Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

9.5 Klima

Die in Kapitel 5 prognostizierten Änderungen zur Tidedynamik (z.B. Erhöhung MThw, Erniedrigung MTnw) können möglicherweise die klimatischen Gegebenheiten im Unterelberaum beeinflussen. So führt beispielsweise die Veränderung des Tidenhubs dann zu Klimaänderungen, wenn sich die Anteile von Land, Wasser und Watt im Untersuchungsgebiet in erheblichem Ausmaß ändern (Auswirkungen auf die Amplitude des Tages- und Jahresganges der Lufttemperatur und Luftfeuchte). Auch die Veränderung des Salzgehaltes der Elbe könnte sich auf die Eisbildung und Verdunstung auswirken. Die Bearbeitung der Prognose ist zweistufig aufgebaut, d.h. in einem ersten Prognoseschritt wird mit Hilfe aus der Literatur abgeleiteter Verfahren zunächst exemplarisch für einen klimatisch besonders sensiblen Bereich abgeschätzt, ob durch die von der BAW-AK prognostizierten Änderungen in der Tidedynamik erhebliche Auswirkungen für die klimatische Situation im Untersuchungsgebiet insgesamt bzw. für einzelne klimarelevante Parameter (z.B. Temperatur, Niederschlag, Nebel, Verdunstung, Wind) zu erwarten sind. Sollte dies der Fall sein, so werden in einem zweiten Bearbeitungsschritt mit Hilfe eines zweidimensionalen Klima-Modells des DWD vertiefende Untersuchungen anhand ausgewählter Schnitte durchgeführt. Sind jedoch keine erheblichen Auswirkungen zu erwarten, werden die Ergebnisse der ersten Abschätzung auf das gesamte Untersuchungsgebiet übertragen und bewertet. Die Bewertung der möglicherweise durch die Fahrrinnenanpassung verursachten klimatischen Veränderungen erfolgt über für städtische Flächen in der Literatur angegebene Änderungsbeträge, da bisher allgemeine Normen nicht bestehen (vgl. MATERIALBAND VIII). 9.5.1 Auswirkungen auf die klimatische Situation des Untersuchungsgebietes bzw. der klimarelevanten Parameter Für die Prognose wird zunächst als klimatisch besonders sensibler Raum der Bereich des Mühlenberger Lochs mit seinen angrenzenden Obstanbaugebieten behandelt (vgl. Abb. 9.5 - 1). Mit diesem Bereich wird ein Gebiet gewählt, das von seiner Bodenzusammensetzung für das gesamte Untersuchungsgebiet typisch ist, das über ein umfangreiches Grabensystem verfügt (Bedeutung für Spätfrostgefährdung, Änderung der Wasserfläche durch geänderte Wasserstände in den Gräben) und infolge des Obstanbaus besonders auf Klimaänderungen reagiert. Darüber hinaus ist außendeichs eine größere Wattfläche vorgelagert (Änderung der Land/Wasser-Verteilung durch geänderte Überflutungshöhen). Es kommt hinzu, daß gerade für diesen Bereich der Elbe vielfach die größten ausbaubedingten Änderungen in der Tidedynamik (Überflutungszeit, Tidehoch- und -niedrigwasser) prognostiziert wurden (vgl. Kap. 5). Der Bereich des Mühlenberger Lochs vereinigt somit alle Faktoren, die in dieser Betrachtung von besonderer Bedeutung sind. Wenn lokalklimatische Änderungen durch die Fahrrinnenanpassung zu erwarten sind, müßten sie zunächst hier nachweisbar sein. Insofern stellen die Ergebnisse für den Bereich des Mühlenberger Lochs den "schlimmsten Fall" dar. Alle anderen Gebiete sind demzufolge weniger betroffen. Abb. 9.5 - 1: Untersuchungsbereich Prognose: das Mühlenberger Loch

