angaben aus den Abb. 2.6.2.3 und 2.6.2.4 zeigt eine im Trend erkennbare Verschiebung des Verhälnisses Biomasse zu Individuenzahl im Meso- und Polyhalinikum. Sehr deutlich wird der Zusammenhang für Station K-700 (Strom-km (A) 700: Brunsbüttel/Reede). Der geringen Individuenzahl von 1.625 Ind. m-2 stand eine durchschnittliche Biomasse von 118 g m-2 gegenüber. Ähnlich war die Relation beispielsweise an den Stationen B I ( Strom-km (A) 705) und B XII (Strom-km (A) 738). Vor allem an Probestelle K-700, aber auch bei B I und B XII dominierten Polychäten den Bestand (Tab. A 2.6.2.1-2). Herausragend, wie schon bei der Analyse der Artenvielfalt und Besiedlungsdichte diskutiert, war allerdings der Befund für die Station B VII (Strom-km (A) 723) mit einem durchschnittlichen AFTG von 7.400 mg m-2. Aspektbildend waren in den Proben diverse Polychäten-, aber auch Amphipodenarten (Tab. A 2.6.2.1).

In Abb. 2.6.2.5 sind die mittleren Biomassedaten sowie die relativen Anteile der jeweiligen Taxa-Gruppen aufgeschlüsselt. In der Längsprofilbetrachtung wird deutlich, daß vom Poly- bis zum unteren Mesohalinikum die Polychäten die Biomasse "gewichtig" vertreten. Auf der geplanten Baggergutverbringungsfläche K-685 (Scheelenkuhlen) erreichte die Biomasse nochmals ein AFTG von annähernd 1.000 mg m-2. Der Anteil der Polychäten an der Gesamtbiomasse betrug fast 100 %. Stromaufwärts nahm mit zunehmender Aussüßung der Polychätenanteil naturgemäß ab. In der Folge repräsentierte die Polychätenart Marenzelleria viridis bis Strom-km (A) 648 (Lühesand) fast ausschließlich den betreffenden Bestand. Der Hauptanteil der Amphipodenbiomasse konzentrierte sich auf den Bereich zwischen Strom-km (A) 733 (Außenelbe) und 706 (Neufeld/Reede). Weiter elbeaufwärts schwankten die mittleren Biomassewerte 10 mg m-2. Die Verbreitung der Amphipoden reichte aber bis an die obere Grenze der Untersuchungsraumes.

Abb. 2.6.2.5: Mittlere Biomassen AFTG mg m-2 verschiedener Taxa-Gruppen im Elbe- Längsprofil (1993/94), Kilometerangaben (A)

Der Löwenanteil der Biomasse der Oligochäten und Nematoden sowie Turbellarien lag in der limnischen Zone der Tideelbe. Ab Strom-km (A) 664 (Pagensand) unterschritt die mittlere Biomasse bezogen auf die Oligochäten die 10 mg-Marke. Außer im Bereich der oberen Tideelbe (Strom-km (A) 608,5 bis 588) reduzierte sich der Anteil der zusammengefaßten, faunistischen Einheit Turbellaria/Nematoda überwiegend auf unter 1 mg m-2 AFTG in Richtung See. Im Elbe-Abschnitt zwischen Bunthaus und Geesthacht betrug das durchschnittliche AFTG dieser Organismengruppen noch ca. 100 mg m-2.

Der Vergleich der eigenen, mittleren Biomassedaten mit aktuellen Literaturangaben stellt sich wie folgt dar. FIEDLER9 (1991) berechnete abschnittsweise weitaus höhere, mittlere Gesamtbiomassewerte für die benthische Besiedlung der Tideelbe zwischen 1984 - 1986. Streckenweise liegen seine Angaben um mehrere Zehnerpotenzen höher als die eigenen. Dies ist besonders auffällig im äußeren Ästuarbereich, seewärts von Cuxhaven. Flußaufwärts bis Pagensand sind die Mittelwerte des AFTG näherungsweise mit den eigenen identisch, oberhalb Pagensand bis Hamburg wiederum unverkennbar höher. In der nachfolgenden Tabelle (Tab. 26) sind FIEDLERs Daten den eigenen gegenübergestellt. Die Einteilung der Tideelbe in acht Abschnitte orientiert sich an den Vorgaben des zitierten Autors und stimmt nicht mit der für die UVU getroffenen UA-Konvention überein .

