Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

13 PROGNOSEN ZU AUSWIRKUNGEN WÄHREND DER BAUPHASE

Prognosen zum Einfluß der Bauphase auf das Schwebstoffregime erfolgen ohne ein eigenes Modell, wie einleitend festgestellt wurde (Kap. 8). Sie werden in diesem Kapitel nach der Darstellung der Prognosen zum Endausbau behandelt, da z.T. auf dessen Modellaussagen zurückgegriffen wird. Die Bauphase ist ein Übergangszustand zwischen dem Ist- und dem Ausbau-Zustand, in dem

(1) neue Materialien an Sohle und Rand der Fahrrinne angeschnitten und

(2) die resultierenden Ausbau-Baggermengen wieder in das System eingebracht werden.

Zu beiden Punkten liegen Erfahrungen von der Herstellung der derzeitigen Fahrwassertiefe von 13,5 m unter Kartennull in den Jahren 1974-1978 vor (NEEMANN 1996). Das angetroffene Material beeinflußt das Schwebstoffregime nur, wenn es bindiges Material ist, d.h. Anteile der in Tab. 1 definierten Schwebstoff-Fraktionen enthält (Kap. 2.3). Seinerzeit wurde ein Teil einer angeschnittenen Kleischicht durch Eimerkettenbagger15 beseitigt. Die Strömung sortierte das Sohlenmaterial so, daß im wesentlichen Sande angetroffen werden (s. Kap. 10.1). Dieses Auswaschen der Feinstanteile dürfte während der Bauphase am intensivsten sein.

Sandige Ausbaustrecken werden mit Hoppersaugbaggern abgeräumt, die das Material am Eingriffsort in Suspension bringen und angetroffene Feinstanteile unmittelbar in die Wassersäule abfließen lassen. Solche Anteile finden sich an den wenigen Stellen in der Fahrrinne, wo Schlick von den Seitenräumen her eintreibt.

Für Einzelheiten sei auf den MATERIALBAND II b verwiesen. Nachstehend werden Aussagen zum Schwebstoffregime in der Bauphase anhand von Beobachtungen bei vergleichbaren Umlagerungen gemacht; allerdings fehlen flächendeckende Naturmeßdaten, aus denen das Ablagerungsverhalten, die Transportwege und die Ablagerungsgebiete für die unterschiedlichen Materialien eindeutig hervorgehen.

Obwohl aus der Literatur bisher keine Bilanzierung des natürlichen Feststofftransportes in der Tideelbe bekannt ist, weisen die vorliegenden Schwebstoffdaten darauf hin, daß die Schwebstoffkonzentrationen in den einzelnen Untersuchungsabschnitten gegenüber dem Ist-Zustand und der laufenden Unterhaltungsbaggerung durch die ausbaubedingten zusätzlichen Materialumlagerungen nur unerheblich ansteigen wird. Diese Aussage wird durch neueste Untersuchungen des Amtes Strom- und Hafenbau bestätigt (NETZBAND 1996). Die versuchsweise Verklappung von 0,7 bzw. 0,5 Mio m3 Baggergut aus dem Hamburger Hafen bei km 638 (Neßsand) in den Jahren 1994/95 und 1995/96 wurde mit drei Meßkampagnen begleitet, die detaillierte Ergebnisse zu Ausbreitung und Wirkungen des verklappten Materials lieferten.

Bei diesen Meßkampagnen wurde das Material (70-90% Gewichtsanteil < 63 µm) im Uferbereich oder über der Fahrrinnenböschung umgelagert und ließ sich meßtechnisch maximal etwa 2 km weit verfolgen. In größerer Entfernung ging die zusätzliche Trübung im natürlichen Hintergrund und seiner Varianz unter. Die erhöhte Schwebstoffkonzentration am Ort der Verklappung war - auch beim gleichzeitigen Verklappen mehrerer Schuten - bereits nach etwa 10 Minuten abgeklungen. Die Schlußfolgerung der o.g. Meßkampagnen zum Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt im Umlagerungsgebiet lautet: "Unabhängig von Ebbe und Flut sowie von der Topographie des Umlagerungsgebietes stellten sich bei allen Parametern innerhalb kurzer Zeit die Ausgangswerte des unbeeinflußten Wasserkörpers wieder ein" (NETZBAND 1996).

