Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

III LÄRM

1. Allgemeines

1.1 Rechtliche Vorgaben

Im Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) werden u.a. auch Geräuschimmissionen zu den schädlichen Umwelteinwirkungen gezählt, die "nach Art, Ausmaß und Dauer geeignet sind, Gefahren, erhebliche Nachteile oder erhebliche Belästigungen für die Allgemeinheit oder die Nachbarschaft herbeizuführen."[§3 BImSchG]. Im BImSchG werden jedoch keine Grenzwerte angegeben, die eine Bewertung der Geräuschimmissionen ermöglichen.

Die Beurteilung der Geräuschbelastung stützt sich daher auf die in den einschlägigen Regelwerken [Beiblatt 1 zur DIN 18005 Teil 1, AVV Baulärm] genannten Immissionsricht- bzw. Orientierungswerte. Die folgende Tabelle soll einen kurzen Überblick über die für dieses Gutachten relevanten Werte geben:

Tab. III.1: Immissionsricht- bzw. Orientierungswerte

Nutzungsgebiet Orientierungs- bzw. Richtwert (Tag/Nacht)[dB(A)]
  Wasserverkehr *) Baulärm **)

Reine Wohngebiete

Parkanlagen

Mischgebiete

Gewerbegebiete

50/40

55/55

60/50

65/55

50/35

––

60/45

65/50

*) Orientierungswerte nach DIN 18 005 Teil 1, Beiblatt 1
**) Immissionsrichtwerte der AVV Baulärm

Die hier näher untersuchten Geräuschquellen auf der Elbe sind der fließende Schiffsverkehr sowie die beiden zum Einsatz kommenden Baggertypen Eimerketten- und Hopperbagger. Eine Berechnungsvorschrift für die Geräuschemission von Wasserfahrzeugen ist nur in der DIN 18005 Teil 1 enthalten, die u.a. die Darstellung von fließendem Schiffsverkehr als Linienquelle vorsieht. Dort werden allerdings alle motorgetriebenen Wasserfahrzeuge der Berufsschiffahrt (Motorschiffe, Schleppzüge und Schubverbände) gleich behandelt.

Hopper- und Eimerkettenbagger sind Baumaschinen im Sinne der AVV Baulärm. Die Berechnung der Lärmemissionen ergeben sich aus ihrer jeweiligen Arbeitsweise (bez. der Modellierung der beiden Quellen s. nachfolgendes Kapitel).

In den o. g. Regelwerken ist die Vorgehensweise bei der Ermittlung des Beurteilungspegels für die jeweilige Lärmart angegeben, der für den Vergleich mit den Richtwerten maßgeblich ist. Die Beurteilungszeiträume, für die der mittlere Pegel zu ermitteln ist, sind in den jeweiligen Vorschriften unterschiedlich definiert:

Tab. III.2: Definition des Nachtzeitraums für die verschiedenen Lärmarten

Geräuschquelle Vorschrift Nachtzeitraum
fließender Schiffsverkehr DIN 18005 Teil 1 22:00 - 6:00 Uhr
Eimer- und Hopperbagger AVV Baulärm 20:00 - 7:00 Uhr

 

1.2 Methodische Vorgehensweise

In einem ersten Arbeitsschritt werden die Untersuchungsräume festgelegt. Kriterien hierfür sind zum einen die Nähe der betroffenen Wohngebiete zum Ufer bzw. zum Fahrrinnenrand. Zum anderen ergaben Geräuschmessungen an den zum Einsatz kommenden Baggertypen, daß Eimerkettenbagger gegenüber Hopperbaggern eine störendere Lärmquelle darstellen. Daher wird auf die geplanten Einsatzgebiete von Eimerkettenbaggern stärkeres Augenmerk gerichtet.

Für die voraussichtlich am stärksten belasteten Bereiche wird für jede Emissionssituation (Ist-Zustand, Null- bzw. Ausbauvariante und Bauphase) und die Beurteilungszeiträume Tag und Nacht (soweit unterschiedlich) jeweils eine flächenhafte Darstellung des Beurteilungspegels, ein Schallimmissionsplan, erstellt.

