Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

3.4 Schwebstoffqualität und gelöste Stoffe

Abwässer aus der Industrie und der industriellen Landwirtschaft sowie fehlende Infrastruktur im Abwassermanagement haben die Elbe in vergangenen Epochen zu einem der schmutzigsten Flüsse Europas werden lassen (IKSE 1995).

Die in diesem Kapitel gemachten Ausführungen dienen der Beschreibung der Variabilitäten anorganisch/organischer Belastungen und der Veränderungen im Zeitraum von 1980 bis 1994, wie sie sich aus Einzelmessungen ergeben. Die Aussagen beziehen sich primär auf die Qualität von Schwebstoffen entlang der Unterelbe, da die Gewässerqualität wegen der hohen Affinität der Schadstoffe (Schwermetalle, organische Schadstoffe) zur partikulären Substanz ganz wesentlich durch die Schwebstoffqualität bestimmt wird. Weiterhin werden im Kapitel 3.4.3 die Ergebnisse der auf die einzelnen Untersuchungsabschnitte bezogenen statistischen Auswertungen der Sauerstoffkonzentration und der darauf einwirkenden Parameter (z.B. gelöste anorganische Nährstoffe) ausführlich dargestellt.

Bei den Daten handelt es sich in erster Linie um Oberflächenmeßwerte, da systematische Meßreihen der Vertikalverteilungen nicht vorliegen. Episodische Messungen zeigen ohnedies weder vertikal noch lateral signifikante Gradienten (Abb. 45, PRANGE 1990, MICHAELIS 1991), wenn man kurzzeitigen Sedimentationseffekten während der Kenterphasen absieht (s. a. Kap. 3.4.1.2).

Auffallend ist, daß im Längsverlauf der Elbe in den hydrographisch unterschiedlichen Abschnitten auch verschiedene Belastungen auftreten. Besonders charakteristisch ist der starke Abfall der Schwermetallkonzentrationen im Sediment wie auch in den Schwebstoffen des Hamburger Hafenbereichs und der stromab gelegenen Tideelbe. Hierfür ist zum einen die Funktion des Hamburger Hafens als hydrologische Barriere sowie als "Sedimentationsfalle", zum anderen die zunehmende Durchmischung mit relativ wenig kontaminiertem marinen Schwebstoff verantwortlich zu machen (s.a. Kap. 2.1). Ein negativer Längsgradient, also der Abfall der Konzentration in Stromrichtung, in den partikulären Schwermetallkonzentrationen ist auch noch bei Brunsbüttel zu verzeichnen. Dieser Gradient wird teilweise noch verstärkt durch eine gewisse Desorption (Bildung löslicher Komplexe) von Schwermetallen wie Cd, Zn und Cu unter dem Einfluß zunehmender Salinität (FOERSTNER et al. 1985 und 1991; CALMANO et al. 1990). Weiter seewärts kann der Gradient das Vorzeichen wechseln, weil durch Phytoplanktonproduktion gelöste SM in meßbaren Quantitäten in die partikuläre Phase überführt werden (KNAUTH et al. 1993).

Wie die Schwebstoffkonzentrationen, zeigen auch die an sie gebundenen Substanzen eine deutliche Oberwasserabhängigkeit. Beispielhaft gibt die Tab. 14 für ein niedriges und ein hohes Oberwasser die gemessenen Schwebstoff- und Schwermetallfrachten am Querschnitt

Oortkaten (km 605) wieder. Die Messungen wurden 1984 bzw. 1985 durchgeführt, so daß die Absolutwerte für den Ist-Zustand nicht mehr gültig sind (s. a. Kap. 2.2); die Relationen "partikulär / gelöst" bei niedrigem und hohem Oberwasser haben sich indessen kaum verändert (PRANGE et al. 1995).

Obwohl sich in den vergangenen fünf Jahren die Wasserqualität der Elbe deutlich gebessert hat (Kap. 2.2), ist durch die starke Einlagerung von Schadstoffen in den Sedimenten des Flußbettes, der Buhnenfelder sowie in den Überschwemmungsgebieten (Auen, Polder) die Gefahr gegeben, daß bei jedem Hochwasser immer noch hohe Konzentrationen an Schadstoffen in die Elbe gelangen.

Besonderes Interesse bei der Beschreibung der Qualität gilt den Jahresfrachten der Elbe und wie sich die Schadstoffsituation für die sich in der Hydrographie wesentlich unterscheidenden Abschnitte der Elbe darstellt: oberhalb des Wehrs Geesthacht, im Einflußbereich des Hamburger Hafens, in der Tideelbe unterhalb Hamburgs und im Mündungsgebiet.

Tab. 14: Tagesfrachten durch den Querschnitt Oortkaten (km 609) nach MICHAELIS (1990)

Messung

03. - 04.09.1984

01.04.1985

Abfluß
Neu-Darchau

345 m3/s

1165 m3/s

Schwebstoff [t/d]

560

4000

 

partikulär

gelöst

total

partikulär

gelöst

total

Ni [kg/d]

50

360

410

425

1005

1430

Zn [t/d]

1000

700

1700

8200

2500

10700

As [kg/d]

45

131

176

296

250

546

Cd [kg/d]

5,5

3,0

8,5

79

10

89

Cr [kg/d]

195

45

240

1340

80

1420

Cu [kg/d]

165

< Nwg

165

1680

< Nwg

1680

Hg [kg/d]

15

1

16

125

2,5

128

Pb [kg/d]

150

< Nwg

150

1096

< Nwg

1096

Erläuterungen:
t/d Tonnen pro Tag
kg/d Kilogramm pro Tag
NWG Nachweisgrenze

 

3.4.1 Schwermetalle

Bei der Erfassung der Schwermetallbelastung von Fließgewässern wird die spezifische Schwermetallbeladung der Schwebstoffe und nicht die Schwermetallkonzentration im Wasser als Beurteilungsmaßstab herangezogen, da in der Elbe ca. 80 bis 90% der Schwermetalle an Schwebstoff gebunden sind (u.a. KNAUTH et al. 1993). Dadurch beeinflussen Sedimentation und Resuspension den jeweiligen Belastungszustand des Gewässers entscheidend mit.

Die Schwermetallbelastung der Gewässer besteht aus der natürlichen Grundbelastung und der zusätzlichen anthropogenen Belastung. Entsprechend der geochemischen Zusammensetzung des Gesteins im gesamten Einzugsgebiet ergibt sich durch Auswaschung ein natürliches Grundniveau der Schwermetallkonzentrationen. Regional geologische Besonderheiten, wie zum Beispiel Erzvorkommen können das natürliche Grundniveau erheblich verschieben. (ARGE ELBE 1988). Das Bindungsvermögen einer Sedimentprobe wird vor allem durch den organischen und anorganischen Feinkornanteil (Tonminerale) der Fraktion kleiner als 20 µm bestimmt. Ebenso besitzen Huminsäuren ein sehr hohes Bindungsvermögen für Schwermetalle. Sand und Kies sind als chemisch weitgehend inert zu betrachten (GAUMERT 1992). Tab. 15 zeigt die Grundbelastung in Tongestein sowie in anthropogen wenig belastetem Flußwasser und Meerwasser.

Tab. 15: Tongesteinstandards und Schwermetallgehalte anthropogen wenig belasteter Gewässer (nach ARGE ELBE 1988)

Grundbelastung

Hg

Cd

Pb

Zn

Cu

Tongestein (mg/kg)

0,45

0,13

22

95

45

Gehalt in Flußwasser (mg/l)

0,07

0,4

0,3

7

2

Gehalt in Meerwasser (mg/l)

0,02

0,1

0,003

0,6

0,25

Die anthropogenen Belastungen der Gewässer resultieren aus direkten Abwassereinleitungen und aus diffusen Einträgen wie: Abschwemmungen von Flächen (z.B. Straßen), Einträgen aus der Luft, Auswaschungen aus Böden und Deponien sowie aus der Resuspension älterer Sedimente. Diffuse Einträge sind insbesondere durch den Anstieg von Schwermetallfrachten in Perioden mit erhöhtem Oberwasserabfluß gekennzeichnet. Hingegen sind Schwermetallfrachten, die bei steigendem Oberwasserabfluß keinen Anstieg ausweisen, ein Hinweis dafür, daß die Einträge aus konstanten Quellen, also typischerweise über Direkteinleitungen, erfolgen (ARGE ELBE 1988).

Schwebstoffe und damit auch Schwermetalle werden teilweise aus dem Elbeästuar hinaus in die Nordsee getragen, wo sie aussedimentieren; für große Mengen der in der Unterelbe befindlichen Feststoffe ist der genaue Verbleib allerdings immer noch ungeklärt.

3.4.1.1 Belastung der Elbe an einzelnen Meßstationen

Abb. 41 zeigt die jährlichen Mittelwerte einiger Schwermetallkonzentrationen (Pb, Cd, Hg) im Schwebstoff der Fraktion < 20 µm an den Meßstationen Geesthacht, Wedel und Brunsbüttel (Parameter der Kurven). Die Quecksilber-Konzentrationen im Schwebstoff sind bei Wedel ca. 5 mal niedriger als bei Geesthacht. Ein steiler Schwermetallgradient (Faktor 5-10) in der Tideelbe besteht zwischen km 620 (Hamburg) und km 640 (Wedel). Die beobachtete Abnahme der spezifischen Konzentrationen ist zumindest teilweise auf Einmischung von Sedimentmaterial zurückzuführen, das aus weiter stromab gelegenen Bereichen der Elbe stammt (s.a. NEHLS et al. 1994). Die Schwermetallkonzentrationen mariner Schwebstoffe liegen für viele Schwermetalle bis zu einem Faktor 10 unter denen der fluvialen.