Die zu erwartenden Änderungen der klimatisch relevanten Parameter relative Feuchte, Nebel, Bewölkung, Niederschlag und Verdunstung werden zunächst lokalklimatisch in ihrer Abhängigkeit von der Temperatur der Erdoberfläche beschrieben. Detaillierte Informationen sind dem Materialband VIII zu entnehmen. 9.5.1.1. Auswirkungen auf die Lufttemperatur Die Temperatur stellt eine wesentliche Einflußgröße für alle weiteren Klimaparameter dar. Die Temperatur wird im Bereich der Landflächen unter der Voraussetzung einer gleichbleibenden Luftmasse und bei schwachwindigen Strahlungswetterlagen im wesentlichen von dem Untergrund bestimmt, d.h. von der Bodennutzung, der Bodenart und vom Wassergehalt der Bodenschicht (Bodenfeuchte). Da sich weder die Bodennutzung und -arten mit ihren Dichten und spezifischen Wärmen ändern werden, noch die Bodenfeuchte sich nach den Untersuchungen des DWD in nennenswertem Umfang ändern wird, wird sich auch nicht die Temperatur an der Oberfläche des Untergrundes wesentlich ändern und damit ebenfalls nicht die Lufttemperatur. Folglich ergibt sich auch für die Spätfrostgefährdung in den Obst- und Gemüseanbaugebieten keine zusätzliche maßnahmebedingte Auswirkung. Auch die bisherigen Gegebenheiten für die Kaltluft sowie für die Kaltluftflüsse bleiben weiterhin bestehen, da durch die Fahrrinnenanpassung landseitig keine zusätzlichen Mulden geschaffen werden, in denen sich Kaltluft stauen könnte, und ebenfalls die Neigung des Geländes nicht modifiziert wird. 9.5.1.2 Auswirkungen auf die Wassertemperatur Aus den Wassertemperatur-Datenreihen der Elbe von 1950 bis 1989 (AMT STROM- UND HAFENBAU 1995c) läßt sich keine Änderung der Wassertemperatur als Folge der Ausbaumaßnahmen dieser Zeit ableiten. Lokal lassen sich, als Folge von Wärmeeinleitungen, Temperaturerhöhungen von ca. 1 °C (z.B. im Bereich des Hamburger Hafens) feststellen. Für das Gesamtsystem Elbe ergaben sich dadurch jedoch keine Temperaturveränderungen. Demnach sind maßnahmenbedingt keine Auswirkungen auf die Wassertemperatur zu erwarten. 9.5.1.3 Auswirkungen auf den Niederschlag Die Niederschlagshöhe ist von der Wärmeentwicklung über einer Fläche, den gegebenen Rauhigkeitsverhältnissen und der Anzahl der vorhandenen Kondensationskerne abhängig. Da sich durch die Fahrrinnenanpassung weder die Rauhigkeit in der Umgebung und über der Elbe verändern wird, noch die Anzahl der Kondensationskerne verändern wird und auch die ausbaubedingten Änderungen in der Wassertemperatur, wenn überhaupt gegeben, weit unter den Temperaturänderungen des städtischen Wärmeinseleffektes bleiben, sind durch die Maßnahme keine oder nicht nennenswerte Änderungen in Hinsicht auf die Niederschlagshöhen zu erwarten. 9.5.1.4 Auswirkungen auf die Nebelhäufigkeit Studien von SCULTETUS und REIDAT (1976) konnten nachweisen, daß eine nennenswerte Nebelzunahme erst bei einer Wassertemperaturerhöhung von mehr als 2 °C festzustellen ist. Da sich die eine Nebelbildung beeinflußenden Größen Luft- und Wassertemperatur nicht nachweisbar ändern, wird die Nebelbildung maßnahmenbedingt gar nicht oder nur unbedeutend beeinflußt. 9.5.1.5. Auswirkungen auf den Wind Die windbeeinflussende thermische Schichtung ergibt sich durch die großräumige Wetterlage und ist somit von der Fahrrinnenanpassung der Elbe nicht betroffen. Dies gilt ebenso für das Gelände, dessen Struktur und Rauhigkeit mit dem Elbausbau nicht geändert wird. Die Änderung der Tidewasserstände ist im Vergleich zur vorhandenen Deichhöhe zu gering, um eine Änderung des Einflusses des Deiches als Hindernis für den Wind zu bewirken. 