Durch Auswertung der Bebauungs- und Flächennutzungspläne werden die unterschiedlichen Nutzungsgebiete mit ihren zugehörigen Richt- bzw. Orientierungswerten ermittelt und in Empfindlichkeitsplänen dargestellt. Durch Vergleich von Immissions- und Empfindlichkeitsplänen ergeben sich Konfliktpläne mit den Zonen unterschiedlicher Wertstufen in Abhängigkeit der Über- bzw. Unterschreitung der Richtwerte.

Die Bewertung der Geräuschimmissionen lehnt sich an das vom Auftraggeber verwendete Wertstufen-Schema an [PL-NORD 1996]. Es folgt in seiner 5-Stufigkeit - bis auf die Reihenfolge der Wertstufen - dem Entwurf zum Bewertungsverfahren in der UVU an Bundeswasserstraßen der Bundesanstalt für Gewässerkunde [BfG 1994]. Die Erläuterungen zum Bewertungsrahmen für Geräuschimmissionen in der Anlage wurden hierzu vom TÜV Nord [1994] erarbeitet. Es wird folgender Zusammenhang zwischen den Wertstufen und der Differenz D zwischen Beurteilungspegel und Richtwert hergestellt:

Tab. III.3 Wertstufen-Schema für die Bewertung der Schallimmissionen

Wertstufe Differenz D  *) Bewertung Farbe im Konfliktplan
1 D < -10 dB keine bis sehr geringe Belästigung mittelgrün
2 -10 dB £ D < -5 dB geringe (unkritische) Belästigung gelb
3 -5 dB £ D £ 0 dB mäßige (zumutbare) Belästigung hellrot
4 0 dB < D £ 5 dB starke (erhebliche) Belästigung lila
5 D > 5 dB sehr starke Belästigung blau
*) Differenz D = (Beurteilungspegel - Ruhe-Bonus von 5 dB - Richtwert) in [dB] für fließenden Schiffsverkehr= (Beurteilungspegel - (Richtwert + 5 dB) ) in [dB] für Baulärm

Angesichts der im Vergleich zum Straßenverkehr offensichtlich geringeren Störwirkung wird in Anlehnung an den sogenannten Schienen-Bonus ein Bonus von 5 dB bei der Bewertung der Geräuschbelastung durch fließenden Schiffsverkehr vorgeschlagen (s. hierzu auch die Anmerkungen von Schreiber [1984] zum Ruhe-Bonus). Diese Vorgehensweise erscheint trotz der fehlenden wissenschaftlich fundierten Grundlage vertretbar, da das Vorbeifahrtgeräusch eines Seeschiffes aufgrund des langsamen Pegelanstiegs und -abfalls und wegen der längeren Ruhepausen zwischen den einzelnen Vorbeifahrten bezüglich seiner Störwirkung nicht mit Straßenverkehrslärm, sondern eher mit Schienenverkehrslärm zu vergleichen ist.

Da die Bauphase und insbesondere die Belästigung durch Baulärm im vorliegenden Fall zeitlich befristet ist, wird bei der Bewertung des Baulärms eine andere Wertstufenzuordnung als bei der Bewertung des fließenden Schiffsverkehrs vorgenommen: Der Richtwert als Maß für Über- bzw. Unterschreitung der Grenze der erheblichen Belästigung wird um 5 dB angehoben. Diese Einstufung kann nur durch eine Analyse der tatsächlichen Einwirkzeiträume des Baulärms auf die betroffenen Gebiete gerechtfertigt werden; hierauf wird in Abschnitt 5.1 noch näher eingegangen.

Als Anhaltspunkt bei der Beurteilung der "Seltenheit" bzw. der "zeitlichen Befristung" der Lärmbelästigung können die Ausführungen in [MVwV 1995, Pkt. 2.3.5] dienen: Dort wird davon ausgegangen, daß schädliche Umwelteinwirkungen nicht vorliegen, wenn u.a. an nicht mehr als zehn Tagen eines Kalenderjahres der Beurteilungspegel aller durch Anlagen hervorgerufenen Geräusche tags 70 dB(A) nicht überschreitet. Einen weiteren Anhaltspunkt liefert die Sportanlagenlärmschutzverordnung [18. BImSchV, Pkt. 1.5 des Anhangs], die Ereignisse, die zu Richtwertüberschreitungen führen, als selten definiert, wenn diese an nicht mehr als 18 Tagen des Jahres auftreten.