Bei geringen Oberwasserabflüssen (200-300 m3/s) beträgt z.B. der Anteil an marinem Material bei Wedel 90% und mehr; bei Abflüssen von 1500 bis 1600 m3/s geht der marine Anteil bis auf ca. 50% zurück (ACKERMANN 1994).

Eine Datenanalyse von KNAUTH et al. (1993) unterstützt die Beobachtung, daß bei hohem Oberwasser hochbeladene Sedimente aus dem Oberlauf resuspendiert und in den Unterlauf verfrachtet werden. Durch hohe Oberwasserwellen und den damit verbundenen Energieeintrag ist das Rückhaltevermögen des Hamburger Hafenbereiches als Schwebstoffalle nicht oder kaum wirksam, so daß suspendiertes Material aus dem Oberlauf über den Hamburger Hafenbereich in das Ästuar transportiert werden kann. Bei niedrigem Oberwasserabfluß wird vergleichsweise wenig Sedimentmaterial transportiert und die aus dem Oberlauf kommenden Schwebstoffe sedimentieren zu einem großen Teil im Hamburger Hafen.

Die saisonale Variation z.B. von Quecksilber und Zink an der Meßstelle Wedel für den Zeitraum von 1980 bis 1993 ist in Abb. 42 dargestellt. Beim Quecksilber liegen die Konzentrationen, trotz deutlichem Abfall in den letzten Jahren, im Frühjahr noch immer um einen Faktor vier über den Konzentrationen im Sommer bzw. Herbst (ACKERMANN 1994). Die saisonalen Schwankungen sind zum einen durch die Variationen im Oberwasser zu erklären, und zum anderen gibt es Beobachtungen und Messungen, wonach in Monaten mit hoher Wassertemperatur die lokal einsetzende starke Phytoplanktonproduktion die von oberstrom eingetragenen, durch Schwermetalle hoch belasteten Schwebstoffe "verdünnt". Es gibt z.B. die Vermutung, daß die im Mühlenberger Loch gemessenen niedrigen Hg-, Pb- und Cd-Gehalte des partikulären Materials auch auf Sorption der Schwermetalle durch Algen und deren nachfolgende Sedimentation insbesondere in Flachwassergebieten und Stillwasserzonen zurückzuführen ist (IRMER et al. 1988). Die beiden Effekte, Oberwasser und Bioproduktion, wirken gleichsinnig, wobei der Oberwasserabfluß den stärkeren Einfluß hat.

Um langfristige Aussagen über Fluktuationen und Trends treffen zu können sowie eine Abschätzung von Schwermetalleinträgen in die Nordsee zu erstellen, wurden an zwei verankerten Pontons von 1989 bis Ende 1994 wöchentlich bzw. alle 14 Tage Proben bei Büttel (SFB-Ponton) und Bielenberg (META2-Ponton) gewonnen, die nun für eine Zeitreihenbetrachtung zur Verfügung stehen. Aus den Analysen gelangen NIEDERGESÄSZ et al. (1994) zu der Erkenntnis, daß die Konzentrationen der Proben des SFB-Pontons (km 690) in den meisten Fällen geringer sind, als die der Proben vom META2-Ponton (km 670). Abb. 43 gibt die auf Scandium normierten Konzentrationen der anthropogenen Schwermetalle Zink-, Cadmium- und Quecksilber an der Meßstelle bei Stromkilometer 670 wieder, wobei die Normierung auf Sc das Verhalten der nicht an die Tonminerale gebundenen Anteile zeigt. Deutlich zu erkennen ist neben der Oberwasserabhängigkeit die saisonale Variabilität mit hohen Konzentrationen im Winter und Frühling und geringeren Konzentrationen im Sommer bzw. Herbst. Innerhalb des bisherigen Meßintervalls ergab sich eine spürbare Reduzierung der Schwebstoffbeladung einiger Elemente: Am META2-Ponton verringerte sich der Gehalt von Quecksilber um 55%, Zink um 20% und Cadmium nur um 10% (s.a. Kap. 2.2).

Zahlreiche Meßkampagnen der letzten Jahre auf unterschiedlichen Elbquerschnitten sowie regelmäßige, z.T. wöchentliche Beprobungen an festen Stationen wie META2-Ponton erbrachten ergiebige Datensätze über das Verhalten von Schwebstoff, Strömung und vor allem über die spezifische Befrachtung des Schwebstoffes. Beispielhaft sei hier ein Datensatz vom September 1989 herausgegriffen (unveröffentlichte Daten der GKSS). Neben dem hier dargestellten Quecksilber (Abb. 44) wurden noch weitere vierzig elementare Inhaltsstoffe, von Arsen bis Zink, quantitativ bestimmt. Ein ähnliches Verhaltensmuster während mehrerer Tidephasen zeigen auch andere Schwermetalle. Die großen Schwankungen sind tide- bzw. strömungsbedingt. Der abfallende Trend des Schwebstoffgehalts, parallel mit einem steigenden Trend der Quecksilberkonzentration spricht für eine Zunahme des Oberwasserabflusses und damit für eine steigende Belastung dieses Gewässerabschnittes. Diese Beobachtung wird von den meisten Autoren gestützt.

3.4.1.2 Verteilung in Querprofilen

Über ein oder mehrere Tidephasen hinweg wurden an festverankerten Pontons (Bielenberg (km 670) und Büttel (km 690) und von Schiffen aus hydrographische Parameter aufgenommen und Wasserproben gezogen. Aus diesen Querschnittsmessungen geht hervor, daß im Prinzip vergleichbare, wenn auch deutlich kleinere Tidevariationen der Wasserinhaltsstoffe wie bei Nienstedten (km 631,5) auftraten (Abb. 45).

Weiterhin zeigten sich in der Querverteilung an den jeweiligen Querschnitten keine signifikanten Unterschiede in den Schwebstoffgehalten, weder in den Proben aus 2m über Grund noch aus den Proben aus ca. 1,5m unter der Wasseroberfläche. Die aus den jeweiligen Wasser- und Schwebstoffproben analysierten Schwermetalle zeigten, daß um den Kenterpunkt Ebbe eine oftmals um das Doppelte erhöhte Belastung an Cadmium, Quecksilber und anderen Schwermetallen im Vergleich zum voll ausgebildeten Flutstrom auftritt. Dies weist wiederum daraufhin, daß die Hauptfracht der Schadstoffbeladung von oberstrom kommt (s. a. PRANGE 1990).

Die relativ homogene Verteilung der Schwermetalle über den Querschnitt ermöglicht die Verwendung von Längsprofilen zur Beschreibung des Schwermetallgehaltes im "Ist-Zustand".

3.4.1.3 Belastung der Elbe im Längsprofil

In Zusammenarbeit mit der ARGE Elbe wurden von GKSS Proben zur Analyse von Schwermetallkonzentrationen vom Hubschrauber aus gewonnen (Abb. 46). Der Oberwasserabfluß betrug bei diesen Beprobungen am 19.9.89 ca. 240 m3/s, am 5.4.90 ca. 580 m3/s und am 13.4.93 ca. 600m3/s.

Während der drei Experimente bei niedrigem bis mittlerem Oberwasser nimmt die Quecksilberkonzentration von 7,0 mg/g (km 660) bis auf 1 mg/g (km 730) ab. Bei Zink liegen die Maxima bei 1800 mg/g (km 610 - km 590) und die Minima bei 250 mg/g(km 730). Dieser deutlich negative Gradient in Richtung Nordsee beruht auf dem bereits erwähnten Verdünnungseinfluß durch das von der Nordsee stromauf transportierte weniger belastete Material.

Für ein sehr hohes Oberwasser von 2080 m3/s werden in den Abb. 47 - 49 (aus ARGE ELBE 1988) beispielhaft Längsprofile der Cadmium-, Quecksilber- und Bleibelastung der Elbe gezeigt. Es sind jeweils die abfiltrierten Schwebstoffmengen, die im Filterrückstand gemessenen Schwermetallkonzentrationen (spezifische Beladung), die aus der abfiltrierten Schwebstoffmenge und der spezifischen Beladung berechneten partikulären Anteile der Schwermetalle und schließlich die im Filtrat gemessenen Schwermetallkonzentrationen angegeben.

Für Quecksilber zeigen die spezifischen Beladungen extrem hohe Werte von rund 25 bis 40 mg/kg Trockensubstanz (TS) im Streckenabschnitt Geesthacht bis Wedel. Doch auch im daran anschließenden Abschnitt von Wedel bis Glückstadt sind die Belastungen mit 20 bis 25 mg/kg TS noch sehr hoch. Zum Vergleich: die natürliche Grundbelastung der Elbe würde in diesem Flußabschnitt bei ca. 0,2 bis 0,5 mg/kg TS liegen. Unterhalb Glückstadt findet dann eine Verdünnung durch eingemischte Schwebstoffe aus der Nordsee statt. Eine grundsätzlich ähnliche Verteilungsstruktur zeigt sich für die übrigen Schwermetalle, wie Cadmium, Blei u.a.

