Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

7.1.2. Schwebstoffregime Die Beschreibung des Schwebstoffregimes der Tideelbe erfolgt auf der Basis des Gutachtens über das "Schwebstoffregime und die gelösten Stoffe" durch

das GKSS-FORSCHUNGSZENTRUM GEESTHACHT und

die GESELLSCHAFT FÜR ANGEWANDTE HYDROGRAPHIE, GEOÖKOLOGIE UND UMWELTTECHNIK (HGU). Das Gutachten bildet den MATERIALBAND II der UVU zur geplanten Fahrrinneanpassung. Schwebstoffe stellen kein Schutzgut im Sinne des UVPG dar. Das Schwebstoffregime der Tideelbe ist jedoch ein bedeutender Faktor für das Schutzgut Wasser und hat vielfältige Wirkungen auf die Schutzgüter Boden sowie Tiere und Pflanzen. Diese Wirkungen machen das Schwebstoffregime zu einem bedeutenden Untersuchungsgegenstand. Im vorliegenden Kapitel wird das Schwebstoffregime der Tideelbe in Abhängigkeit von

der Tide,

dem Oberwasserzufluß sowie

dem Salzgehalt unter Berücksichtigung der vorhandenen Sedimente und der Bodenbedeckung beschrieben. Dies beinhaltet ebenfalls die Sedimentationstendenzen und die hierdurch bedingten Unterhaltungsbaggerungen und Verklappungen sowie deren Rückwirkungen auf das Schwebstoffregime der Tideelbe. Die Beschreibung des Schwebstoffregimes erfolgt auf der Grundlage des derzeitigen Stand des Wissens, der sich dadurch auszeichnet, daß es trotz intensiver Forschungen über das Schwebstoffregime der Tideelbe Phänomene und Prozesse im System der Tideelbe gibt, die bislang noch nicht vollständig geklärt sind (vgl. Kap. 12). Dennoch lassen sich mit den zur Verfügung stehenden Daten die für die UVS relevanten Fragestellungen so bearbeiten, daß Trendaussagen über die Auswirkungen der geplanten Fahrrinnenanpassung getroffen werden können. 7.1.2.1. Schwebstoffe und ihre Wirkungen auf die Umwelt (Schutzgüter) Nachfolgend werden die wesentlichen Wirkungszusammenhänge des Schwebstoffregimes und dessen Verknüpfung mit den Schutzgütern in Text und Graphik (vgl. Abb. 7.1 - 9) in Verbindung mit den in Klammern gesetzten Ziffern erläutert. Schwebstoffe sind Feststoffe, die aufgrund ihrer Dichte bzw. Größe dauerhaft oder durch die Turbulenz (Verwirbelung) des fließenden Wassers (1) zeitweise in Schwebe gehalten werden. Schwebstoffe bestehen aus Tonpartikeln, Sand, Detritus (zerriebenes organisches Material wie z.B. Blätter), Bakterien und Pilze sowie lebenden und toten Planktern (Schwebeorganismen). Diese Bestandteile können durch bakteriell gebildete Schleime (sog. EPS) zu großen Schwebstoffflocken aggregiert sein. Größe und Form der Flocken bestimmen maßgeblich die Schwebefähigkeit bzw. die Sinkgeschwindigkeit der Schwebstoffe, die ca. ± 1 mm/s beträgt. Die Schwebstoffdynamik in einem Fließgewässer wird entscheidend durch die räumlich und zeitlich stark variierenden Strömungsgeschwindigkeiten gesteuert (1, 2). Diese bewirken zum einen den horizontalen Schwebstofftransport (2) und den in Verbindung mit der Turbulenz (1) auftretenden Ausgleich unterschiedlicher Schwebstoffkonzentrationen (Diffusion). Zum anderen können Schwebstoffe durch die Verringerung der Strömungsgeschwindigkeit absinken und sedimentieren (3). Ebenso können sedimentierte Feststoffe durch eine Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeiten erodieren und durch Resuspension 4) (4) erneut in einen schwebenden Zustand übergehen (5). Wichtige Schwebstoffeigenschaften sind die Sinkgeschwindigkeiten des unterschiedlichen Schwebstoffmaterials und die Scherfestigkeit 5) (6) des Sediments auf der Gewässersohle. Die Wirkungen der im strömenden Wasser mitgeführten und der abgesetzten Schwebstoffe auf die Schutzgüter hängen von deren Menge und Zusammensetzung ab. Abb. 7.1 - 9: Schematische Darstellung des Schwebstoffregimes (verändert nach LANG 1990 aus ARGE ELBE 1992)