Mit Verklappungen wesentlich weiter elbabwärts befaßt sich ein Bericht der BfG über die "Untersuchung der Einbringung von Baggergut aus dem Bereich der Schleuse Brunsbüttel in die Außenelbe" (BFG 1995). Auch aus diesem Bericht läßt sich entnehmen, daß nur im unmittelbaren Umkreis um die Bagger- und Verklappstellen, insbesondere in Sohlnähe, über einen Zeitraum von 1 bis 2 Tiden mit erhöhten Feststoffkonzentrationen aus der Remobilisierung zu rechnen ist. Ferner lassen sich Untersuchungsergebnisse von Schlick-Verklappungsexperimenten in der Weser heranziehen (PAUL 1992). Danach ist bei Verklappungen vorwiegend in den tieferen Wasserschichten (5 - 6 m) und besonders in Sohlnähe mit erhöhten Feststoffkonzentrationen (in 500 m Entfernung von der Klappstelle bis zu 225 g/m3) zu rechnen. In der Weser konnte eine Erhöhung der Schwebstoffkonzentration bis zu einer Entfernung von 6,5 km über den - niedrigen - Hintergrundwert von 20 g/m3 nachgewiesen werden16.

Da bei den Ausbaggerungen zur Fahrrinnenanpassung vorwiegend mit sandigem Material (Feinkornanteil < 20%) zu rechnen ist, das sich sehr rasch in unmittelbarer Umgebung der Verklappungsstelle ablagert, können die oben zitierten Experimente mit schlickigem Baggergut nicht als realistischer, sondern nur als extrem ungünstiger Vergleich angesehen werden.

Mit Annahmen in völliger Analogie zu denen, die in Kap. 2.5.2 von MATERIALBAND III anhand eines Rechenbeispiels zur Bedeutung des Sauerstoffzehrungsmaterials der Sedimente gemacht wurden, kommt man in einer Abschätzung (Tab. 46) für die sich aus einer punktuellen Verklappung des gesamten, im Tagesdurchschnitt anfallenden Baggerguts aus Unterelbe und Außenelbe ergebende Schwebstoffkonzentration auf einen Wert von 28 g/m3 für die bisherige Unterhaltungsbaggerung (12,9 Mio m3 mittlere Jahresmenge von 1984 - 1995, WITTEN 1996) bzw. 53 g/m3 für die während der Baumaßnahmen erhöhten Baggermengen von 24,4 Mio m3 (WITTEN 1996). Da sich aber nach Plan diese Mengen auf mehrere (6) Baggerabschnitte (und dort auf mehrere Klappstellen) verteilen, so daß für Gruppen räumlich eng (innerhalb eines Halbtideweges von ca. 15 km) benachbarter Klappstellen höchstens 7 Mio m3 umgelagert werden, reduziert sich die Konzentration von 53 auf 15 g/m3.

In der Elbe treten schon oberflächennah deutlich höhere Schwebstoffkonzentrationen auf; im Bereich der Trübungzone übersteigen sie regelmäßig den o.g. Konzentrationwert von 225 g/m3. In Tabelle 45 sind mittlere und maximale Schwebstoffkonzentrationen (aus oberflächennahen Probenahmen) in den Sommer- und Winterhalbjahren 1980 - 1993 für die Untersuchungsabschnitte I bis VII (s. Kap. 2.1) noch einmal zusammengestellt. Nach den in Kap. 3.3.1.3 angeführten Meßergebnissen erreichen die Feststoffkonzentrationen in Sohlnähe noch deutlich höhere Werte, so daß nicht damit zu rechnen ist, daß die Verklappungen und Baggerungen während der Ausbauzeit zu signifikanten Konzentrationserhöhungen über die Schwebstoffgrundbelastung in den einzelnen Untersuchungsabschnitten hinaus führen werden.

Bezogen auf die einzelnen Untersuchungsabschnitte werden sich auch die relativen Anteile transportierter und abgelagerter Feststoffe durch die Sedimentfreisetzungen beim Ausbau voraussichtlich nicht meßbar ändern, zumal diese sich auf den gesamten Ausbauzeitraum verteilen. Allein die durch die wechselnde Oberwasserführung verursachten stromauf- und stromabgerichteten Sedimentverfrachtungen dürften mit Sicherheit ein Vielfaches der ausbaubedingten Materialumlagerungen betragen (GREISER & CHRISTIANSEN 1996; BFG 1995).