Die Meßergebnisse zeigen, daß für den limnischen und für den Brackwasserbereich die Schwermetalle Quecksilber und Blei zu über 90% in partikulärer Form vorliegen, was in etwa auch für den marinen Bereich gilt. Deutliche Unterschiede ergeben sich für das Schwermetall Cadmium zwischen dem limnischen und dem Brackwasserbereich einerseits und den Befunden aus dem marinen Milieu andererseits. Während für den limnischen und Brackwasserbereich ebenfalls im Mittel über 75% des Cadmiums in partikulärer Form vorliegt, ergab sich für den marin geprägten Bereich ein Mittelwert von ca. 26%. Cadmium wird auf seinem Transport durch die Brackwasserzone in das marine Milieu in bedeutendem Maße desorbiert, d.h. in die gelöste Form (Chlorokomplexe) überführt (FOERSTNER & AHLF 1991; s.a. MATERIALBAND III).

Die hohen Schwermetallkonzentrationen für Quecksilber, Blei und Cadmium treten nur bei den für den limnischen Bereich typischen Schwebstoffkonzentrationen von 10 bis 30 mg/l auf. Hohe Schwebstoffkonzentrationen über 100mg/l finden sich jeweils nur in der Trübungszone, wo durch die Verdünnung mit geringer belasteten Schwebstoffen bereits eine deutliche Herabsetzung der Schwermetallkonzentrationen gegeben ist.

Auf ein ungewöhnliches Verhalten von Schwermetallen der Innen- und der Außenbereiche des Elbeästuars wird von KNAUTH et al. (1993) hingewiesen. Die auf den Schwebstoffgehalt (Trockengewicht) bezogenen Konzentrationen nehmen bekanntermaßen bis zum Mündungsbereich hin ab, und zwar in einer vom Oberwasserabfluß abhängigen Weise. Diese Abnahme läßt sich, wie erwähnt, im wesentlichen durch den Mischungsvorgang zwischen fluvialen und marinen Schwebstoffen erklären. Bemerkenswert ist die beobachtete wieder ansteigende Konzentration in den Außenbereichen. Es wird angenommen, daß das im Küstenbereich gebildete Planktonmaterial einen Teil der mit dem hohen Oberwasser zuvor in den Küstenbereich eingetragenen, gelösten Schadstoffe durch Adsorption aus der Wasserphase herausfiltriert (KNAUTH et al. 1993).

An diesen Befunden läßt sich die für das Elbeästuar charakteristische Längsprofil-Verteilungsstruktur wiedererkennen, die in einer Prinzipskizze (Abb. 50) vereinfacht dargestellt wird (ARGE ELBE 1988) und grundsätzlich für alle Schwermetalle gilt:

a) Im limnischen Bereich schwanken die Schwermetallkonzentrationen erheblich, und zwar bei insgesamt verhältnismäßig niedrigen Schwebstoffgehalten zwischen 10 und 30 mg/l TS in Abhängigkeit von den durch hydrologische Bedingungen eingeschwemmten, unterschiedlich hoch belasteten Schwebstoffen aus dem oberen Einzugsgebiet.

b) Im oberen Bereich der Brackwasser- bzw. Trübungszone geht ein negativer Gradient der spezifischen Beladung im Längsprofil mit einem Anstieg der Schwebstoffgehalte einher. Erhöhte Schwebstoffgehalte in der Trübungszone resultieren aus der Einmischung eines erhöhten Anteils geringer belasteter Schwebstoffe aus dem unteren Gebiet, mit der Folge, daß der Anstieg der Schwebstoffgehalte von rund 30 mg/l auf über 100 mg/l in der Regel mit einer Abnahme der spezifischen Beladungen gekoppelt ist.

c) Im unteren Bereich der Trübungszone nehmen Schwebstoffgehalte und spezifische Schwermetallkonzentrationen seewärts ab. Hierfür ist eine weitere Verdünnung mit marinem Material auf kleinerem Schwebstoffkonzentrationsniveau neben (in geringerem Maße) Desorptionseffekten (z.B. Cadmium) verantwortlich.

3.4.1.4 Remobilisierung

Ein großer Teil von ökologisch relevanten Spurenstoffen ist im Schwebstoff gebunden und wird auf der Gewässersohle durch Sedimentation deponiert. Diese Flußsedimente, insbesondere die des Hamburger Hafens, sind daher stark (allerdings mit abnehmender Tendenz, s.a. Kap. 2.2) mit Schwermetallen und anderen chemischen Verbindungen verunreinigt (LICHTFUSZ & BRÜMMER 1977). Die Sedimente sind damit eine Senke für viele verunreinigende Wasserinhaltsstoffe. Der effizienteste Fixierungsprozeß von Schwermetallen in das umgebende Sediment tritt bei der Bildung von freien Sulfiden auf, besonders im sauerstofffreien (anoxischen) Milieu der tieferen Schichten (s.a. MATERIALBAND III). Die Sedimentschichten im Hafenbereich und unterhalb davon sind innerhalb weniger Millimeter Tiefe bereits anoxisch. Werden diese anoxischen Sedimente einem sauerstoffreicheren Milieu ausgesetzt, beispielsweise durch Baggerarbeiten oder erhöhte Strömungen und Turbulenzen bei Sturmfluten, so können die gebundenen Schwermetalle wieder remobilisiert werden. Es wird davon ausgegangen, daß ca. 5% der partikulär gebundenen Schwermetalle remobilisiert werden (PETERSEN et al. 1995).

Zur Mobilisierung von Schwermetallen wurden mit anoxischen Sedimentproben u.a. aus der Elbe Langzeitexperimente im oxischen Milieu und bei konstanten pH-Werten durchgeführt (WILLAMOWSKI 1994). Dazu wurden Sedimentkerne mit einem Durchmesser von 19 cm in hoher vertikaler Auflösung (1 mm-Schnitte) betrachtet, um die entscheidenden Veränderungen in den ersten Millimetern zu erfassen. Das Porenwasser wurde unter Stickstoffatmosphäre abgepreßt. Mit Mikroelektroden wurde eine Sauerstoff-Eindringtiefe von 3 mm gemessen. Es ergaben sich Anreicherungen der Schwermetalle Kupfer und Cadmium in den ersten Millimetern, die auf verstärkte Mineralisierungsprozesse in der oxischen Grenzschicht zurückzuführen sind. In den tieferen Schichten werden diese Schwermetalle wieder durch die Bildung von unlöslichen Sulfiden fixiert. Die erhöhten Konzentrationen von Cadmium und Kupfer in der oxischen Grenzschicht gegenüber dem überstehenden Wasser bewirken einen diffusiven Fluß ins Freiwasser, der aus den Konzentrationsprofilen abgeschätzt werden kann. Für Cadmium errechnete sich ein Fluß von 0,6 mmol pro m3 pro Tag und für Kupfer 8 mmol pro m3 pro Tag (KNAUTH & SCHROEDER 1994). Ein Vergleich mit dem Eintrag von Spurenelementen in das Sediment über die Sedimentation von Schwebstoff ergab, daß bis zu 40% der über den Schwebstoff per Sedimentation eingetragenen Schwermetalle wieder freigesetzt werden können (PETERSEN et al. 1995).

In Laborversuchen mit Elbwasser wurde von WILKEN et al. (1990) die Umsetzung von Quecksilbersalzen zu flüchtigen Verbindungen gemessen. Diese Umsetzungen betrugen nach der ersten Stunde 10%, nach einigen weiteren Stunden 30% des zudotierten Quecksilbersalzes. Die Konzentration an hochgiftigem Methylquecksilber in Elbesedimenten betrug bis zu 8% des Gesamtquecksilbergehaltes. Da die Umsetzungen bakteriell bedingt sind, wird vermutet, daß die Bakterien in der Elbe wegen der schon lang andauernden und hohen Quecksilberbelastung des Flusses - bei durchschnittlichen Konzentrationen oberhalb Hamburgs von ca. 20 mg/kg Hg im Sediment (natürlicher Untergrund: ca 0,3 mg/kg) - an dieses System besonders adaptiert sind.

Ein Großteil der Umsetzung erfolgt, wie beschrieben, innerhalb weniger Stunden nach der Zugabe des ionischen Quecksilbers. Daraus läßt sich der Schluß ziehen, daß eine Umsetzung durch Mikroorganismen nur dann rasch vonstatten geht, wenn das Quecksilber in einer für die Mikroben verfügbaren Form vorliegt. Weiterhin kann angenommen werden, daß die Umsetzungen durch Mikroorganismen im Sediment in Konkurrenz zu Umsetzungen an Oberflächen und Wasserinhaltsstoffen, wie Schwebstoffen und Huminstoffen, steht. Die Verflüchtigung von Hg-Spezies findet vor allem nach der Einleitung von Quecksilber in ionischer Form statt oder wenn die Bindungszustände des adsorbierten oder chemisch gebundenen Quecksilbers verfügbar werden: dies kann der Fall sein bei Einleitung von Stoffen, die um die Bindungsplätze des Quecksilbers konkurrieren, bei Änderungen des pH-Wertes, bei Erhöhung des Sauerstoffgehaltes oder bei Salzgehaltsänderungen in der Mischungszone eines Ästuars.

Unter Laborbedingungen sind im Vergleich zur Bioturbation die Beiträge zur Diffusion von Schwermetallen vernachlässigbar. Unter realen Verhältnissen besteht allerdings die Möglichkeit, daß die Diffusionsprozesse eine größere Rolle spielen (WILKEN & BENDLER 1984).

3.4.2 Organische Schadstoffe

Neben Schwermetallen tragen vor allem organochemische Spurenstoffe zur Belastung der Elbe bei. Die hier vorkommenden umweltrelevanten chlorierten Kohlenwasserstoffe (CKW) sind zum ganz überwiegenden Teil anthropogen. Daher muß die natürliche Grundbelastung der Elbe hinsichtlich dieser gewässerfremden Stoffe generell mit "Null" angesetzt werden.