Tab. 2.6.2.3: Mittlere Gesamtbiomassen des Zoobenthos (AFTG mg m-2) in der Tideelbe im regionalen Vergleich. Gegenüberstellung von eigenen Mittelwerten und Angaben nach FIEDLER (1991).

Tideelbe

Zone 1

Zone2

Zone3

Zone 4

Zone 5

Zone 6

Zone 7

Zone 8

oberstromige Grenze

(Strom-km alt)

720

697

685

670

655

639

632

< 632

FIEDLER (1991)

3 x 103

1 x 10²

1 x 10²

2 x 10²

4 x 103

4 x 103

2 x 103

1 x 103

UVU (1993/94)

1 x 103

1 x 10²

5 x 10²

1 x 10²

4 x 101

4 x 101

-

(1 x 103)

Hervorzuheben ist noch, daß in der mittleren Gesamtbiomasse-Berechnung nach FIEDLER Mollusken, einzelne Mysidacea- und Decapoda-Arten sowie Insecta indet. inbegriffen sind. Berücksichtigt wurden dagegen nicht, die in die eigene Aufstellung einbezogenen individuenstarken Turbellarien- und Nematodenpopulationen. Gewichtsmäßig dürften diese den Betrag der wenigen Insekten kompensieren. Große Muscheln und Schnecken haben entsprechend hohe Biomassen, ebensowie die Krebsarten. Vor diesem Hintergrund erscheinen die Biomassedifferenzen für Zone 1 plausibel.

Für die Zonen 2 bis 4 stimmen die Größenordnungen überein. Allerdings repräsentiert der eigene Biomassedurchschnitt stets einen unteren Wert, da die zahlenmäßig geringen Molluskenfunde in die Biomasseberechnung nicht eingegangen sind. Problematisch wird es für die Zonen 5 und 6. Nach FIEDLER stellten die Oligochäten in diesen Abschnitten ("Bereich der Unterelbe zwischen Glückstadt und Hamburg") das Gros der Individuen und der Biomasse dar, was grundsätzlich richtig ist. Andererseits sind Oligochätenbiomassen zwischen 4 bis knapp 27 g m-2 (im extrem > 100 g m-²) nicht selbstverständlich, wenn mit einer Siebmaschenweite von 1.000 µm gearbeitet wurde. Ein Umstand kann aber von Bedeutung gewesen sein: FIEDLER arbeitete drei Greiferinhalte je 0,1 m² auf und bildete daraus das Mittel, während in der vorliegenden Arbeit einem Greiferinhalt von 0,4 m² jeweils 5 Unterproben entnommen wurden; entsprechend 1/12 bezogen auf 0,1m² Fläche (vgl. Kap. 2.2.2). Die Wahrscheinlichkeit ist danach geringer, alle großen Würmer quantitativ zu erfassen. Wie es im Detail zu den auffälligen Abweichungen zwischen den Untersuchungsergebnissen kommen kann, läßt sich retrospektiv in Gänze nicht klären.