Schwebstoffzusammensetzung - Gewässergüte Schwebstoffe sind das wesentliche Transportvehikel für Umweltschadstoffe. In der Tideelbe sind 80 bis 90% der Schwermetalle und organochemischen Schadstoffe an Schwebstoffe angelagert. Je nach Verbleib in den Stromabschnitten der Tideelbe bzw. in der Deutschen Bucht beeinflussen sie somit dort die Gewässergüte. Sie steuern auch die Konzentration der im Wasser gelösten Stoffe, mit denen sie in Wechselwirkung stehen. Die biologische Wirkung der Schwebstoffe besteht darin, daß Organismen Schadstoffe nicht nur in gelöster Form, sondern auch über die belasteten Feststoffe aufnehmen können. Schließlich steuern die im Schwebstoff enthaltenen Bakterien und Algen in hohem Maße den Nährstoff- und den Sauerstoffhaushalt im Wasser und Sediment. So entfallen unterhalb des Hamburger Hafens 80% der bakteriellen Aktivität im Gewässer auf Mikroorganismen, die auf Schwebstoffflocken leben. Die Beschreibung der Wirkungszusammenhänge zwischen Schwebstoffzusammensetzung und Gewässergüte, Sedimentqualität und aquatischen Lebensgemeinschaften erfolgt in den Kapiteln 7.1.3, 7.1.4 und 7.4. Schwebstoffmenge - Trübung Hohe Schwebstoffkonzentrationen (7) können sich insbesondere in den gewässerökologisch wichtigen Flachwasserbereichen ungünstig auf das Lichtklima und damit auf die biologische Primärproduktion und den Sauerstoffhaushalt auswirken (vgl. Kap. 7.1.3 und 7.4.1). Örtliche Erhöhungen des Schwebstoffgehaltes können zudem das Wanderungsverhalten von Fischen (8) beeinflussen. Schwebstoffmenge - Sedimentation Die Sedimentation von Schwebstoffen beeinflußt maßgeblich die Unterhaltungsbaggermengen in der Fahrrinne und in wasserbaulichen Anlagen (Häfen, Schleusen, Hafenzufahrten). Bei der Sedimentation von Schwebstoffen kann Schlick entstehen, der im wesentlichen aus Schluff- und Tonpartikeln mit Anreicherungen von Kalk und organischen Stoffen besteht. Da den Schwebstoffen durch Adsorption organische und anorganische Schadstoffe in molekularer Form angelagert sein können, geht mit der Schlickbildung häufig eine Akkumulation von Schadstoffen einher. Bei der Baggerung von Schlick kann das Baggergut daher mehr oder weniger kontaminiert sein. Die Sedimentation von Schwebstoffen kann die durch die Absenkung des Tnw bedingte Zunahme von Wattgebieten verstärken. Damit einher geht eine Abnahme von Flachwassergebieten (z.B. Mühlenberger Loch). In Gebieten mit Benthosbesiedlung können absinkende Schwebstoffe (3) das Benthos durch Überdeckung (9) beeinträchtigen (vgl. Kap. 7.4.1). Schwebstoffmenge - Resuspension, Verdriftung (Transport) Schwebstoffe sinken bei abnehmenden Strömungen ab und sedimentieren. Durch Strömung (Turbulenz) oder Einbringung im Gewässer (Verklappen) können Teile der Sedimente resuspendieren, d.h. sie gehen wieder in einen schwebenden Zustand über. Resuspendierte Feststoffe können an die Baggerstelle zurückdriften oder in ökologisch wertvolle Bereiche verfrachtet werden. 7.1.2.2 Datengrundlage Schwebstoffregime Das Untersuchungsgebiet umfaßt die 170 km lange Strecke der Tideelbe von der Außenelbe (km 756 N) bis zum Wehr Geesthacht (km 589,9 A) sowie die Einmündungen der Nebenflüsse. Auf die Betrachtung der Nebenflüsse oberhalb der Einmündungen wurde aus zwei Gründen verzichtet: Zum einen liegen für die in dieser UVS zu berücksichtigenden Nebenflüsse keine systematisch erhobenen Daten über das Schwebstoffregime vor. Zum anderen kommt es nach den Prognosen der BAW-AK nur zu geringfügigen Änderungen der Tideparameter, die das Schwebstoffregime beeinflussen. Auswirkungen auf das Schwebstoffregime sind in den Nebenflüssen oberhalb der Einmündungen daher nicht zu erwarten. Für die Analyse und Beschreibung des Ist-Zustandes wurde der Zeitraum ab dem 13,5 m-Ausbau (1978) bis etwa 1993 gewählt. Die Beschränkung auf ein Abflußjahr (z.B. 1992) wäre angesichts der hohen