Die analytische Bestimmung und Quantifizierung von organischen Verbindungen ist weit komplexer als bei Schwermetallen. Das gesamte Spektrum der organischen Stoffe in der Elbe ist noch längst nicht vollständig bekannt; auf viele Verbindungen (vor allem Abbau- und Reaktionsprodukte synthetischer Stoffe) stößt man bei einem Screening zum ersten Mal, so daß über deren physikalisch-chemische, geschweige denn toxikologische Eigenschaften keine Aussage gemacht werden kann.

Die bislang bekannten organischen Schadstoffe in der Elbe weisen ein charakteristisches, fingerprintartiges Muster in den Konzentrationsbeziehungen auf, in dem vor allem Hexachlorbenzol (HCB) und Octachlorstyrol (OCS) elbespezifisch sind. Damit kann der Elbeeinfluß selbst in der Nordsee noch nachgewiesen werden.

In den letzten Jahren hat sich die Belastung der Elbe - und damit speziell auch der Unter- und Außenelbe - hinsichtlich der wichtigsten CKW deutlich gebessert (s.a. Kap. 2.2). Dies gilt indessen - ähnlich wie bei den Schwermetallen - nicht für alle Stoffe: einige Insektizide z.B. zeigen neben Belastungsspitzen in Korrelation zu erhöhtem Oberwasserabfluß weitere, bisher nur vage interpretierbare Maximalwerte bzw. Fluktuationen. Eine besondere Rolle spielen die sog. PBSM, d.h. die Pflanzenbehandlungs- und Schädlingsbekämpfungsmittel (z.B. Lindan, DDT und deren Derivate), die vor allem im Oberlauf der Elbe durch landwirtschaftliche Produktion in den Fluß gelangen. Um die Zeit der politischen Wende in Deutschland (1989 bis 1991) waren die Frachten dieser Stoffe durch Betriebs-Stillegungen stark zurückgegangen. Als eine Folge der danach einsetzenden "Wiederankurbelung" der (Land-) Wirtschaft in Verbindung mit der auf die Neuen Bundesländer beschränkten Sondergenehmigung für den Verbrauch alter Pestizidbestände sind heute wieder vermehrt PBSM-Rückstände in den Elbwasserproben nachzuweisen. Problematisch gerade in Hafenbereichen, gleichermaßen Wirtschaftshäfen wie Sportboothäfen, sind die zinnorganischen Verbindungen in Sedimenten und Schwebstoffen, die aus der Verwendung von Antifouling-Schiffsfarben stammen.

Die Fähigkeit der CKW, sich an Schwebstoffe anzulagern, wächst mit abnehmender Wasserlöslichkeit (s.a. MATERIALBAND III). Ein ähnliches Verhalten ist auch hinsichtlich der Flüchtigkeit der Substanzen bekannt: Schwer flüchtige Verbindungen, die erst bei hohen Temperaturen in die Gasphase übergehen, verbleiben in der Regel lange im aquatischen Milieu, insbesondere in Schwebstoffen und Organismen. Beispielsweise wird DDT, das aufgrund seiner sehr geringen Wasserlöslichkeit lediglich Konzentrationen von 1,2 mg/l im Wasser aufweist, zu 75 bis 100% an Schwebstoffe adsorbiert (GAUMERT 1992). Auch die CKW-Verbindungen HCB und PCB-138 zeigen eine hohe Adsorptionsaffinität gegenüber Schwebstoffen. Im Elbeästuar mit Schwebstoffgehalten > 20 mg/l liegen zumindest 80% und im Küstenbereich mit Schwebstoffgehalten > 1 mg/l ungefähr 50% von jeder Komponente schwebstoffgebunden vor (KNAUTH & STURM 1990; KNAUTH et al. 1991).

Der Effekt der Desorption bzw. Schadstoffmobilisierung durch Extremereignisse - wie hohe Oberwasserabflüsse oder Sturmfluten - sowie durch Eingriffe ins Sediment - wie Ausbaggern und Umlagerung - ist bisher nicht quantifizierbar.

3.4.2.1 Eigenschaften ausgewählter chlorierter Kohlenwasserstoffe

Dieser Bericht beschränkt sich auf die von der Internationalen Kommission zum Schutz der Elbe (IKSE) als prioritär angesehenen Stoffe, die in höheren Konzentrationen vorkommen und die aufgrund ihrer chemischen und physikalischen Eigenschaften vorzugsweise in Sedimenten und Schwebstoffen, aber auch in Organismen anzutreffen sind. Im folgenden wird auf die Eigenschaften dieser Stoffe eingegangen.

Hexachlorbenzol (HCB) C6 Cl6:

Ausgangsprodukt für die Herstellung verschiedener Pestizide. Es wird als Fungizid, Beizmittel und als Weichmacher eingesetzt und fällt bei der Herstellung von Lösungsmitteln in geringen Mengen an. Bei Temperaturen zwischen Oo und 30 o C ist es schwer flüchtig und nur gering wasserlöslich. HCB weist eine geringe akute Toxizität auf; aber aufgrund seiner äußerst hohen Persistenz findet im Fettgewebe, z.B. Fischen, eine starke Bio-Akkumulation statt. Hohe Belastungen können zu Stoffwechselstörungen und Organschäden führen. In Tierversuchen wurden fötotoxische10, schwach teratogene11 und kanzerogene12 Eigenschaften nachgewiesen. Mutagene13 Eigenschaften wurden nicht festgestellt. HCB zählt zu den nur sehr schwer abbaubaren chlorierten Kohlenwasserstoffen.

DDT (1-1 Dichlordiphenyl-2-2 Trichlorethan) C14Cl5H9:
DDD (1-1 Dichlordiphenyl-2-2 Dichlorethan) C14Cl4H10:
DDE (1-1 Dichlorphenyl-2-2 Dichlorethylen) C14Cl4H9:

DDT wurde bereits Ende des letzten Jahrhunderts entdeckt und erfuhr seitdem eine weltweite Anwendung. Aufgrund seiner hohen Persistenz (ca. 10 Jahre) und seiner lipophilen Eigenschaften hat die weit verbreitete Anwendung von DDT zu einer Belastung der gesamten Umwelt geführt. Es wird vornehmlich in den Körperfetten nahezu aller Organismen gespeichert. Inzwischen ist die Anwendung von DDT in zahlreichen Ländern verboten (u.a. auch in den alten Bundesländern; in den neuen Bundesländern gibt es aufgrund des Einigungsvertrages noch ein Weiternutzungsrecht, bis die Altbestände aufgebraucht sind). Bei Temperaturen zwischen O°C und 30°C ist DDT schwer flüchtig. Es wirkt als Kontakt-, Fraß- und Atemgift stark toxisch gegen Insekten. Hohe Dosierungen führen bei Warmblütern, z. B. Menschen, zu schweren Gesundheitsschäden. DDT ist sehr schwer abbaubar (in der Hydrosphäre weitgehend stabil, in der Atmosphäre abbaubar bis schwer abbaubar). Darüber hinaus gibt es zahlreiche Abbauprodukte des DDT, wobei DDD und DDE die bekanntesten sind und nahezu die gleichen Eigenschaften aufweisen wie das Ausgangsprodukt DDT.

Polychlorierte Biphenyle (PCB) C12ClnH10-n n 10:

PCB werden aufgrund ihrer niedrigen Dampfdrücke, hohen Viskosität, thermischen Stabilität, Chemikalienresistenz, minimalen Wasserlöslichkeit und hohen Dielektrizitätskonstanten als Transformatorenöle und Hydraulikflüssigkeit eingesetzt; die hochchlorierten PCB sind schwer flüchtig. Außerdem wurden PCB als Imprägniermittel für Holz und Papier und als Weichmacher für Kunststoffe verwendet. In Deutschland dürfen PCB nur noch in geschlossenen Systemen eingesetzt werden. PCB sind toxisch für Fische und Bakterien. Bei hohen Belastungen können bei Warmblütern Leber-, Milz- und Nierenschäden auftreten. Eine krebserzeugende Wirkung wird vermutet. Höher chlorierte PCB neigen zu stärkerer Bio-Akkumulation als niederchlorierte PCB. Dies ist auf die schwerere Abbaubarkeit der höher chlorierten PCB und die bessere Fettlöslichkeit zurückzuführen. PCB zeigen mit anderen Schadstoffen, z.B. Cadmium und DDT, synergistische Wirkungen. PCB gehören zu den sehr schwer bis nicht abbaubaren Verbindungen.

3.4.2.2 Stoffmuster in der Tideelbe

Zur Beurteilung der Belastung eines Flusses mit schwer flüchtigen Chlorkohlenwasserstoffen ist im Zusammenhang mit der hohen Adsorptionskapazität für lipophile Substanzen an festen Partikeln die Verteilung dieser Verbindungen im Sediment mit seinem Deponiecharakter sowie im Schwebstoff als Transportmedium von besonderer Bedeutung. Bei einer Untersuchung von STURM et al. (1986) wurden in einer Reihe von Elb-Sedimentproben 18 verschiedene CKW nachgewiesen, darunter auch Octachlorstyrol, das erst seit Mitte der 80er Jahre im Elbe-Ästuar identifiziert wurde.

