Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt
4.5 Fische
- In der Tideelbe kommen gegenwärtig 76 Fischarten vor,
darunter 31 Süßwasser-fischarten, 35 Arten Meeresfische
und zehn euryhaline Fischarten. 69 Fischarten gehören zu
den autochthonen, sieben Arten zu den allochthonen
Fischarten.
- Kaulbarsch und Flunder sind die charakteristischen
Leitarten in der Tideelbe unterhalb Hamburgs. Neben dem
Stint sind Kaulbarsch und Flunder in diesem Abschnitt der
Tideelbe sehr häufig anzutreffen. 24 weitere Fischarten
kommen regelmäßig bis häufig in der Tideelbe vor, während
49 Fischarten selten sind oder nur Einzelfänge getätigt
wurden.
- Stör, Maifisch, Zährte, Wels und Nordseeschnäpel sind
verschollen bzw. ausgestor-ben. Rapide Bestandsrückgänge
sind bei Lachs, Quappe, Barbe und Ukelei festzustellen.
- Hinsichtlich ihrer Abundanz- und Biomasseanteile
dominieren in der Tideelbe sieben Fischarten, nämlich
Stint, Finte, Flunder, Hering, Kaulbarsch, Aal und der
Drei-stachlige Stichling.
- Die mittlere Fischbiomasse beträgt 116 kg.m-3.10-6
im Hauptstrombereich und 160 kg.m-3.10-6
in den Nebenelben. Die mittlere Fischabundanz ist in den
Nebenelben fünf Mal größer als im Hauptstrom.
- Die Fischbiomasse steigt stromabwärts an, während sich
die Fischabundanz im Längsverlauf der Tideelbe nicht
signifikant ändert. Die Artenzusammensetzung und
Artenzahl der Fischgemeinschaft ändert sich im Längsverlauf
der Tideelbe in Abhängigkeit vom Salzgehaltsgradienten.
- Unterschiedliche Strömungsgeschwindigkeiten in
Hauptstrom und Nebenelben führen zu
Verteilungsunterschieden der Fischarten im
Elbequerschnitt und beeinflussen die Gesamtfischabundanz.
- Wassertemperatur, Sauerstoffgehalt und Nahrungsangebot
haben ebenfalls Einfluß auf die Verteilung der Fische in
der Tideelbe. Die Wirkung der Wassertemperatur ist
saisonal abhängig. Sauerstoffgehalt und Nahrungsangebot
beeinflussen die Fischverteilung im Elbelängsschnitt.
- Der Gesamtfischbestand der Tideelbe wuchs im Vergleich zu
den Verhältnissen von 1989 an, was vor allem auf einen höheren
Reproduktionserfolg der Stinte zurückgeführt werden
kann.
- Das Laichgebiet der Finte verlagerte sich seit 1991 um
etwa 20 km weiter stromauf und befindet sich momentan
zwischen Stromkilometer 645 und 660. Der Laicherbestand
der Finte ist seit 1984 unverändert groß, obwohl seit
1991 eine im Vergleich zu den Vorjahren höhere
Sterblichkeit der Altersgruppe 0 festgestellt wurde.
- Das Laichgebiet des Stintes erstreckt sich von Pagensand
bis zur Ilmenau. Die wichtigsten Aufwuchsgebiete der
Larven und Jungfische des Stintes, der Flunder und
anderer euryhaliner Fischarten sind das Mühlenberger
Loch, die Hahnöfer Nebenelbe und die Lühesander
Nebenelbe unterhalb des Hamburger Hafens.
- Ein wichtiges Aufwuchsgebiet für marine Fischarten ist
der Bereich der Ostemündung. Die wichtigsten Laich- und
Aufwuchsgebiete der Süßwasserfische liegen
wahrscheinlich im Hamburger Hafen und in Nebengewässern
der Tideelbe.