Variabilität des Schwebstoffregimes und der von Jahr zu Jahr unterschiedlich ausgeprägten Steuergrößen (z.B. Höhe des Oberwasserzuflusses oder Windereignisse) nicht angemessen. Wo es zur Interpretation von Ursache-Wirkungs-Zusammenhängen notwendig erschien, wurden auch später veröffentlichte Daten berücksichtigt. Um ein vollständiges Bild über mögliche Veränderungen der Schwebstoffkonzentrationen im Längsprofil des gesamten Untersuchungsgebietes zu erhalten, wurde ein Elbabschnitt oberhalb Geesthacht zusätzlich in die Analyse mit einbezogen. Die Auswertung des Datenbestandes erfolgte entsprechend der Modellierung zur Tidedynamik (vgl. MATERIALBAND I) in drei Oberwasserzuflußklassen (<500 m3;/s, 500 - 900 m3;/s und 900 m3;/s). Zur Beschreibung des Schwebstoffregimes wurde zunächst eine umfangreiche Literatur- und Datenrecherche bei verschiedenen Ämtern und Institutionen durchgeführt (GKSS; HGU 1994). Bei der Auswertung des heterogenen Datenmaterials wurden insbesondere die Ergebnisse aus Veröffentlichungen der ARGE ELBE und der GKSS sowie unveröffentlichtes Datenmaterial der GKSS berücksichtigt. Die ARGE ELBE führt monatlich im Längsprofil (Strommitte) im Abstand von 5 km ca. 1 Stunde vor Tideniedrigwasser Probenahmen durch. Während dieser Tidephase ist der Wasserkörper vertikal am besten (homogen) durchmischt. Die Messungen der GKSS erfolgten unregelmäßig und zu unterschiedlichen Jahreszeiten in wenigen Flußquerschnitten, jedoch über eine volle bzw. mehrere Tiden und in hoher räumlicher und zeitlicher Auflösung. Die Probenahmestellen der ARGE ELBE und der GKSS sind in Karte 7.1 - 4 eingetragen. Die flächenhafte Darstellung der Meßergebnisse erfordert eine genügend hohe Anzahl an Daten, die unter vergleichbaren Randbedingungen erhoben wurden. Eine sinnvolle Verknüpfung der ARGE ELBE-Längsprofildaten mit den Querprofildaten der GKSS war unter dieser Prämisse nur bei den Daten aus Probenahmen bei niedrigem Oberwasserzufluß (Qo < 500 m3;/s) möglich. Die Darstellung der räumlichen und zeitlichen Änderungen der Schwebstoffverteilung (vgl. Kapitel ) stützt sich teilweise auf eine 2D-Interpolation sowie auf statistische Auswertungen des Oberwasserzuflusses und der Schwebstoffkonzentrationen. Die Beschreibung der Vertikalverteilung basiert auf den Ergebnissen mehrerer Meßkampagnen, die GKSS in Zusammenarbeit mit mehreren Ämtern durchgeführt hat. Wasserbauliche Materialumlagerungen Die Beschreibung der wasserbaulichen Umlagerungen in der Tideelbe beruht auf den Auswertungen der von den Wasser- und Schiffahrtsämtern und dem Amt Strom- und Hafenbau geführten Protokolle über die jährlichen Unterhaltungsbaggerungen und Baggergutverbringungen. Die Daten werden in diesen Unterlagen für mehrere Baggerabschnitte zusammengefaßt, die nicht mit den Untersuchungsabschnitten der UVS übereinstimmen. Eine Anpassung der Daten zum Ist-Zustand auf die Untersuchungsabschnitte ist nicht erforderlich, da die zur Verfügung stehenden Daten über die Ausbaubaggermengen ebenfalls nicht auf die Untersuchungsabschnitte bezogen werden können. Ein auf die Untersuchungsabschnitte bezogener quantitativer Vergleich von Ist-Zustand und Prognose ist daher nicht möglich. Aus diesen Gründen erfolgt die Beschreibung der wasserbaulichen Materialumlagerungen für die von den verschiedenen Ämtern festgelegten Baggerabschnitte. Die zur Untersuchung der Zusammenhänge zwischen Schwebstofftransport und wasserbaulichen Materialumlagerungen bzw. Unterhaltungsbaggerungen notwendigen begleitenden Meßdaten (z.B. Daten über das Strömungsregime) liegen nur episodisch vor. Eine Beurteilung der natürlichen Sedimentation und der daraus resultierenden Unterhaltungsbaggerungen in der Fahrrinne ist somit nur eingeschränkt möglich. 7.1.2.3. Beschreibung des Schwebstoffregimes der Tideelbe Das Schwebstoffregime der Tideelbe hängt im wesentlichen von