Möglicherweise gehen die Differenzen auf die unterschiedliche Methodenpraxis10 zurück. Allerdings kann auch der Zufall eine Rolle gespielt haben. Die klein- bzw. kleinsträumigen Unterschiede in der Verteilung der endobenthischen Fauna sind ein bekanntes Phänomen ("Patchiness"). Es ist denkbar, daß FIEDLER bei der Probennahme individuenstarke Flächen mit großen, ausgereiften Würmern getroffen hat. Am wahrscheinlichsten sind die vermeintlich widersprüchlichen Angaben allerdings in der extremen zeitlichen Variabilität der biologischen Populationsparameter zu suchen. Da eigene Meßreihen über verschiedene Jahre nicht vorliegen, sollen hier die Größenordnungen der Jahresstichproben von FIEDLER für die Oligochäten der Stationen 119 (Pagensand) und 159 (Fährmannssand) exemplarisch wiedergegeben werden:

Station 119

1985 zwischen 3 x 102 bis 2 x 104 Ind. m-² bzw. 0,06 bis 5 g AFTG m-²
1986 zwischen 2 x 104 bis 5 x 104 Ind. m-² bzw. 5 bis 15 g AFTG m-²

Station 159

1984 1 x 104 Ind. m-² bzw. 8 g AFTG m-²
1985 zwischen 3 x 100 bis 7 x 104 Ind. m-² bzw. 0 bis 17 g AFTG m-²
1986 zwischen 1 x 105 bis 3 x 105 Ind. m-² bzw. 56 bis 112 g AFTG m-²

Wie aus dem Beispiel der Stationen ersichtlich, sind die Variabilitäten der nur zwei genannten Parameter innerhalb eines Jahres sowie zwischen den drei untersuchten Jahren sehr unterschiedlich: Im extrem zwischen 3 bis rd. 300.000 Ind. m-² bzw. <<< 1 bis > 100 g AFTG m-². Diese hohe zeitliche und räumliche Variabilität der biologischen Meßdaten läßt sich mit einer begrenzten Anzahl von Stichproben folgerichtig nicht auflösen.

Auf den feinstkörnigen Schlickwatten von Fährmannsand wies PFANNKUCHE (1977) mittlere Individuendichten von 93.000 Ind. m-2 nach, in reinen Sandwatten hingegen nur 2.000 Ind. m-2. Biomasseangaben für das Wattengebiet hat der Autor leider nicht publiziert. Die Rückberechnung auf der Basis der Konvertierungsfaktoren ergibt ein AFTG von knapp 400 mg m-2 als durchschnittlichen Höchstwert.

POSEWANG-KONSTANTIN et al. (1992) fanden 1991 für das Mühlenberger Loch, bezogen auf das Feuchtgewicht, durchschnittliche Biomassedaten von 3,6 bis 6,1 g m-2. Als mittlere Abundanz der Tubificiden errechneten die Autoren 8.640 Ind. m-2. Die zitierten Angaben beziehen sich ausschließlich auf Arten aus der Gattung Limnodrilus, die im wesentlichen den Bestand repräsentierten. Die Umrechnung auf das AFTG ist in diesem Fall besonders unproblematisch, da die Bearbeiter ebenfalls über einer Maschenweite von 250 µm-Fraktion siebten und das Frischgewicht analog über morphometrische Messungen der Einschlußpräparate ermitelten. Danach umfaßte das AFTG einen Wertebereich von 65 bis 110 mg m-2. SEILERT (zit. nach ARGE ELBE, 1993) veröffentlichte für das Mühlenberger Loch mittlere Biomasseangaben von 49 bzw. 277 mg m-2 AFTG, bezogen auf das Jahr 1992, wobei der erste Wert der 500 µm- und der zweite der 1.000 µm-Fraktion entsprach. Die Angaben beziehen sich auf die Gesamtbiomasse, die jedoch überwiegend von den Tubificiden gestellt wurde. Bemerkenswerterweise lag nach SEILERT (l. c.) die Biomasse der Proben aus der 1.000 µm- Fraktion immer deutlich über der der kleineren Siebmaschenweite.