- Unter den dominanten Fischarten zeigt die Finte die beste
Wachstumsleistung im ersten Lebensjahr. Sie erreicht eine
Totallänge von mehr als 9 cm am Ende der
Wachstumsperiode. Im zweiten Lebensjahr erreicht die
Finte bereits eine Totallänge von fast 20 cm. Die
Wachstumsleistung des Zanders ist in der Tideelbe im
Vergleich zu anderen Ästuargewässern sehr gut.
- Die Jahreskonsumtion der Jung- und Kleinfische betrug in
1992 in der Tideelbe 760 kg ha-1.
Der Mittelwert für die Jahresproduktion der
Altersgruppen 0 und 1 lag bei 71 kg ha-1.
Höchste Produktionswerte wurden für die südlichen
Randbereiche der Tideelbe zwischen Mühlenberger Loch und
Lühesander Nebenelbe festgestellt.
- In den nördlichen Nebenflüssen der Tideelbe wurden
bisher 24 limnische und zehn euryhaline Fischarten
nachgewiesen, wobei die Pinnau mit insgesamt 32 Arten die
höchste Artenzahl aufwies. Mit insgesamt 33 limnischen
und 10 euryhalinen Fischarten ist das Arteninventar in
den südlich Nebenflüssen deutlich größer als in den nödlichen
Zuflüssen. Das größte Fischarteninventar wurde in der
Este mit 39 Arten ermittelt.
- Alle südlichen Nebenflüsse und die Pinnau sind von großer
Wichtigkeit für den Erhalt von Restpopulationen der sich
ehemals auch in der Tideelbe selbständig
reproduzierenden Quappe. Die Oste ist der an Fischlarven
reichste Nebenfluß.
- In den Nebenflüssen treten sechs allochthone Arten auf,
nämlich Karpfen, Giebel, Siberkarpfen, Graskarpfen,
Marmorkarpfen und Regenbogenforelle. Außerdem kommen in
den Nebenflüssen vier autochthone Fischarten (Bachforelle,
Äsche, Schmerle und Elritze) vor, die in der Tideelbe
nicht nachgewiesen wurden.
- Das Artenspektrum der Fischgemeinschaft in der Tideelbe
und den Nebenflüssen wird als teilweise naturnah
eingeschätzt. Fünf Arten gelten als ausgestorben bzw.
verschollen und acht Arten sind als Neozoen zu betrachten.
- Die gegenwärtige Situation der Fischfauna in der
Tideelbe ist kritisch, da von zahlreichen Arten entweder
nur noch Restpopulationen vorhanden sind oder keine sich
selbst reproduzierenden Bestände mehr existieren. 37 %
der limnischen und euryhalinen Fischarten sind stark gefährdet
bis ausgestorben, 26 % sind gefährdet. Bei den marinen
Arten werden 9 % als gefährdet eingestuft.
- Die anthropogen bedingte Vernichtung von Laich- und
Aufwuchsgebieten in der Tideelbe hat dazu geführt, daß
die relative Bedeutung verbliebener Nebenstromgebiete (Mühlenberger
Loch, Haseldorfer Binnenelbe) für die Fischgemeinschaft
zugenommen hat.
- Aufgrund ihres relativ hohen Nahrungsangebotes ist die
Tideelbe unterhalb Hamburgs ein wichtiges Aufwuchsgebiet
für Larven und Juvenile limnischer, euryhaliner und
mariner Fischarten.
- Mit einer Nettojahresproduktion von 71 kg.ha-1
für die Fische der Altersgruppen 0 und 1 hat die
Tideelbe im Vergleich zu anderen europäischen Ästuargewässern
eine hohe Fischproduktion.
- Der gegenwärtige Artenreichtum und die Produktivität
der Fischgemeinschaft der Tideelbe kann langfristig nur
erhalten werden, wenn gewässermorphologische
Sanierungsmaßnahmen durchgeführt werden, die zur Erhöhung
der Habitatsheterogenität und zur Entstehung geeigneter
Reproduktions- und Aufwuchsgebiete vor allem für phyto-
und lithophile Laicher führen.
nach oben