der Tide,

dem Oberwasserzufluß und

dem Salzgehalt ab. Darüber hinaus stehen die jeweils vorhandenen Sedimente und die Bodenbedeckung über die Prozesse der Sedimentation, Erosion und Resuspension mit dem Schwebstoffregime in Wechselwirkung. Das Gebiet der Tideelbe wird durch das Hamburger Stromspaltungsgebiet (Untersuchungsabschnitt II) in zwei Bereiche mit deutlich unterschiedlicher Schwebstoffzusammensetzung getrennt. In der Oberen Tideelbe werden ausschließlich Schwebstoffe fluviatiler Herkunft (Material aus dem Oberlauf) und in der Unterelbe stromabwärts zunehmend Schwebstoffe mariner Herkunft (Nordsee-Material) transportiert. Die mittleren Schwebstoffkonzentrationen der einzelnen Untersuchungsabschnitte werden jeweils für das Winter- und Sommerhalbjahr in Abbildung 7.1 - 10 veranschaulicht. Um die Variabilitäten aufzuzeigen, sind in Tabelle 7.1 - 25 zusätzlich die minimalen und maximalen Schwebstoffkonzentrationen aufgeführt. Abb. 7.1 - 10: Mittlere Schwebstoffkonzentrationen in den Untersuchungsabschnitten während des Sommer- und Winterhalbjahres

Tab. 7.1 - 25: Schwebstoffkonzentration in den einzelnen Untersuchungsabschnitten
 

Unter- suchungsabschnitt Sommerhalbjahr (April-September) Winterhalbjahr (Oktober-März)
Minimalwerte [mg/l] Maximalwerte [mg/l] Mittelwerte [mg/l] Minimalwerte [mg/l] Maximalwerte [mg/l] Mittelwerte [mg/l]
vor I 1213 58137 36,6 2,8-10 38-47 21,8
I 6-11 55154 30,6 4-8 35-71 20,1
II 2-7 6178 24,1 1-4 44-202 19,7
III 8-9 79693 45,5 3-13 98-411 50,6
IV 10 226476 68,9 2-17 173-676 101
V 15-17 346424 102,2 22-30 338-701 158,5
VI 11-19 137922 63,2 21-39 192-278 93,6
VII 5-9 94120 31,2 17-26 200-275 68,4

Erläuterungen: 

Datengrundlage sind die Längsprofilmessungen der Wassergütestelle Elbe von 1980-1993.

Schwebstoffkonzentrationen in Abhängigkeit von der Tide Die Tidedynamik beeinflußt die Schwebstoffkonzentrationen im Wasserkörper aufgrund des Wechsels von Strömungsgeschwindigkeit und -richtung im Verlauf von Ebbe und Flut. Im Untersuchungsabschnitt I wirkt sich das Tidegeschehen im wesentlichen bei niedrigem Oberwasser auf die Schwebstoffkonzentrationen aus. Bei niedrigem Oberwasser kommt es an den Kenterpunkten der Flut zur Sedimentation von Schwebstoffen und infolgedessen zur Abnahme der Schwebstoffgehalte. Die Schwebstoffe sind homogen über den Querschnitt verteilt. In den übrigen Untersuchungsabschnitten können aufgrund erhöhter Turbulenz zu Beginn der Ebbe- und Flutphase vor allem in Sohlnähe erhöhte Schwebstoffkonzentrationen auftreten, weil in diesen Phasen zusätzliches Feststoffmaterial aufgewirbelt wird. Am geringsten sind die Schwebstoffkonzentrationen (jedenfalls im oberen Teil der Wassersäule) zum Zeitpunkt der Strömungskenterung bei Hoch- und Niedrigwasser, weil dann ein großer Teil der Schwebstoffe (kurzzeitig) sedimentiert. Schwebstoffkonzentrationen in Abhängigkeit vom Oberwasser und dem Salzgehalt Im Untersuchungsabschnitt I werden Konzentrationserhöhungen häufig in der Anstiegsphase von Oberwasserwellen gemessen. Sie resultieren im wesentlichen aus der Resuspension der an der Gewässersohle abgelagerten feinkörnigen Sedimente. Bei anhaltend hohen Oberwasserzuflüssen steigen die Strömungsgeschwindigkeiten so weit an, daß zusätzlich Feststoffe aus lokalen Schlickdepots, z.B. Buhnenfeldern, in den Fluß gelangen. In den übrigen Untersuchungsabschnitten ergeben sich Konzentrationsänderungen vor allem aus der oberwasserabhängigen Verlagerung der Trübungszone. Die durch erhöhte Schwebstoffkonzentrationen gekennzeichnete Trübungszone ist eine für viele Ästuare typische Erscheinung. Die Trübungszone der Tideelbe beginnt unterhalb von Nienstedten (Strom-km 632 A). Ihr räumlicher Schwerpunkt liegt ungefähr zwischen Strom-km 660 A und 710 A (Untersuchungsabschnitt V). Bei mittlerem Oberwasser hat die Trübungszone eine Ausdehnung von ca. 50 km, in Ausnahmefällen eine Länge von 100 km. Bei niedrigem Oberwasserzufluß verlagert sich die Trübungszone stromaufwärts und die Schwebstoffkonzentrationen in den Abschnitten III und IV steigen an. Bei hohem Oberwasserzufluß erhöhen sich hingegen die Schwebstoffkonzentrationen im Abschnitt VI, d.h. die Trübungszone verlagert sich stromabwärts (vgl. Abb. 7.1 - 11). Lange Phasen hoher Oberwasserführung führen insgesamt zu einer Verringerung der Schwebstoffkonzentrationen in der Trübungszone, weil dann vermehrt Schwebstoffe in die Nordsee transportiert werden. Abb. 7.1 - 11: Mittlere Schwebstoffkonzentration bei Ebbstrom für verschiedene Oberwasserabflußklassen (BERGEMANN 1996; zit. in AMT STROM- UND HAFENBAU 1996)