Nach dieser Untersuchung bleiben trotz unterschiedlicher Konzentrationswerte im Längsprofil die Größenverhältnisse einzelner gaschromatographischer Peaks zueinander in den Elbsedimentproben verschiedener Stationen in der Tideelbe relativ konstant. Dieses stets gleichartige CKW-Verteilungsmuster aus verschiedenen Elbbereichen ist, verglichen mit Verteilungsmustern anderer Gewässer, charakteristisch für die Elbe. Primäres Merkmal ist ein dominierender Hexachlorbenzol (HCB)-Peak. Das CKW-Muster von Elbe-Schwebstoffen (Abb. 51) ist dem der Elbe-Sedimente (Abb. 52) sehr ähnlich. Zum Vergleich hierzu ein Gaschromatogramm der Wasserphase (Abb. 53). Neben den PCB-Kongeneren und den DDT-Metaboliten dominiert auch hier das HCB. Relativ zum Sediment liegen die CKW-Beladungen des Schwebstoffs im oberen Tideelbe-Bereich größenordnungsmäßig um den Faktor 2 bis 5 höher.

3.4.2.3 Saisonale Schwankungen

Bei Probennahmen im Mühlenberger Loch über einen Zeitraum von mehreren Monaten in vierwöchigem Zyklus zeigten sich deutliche jahreszeitliche Schwankungen, wie es in Abb. 54 am Beispiel des Oberflächensediments dargestellt ist (STURM et al., 1986). Vom Sommer bis zum Herbst 1984 wurde in diesem Flachwassergebiet für sämtliche CKW ein Konzentrationsanstieg bis zum Doppelten des Ausgangswertes festgestellt. Die Autoren vermuten, daß sich hier Ende September/Anfang Oktober durch Sedimentation von belasteten Schwebstoffen größere Mengen HCB an der Sedimentoberfläche abgesetzt haben. Allerdings müssen die beobachteten Konzentrationsschwankungen nicht zwangsläufig durch Ablagerung höher belasteter Schwebstoffe hervorgerufen werden; es sind auch räumliche Inhomogenitäten als Ursache denkbar.

3.4.2.4 Antifouling-Anstriche in Hafenschlicken

Zusätzlich zu den von oberstrom stammenden Frachten an Schwermetallen und chlorierten Kohlenwasserstoffen werden Schadstoffe durch industrielle Nutzung und Verschmutzung aus Hafenbereichen in die Elbe eingetragen. Nach wie vor werden in Deutschland die Gewässer und im besonderen die Häfen mit Antifouling-Farben aus der Schiffahrt belastet. Innerhalb der Europäischen Union hat dies zu Verboten dieser Farben für Schiffe unter 25m Länge geführt. Nach den Ergebnissen von JANTZEN & WILKEN (1991) sind die von ihnen untersuchten Hafensedimente aus Elbehäfen im internationalen Vergleich durchweg hoch mit Organozinnverbindungen kontaminiert. Allerdings scheint sich die Sediment- und die daraus resultierende Schwebstoffbelastung vor allem auf den Hamburger Hafen zu begrenzen; im Monitoring-Programm der ARGE Elbe werden daher die schwebstoffbürtigen Sedimente nur bei Seemannshöft, nicht aber weiter stromab (Grauerort und Cuxhaven) auf Organozinnverbindungen untersucht (Dies gilt im übrigen auch für die PAK, die an dieser Stelle nicht weiter behandelt werden). Beispielsweise lag der Jahresmittelwert der Tributylzinn-Konzentration im Schwebstoff bei Seemannshöft 1994 bei 125 µg/kg, wobei die Einzelwerte der Monatsmischproben zum Teil stark schwankten (ARGE ELBE 1996).

3.4.2.5 Zeitreihen an ausgewählten Stationen

Die Meßstelle Schnackenburg, die schon seit vielen Jahren als Referenzstation für den tideunbeeinflußten Bereich gilt, gibt die Belastungssituationen der Elbe noch oberhalb des Hamburger Hafenbereichs wieder (Abb. 55) (Daten: ARGE ELBE 1985 - 1994). Zwar zeigte sich dort Anfang der 90er Jahre bezüglich der CKW eine deutliche Besserung; aber Mitte der 90er Jahre verschlechterte sie sich in einzelnen Fällen wieder. Noch zu Zeiten des Bestehens der DDR konnte eine langsame Abnahme an Lindan (g-HCH) und seiner Abbauprodukte festgestellt werden, insbesondere nach der politischen Wende im Jahre 1989; Industriebetriebe mußten schließen, landwirtschaftliche Produktionen lagen brach, und infolgedessen wurden deutlich weniger Schadstoffe in das Elbe-Einzugsgebiet eingebracht. Nach Klärung der Besitzverhältnisse und der Wiederaufnahme (insbesondere) der landwirtschaftlichen Produktion wirkt sich nun aus, daß in den neuen Bundesländern Altpestizidbestände, wie Lindan, noch aufgebraucht werden dürfen (Abb. 56). Dies zeigt sich in einem Wiederanstieg der Frachten bis zum heutigen Tag, die zwar auch, aber nicht hinlänglich mit Oberwasserabflußeffekten zu erklären sind. Es überlagern sich nämlich generell zwei Effekte: zum einen die Abnahme der Schadstoffemissionen (infolge von Produktionseinstellungen in den letzten Jahren), zum anderen eine vermehrte Auswaschung von Böden und Sedimenten in Situationen mit erhöhtem Oberwasserabfluß. Über eine Remobilisierung von Schadstoffen aus belasteten Auen und Buhnenfeldern sowie in Verbindung mit Baggeraktivitäten laufen noch Untersuchungen; derzeit sind keine quantitativen Aussagen darüber möglich.

Insbesondere für das schon seit Jahren verbotene DDT und seine Derivate ist nach der Wende eine Zunahme (betrachteter Zeitraum: 1988 - 1994) feststellbar (Abb. 57). Bislang scheint es noch nicht gelungen (GAUMERT 1992; KNAUTH et al. 1993), diese Veränderungen in den DDT-Gehalten zu erklären. Ein Verschmutzer war nicht lokalisierbar. Allerdings fand DDT in Verbindung mit Lindan eine gezielte Anwendung bei großangelegten Waldschadensbekämpfungen noch zu Zeiten der DDR. Diese in den Böden gespeicherten Schadstoffe könnten noch über viele Jahre diffus in die Elbe gelangen und somit zu einer Erhöhung der Konzentrationen im Elbwasser führen.

Tab. 16 gibt für die Jahre 1988 bis 1994 die 90%-Werte der Schadstoffe a-HCH, g-HCH, p,p'- DDT, p,p'- DDD, pp'- DDE, PCB-138 und HCB wieder. Diese Daten wurden von monatlichen Mischproben aus Sedimentationsbecken an den von der ARGE-Elbe betriebenen Dauermeßstationen Bunthaus, Seemannshöft, Grauerort und Cuxhaven gewonnen (ARGE ELBE 1979-1993; ARGE ELBE 1994) und repräsentieren damit Konzentrationswerte dieser Schadstoffe in "schwebstoffbürtigen Sedimenten", also - mit gewissen Einschränkungen - in Schwebstoffen. Die hiernach erstellten Diagramme (Abb. 56 - 58) veranschaulichen für alle betrachteten Schadstoffe den starken Abfall von Bunthaus bis Cuxhaven. Besonders auffällig sind die hohen Konzentrationen von HCB (Abb. 58) bei Bunthaus (ca. 1000 µg/kg). Weder für HCB noch Lindan lassen sich im betrachteten Zeitraum 1988 - 1994 eindeutige Langzeittrends erkennen.

3.4.2.6 Sediment-Längsprofile

Ein von den Autoren STURM et al. (1986) erstelltes Sediment-Längsprofil zeigt ein relativ konstantes CKW-Verteilungsmuster; jedoch ergeben sich ortsabhängige Variationen in den CKW-Konzentrationen. In Abb. 59 ist die Verteilung von HCB, stellvertretend für alle anderen CKW dargestellt. Ein ähnliches Bild im Elbe-Längsprofil erhält man für den prozentualen Anteil an organisch gebundenem Kohlenstoff sowie für den Gehalt an Quecksilber in der Sedimenttrockenmasse (s. Abb. 60). Dies ist ein Hinweis darauf, daß sowohl CKW als auch Quecksilber in Elbsedimenten häufig dort vorkommen, wo das Angebot an organischer Materie groß ist. Darüber hinaus ist die Korngröße von Sedimentpartikeln als Kriterium zur Bewertung von Schadstoffbelastungen von Bedeutung, da die Schadstoffe überwiegend in der Korngrößenfraktion < 20 µm gebunden sind (s.a. MATERIALBAND III).

3.4.3 Sauerstoff und Nährstoffe

3.4.3.1 Einflußfaktoren

Die Parameter Sauerstoff und Nährstoffe dienen primär der Einschätzung der Gefährdung der Gewässerfauna und -flora durch kommunale und industrielle Abwässer, die biologisch leicht abbaubare Stoffe enthalten. Die daran orientierte Einstufung der Gewässergüte ist zugleich ein Kriterium für mögliche Gesundheitsgefährdungen des Menschen, wenn das Gewässer z.B. für die Gewinnung von Trinkwasser oder als Erholungsraum genutzt wird. Im letztgenannten Fall ist außerdem der hygienische Gewässerzustand (bakterielle Belastung) ein wichtiges Qualitätskriterium.

Die Belastung mit Nährstoffen betrifft ebenfalls die Eignung des Wassers für die Industrie, z.B. als Prozeß- und Kühlwasser. So wird z.B. durch hohe Nährstoffkonzentrationen der bakterielle Bewuchs in Wärmetauschern und Rohrleitungen gefördert. Die mikrobiellen Biofilme können diese verstopfen und zusätzlich die Metallkorrosion erheblich beschleunigen. Dieses Biofouling ist ein weit verbreitetes Problem und ein großer Kostenfaktor.

