Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

4.1 Phytoplankton und Phytobenthos

Zur Erfassung der Primärproduktion des Phytoplanktons im Ästuar wurden Chlorophyllmessungen im Wasser durchgeführt. Die Beschreibung der Lebensgemeinschaften Phytoplankton und Mikrophytobenthos erfolgte anhand von Literatur. Aus den Ergebnissen ist abzuleiten, daß der Zustand der Tideelbe durch eine kontinuierliche Veränderung gekennzeichnet ist. Im Elbe-Ästuar bestimmen hydrodynamische, physikalisch/chemische und biologische Prozesse das Ökosystem. So sind die horizontalen und vertikalen Salzgradienten sowie ihre Verschiebung, in Abhängigkeit von Tide und Oberwasser, für die Ausbreitung verschiedener Organismen von wesentlicher Bedeutung. Entsprechend werden die unterschiedlichen Halinitätszonen von bestimmten Phytoplankton- und Mikrophytobenthos-Gemeinschaften besiedelt, wobei. z.B. Actinocyclus normanii unterhalb Hamburg bis ins Brackwasser vorkommt und als Leitart für diese Region im Ästuar herangezogen wird. Bei einem relativ hohen Nährstoffangebot bestimmen schwankende Salzgehalte und dichte Trübungswolken die biologischen Verhältnisse im oligo-/mesohalinen Brackwassergebiet im Elbe-Ästuar. Die Bedeutung des Brackwassergebietes für die Primärproduktion im gesamten Elbe-Ästuar scheint sich aber im Verlauf der letzten Jahrzehnte verändert zu haben. Hierauf weisen die Ergebnisse der Untersuchungen von Phytoplankton und Mikrophytobenthos hin.

Im historischen Rückblick sind die Ergebnisse der verschiedenen qualitativen und quantitativen Primärproduktions-Untersuchungen aus methodischen Gründen schwer vergleichbar, denn es gibt nur wenige Mikrophytobenthos-Untersuchungen. Es fehlen besonders dort entsprechende Chlorphyll-Messungen. Eine Darstellung zur Beschreibung und Bewertung langfristiger und übergreifender Daten ist daher bisher nicht möglich, da ausreichend vergleichbare Daten zu Phasen gleichen Salzgehaltes sowie übereinstimmender Aspekte fehlen. Dies gilt sowohl für Phytoplankton als auch insbesondere für Mikrophytobenthos.

Gegenwärtig ist die Biomasse des Phytoplanktons in der limnischen Zone des Ästuars oberhalb des Hamburger Hafens am höchsten, was durch das Chlorophyll-Maximum bestätigt wurde. Es herrschen also gute Bedingungen für die planktischen Algen. Im Hamburger Hafen kommt es zu einem erheblichen Verlust an Primärproduzenten durch Sedimentationsprozesse aus der euphotischen Zone. Hierbei wird ein erheblicher Anteil von ihnen irreversibel geschädigt. Unterhalb Hamburgs erfolgt ein Abbau der geschädigten Algen im limnischen Elbeabschnitt, was sich dort in einem starken Rückgang der Chlorophyll- und Chlorophyllabbaupigment-Konzentration zeigt. Im Hamburger Hafen und unterhalb von Hamburg findet ein hoher Chlorophyll-Abbau mit erhöhtem Sauerstoffverbrauch durch den Abbau von sedimentierten und resuspendierten Primärproduzenten und ihren Exsudaten statt. Im Bereich der maximalen Trübung werden die meisten toten Algenzellen und die niedrigsten Chlorophyllwerte gefunden. Parallel zu einer deutlichen Verringerung des Sestongehaltes seewärts steigen die Chlorophyll-Konzentrationen wieder an, wobei sich das Verhältnis von Chlorophyll zu Chlorophyllabbau positiv entwickelt. Erst im polyhalinen und marinen Bereich kann aufgrund eines günstigeren Lichtklimas wieder eine bessere Primärproduktion erfolgen, die aber nicht die Werte der oberen Tideelbe erreicht. Während nach eigenen Untersuchungen 1993 die Chlorophyll-Konzentrationen oberhalb von Hamburg als sehr hoch bewertet werden, sind diese unterhalb Hamburgs im limnischen und Brackwasserbereich nur noch gering bis sehr gering. Die Betrachtung der Ergebnisse im Längsschnitt erfolgte entsprechend dem Salzgradienten nach der klassischen Einteilung in limnisch, brackig und marin. In den eigenen Messungen auf den drei Längsschnitten 1993 erstreckte sich die limnische Region (bei Messungen zwei Stunden vor Kenterpunkt Flut) etwa bis Stadersand. Auf die oligo- und mesohaline Zone folgt zwischen Ostemündung und Cuxhaven die polyhaline Zone. Diese Bereiche sind nicht starr an Kilometer gebunden, sondern verschieben sich in Abhängigkeit von Tide und Oberwassereinfluß. Da diese Dynamik grundsätzlich den Aufenthaltsort der aquatischen Lebensgemeinschaft beeinflußt, unterliegen die für den Chlorophyllgehalt dargestellten Bereiche einer erheblichen regionalen Schwankung, vor allem dort, wo Chlorophyllgradienten vorliegen.