Aus aktuellen Zoobenthosuntersuchungen im Hamburger Hafen (250 µm-Fraktion) sind Gesamtbiomassen von >> 600 mg AFTG m-2 bekannt (ORTEGA et al., 1994). Die gemessenen Maximalwerte des AFTG in den Hafenbecken lagen sogar im Grammbereich bei 27 bis 61 g m-2. Das Minimum wurde von ORTEGA et al. (l. c.) in der Norderelbe bei Strom-km (A) 624,5 mit 100 mg m-2 kalkuliert. 1983/84 wurden im Zusammenhang mit Sedimentuntersuchungen unmittelbar vor dem alten Auslaß des KW Köhlbrandhöft (Strom-km (A) 625: Südufer Norderelbe) noch Biomassen zwischen 3.000 bis 8.500 mg m-2 AFTG für die Tubificidenfauna errechnet (KRIEG, unveröff.). Die Proben wurden über 500 µm Maschenweite eingeengt. Die zu jener Zeit nachgewiesene Individuendichte der Tubificiden, im wesentlichen aus der Gattung Limnodrilus, schwankte zwischen 105 und 106 Ind. m-2. Derart hohe Abundanzen in diesem Abschnitt der Norderelbe wurden schon Anfang des Jahrhunderts von HENTSCHEL (1917) und später in den 50-er Jahren von CASPERS & SCHULZ (1964) verbürgt. 1992 wurde nur noch ein reduzierter Tubificidenbestand von 104 Ind. m-2 beobachtet (ORTEGA et al., l. c.).

Aktuelle Vergleichszahlen über die durchschnittliche Höhe der Biomasse auf Hartsubstraten (Steinschüttungen) von ARGE ELBE (1993) und SPIEKER (1994) sind in Tab. 2.6.2.4 den eigenen Daten der Biomasse auf Weichsubstraten gegenübergestellt. In der Längsprofiluntersuchung der ARGE ELBE (l. c.) wurden für den Zeitraum 1990 bis 1992 mittlere Gesamtbiomassen für einzelne Stationen der Tideelbe berrechnet. Das AFTG betrug bei Strom-km (A) 598 (Zollenspieker) 153 mg m-2, bei Strom-km (A) 635 (Blankenese) 10 mg m-2, bei Strom-km (A) 645 (vor Lühemündung) 11 mg m-2 und bei Strom-km (A) 654 (Stadersand) 45 mg m-2.

Tab. 2.6.2.4: Mittlere Gesamtbiomassen des Zoobenthos (AFTG mg m-2) in verschie-

denen Regionen der Tideelbe auf gegensätzlichen Substrattypen

Station Tideelbe

Zollenspieker

Bereich Lühemündung

Querprofil Lühesand

Grauerort/Pagensand

Strom-km (A)

598

644 - 645

648

660 - 664

Hartsubstrat 1)

100

11

11 - 45

< 4

Weichsubstrat2)

740

48

54

41

1) Daten nach ARGE ELBE (1993) und SPIEKER (1994)
2) eigene Daten UVU 1993/94

SPIEKER (l. c.) ergänzte die Werte 1993: Strom-km (A) 598 durchschnittlich 46 mg m-2, Strom-km (A) 629 (Seemannshöft) 43 mg m-2 und 688 mg m-2 AFTG bei Strom-km (A) 660 (Grauerort). Die letzte Zahlenangabe ist korrekturbedürftig, da der hohe Wert primär auf die Veraschung von einzelnen Wollhandkrabben zurückzuführen war. Ohne die Krebstiere lag der Mittelwert des AFTG bei knapp 4 mg m-2. Der kurze Abriß der aktuellen Literaturdaten zeigt, daß die Gesamtbiomasse auf den Hartsubstraten grundsätzlich unter der der Weichsubstrate liegt. Im allgemeinen bewegen sich die Höchstwerte auf Hartsubstrat im unteren Extrembereich der entsprechenden AFTG-Zahlen auf Weichsubstrat.