9.5.1.6 Auswirkungen auf die Phänologie Die pflanzenwachstumsrelevanten Elemente, wie Temperatur, Luftfeuchte, Bodenfeuchte, Verdunstung und Niederschlag, erfahren infolge der Fahrrinnenanpassung der Elbe an die Containerschiffahrt keine nennenswerten Änderungen. Damit bleibt das Lokalklima unverändert, womit auch die Pflanzen ihre bisherige "Klimaumgebung" behalten. Eine maßnahmenbedingte Veränderung in bezug auf die Frostgefährdung von Obstblüten sowie auf die Dauer des Pflanzenwachstums und der möglichen Feldbearbeitungszeit ist nicht gegeben. 9.5.1.7 Auswirkungen auf die Eisverhältnisse Der Salzgehalt des Wassers hat Einfluß auf die Eisbildung. Mit den prognostizierten maßnahmenbedingten Salzgehaltsänderungen von -0,1 bis +0,34‰ (Maximalwerte) ergeben sich Gefrierpunktsänderungen von 0,0187°. Diese potentielle Veränderung ist zu gering, um sie meßtechnisch nachweisen zu können. Da die Wassertemperatur ebenfalls keine Änderung erfahren wird, besteht keine maßnahmenbedingte Auswirkung auf die Eisverhältnisse der Elbe. 9.5.1.8 Auswirkungen auf das Bioklima Für die maßgeblichen bioklimatischen Komponenten (Temperatur, Feuchtigkeit, Wind) konnten keine wesentlichen ausbaubedingten Änderungen festgestellt werden. Damit werden sich auch keine Änderungen für das thermischen Empfinden (Wärmebelastung, Kältereize) einstellen. 9.5.2 Fazit Für den Bereich des Mühlenberger Lochs mit den angrenzenden Landflächen wurde für alle untersuchten klimarelevanten Parameter festgestellt, daß keine oder keine nennenswerten ausbaubedingten Änderungen zu erwarten sind (vgl. Tab. 9.5 - 1). Da der Bereich des Mühlenberger Lochs stellvertretend als "worst case" für das gesamte Untersuchungsgebiet untersucht wurde, kann entsprechendes auch für die anderen Marschengebiete der Unterelbe angenommen werden. Ebenfalls zu erwarten sind keine klimatischen Änderungen für die Bereiche innerhalb der Deiche, des Stadtklimas von Hamburg und der Geest. Somit sind auch keine vertiefenden Untersuchungen mittels eines 2dimensionalen Klima-Modells erforderlich. Tab. 9.5 - 1: Gegenüberstellung des Klima-Ist-Zustandes und der ausbaubedingten Klimaänderungen und deren Bewertung
 

meteorologischer Parameter vieljähriges  Mittel ausbaubed. Änderung Erheblichkeit
Jahresmittel der Temperatur 8-9 C keine bzw. keine nennenswerte nicht erheblich
Verdunstung über Wasser 650-700 mm " nicht erheblich
Küstengebiet 350-400 mm " nicht erheblich
Hamburger Umland 550 mm " nicht erheblich
Bewölkung im Winter 6 Achtel " nicht erheblich
im Sommer 5 Achtel " nicht erheblich
Sonnenscheindauer Küstengebiet 1650 Std. " nicht erheblich
sonst 1450-1550 Std. " nicht erheblich
Niederschlag Elbmündung 826-850 mm " nicht erheblich
alte Süderelbe 650 mm " nicht erheblich
Nebel 40-70 Tage " nicht erheblich
Jahresmittel der Windgeschwindigkeit Außenelbe bis Stade 5-6 m/s " nicht erheblich
elbaufwärts von Stade 4-5 m/s " nicht erheblich
mittlere Vegetationszeit 225-230 Tage " nicht erheblich
Spätfrostgefährdung (pro 10 Jahre) elbnah bis 1 km 2-3 mal " nicht erheblich
elbfern 7-9 mal " nicht erheblich
Bioklima Wärmebelastung selten " nicht erheblich
Kältereize vermehrt " nicht erheblich