Während die Stromabverlagerung bei ansteigendem Oberwasserzufluß ohne erkennbare Zeitverzögerung erfolgt, kann die Rückverlagerung der Trübungszone (bzw. ihres Schwerpunktes) bei abnehmendem Oberwasserzufluß relativ lange Zeit in Anspruch nehmen. Die Ursachen dieser zeitlich verzögerten Rückverlagerung des Trübungsmaximums sind noch nicht in allen Einzelheiten geklärt (vgl. Kap. 12). Die Entstehung der Trübungszone wird im wesentlichen mit Vorgängen im Mischungsbereich von Süß- und Salzwasser erklärt6) . Darauf deutet bereits die Tatsache hin, daß die Lage der Trübungszone weitgehend mit der Lage der oberen Brackwasserzone übereinstimmt und daß beide ihre Lage in Abhängigkeit von den Oberwasserzuflüssen verändern (vgl. Kap. 7.1.1). Der Zusammenhang zwischen Brackwasser- und Trübungszone besteht im wesentlichen darin, daß mit dem sohlnah von der Nordsee einströmenden Salzwasser Feststoffe mariner Herkunft in das Ästuar transportiert werden ("Salzkeileffekt"). Der Transport erfolgt bis zur oberen Brackwassergrenze, wo sich aufgrund bestimmter Strömungsverhältnisse im Mischungsbereich von Salz- und Süßwasser (barokline Zirkulation) das Trübungsmaximum ausbildet. Darüber hinaus führt die sich im Längsschnitt der Tideelbe verändernde Gezeitenwirkung (z.B. veränderte Flut- und Ebbedauer) zur Ablagerung von Feststoffen bei Stauwasser, die anschließend durch die Gezeitenströmung erneut resuspendiert werden. Durch diesen gezeitenbedingten Transport (tidal pumping) werden Feststoffe an den Stellen akkumuliert, wo die maximale Gezeitenströmung das zuvor abgelagerte Material nicht mehr aufwirbeln kann. Die Entstehung der Trübungszonen in Ästuaren ist ein sehr komplexes, von vielen Faktoren abhängiges Phänomen. Da der Einfluß einzelner Faktoren z.Zt. noch Gegenstand kontroverser Diskussionen ist, wird im Rahmen dieser UVS nicht näher auf die Thematik eingegangen.Die schematische Darstellung in Abbildung 7.1 - 12 zeigt die Lage der Trübungswolke und der Brackwasserzone in Abhängigkeit vom Oberwasserzufluß. Abb. 7.1 - 12: Schematische Darstellung des Oberwassereinflusses und auf den Salzgehalt und die Trübungswolke im Elbeästuar (nach ARGE ELBE 1992)