 

2.6.2.1.3 Vorkommen und Verbreitung der Taxa, sowie Individuenzahlen und Biomassen im Querprofil Pagensand (Strom-km (A) 664)

Auf diesem Flußquerschnitt wurden insgesamt zehn Stationen beprobt, jeweils monatlich von Mai bis Dezember 1993 (Kap. 2.2.1). Die Probestellen P 1 und P 2 (südlich Insel Schwarztonnensand) lagen hauptsächlich im Flachwasserbereich (-2 m ) oder in Tiefen von 2 bis 4 m bezogen auf MTnw. Die Stationen P 3 und P7 umfaßten den Flachwasser- bzw. oberen Hangbereich im Hauptstrom, während die Substratentnahmestellen P 4 bis P 6 im Tiefwasser zwischen den Fahrrinnenbetonnungen lokalisiert waren. Für die Probestellen in der Pagensander Nebenelbe waren die örtlichen morphologischen Verhältnisse vergleichbar. P 8 und P 10 lagen im Flachwasser bzw. am oberen Fahrwasserrand, Station P 9 hingegen in der Fahrwassermitte.

Im Zusammenhang mit der Peilausstattung der eingesetzten Schiffe gab es Differenzen beim Ansteuern der Probennahmestellen. Mit den Schiffen "Drommel" und "R. Woltmann" wurden die Probennahmestationen optisch über Landmarken angesteuert; auf der FS "Nige Wark" konnte der Entnahmepunkt dagegen mit elektronischen Navigationsmitteln angepeilt werden. Unterschiede in der Entnahmetiefe der Proben waren daher unvermeidbar (Tab. 2.2.1.2). Die Positionsangaben nach Kap. 2.2.1 stellen also Näherungswerte dar, zumal eine Verdriftung der Schiffe bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten nicht auszuschließen war.

Im Anhang sind in Tabelle A 2.6.2.4 die jeweiligen Befunde der Einzelbeprobungen aufgelistet (Artenspektrum, Individuendichte und Biomasse). Insgesamt konnten auf dem Querschnitt 38 Taxa identifiziert werden, davon 20 bis auf Artniveau (53 %). Dominant waren Arten aus der Ordnung der Oligochaeta (wenigborstige Würmer); überwiegend Tubificidae, Enchytraeidae und Propappidae. Aspektbildend erwiesen sich außerdem verschiedene Spezies aus den Genera Bathyporeia, Corophium und Gammarus (vulgo Flohkrebse).

Im oberen Teil der Abb. 2.6.2.6 sind die durchschnittlichen Taxa- und Individuenzahlen für die einzelnen Stationen auf dem Querprofil dargestellt (Mittelwerte der monatlichen Einzelbeprobungen von Mai bis Dezember 1993). In der unteren Graphik sind die mittleren Gesamtbiomassen abgebildet (mg AFTG m-2). Bezugsgrundlage dieses Parameters ist, wie auch schon in den vorhergehenden Biomassebetrachtungen, die Summe der Werte für Turbellaria/Nematoda, Oligochaeta, Polychaeta und Amphipoda.

Die mittlere Individuendichte lag grundsätzlich über 1.000 Individuen m-2. Auffällig ist die verhältnismäßig hohe Streuung der Durchschnittsdaten von 103 bis 104 Ind. m-2 über den Querschnitt. Die relativen Standardabweichungen betrugen i. allg. > - >> 90 %. Mittlere Abundanzen von > 5.000 Ind. m-2 wurden sowohl im Hauptstrom als auch in der Pagensander Nebenelbe errechnet. FIEDLER (1991) ermittelte 1984-86 für den Bereich dieser Nebenelbe im Durchschnitt 2 bis 3 x 104 Ind. m-2, was deutlich höher liegt als die eigenen Resultate aus dem Jahr 1993. Vergleichszahlen aus der Stromelbe liegen nicht vor.

Die statistische Prüfung der Mittelwerte ergab für die zehn Datenkollektive der Stationen P 1 bis P 10 keine signifikanten Unterschiede11 (gesetzte Irrtumswahrscheinlichkeit a = 0,01). Demnach sind die beobachteten Unterschiede als zufällig zu werten. Die durchschnittliche Besiedlungsdichte von Stromelbe- und Nebenelbe-Stationen stimmt demzufolge überein.