Nachweislich sind heute in der Tideelbe keine nennenswerten Direkteinleitungen leicht abbaubarer Stoffe mehr vorhanden, und seit der Wende ist auch die Nährstoffzufuhr aus der Mittelelbe erheblich zurückgegangen. Die nach wie vor bestehende Belastung des Sauerstoffhaushaltes in der Unterelbe kann daher, wie noch ausgeführt werden wird, nicht mehr aus dem direkten Abbau dieser organischen Nährstoffe und von Ammonium hergeleitet werden.

Aus den Meßdaten der Wassergütestelle Elbe ist jedoch nicht ersichtlich, welche Nährstoffe und Nährstoffmengen zur Zeit aus diffusen Quellen (Regen und Dränagewässer aus landwirtschaftlichen Nutzflächen) oder tatsächlich nur aus dem natürlichen Stoffumsatz im Gewässer selbst stammen. Dies gilt besonders für die Unterelbe, wo ständig große Feststoffmengen umgelagert, in Seitenräumen deponiert oder von dort mitsamt ihrem Nährstoffinventar remobilisiert werden. Diese Nährstoffeinträge können ebenfalls nicht aus den Naturmeßdaten der Wassergütestelle Elbe gesondert herausgefiltert und quantifiziert werden, weil deren Meßstrategie nicht auf eine selektive Erfassung dieser Feststofftransportvorgänge abzielt, sondern auf eine möglichst hohe Repräsentativität der Meßwerte für die Stoffverteilung im gesamten Wasserkörper.

Bei der Interpretation und Bewertung dieser Meßwerte ist deshalb davon auszugehen, daß sie keine singulären Effekte wiedergeben, sondern primär das Resultat aller auf die Nährstoff- und Sauerstoffkonzentration einwirkenden Prozesse sind. So läßt sich beispielsweise nicht getrennt berechnen, in welchem Maße das aus dem Porenwasser remobilisierter Sedimente freigesetzte Ammonium zur Sauerstoffzehrung beiträgt. Deshalb können mit diesen Daten auch nicht die Effekte wasserbaulicher Feststoffumlagerungen auf den Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt der Tideelbe selektiv quantifiziert werden, obwohl derartige Effekte, wie gezielte Meßprogramme zeigen, grundsätzlich auftreten (NETZBAND 1996). - Eine Übersicht über die Umsatzprozesse bei der biochemischen Oxidation organischer Substanz unter dem Aspekt von Wechselwirkungen gelöster und partikulärer Stoffe im Wasserkörper findet sich im MATERIALBAND III.

Der Einfluß auf den Sauerstoffhaushalt beruht neben der genannten Freisetzung von Nährstoffen auch darauf, daß die am Schwebstoff festsitzenden Bakterien einen Anteil von ca. 60% - 90% an der gesamten bakteriellen Aktivität im Wasserkörper haben. Sie tragen damit entscheidend zum bakteriellen Stoffumsatz in der Elbe bei. Deshalb wurden bei der Interpretation der räumlichen und zeitlichen Unterschiede im Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt auch die lokalen Unterschiede im Feststofftransportgeschehen berücksichtigt.

Für die Beschreibung des Ist-Zustandes wurden die im folgenden aufgeführten Parameter einer umfangreichen statistischen Auswertung unterzogen, wobei nur die Sauerstoffparameter und die genannten gelösten anorganischen Nährstoffparameter zur Bewertung der Gewässergütesituation herangezogen werden, weil nur für sie allgemein verbindliche Bewertungskriterien existieren:

  • Sauerstoffkonzentration (mg/l), -sättigung (%), -zehrung (BSB5),
  • Ammonium- (mg-N/l), Nitrat- (mg-N/l), Phosphatkonzentration (mg-P/l),
  • Konzentration an gelöstem organischen Kohlenstoff (DOC),
  • Schwebstoffkonzentration (mg/l).

Die Ergebnisse aller durchgeführten statistischen Analysen sind im Anhang zu den MATERIALBÄNDEN II a und b dokumentiert. Datengrundlage sind, wie bereits mehrfach in vorangegangenen Kapiteln erwähnt, die Meßergebnisse aus den monatlichen Längsprofilen des ARGE-Meßprogramms. Den jährlich herausgegebenen Zahlentafeln zu den "Wassergütedaten der Elbe" (ARGE ELBE 1979 - 1993) können in aller Ausführlichkeit sowohl die Lage der einzelnen Meßpunkte, die Probennahmetechnik und -zeitpunkte als auch die Analysenverfahren für die einzelnen Parameter entnommen werden. Sie werden deshalb in diesem Gutachten nicht noch einmal gesondert dargestellt, zumal diese Berichte länderweit verbreitet und in zahlreichen Fachbehörden und -bibliotheken verfügbar sind und somit als bekannt vorausgesetzt werden können.

Des weiteren wurden folgende Längsprofil-Meßdaten (ARGE ELBE 1979-1993) statistisch ausgewertet:

  • BSB7,
  • Nitritkonzentration (mg-N/l),
  • Wassertemperatur,
  • pH-Wert,
  • Glühverlust der Schwebstoffe.

Die Ergebnisse dieser Auswertung werden im Gutachten nur insoweit verwendet, als sie für die hier zu behandelnden Fragestellungen relevant sind. Im vorliegenden Gutachten erfolgt keine Analyse von wissenschaftlichen Untersuchungsergebnissen, die sich mit der spezifischen Zusammensetzung der schwebstoffgebundenen Bakterienflora und deren speziellen Stoffwechselaktivitäten auseinandersetzen. Der mögliche Einfluß spezieller Bakteriengruppen auf den Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt der Elbe bleibt nach den Ergebnissen der Datenauswertungen weiterhin Gegenstand der wissenschaftlichen Diskussion. Abschätzungen, die auf den ausgewerteten Daten beruhen, werden jedoch vorgestellt und Ergebnissen vergleichbarer wissenschaftlicher Betrachtungen gegenübergestellt.

Gesonderte Auswertungen wurden bezüglich des Oberwassers (s. Kapitel 3.1.3 "Ergebnisse der statistischen Analyse") und der in der Elbe transportierten Tidewassermengen vorgenommen (s. entsprechenden Abschnitt in diesem Kapitel). Weiterhin werden in diesem Kapitel die Bedeutung der Faktoren Licht und Verweilzeit des Wasserkörpers für die biogene Sauerstoffproduktion und Sauerstoffzehrung beschrieben und kurz auf die Bedeutung des physikalischen Sauerstoffeintrags für den Sauerstoffhaushalt in der Tideelbe eingegangen.

- Physikalischer Sauerstoffeintrag:

Aufgrund der Tatsache, daß das Verhältnis zwischen Wasserfläche und -volumen in der Unterelbe bei Hamburg nur noch 0,1 m2/m3 beträgt, während es in der oberen Tideelbe noch 0,5 m2/m3 ist, muß davon ausgegangen werden, daß der Sauerstoffeintrag über die Atmosphäre im Bereich des Sauerstofftals geringer ist als in den weniger stark vertieften Abschnitten der Tideelbe (ARGE ELBE 1984). In den mathematischen Berechnungsansätzen für den physikalischen Sauerstoffeintrag ist darüber hinaus auch der durch die Wasserbewegung (Strömungen) verursachte Sauerstofftransport von der Wasseroberfläche in die tieferen Wasserschichten enthalten.

Nach IMHOFF (1976) kann der Sauerstoffeintrag E (in g/m2 £d) aus dem Sauerstoffgehalt O (in mg O2 / l), dem Sauerstoffsättigungswert S (in mg O2 / l ) und der Wassertemperatur T (in °C) mit einem von der mittleren Strömungsgeschwindigkeit und der Wassertiefe abhängigen Koeffizienten k nach folgender Gleichung bestimmt werden:

E = (1 - O/S) £ k £ 1,024 T

Der Zahlenwert dieses Koeffizienten beträgt in der Unterelbe 6,22. Der Einfluß des aktuellen Sauerstoffdefizites liegt zahlenmäßig zwischen 0 und 1; der Temperatureinfluß geht mit Werten zwischen 1 und 2 in die Formel ein.

Die aus den Zahlenwerten ersichtliche relativ große Bedeutung der Wasserbewegung für den physikalischen Sauerstoffeintrag ergibt sich bereits aus den Laborexperimenten von JAAG (1954). Im Vergleich zu stehendem Wasser genügen bereits Strömungsgeschwindigkeiten von 0,5 bis 2 cm/s, um den Sauerstofftransport in tiefere Wasserschichten zu beschleunigen.

Aufgrund der Tatsache, daß für den turbulenten vertikalen Wasseraustausch im Hauptstrom der Tideelbe mindestens Strömungsgeschwindigkeiten von 80 cm/s (bei voll entwickeltem Tidestrom) anzusetzen sind, wird davon ausgegangen, daß die Hydrodynamik für den Sauerstoffeintrag aus der Atmosphäre von erheblicher Bedeutung ist, zumal bei diesen Überlegungen der Faktor Wellenbewegung noch nicht berücksichtigt wurde. Beobachtungen von KOPPE (1983) an der Ruhr zeigen, daß dort durch Wellenschlag ein zusätzlicher physikalischer Sauerstoffeintrag von 30 - 100% hervorgerufen wurde. Es ist deshalb wahrscheinlich, daß vor allem in Bereichen mit starkem Schiffsverkehr ein hoher physikalischer Sauerstoffeintrag in den Wasserkörper zu verzeichnen ist. Für die quantitative Erfassung dieser Einflußgröße gibt es jedoch zur Zeit noch keine allgemein anerkannten Berechnungsverfahren, so daß genauere Angaben dazu nicht möglich sind.