Sedimentation von Schwebstoffen Die Sedimentation von Schwebstoffen hängt im wesentlichen von den Strömungsgeschwindigkeiten, der Größe und Form der Schwebstoffflocken sowie der Schwebstoffkonzentration im Wasserkörper ab. Der Eintrag von Schwebstoffen in die Watten erfolgt mit dem Flutstrom, wobei ein Teil der in der Wassersäule enthaltenen Schwebstoffe bei ablaufendem Wasser sedimentiert. Bei Ebbe laufen die Wattgebiete (teilweise) leer und werden i.d.R. nicht vom Ebbstrom erfaßt, so daß in dieser Zeit kein nennenswerter Eintrag von Feststoffen aus dem Hauptstrom erfolgen kann. In strömungsarmen Flachwassergebieten findet ebenfalls ein Schwebstoffeintrag mit dem Flutstrom statt. Dort kommt es darüber hinaus mit dem Ebbstrom zum Transport von Schwebstoffen, die sich zum Kenterpunkt teilweise absetzen. Besonders hohe Ablagerungsraten treten dort auf, wo im Hauptstrom bei Flut besonders hohe Feststoffkonzentrationen vorhanden sind. Davon potentiell betroffen sind potentiell alle Gebiete im unmittelbaren Bereich der Trübungszone. In den weiter stromauf liegenden Watt- und Flachwassergebieten, z.B. im Untersuchungsabschnitt III, muß vor allem dann mit verstärkter Sedimentation gerechnet werden, wenn sich die Trübungszone bei langandauernden Phasen niedriger Oberwasserführung stromauf verlagert. Die Sedimentation von Schwebstoffen erfolgt in diesen Gebieten (z.B. dem Mühlenberger Loch) jedoch erst bei Hochwasserständen, die zu einer 'normalen' Überflutung führen. Aufgrund der Tatsache, daß niedriges Oberwasser vor allem im Sommer auftritt, ist zu dieser Jahreszeit mit verstärkter Sedimentation und im Winter dagegen mit geringeren Ablagerungsraten zu rechnen. Die nach der MORAN-Methode7) durchgeführten Untersuchungen lassen in vielen Nebenelben und Nebenrinnen nach 1980 keine Sedimentations- bzw. Erosionstendenzen mehr erkennen, was als Erreichen eines morphologischen Gleichgewichtzustandes gedeutet wird. Hierzu zählen beispielsweise die Lühesander Nebenelbe, die Glückstädter Nebenelbe, die Pagensander Nebenelbe sowie die Flutrinne hinter dem Schwarztonnensand. Stärkere Verlandungstendenzen sind hingegen in der Wischhafener Süderelbe und dem Wischhafener Fahrwasser, der Freiburger Zufahrt, der Brammer Bank und dem Böschrücken sowie, insbesondere im Zeitraum von 1981 bis 1985, in dem System Neufelder Sand / Neufelder Rinne zu verzeichnen. Im Mühlenberger Loch kommen schließlich Bereiche mit überwiegender Erosion und Bereiche mit überwiegender Sedimentation sowie Bereiche mit Übergang zum morphologischen Gleichgewicht vor (vgl. Kap. 5) 7.1.2.4 Beschreibung der wasserbaulichen Materialumlagerungen Mit dem Begriff der wasserbaulichen Materialumlagerungen werden die Baggerung und die Verklappung von Sedimenten bezeichnet. Zwischen dem Schwebstoffregime und den wasserbaulichen Materialumlagerungen bestehen folgende Wirkungszusammenhänge: Einerseits beeinflußt der natürliche Schwebstofftransport in der Elbe durch die Sedimentation von Schwebstoffen den Unterhaltungsaufwand. Andererseits können durch Baggerungen und Verklappungen Teile des gebaggerten und umgelagerten Materials an die Baggerstelle zurückdriften oder in ökologisch wertvolle Bereiche verfrachtet werden. Die Unterhaltungsbaggerungen in der Fahrrinne resultieren sowohl aus den bodennahen Geschiebetransporten im Längsprofil und den Seitenbereichen der Fahrrinne als auch aus strömungsbedingten Sedimentationen von Schwebstoffen (z.B. Rhinplatte). Unterhaltungsbaggerungen in den Seitenbereichen und in Vorhäfen sind hingegen zumeist eine Folge der Sedimentation von Schwebstoffen. Die Beschreibung der Unterhaltungsbaggerungen und Verklappungen erfolgt sowohl im MATERIALBAND II b als auch in der UVS anhand der von den