Mittels eines trennschärferen Verfahrens (Varianzanalyse12) wurden die Kollektive aus der Pagensander Nebenelbe (P 8, P 9 und P 10) denen von Schwarztonnensand (P 1 und P 2) gegenübergestellt. Danach erwiesen sich die Abweichungen vom Mittelwert des Individuenbestandes für die Nebenströme als nicht signifikant (a = 0,01). Die Prüfung der entsprechenden Daten für die im Hauptstrom lokalsierten Entnahmestellen (P 3 bis P 7) erwies sich nur im Fall von Station P 7 als signifikant. Die durchschnittliche Besiedlungsdichte an den Fahrrinnenstationen P 5 und P 6 war eindeutig höher als die im Flachwasserbereich von Station P 7. Ansonsten unterschieden sich die Mittelwerte der Hauptstromkollektive nicht (a = 0,01).

Ein Phänomen sollte in diesem Zusammenhang allerdings noch diskutiert werden, nachdem ähnliches auch auf dem Querschnitt Lühesand beobachtet wurde (Kap. 2.6.2.1.4). Wie aus dem Vorgenannten ersichtlich, fiel die mittlere Abundanzzahl bei Station P 6 (Tonnenstrich Backbord) signifikant höher (um den Faktor vier) aus als an Station P 7 (zwischen Tonnenstrich und Ufer). Der Vergleich der monatlichen Stichproben ist analog zu bewerten; stets war die Besiedlungsdichte im Flachwasser- bzw. erweiterten Flachwasserbereich der Probestelle P 7 (Tab. A 2.6.2.4) um ein Vielfaches niedriger als auf der Tiefwasserstation P 6.

Diese Unterschiede lassen sich relativ leicht erklären. Die Station P 7 liegt am nördlichen, strömungsexponierten Prallhang des Hauptfahrwassers zur Insel Pagensand. Die Scharkante fällt im Gegensatz zum Gleithang am Südufer der Insel Schwarztonnensand (Station P 3) in einem sehr viel steileren Winkel ab. Wahrscheinlich werden mit dem erodierten Material auch die Organismen in Richtung Gewässersohle transportiert. An beiden Stationen wurde das Substrat häufig dem Sedimenttyp "Klei" zugeordnet bzw. in den Schlick- oder Feinsandproben waren mehr oder weniger große Klei-Einschlüsse häufig. Klei ist aufgrund seiner in sich geschlossenen Kompaktheit ein schwer zu besiedelndes Substrat, wenn er nicht von bohrenden Spezialisten, wie der Muschel Barnea candida, zur Folgebesiedlung vorbereitet wird (vgl. Kap. 2.6.2.1.1), die aber soweit stromauf nicht nachgewiesen wurde. Das Spektrum der bestandsbildenden Arten (juvenile cf. Limnodrilus, sowie adulte Spezies aus derselben Gattung) an den Stationen P 3 und P 7 war zumindest recht ähnlich, die Besiedlungsdichte hingegen signifikant unterschiedlich trotz vergleichbarer Sedimentstruktur. Daß es sich um eine gerichtete Besiedlungsstrategie in Form einer Brackwassersubmergenz13 handelt, ist für die Tubificiden auszuschließen, hingegen ist dieses Verhalten für Bathyporeia pilosa (Flohkrebs) (DITTMER, 1981), wie auch für verschiedene Polychäten (LELING, 1986) beschrieben. Die geringe Salztoleranz der Limnodrilus-Arten spricht gegen eine aktive Wanderbewegung in das salzreichere Tiefenwasser.

Ähnliche Beobachtungen hat LELING (l. c.) in ihren Untersuchungen auf verschiedenen Querprofilen im unteren Elbe-Ästuarbereich gemacht. Tendenziell stellte LELING eine Abnahme der Besiedlungsdichte von der mittleren NW-Linie (» Flachwasser) zur Flußsohle fest. In einigen Fällen beschrieb sie aber auch eine abweichende Bestandsentwicklung: "Aber auch innerhalb eines Hangprofils waren Abundanz und Diversität unregelmäßig verteilt. Bei den Auswertungen der Fahrwasserproben ... stellte sich heraus, daß dieser Lebensraum wiederum teilweise dichter als der Hang besiedelt sein konnte.".