- Einfluß der Wassertemperatur:

Hohe Wassertemperaturen beschleunigen die mikrobielle Aktivität und verringern die Sauerstofflöslichkeit im Wasser. Hohe Sauerstoffkonzentrationen sind deshalb im Wasserkörper nur dann vorhanden, wenn die Sauerstoffproduktion durch Algen die Sauerstoffzehrung durch Bakterien und den Sauerstoffschwund durch die geringere physikalische Löslichkeit mindestens kompensiert. Geringe Sauerstoffkonzentrationen treten immer dann auf, wenn die bakterielle Sauerstoffzehrung deutlich überwiegt.

Für die Beurteilung der Gewässergüte ist deshalb die Zeit hoher mikrobieller Aktivität, also die Sommersituation, von maßgeblicher Bedeutung. Aus den Wintermeßwerten läßt sich jedoch die generelle Nährstoffbelastung der Elbe besser abschätzen, weil die Nährstoffkonzentrationen dann durch bakteriellen Abbau und Algenproduktion nur wenig verändert werden.

Eine ausführliche Auswertung der Temperaturmeßdaten der Wassergütestelle Elbe (monatliche Längsprofile von 1980 bis 1993) kann dem gesonderten Anhang zu den MATERIALBÄNDEN II a und b entnommen werden. Daraus wird deutlich, daß im Längsprofil der Tidelelbe keine gravierenden Temperaturunterschiede auftreten, bis auf die Tatsache, daß die Nordsee im Sommer (Mittelwerte der Monate April bis September) etwas kälter ist als die Elbe. So beträgt der Temperaturunterschied zwischen den Untersuchungsabschnitten I und VII durchschnittlich 3° C.

Der Statistik kann weiterhin entnommen werden, daß der Monat April im Vergleich zu den übrigen, dem Sommerhalbjahr zugewiesenen Monaten, erheblich kälter ist, und der Monat Oktober im Vergleich zu den übrigen, dem Winterhalbjahr zugewiesenen Monaten, erheblich wärmer. Die jahreszeitliche Einteilung wurde insofern nicht streng nach einem Temperaturgrenzwert vorgenommen, sondern sie orientiert sich primär an den meßbaren Wirkungen der (mikro)biologischen Aktivität, also beispielsweise den Sauerstoff- und Nährstoffkonzentrationswerten. Diese Werte weisen eher den Monat April als Beginn der jahreszeit- (bzw. temperatur-) bedingten mikrobiologischen Aktivität und den Monat Oktober als dessen Ende aus. Die 'Sommerwerte' aller Parameter sind somit immer die Mittelwerte aus den Monaten April bis September und die 'Winterwerte' entsprechend aus den Monaten Oktober bis März.

Aus den jährlich herausgegeben Zahlentafeln der Wassergütestelle Elbe kann entnommen werden, daß zwischen dem Hauptstrom der Elbe und den Nebenelben keine signifikanten Temperaturunterschiede bestehen. Aus diesem Grund wurden die in den Nebenelben gewonnenen Meßdaten nicht gesondert ausgewertet, sondern die Auswertung wurde, wie bei den übrigen Parametern auch, auf die vorgegebenen 7 Untersuchungsabschnitte beschränkt. Neueste Untersuchungen an einem neugeschaffenen Priel in der oberen Tideelbe belegen zudem, daß selbst im Hochsommer bei intensiver Sonneneinstrahlung nur eine geringe kurzzeitige Aufheizung (bis ca. 2°C) von Flachwassergebieten gegenüber der Stromelbe erfolgt, so daß von den in den Nebenelben verweilenden Wasserkörpern keine temperaturbedingten Wirkungen auf die Gewässergüte der Elbe ausgehen dürften (GOLOMBEK et al. 1996).

Insofern gelten die auf die einzelnen Untersuchungsabschnitte bezogenen Ergebnisse der statischen Auswertungen aller betrachteten Parameter gleichermaßen auch für die in diesen Elbabschnitten gelegenen Nebenelben. Die dort im Tideverlauf oder im Tag/Nachtzyklus auftretenden Konzentrationsänderungen übertreffen z.B. beim Sauerstoff oder bei den anorganischen Nährstoffen die durch die Statistik ohnehin ausgewiesene Variabilität der Naturmeßdaten nicht. Sie sind somit für die Beschreibung und die anschließende Bewertung der Gewässergütesituation im Ist- Zustand von untergeordneter Bedeutung und werden in diesem Gutachten daher nicht weiter numerisch betrachtet.

- Einfluß des Lichtes:

Mit der Zunahme des Lichtangebotes (Globalstrahlung) im Frühjahr bewirkt die Sauerstoffproduktion durch Algen dort einen Anstieg der Sauerstoffkonzentration, wo die Trübstoffe im Wasser keine Lichtlimitierung der Algenaktivität verursachen. Dies ist lediglich in der oberen Tideelbe und in den Flachwassergebieten der Unterelbe gegeben, so daß dort häufig im Sommer Sauerstoffkonzentrationen bis oberhalb der physikalischen Sättigungsgrenze gemessen werden.

In den übrigen Elbabschnitten verschlechtern vor allem die Schwebstoffe das Lichtklima so sehr, daß die Sauerstoffproduktionszone nur bis in eine Wassertiefe von maximal zwei Metern reicht. So ist vor allem in der Unterelbe die Sauerstoffproduktion durch Lichtmangel aufgrund erhöhter Trübung und größerer Wassertiefen erheblich eingeschränkt.

- Einfluß der Verweilzeit:

Aus Abb. 61 (aus BERGEMANN et al. 1996) ist ersichtlich, wie stark die Verweilzeit eines fiktiven Wasserkörpers durch dessen Tidebewegung bei sich vergrößerndem Querschnitt im Längsverlauf der Elbe ansteigt. Zugleich wird auch der Oberwassereinfluß deutlich: Hohes Oberwasser verringert die Verweilzeit, geringes Oberwasser erhöht sie.

Bei gleichbleibender Anzahl, Stoffwechselaktivität und Nährstoffversorgung der Bakterien ist die stärkste Sauerstoffzehrung generell dort zu erwarten, wo die Verweilzeit, also die zum Abbau der Nährstoffe verfügbare Zeit, am größten ist. Besonders ungünstige Sauerstoffverhältnisse sind deshalb im Sommer bei geringem Oberwasser in der Unterelbe vorhanden.

Für die Quantifizierung und Bewertung der Wirkungen des bakteriellen Stoffumsatzes auf den Sauerstoffhaushalt in den einzelnen Untersuchungsabschnitten sind daher die bei geringem Oberwasser im Sommer gemessenen Nährstoff- und Sauerstoffwerte entscheidend.

- Einfluß der Tidewassermengen (Vermischungsproblematik)

Bei der Beschreibung der Sauerstoff- und Nährstoffsituation im Hamburger Stromspaltungsgebiet (Untersuchungsabschnitt 2) wurden zusätzlich auch die auf Vermischungsvorgängen beruhenden Änderungen von Stoffkonzentrationen berücksichtigt. Dafür wurden die beim Amt Strom- und Hafenbau verfügbaren Ergebnisse hydrodynamisch-numerischer Modellrechnungen des Danish Hydraulic Institutes (DHI 1983) über die Zunahme der Ebbstromvolumina in den Untersuchungsabschnitten I, II und III zugrundegelegt, da eine entsprechende Auswertung nicht Bestandteil des Gutachtens der BAW-AK zur Hydromechanik ist (MATERIALBAND I).

In den Meßwertetabellen des DHI sind die Ebbstromvolumina nur für die Süderelbe berechnet. Zur Ermittlung des Gesamtvolumenstromes wurden nach Rücksprache mit dem Amt Strom- und Hafenbau die folgenden Verteilungsverhältnisse der Wassermengen auf die Norder- und Süderelbe angenommen. Sie wurden zuvor anhand der DHI-Rechenwerte für die Süderelbe überprüft. Danach hat die Süderelbe bei den folgenden Oberwassersituationen jeweils den folgenden Anteil am gesamten Wassertransport bei Ebbe:

  • Oberwasser 200 - 1.200 m3/s: 67%
  • Oberwasser 1.800 m3/s: 57%
  • Oberwasser 2.400 m3/s /s: 57%
  • Oberwasser 3.600 m3/s /s: 56%

In den vom Amt Strom- und Hafenbau bereitgestellten DHI-Wertetabellen sind jeweils die Süderelbe-Ebbstromvolumina für die Oberwasserwerte 200, 400, 700, 1.200, 2.400 und 3.600 m3/s angegeben. Die Längsprofilmessungen der Wassergütestelle Elbe umfassen jedoch davon abweichende spezifische Abflußsituationen. Die dazugehörigen Volumenströme wurden aus den DHI-Rechenwerten für die o.g. Oberwasserwerte durch lineare Interpolation ermittelt.

Zur Quantifizierung möglicher Vermischungseffekte wurde berechnet, welche Stoffkonzentrationen sich an den DHI-Modellnetzpunkten in den Untersuchungsabschnitten 1-3 ergeben, wenn als Ausgangskonzentration für die obere Tideelbe die Sauerstoff- und Nährstoffmeßwerte am Wehr Geesthacht (Strom-km 589) und für die Unterelbe die zur gleichen Zeit bei Strom-km 650, 653 und 655 ermittelten Konzentrationswerte (als Mittelwert) eingesetzt werden. Betrachtet wurden jeweils einzelne Beispiele von Längsprofilen aus der Sommersituation, weil sich immer dann beide Elbabschnitte aufgrund der unterschiedlichen Intensität und Qualität biologischer Stoffwechselprozesse in ihren Nährstoff- und Sauerstoffkonzentrationen deutlich voneinander unterscheiden. Die vermischungsbedingte Verringerung der Eingangskonzentration am Wehr Geesthacht in Stromab-Richtung ergibt sich rechnerisch aus der proportional zur Wasservolumenzunahme (DHI-Rechenwerte für unterschiedliches Oberwasser) verlaufenden theoretischen Zumischung von Wasser mit dem für die Unterelbe angesetzten Konzentrationswert.