WSÄ definierten Baggerabschnitten, die nicht mit den Untersuchungsabschnitten der UVS identisch sind (vgl. Karte 7.1 - 5). o Unter- und Außenelbe Die Häufigkeit und Mengen der Unterhaltungsbaggerungen in der Unter- und Außenelbe können regional unterschiedlich mit dem Oberwasserzufluß oder mit der "Großmorphologie8)" in Verbindung gebracht werden. Stark vereinfacht läßt sich folgender Wirkungszusammenhang für den Oberwasserzufluß angeben (ROHDE 1974 zitiert in MATERIALBAND II b): Bei geringem Oberwasser vergrößern sich die Flutwege, die Flutstromgeschwindigkeiten und damit die Flutstromturbulenz erhöhen sich, der Dichtestrom (Salzgradient) wird wirksamer, die Schwebstoffgehalte in der Wassersäule steigen an und der sohlnahe Feststofftransport nimmt zu. Infolgedessen können die Unterhaltungsbaggermengen in "morphologischen Senken" des Unterelbebereichs ansteigen. Diese Abhängigkeiten können jedoch lokal stark variieren, da topographische Faktoren und örtliche Quellen und Senken ebenfalls einwirken. In Abhängigkeit von der Topographie der Unterelbe sind im Längsschnitt zwischen Strom-km 638,9 A und 725 A intensivere Unterhaltungsbaggerungen vor allem dort notwendig, wo es bei Querschnittsaufweitungen zu einer Reduzierung der Strömungsgeschwindigkeit und demzufolge zu Sedimentablagerungen kommt. Diese Einflüsse lassen sich z.B. beide an den Baggerstellen Juelssand (ca. Strom-km 650 A - 654 A) und Rhinplatte (Strom-km 669 A - 676 A) erkennen. o Hamburger Hafen Im Hamburger Hafen ist zwar auch eine Beziehung zwischen Schwebstoffgehalt und Höhe und Dauer des Oberwassers zu erkennen, aber grundsätzlich schwieriger nachweisbar, weil die Unterhaltungsbaggerungen aus strategischen Gründen (z.B. Verfügbarkeit von Deponiefläche) nicht unbedingt zeitlich direkt an ein Sedimentationsereignis anschließen. Zwischen 1979 und 1992 wurden im Hamburger Hafen und der Hamburger Delegationsstrecke (Strom-km 607,5 A - 638,9 A) jährlich durchschnittlich 2,6 Mio m3; Material aus der Fahrrinne und den Hafenbecken im Rahmen von Unterhaltungsmaßnahmen gebaggert. o Obere TideelbeIn der oberen Tideelbe waren innerhalb von 15 Jahren fast keine Unterhaltungsbaggerungen erforderlich, was auf ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen Erosion, Transport und Sedimentation hindeutet. Die durchschnittlichen Baggermengen der Baggerabschnitte der Tideelbe können der Karte 7.1 - 5 entnommen werden. o NebenflüsseDas in den Nebenflüssen gebaggerte Material wurde zum größten Teil landseitig verspült und zu 15% (ca. 60.000 m3;) in die Hauptelbe umgelagert. Diese Materialmenge ist jedoch für den Schwebstofftransport in der Unter- und Außenelbe ohne Bedeutung, d.h. sie geht im "Rauschen" des vielfach höheren natürlichen Stofftransportes unter. Verschlickung von Häfen Mit Ausnahme der Häfen Cuxhaven, Brunsbüttel und (in eingeschränktem Umfang) Glückstadt liegen für die Häfen an der Unterelbe keine Daten über Unterhaltungsbaggermengen oder Sedimentationsvorgänge vor. Für diese drei im Bereich der Brackwasserzone gelegenen Häfen gilt grundsätzlich, daß der Eintrag von Feststoffen maßgeblich durch Dichteströmungen (bzw. Salzgradienten) gesteuert wird. Zusätzlich begünstigen sogenannte Walzenströmungen den Feststoffeintrag in die Hafeneinfahrten.In der folgenden Tabelle sind die mittleren jährlichen Sedimentationsraten bei mittlerem Oberwasser für die in unterschiedlichen Bereichen der Trübungszone gelegenen Häfen von Glückstadt, Brunsbüttel und Cuxhaven dargestellt. Glückstadt ist aufgrund seiner randständigen Lage im Bereich der Nebenelbe nur begrenzt mit den anderen Häfen vergleichbar. Tab. 7.1 - 26: Mittlere jährliche Sedimentationsrate bei mittlerem Oberwasser in den Häfen der Trübungszone
 