Die für die Schallausbreitungsrechnung benötigten Emissionskenngrößen (Schallleistungspegel bzw. Linienschalleistungspegel) werden durch Messungen ermittelt. Dazu werden Schallemissionsmessungen an ausgewählten Baggertypen durchgeführt und ausgewertet. Zur Abschätzung der durch den fließenden Schiffsverkehr verursachten Geräuschimmissionen werden Vorbeifahrtpegel unterschiedlicher Schiffstypen am Elbufer erfaßt. Hierbei kann im Rahmen des vorliegenden Gutachtens kein Anspruch auf eine wissenschaftlich fundierte Untersuchung erhoben werden. Eine Darstellung der Meßergebnisse ist im Anhang B.1 zu finden.

1.3 Untersuchungsräume und Immissionspunkte

Hamburger Delegationsstrecke

Ein Schwerpunktraum sowohl in bezug auf die Nähe der Fahrrinne zum Ufer als auch in bezug auf den Einsatz von Eimerkettenbaggern stellt ein Teilabschnitt der Hamburger Delegationsstrecke (Strom-km ca. 625 - 637) dar: Der Baubeschreibung des Amtes Strom- und Hafenbau Hamburg [1995c, Abb. 3] kann entnommen werden, daß der Einsatz von Eimerkettenbaggern für den Bereich Strom-km 625 - 633 geplant ist (s. Abb. III.1). Der nördliche Fahrrinnenrand ist in diesem Bereich stellenweise nur 100 m vom Elbufer entfernt. Um die erforderliche Auflösegenauigkeit in der flächenhaften Darstellung der Ergebnisse zu erreichen, wird der Bereich der Delegationsstrecke in folgende drei Bereiche unterteilt (s. Abb. III.2):

Bereich Strom-km
Blankenese 632 – 635,5
Nienstedten 630 – 633
Kl. Flottbek/Othmarschen 627,5 – 630,5

Abb. III.1   Baggereinsatz im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke (verändert nach Strom & Hafen 1995 c)

Abb. III.2   Untersuchungsräume im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke (Quelle: Flächennutzungsplan der Freien und Hansestadt Hamburg, Stand: 1992)

Immissionspunkte

Im Bereich der Delegationsstrecke reicht die Wohnbebauung teilweise bis unmittelbar an das Elbufer heran (s. Abb. III.2). Für einige nachfolgend aufgeführte Immissionspunkte werden Einzelpunktberechnungen durchgeführt, die eine genauere Beurteilung erlauben:

Tab. III.4: Ausgewählte Immissionspunkte für Einzelpunktberechnungen

Immissionspunkt Untersuchungsbereich Bezeichnung
im Lageplan *)
Övelgönne 90 Kl. Flottbek/Othmarschen IP 1
Elbchaussee 239 Kl. Flottbek/Othmarschen IP 2
Elbchaussee 289 Kl. Flottbek/Othmarschen IP 3
Elbchaussee 332 Nienstedten/Kl. Flottbek IP 4
Elbchaussee 400 Nienstedten IP 5
Elbchaussee 437 Nienstedten IP 6
In de Bost 21 Nienstedten IP 7
Mühlenberger Weg 4 Blankenese IP 8
Strandweg 30 Blankenese IP 9
Strandweg 65 Blankenese IP 10
Elbterrasse 16 Blankenese IP 11
Süllbergterrasse 42 Blankenese IP 12
Falkensteiner Ufer 26 Blankenese IP 13
Falkensteiner Ufer 70 –– IP 14
*) Die Lagepläne befinden sich im Anhang auf den Seiten B.x.1

Alle Immissionspunkte liegen in reinen Wohngebieten, wie den geltenden Bebauungsplänen (Bezirksamt Altona) entnommen werden kann. Die Bebauungspläne sind maßgeblich für die Zuordnung der Immissionsrichtwerte. Da bei der Digitalisierung der Nutzungsgebiete der besseren Übersichtlichkeit halber der Flächennutzungsplan der Stadt Hamburg [1992] zugrundegelegt wurde, ergeben sich in den Randbereichen der dort festgelegten Nutzungsgebiete und damit bei einigen der Immissionspunkte Abweichungen in der Darstellung der Empfindlichkeitspläne (siehe Seiten B.x.1 und z. B. B.x.2).