Während vor der Wiedervereinigung das Sauerstoffdefizit unterhalb von Hamburg etwa zur Hälfte auf Nitrifikation beruhte, ist es in den neunziger Jahren auf die Aktivität von heterotrophen Bakterien zurückzuführen, deren organisches Substrat zu einem Großteil aus Algendetritus besteht. Dies ist als Folge einer Sekundärverschmutzung durch Abbau von Plankton aus dem Hamburger Hafen zu werten. Im Vergleich zu älteren Planktonuntersuchungen hat sich der wesentliche Einschnitt der Primärproduktions-Kurve im Elbelängsprofil, d.h. das Phytoplankton-Minimum deutlich elbeaufwärts verlagert. Dabei hat die "Sedimentationskammer Hamburger Hafen" der "Brackwasser-Sinkstofffalle" im Bereich des Trübstoffmaximums im oberen Brackwassergebiet den Rang abgelaufen.

Mikrophytobenthos entwickelt seine Hauptaktivitäten auf den Watten bei Tideniedrigwasser und reichert die Sedimentoberfläche mit Sauerstoff an (bei gleichzeitiger biologischen Stabilisierung der Sedimente). Dabei verhält es sich je nach Wasserbedeckung und artlicher Zusammensetzung unterschiedlich. In den Flachwasserbereichen entwickelt sich heute aufgrund der hohen Trübung das Mikrophytobenthos besser als das Phytoplankton, was auf die vorrangige Bedeutung der sessilen Gemeinschaft für die Primärproduktion hinweist. Nach bisherigen Untersuchungen ist gegenwärtig die Produktion und Biomasse des Mikrophytobenthos in der unteren limnischen Region und, im Gegensatz zum Plankton, im Mesohalinikum besonders hoch.

Betrachtet man die flächenbezogene Primärproduktion, so spielen Phytobenthos und Phytoplankton im Vergleich zu den Makrophyten nur eine untergeordnete Rolle (die des Phytoplanktons beträgt im Jahresmittel nur etwa ein Viertel der des Mikrophytobenthos). Allerdings muß über den relativen flächenbezogenen Vergleich der Primärproduktion auf die absolute Verteilung der Schilf- und Wattenflächen im Ästuar hingewiesen werden. Da die Makrophyten nur noch ein kleines Gebiet besiedeln, gewinnen die benthischen Mikroalgen, besonders die einzelligen Diatomeen im Schlickwatt für die Primärproduktion erheblich an Bedeutung.

Eine zwischen 1931 und 1993 beobachtete Veränderung des Gewässer-Zustandes läßt sich zwanglos mit der Zunahme der mittleren Wassertiefe im Fahrwasser und der infolge anhaltender Baggertätigkeiten und Sedimentverklappungen lokal gestiegenen Trübung erklären. Da sowohl die erhöhten Trübstoffgehalte als auch die Vergrößerung der aphotischen Zone eine Einschränkung der Primärproduktion bei gleichzeitig vermehrter Zehrung bewirken, sind die gutbelichteten Flachwassergebiete vor und auf den Watten und in den Nebenelben für den Populationserhalt von Phytoplankton wichtig. In diesem Zusammenhang sei noch einmal ausdrücklich auf die Bedeutung der Flachwassergebiete hingewiesen. So weisen hohe Zooplanktonabundanz und ein hoher Fischreichtum in einigen Nebenelben auf eine starke Entwicklung des Phytoplanktons hin.

Veränderungen des Schwebstoffgehaltes, der Wassertiefe und des Lichtklimas, d.h. eine Verringerung der euphotischen Zone, beeinflussen sowohl die planktischen als auch die benthischen Primärproduzenten. Im Bereich des Trübstoffmaximums gibt es nur in den oberen Zentimetern der Wassersäule ausreichend Licht und bei Ebbe ist nur in den obersten Millimetern des Sedimentes eine Sauerstoffproduktion der Mikroalgen möglich. So müssen auch die mikrobenthische Primärproduktion und der Sauerstoffhaushalt im Zusammenhang mit der Fläche und Hydrographie der Watten betrachtet werden. Die hohen Werte der Sauerstoffproduktion auf den limnischen Watten lassen auf ihre große ökologische Bedeutung schließen. Nach bisherigen Untersuchungen ist die Biomasse des Mikrophytobenthos entlang des Salzgradienten im Mesohalinikum höher als im mixo-/oligohalinen Bereich, wo sich offensichtlich die Salzgehaltsschwankungen stärker auswirken. Hierin besteht ein wesentlicher Unterschied zu Phytoplankton. Dadurch gewinnt das Mikrophytobenthos gegenüber dem Phytoplankton hinsichtlich der Primärproduktion für das Mesohalinikum an Bedeutung. Hier sind daher die Wattenflächen für die Primärproduktion unverzichtbar.