Hafen Lage mittlere Sedimentationsrate
Glückstadt oberer Bereich der Trübungszone 37 cm/a
Brunsbüttel mittlerer Bereich der Trübungszone 270 cm/a
Cuxhaven unterer Bereich der Trübungszone 108 cm/a

Grundsätzlich besteht in allen Häfen die schon zuvor beschriebene Abhängigkeit der Baggermengen von dem Oberwasserzufluß, d.h. bei abnehmenden Oberwasserzufluß nehmen die Unterhaltungsbaggermengen tendenziell zu. Die unterschiedlich hohen mittleren Sedimentationsraten in den drei Häfen ergeben sich hingegen im wesentlichen aus ihrer Lage in unterschiedlichen Bereichen der Trübungszone. So weist der im Kernbereich der Trübungszone liegende Hafen von Brunsbüttel u.a. aufgrund der hohen Schwebstoffgehalte im Gewässer sehr hohe Sedimentationsraten auf. Auswirkungen der Materialumlagerungen auf das Schwebstoffregime Die Auswirkungen von Materialumlagerungen auf das lokale Schwebstoffregime der Unter- und Außenelbe lassen sich mit den zur Verfügung stehenden Daten nicht exakt quantifizieren (vgl. Kap. 12). Zur Erläuterung und Beschreibung der wesentlichen Prozesse wird im folgenden auf die Ergebnisse von drei Untersuchungen eingegangen. Auf der Grundlage dieser Untersuchungsergebnisse lassen sich die Auswirkungen von Materialumlagerungen auf das Schwebstoffregime qualitativ abschätzen. In den Wintern 1994/95 und 1995/96 führte das Amt Strom- und Hafenbau Umlagerungsversuche mit schlickigem Baggergut im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke zwischen Strom-km 636,5 und 638,5 durch (AMT STROM- UND HAFENBAU 1996). Die Versuche ergaben, daß bei der Verbringung von feinkörnigem Baggergut das eingebrachte Material nur zu einem geringen Anteil an der Einbringstelle verbleibt. In Abhängigkeit von der Tide erfolgt im Rahmen der natürlichen Dynamik eine Verdriftung des Feinmaterials und damit einhergehend eine Vermischung mit den natürlicherweise vorhandenen Feststoffen. Die aus der Verklappung resultierende Erhöhung der Schwebstoffkonzentration konnte über einen Zeitraum von ca. 10 Minuten bis in eine Entfernung von maximal 2 km nachgewiesen werden. Für den Bereich der Trübungszone liegen die Ergebnisse von Untersuchungen über die Auswirkungen der Verbringung von Baggergut aus dem Bereich der Schleuse Brunsbüttel in die Außenelbe vor (BFG 1995). Die Verklappung des überwiegend feinkörnigen Baggergutes (Schlick) in der Außenelbe bei Brunsbüttel (zwischen Nordwestreede und Neufelder Watt, ungefähr Höhe Strom-km 700) führte zu einer kurzzeitigen Erhöhung des Schwebstoffgehaltes während bzw. nach dem Verklappen, die sich kaum von der Schwebstoffgrundbelastung in diesem Bereich der Trübungszone unterscheiden läßt. Bei Verklappung um die Stillwasserzeit und geringer Fahrgeschwindigkeit des Hopperbaggers ist allerdings eine starke Erhöhung der Schwebstoffkonzentration an der Sohle in Form von fluid mud möglich. Die Erhöhung kann etwa eine halbe Stunde bis zum erneuten Einsetzen des Tidestroms anhalten. Von der BfG in der Weser durchgeführte Umlagerungversuche mit feinkörnigem Baggergut zeigten, daß sich das verklappte Material zunächst in Form einer Schwebstoffwolke ausbreitet, wobei im Vertikalprofil die Schwebstoffgehalte insbesondere in der sohlnahen Wasserschicht ansteigen. Diese Schwebstoffwolke wird mit der Strömung fortbewegt und verteilt sich nach mehreren Kilometern Fließstrecke unter Abnahme des Schwebstoffgehaltes allmählich auf den ganzen Fließquerschnitt. In 6.500 m Entfernung ist kaum noch ein Gradient auszumachen. Nach zwei Tidedurchgängen haben sich die Schwebstoffe derart verteilt, daß die Schwebstoffwolke infolge der ohnehin vorhandenen Schwebstoffgrundbelastung nicht mehr zu erkennen ist (PAUL 1992 zit. in MATERIALBAND II b). Die Untersuchungsergebnisse deuten insgesamt darauf hin, daß sich die Verklappung von feinkörnigem Material nur kurzfristig und lokal im unmittelbaren Bereich der Verbringungsstelle auf das Schwebstoffregime auswirkt. Bei der Verklappung von sandigem Baggergut trennt sich der Sand beim Verklappvorgang sehr schnell vom Feinmaterial und sedimentiert im direkten Umfeld der Klappstelle, so daß die Auswirkungen auf das Schwebstoffregime noch geringfügiger ausfallen dürften. Die Auswirkungen der Verklappungen auf andere Schutzgüter, insbesondere die aquatischen Lebensgemeinschaften, sind in den Kapiteln 7.1.3, 7.1.4 und 7.4 dargestellt.