Unterelbe

Im Bereich der Unterelbe von Tinsdal bis Schulau (Strom-km 639 - 641) wird voraussichtlich ebenfalls ein Eimerkettenbagger eingesetzt (s. [WSA Hamburg 1995]); da jedoch die Entfernung der Fahrrinne zum Ufer bzw. zur nächstgelegenen Wohnbebauung größer als im Bereich Blankenese ist, wird dieser Bereich nicht näher betrachtet. Schließlich ist der Einsatz von Eimerkettenbaggern im Bereich der Außenelbe bei Strom-km 731 geplant; hier ist die Fahrrinne jedoch bereits mehr als 1 km vom Ufer entfernt.

Im gesamten Bereich der Unterelbe ist die Fahrrinne deutlich weiter entfernt von der Uferlinie als im Bereich der Delegationsstrecke: Die Entfernungen betragen mindestens 250 m (Höhe Lühe), liegen meist jedoch noch deutlich darüber; die Wohnbebauung beginnt darüberhinaus i.d.R. erst einige hundert Meter hinter der Uferlinie. Um dennoch auch für den Bereich der Unterelbe einen Eindruck von der zu erwartenden Geräuschbelastung vermitteln zu können, wird für den fließenden Schiffsverkehr mit den Verkehrsdaten auf der Höhe zwischen der Einmündung zum Nord-Ostsee-Kanal und dem Hafen Brunsbüttel sowie für zwei Baggerfelder unterschiedlicher Länge, auf denen Hopperbagger eingesetzt werden sollen, der Schallpegel als Funktion der Entfernung vom Fahrrinnenrand berechnet. Die Lage der Baggerfelder kann der folgenden Skizze entnommen werden:

Abb. III.3:   Untersuchungsgebiete im Bereich der Unterelbe

 

1.4 Verfahren der Schallausbreitungsrechnung

Für die Berechnung der Schallausbreitung werden folgende Vorschriften bzw. Richtlinien herangezogen:

  1. fließender Schiffsverkehr und Hopperbagger: Linienquelle nach DIN 18005 Teil 1, Pkt. 4.3.1 (Berufsschiffahrt)
  2. Eimerkettenbagger: Flächenschallquelle nach DIN 18 005 Teil 1, Pkt. 3.3.

Für die Berechnung gelten folgende Annahmen:

  1. Schallausbreitung über dem tatsächlichen Höhenprofil (nur bei der Berechnung der Immissionspegel auf einem 20 m x 20 m-Raster wird eine mittlere Höhe von 10 m über Grund angesetzt, um die Rechenzeit zu verringern; der Fehler bewegt sich etwa im Bereich von ± 1 dB)
  2. Berücksichtigung der Schalldämpfung durch orographische Hindernisse und durch Luft- und Bodenabsorption gem. DIN 18005 Teil 1

Die eigentlichen Schallausbreitungsrechnungen werden mit einem kommerziellen Programmsystem durchgeführt [IMMI 1995].

Der den Ausbreitungsrechnungen zugrundeliegende Lageplan der Delegationsstrecke mit den eingezeichneten Fahrrinnenrändern wurde vom Auftraggeber im DXF-Format zur Verfügung gestellt. Die für die Modellierung des Höhenprofils benötigten Höhenlinien sowie die ausgewählten Immissionspunkte für die Einzelpunktberechnungen wurden nachträglich aus den zugehörigen Deutschen Grundkarten (Ausgabe 1989/90), Maßstab 1:5000, digitalisiert.

Die farbig dargestellten Empfindlichkeits-, Immissions- und Konfliktpläne sind im Anhang für jeden der drei Untersuchungsräume zusammengestellt (s. Anhang B.2 - B.4). Die Ergebnisse der Einzelpunktberechnungen finden sich im Anhang B.5.