Eine Beeinträchtigung des Nährstoff- und Sauerstoffhaushaltes ist nicht zu befürchten, da die aus dem Porenwasser freigesetzten Nährstoffmengen viel zu gering sind, um nach ihrer Einmischung in die am Eingriffsort vorbeitransportierten großen Flußwassermengen nachhaltige Konzentrationserhöhungen zu bewirken. Sie werden lediglich unmittelbar am Eingriffsort feststellbar sein. Entsprechendes gilt für eine mögliche Verstärkung der Sauerstoffzehrung, zumal diese zeitlich parallel mit der Vermischung verläuft und dadurch ihre Wirkung schon in geringer Entfernung vom Eingriffsort erheblich vermindert wird (vgl.a. MATERIALBAND III, Kap. 2.5.2.1; Kap. 3.4.3).

An den Eingriffsorten selbst, d.h. an den Ausbau- und Verklappstellen, wird sich die Schwebstoffkonzentration jedoch zeitweise erhöhen; eine Vorstellung von der Größenordnung vermittelt das in Tab. 46 gerechnete Zahlenbeispiel. Wo und in welchem Umfang Teilmengen der freigesetzten (verklappten) Sedimente langfristig zur Ablagerung kommen und dadurch die bereits vorhandene Sedimentation beschleunigen, läßt sich nach derzeitigem Wissensstand nicht sagen.

Ausbaubaggermengen mit bindigen Anteilen sollen konzentriert in eine sog. Klappgrube gegeben werden (s. MATERIALBAND IIb). Hier ist mit einer ständigen lokalen, strömungsbedingten Remobilisierung/Resuspension zu rechnen. Dies führt zu einer bodennahen Erhöhung der Schwebstoffkonzentration, die ebenfalls in etwa 2 km Entfernung nicht mehr von der natürlichen Trübung zu unterscheiden sein dürfte. Diese konzentrierte Verklappung wird dem Schwebstoffregime insgesamt weniger Material zuführen als eine verteilte Verklappung.

Tab. 46: Rechenbeispiel für die Erhöhung der Schwebstoffkonzentration durch Verklappung

Annahmen:

  • Die verklappte Menge entspricht der doppelten durchschnittlichen Tagesmenge aus der mittleren jährlichen Unterhaltungsbaggermenge (Unter- und Außenelbe) von 12,9 Mio m3 (WITTEN 1996):
    12,9 * 106 : 365 * 2 = 70,7 * 103 m3/d.

 

  1. Der Wassergehalt von Sedimenten Typ 6 (s. MATERIALBAND III ) beträgt 53%, der Feststoffanteil ist also 47%; das ergibt bei einer Feststoffdichte von 2,65 g/cm3 eine täglich verklappte Feststoffmasse von:
    0,47 * 2,65 * 70,7 * 103 = 88 * 103 t/d.

 

  1. Der mittlere Ton/Schluff-Gehalt von Sedimenten Typ 6 sei 25%; das ergibt eine schwebefähige Ton/Schluff-Masse von:
    0,25 * 88 * 103 = 22 * 103 t/d.
  1. Das ganze Material werde an einem Punkt südlich der Rhinplatte verklappt und komplett mit dem Wasserkörper vermischt, der in einer Tide über den Querschnitt strömt (doppeltes Flutstromvolumen von 780 Mio m3, s. MATERIALBAND III).

Ergebnis:

  1. Hieraus resultiert für die Unterhaltungsbaggerung eine Schwebstoffkonzentration von:
    22 * 103 * 106 g: (7,8 * 108 m3) = 28 g/m3.
  1. Da in der Bauphase von insgesamt 24,4 Mio m3 UVU-relevanter Baggergutmenge ausgegangen wird, ergibt sich hierfür unter den gleichen Annahmen eine Schwebstoffkonzentration von:
    24,4 : 12,9 * 28 = 53 g/m3.

Fußnoten:

15.) Dieser Gerätetyp wird auch für festes Endmoränenmaterial (tonig/sandig) verwandt, das ebenfalls bei der Umlagerung eine Schwebstoff-Quelle ist und beim Ausbau ansteht.

16.) Die unterschiedlichen Entfernungsangaben für die kurzfristige Nachweisbarkeit erhöhter Trübung aus den zitierten verschiedenen Untersuchungen bedeuten keinen Widerspruch, sondern spiegeln die Tatsache wider, daß hierbei unterschiedliche Materialzusammensetzung des verklappten Baggerguts, unterschiedliches lokales Strömungsregime und der natürliche Untergrund der Trübung eine wesentliche Rolle spielen. Daß gerade der Untergrundwert über die Nachweisgrenze entscheidet, ist z.B. auch aus Traceruntersuchungen hinlänglich bekannt.