Abb.2.6.2.6: Querschnitt Pagensand, Mai - Dez. 1993 - mittlere Abundanz und Taxazahl (obere Grafik) sowie Gesamtbiomasse (untere Grafik)

 

Im unteren Teil der Abb. 2.6.2.6 sind die mittleren Gesamtbiomassen, dargestellt als AFTG [mg m-2], für die zehn Stationen aufgeführt. In Abb. 2.6.2.7 ist der jeweilige Anteil einzelner Formenkreise und dominanter Arten an der durchschnittlichen Gesamtbiomasse aufgeschlüsselt sowie die dazugehörigen, mittleren Abundanzen.

Fußnoten:

1.) Die Trennung auf Artniveau ist im allgemeinen sehr schwierig, da die Gehäusemerkmale zwischen den Arten sehr stark variieren. Somit ist die Zuordnung mit einer großen Unsicherheit verbunden.
2.) die Haustoriden sind ausnahmslos gute Grabspezialisten. Haustorius arenarius wird nach SCHLICK (1969) sogar als lebende "Schildvortriebsmaschine" tituliert, die im Sand kriechenden Bathyporeia -Arten nach REMANE (1940) als sog. " Sandlieger".
3.) Chironomiden sind wichtige Fischnährtiere.
4.) Stationen Unter- und Außenelbe: B I bis BXV von Strom-km (A) 705 - 747; Stationen obere Tideelbe: Bunthaus, Zollenspieker und Geesthacht von Strom-km (A) 608,5 - 590.
5.) Tiefwasserdefinition: Tiefenangabe > 2 [m] bezogen auf MTnW.
6.) Vagile, wenigborstige Würmer aus der Ordnung der Oligochaeta.
7.) Sessile, vielborstige Würmer aus der Ordnung der Sedentaria: Familie Spionidae.
8.) AFTG ist die Differenz aus dem Trockengewicht minus dem Aschegewicht der Probe.
9.) Die Studie von FIEDLER ist aus der zeitgemäßen Literatur die einzige Untersuchung, in der die benthische Besiedlung der Tideelbe von Scharhörn bis Hamburg über mehrere, hintereinanderliegende Jahre (1984-1986) dargestellt wird. Darüber hinaus ist die Arbeit für vergleichende Analysen unverzichtbar, da sie sich nicht auf Querschnittsbetrachtungen oder kleinräumig lokale Bereiche beschränkt hat. Außerdem ist der Zeitraum dieser Untersuchung optimal, da während der Untersuchung und nachher keine Fahrwasservertiefungen stattfanden.
10.) Die Oligochäten wurden in der eigenen Untersuchung morphometrisch vermessen, und aus dem ermittelten Frischgewicht wurde über Konvertierungsfaktoren das AFTG berechnet (vgl. Kap. 2.2.2). FIEDLER hat das Material verascht und zwar unter "sehr harten" Bedingungen (hohe Temperatur bei sehr langer Veraschungszeit). Dieses Vorgehen kann zu einem deutlich geringeren Aschegewicht führen, was wiederum ein höheres AFTG nach sich zieht.
11.) gemäß H-Test(?=0,01): berechneter H-Wert21,1 < Signifikanzschranke21,7 . Trennschärfere, parametrische Testverfahren
wurden verworfen, da die Grundvoraussetzungen nicht erfüllt waren.
12.) für die selektive Prüfung waren die Grundvoraussetzungen erfüllt (Normalverteilung und Gleichheit der Varianzen).
13.) Brackwassersubmergenz: die Regel besagt, daß eine marine Arte im marinen Milieu oder Brackwasser unterschiedliche Tiefenzonierungen besiedeln, und zwar ist ihr Vorkommen in schwach bzw. schwächer salzigen Gebieten zur Tiefe hin verschoben (REMANE & SCHLIEPER, 1958).