Da die Meßwerte aus der Unterelbe schon den postulierten Vermischungseffekt beinhalten, sind mit diesem Rechenansatz nicht die tatsächlichen vermischungsbedingten Konzentrationsänderungen berechenbar, es wird aber dadurch der minimale Effekt abschätzbar. Der maximal mögliche vermischungsbedingte Konzentrationsgradient ergibt sich dagegen, wenn die Ausgangskonzentration in der Unterelbe jeweils gleich null gesetzt wird (s. Abb. 62). Zwischen beiden Extremen liegen dann die tatsächlichen vermischungsbedingten Konzentrationsverläufe.

Im Vergleich mit den berechneten Konzentrationsänderungen ist aus den Verläufen der gemessenen Konzentrationsgradienten erkennbar, in welchen Teilbereichen des betrachteten Elbeverlaufes zu welcher Zeit z.B. biologische Produktions- und Abbauprozesse die Konzentrationsverläufe im Längsprofil bestimmen oder in welchen Fällen diese auch allein durch Vermischungsprozesse erklärbar wären.

Die gemeinsame Wirkung aller auf den Sauerstoff- und Nährstoffhaushalt einwirkenden Faktoren wird im folgenden Kapitel beschrieben, und zwar gesondert für alle einzelnen Untersuchungsabschnitte. Dort wird auch eine Einschätzung darüber vorgenommen, welchen Einfluß die politisch-wirtschaftliche"Wende" auf die aktuelle Gewässergütesituation in der Elbe hatte und heute noch hat.

3.4.3.2 Die Situation in den einzelnen Untersuchungsabschnitten (Abschnitte I - VII)

Wie bereits in Kap. 2.2 beschrieben wurde, basiert die Analyse des Sauerstoff- und Nährstoffhaushaltes in erster Linie auf den Meßergebnissen der Wassergütestelle Elbe aus den Jahren 1980 bis 1993 (monatliche Längsprofile). Die Daten der einzelnen Meßpunkte wurden entsprechend ihrer jeweiligen räumlichen Lage in den sieben Untersuchungsabschnitten zusammengefaßt und statistisch ausgewertet. Die Ergebnisse dieser Auswertung liegen in umfangreichen Tabellenwerken in dem gesonderten Anhang zu den MATERIALBÄNDEN II a und b vor. Die in diesem Kapitel präsentierten Ergebnisse sind somit ein Extrakt dieser Auswertungen und stützen sich letztlich auf 14 Jahre monatlicher Längsprofilmessungen in der Tideelbe.

Nicht im Detail ausgewertet wurden die Parameter Nitrit und Silikat. Nitrit ist lediglich ein kurzlebiges Zwischenprodukt der Ammoniumoxidation zu Nitrat und gehört nicht zu den Parametern, die allgemein zur Bewertung der Gewässergüte herangezogen werden. Wie die statistischen Auswertungen zeigen, ergeben sich auch keine signifikanten Konzentrationsunterschiede zwischen einzelnen Untersuchungsabschnitten. Gleiches gilt für den Parameter Silikat. Aus den Originalmeßdaten der Wassergütestelle Elbe geht allerdings hervor, daß dieser Stoff im Sommer offensichtlich weitgehend von den Kieselalgen aus dem Wasser eliminiert und von ihnen zum Aufbau ihrer verkieselten Schalen genutzt wird; denn die Silikatkonzentrationen gehen dann im gesamten Untersuchungsgebiet von durchschnittlich 5,5 mg-Si/l auf Werte um 0,1 mg-Si/l zurück, ohne daß es, wie bereits erwähnt, hierbei zu signifikanten Unterschieden zwischen den einzelnen Untersuchungsabschnitten kommt. Da es aus der Fachliteratur bisher keine Anhaltspunkte dafür gibt, daß die Algenentwicklung in der Tideelbe möglicherweise durch Silikatmangel beeinträchtigt wird, wurde dieser Parameter nicht weiter in die Analyse der Gewässergüte mit einbezogen und aus diesen Gründen auch nicht weiter statistisch ausgewertet.

o Untersuchungsabschnitt I:

In der Tab. 17(b) sind die Jahresmittelwerte für die o.g. Sauerstoff- und Nährstoffparameter aufgeführt, und zwar aus dem gesamten Meßzeitraum von 1980 bis 1993 und zusätzlich für die Zeit nach der Wende (Meßzeitraum 1990 bis 1993). Zusätzlich ist aus Tab. 17(a) ersichtlich, mit welcher Nährstoffvorbelastung das Elbwasser die obere Grenze des Untersuchungsgebietes, das Wehr Geesthacht, erreicht. Nur durch die Einbeziehung von Meßdaten stromauf vom Wehr Geesthacht wird z.B. der Belüftungseffekt des Wehres deutlich und erkennbar, in welchem Umfang in der oberen Tideelbe Nährstoffe abgebaut werden oder zusätzlicher Sauerstoff durch Algen produziert wird.

Zu Zeiten, wenn die Sauerstoffwerte vor dem Wehr Geesthacht noch deutlich unterhalb der Sättigungsgrenze liegen, ist je nach Wassertemperatur und Oberwassersituation mit einem Sauerstoffeintrag von 0,5 bis 1,5 mg/l am Wehr zu rechnen. Liegen die Werte dagegen an der Sättigungsgrenze bzw. darüber, dann erfolgt ein Austrag in die Atmosphäre. Übersättigungswerte treten seit der Wende regelmäßig im Sommer auf. Sie sind die Folge der deutlich angestiegenen Algenproduktion in der Mittelelbe im Vergleich zu früheren Jahren:

Heute werden oberhalb des Wehres zeitweilig Extremwerte von über 150% Sauerstoffsättigung gemessen, während in den Jahren zuvor die Sättigungsgrenze zumeist deutlich unterschritten wurde und Werte zwischen 50% und 70% keine Seltenheit waren. Ein Vergleich der Mittelwerte in den Tabellen 17(a) und 17(b) zeigt, daß seither eine durchschnittliche Verbesserung der Sauerstoffsättigungswerte um +25% eingetreten ist. Dies entspricht einer Zunahme der Sauerstoffkonzentration von fast 3 mg/l.

Ein weiterer Beleg für die deutlich angestiegene Algenproduktion sind die höheren pH-Werte. Sie lagen vor der Wende zwischen 7 und 8 und erreichen heute häufig Werte von 8 bis 9. Parallel mit dem Anstieg der Algenproduktion ist die Belastung mit Ammonium um ca. 1 bis 2 mg-N/l zurückgegangen (s. entsprechende Datenblätter "vor und nach der Wende" im Anhang zu den MATERIALBÄNDEN II a und b. Gleichzeitig treten im Sommer seit der Wende etwas höhere Nitratwerte auf. Da diese Erhöhung fast genau dem Betrag der Ammoniumkonzentrationsabnahme entspricht, ist sie vermutlich die Folge eines verbesserten bakteriellen Ammoniumabbaus (Nitrifikation) in der Mittelelbe.

Ein Vergleich der im Sommer gemessenen Ammoniumwerte in (a) und (b) zeigt, daß auch in der oberen Tideelbe noch eine, wenn auch geringe Nitrifikationsaktivität zu verzeichnen ist. Gegenüber der Vorbelastung (Eingangswerte am Wehr Geesthacht) verringern sich dort die Ammoniumkonzentrationen im Mittel um bis zu 0,5 mg-N/l.

Am Parameter DOC ist die Beeinflussung des Sauerstoffhaushaltes durch den bakteriellen Nährstoffabbau nicht abschätzbar. Da statt einer Abnahme des DOC sogar eine leichte Zunahme der Konzentration gelöster organischer Stoffe vorhanden ist, kann insgesamt davon ausgegangen werden, daß nur ein geringer Anteil des organischen Nährstoffpools aus leicht abbaubaren Substanzen besteht und daß dieser den Sauerstoffhaushalt in der oberen Tideelbe nur unwesentlich negativ beeinflußt.

Die Gewässergütesituation in der oberen Tideelbe ist deshalb primär durch eine intensive Algen- und damit Sauerstoffproduktion gekennzeichnet, welche die Sauerstoffzehrung durch Bakterien bei weitem überwiegt.

o Untersuchungsabschnitt II:

Die Tab. 18 zeigt die wesentlichen Güteparameter für diesen Elbabschnitt. Auch dort werden die Verbesserungen der Gewässergüte seit der Wende deutlich:

Die Sauerstoffkonzentrationen haben sich im Mittel um 1 bis 2 mg/l erhöht. Der Durchschnittswert ist heute 7 mg/l und betrug damals ca. 5 bis 6 mg/l. Im Vergleich zur oberen Tideelbe sind die Sauerstoffgehalte im Sommer jedoch um ca. 2 mg/l geringer.

Die Belastung mit Ammonium ist heute nur noch etwa halb so groß wie früher, obwohl das Konzentrationsniveau im Sommer auch damals schon sehr niedrig war. Es lag vor der Wende bei 1 mg-N/l. Die heutigen Belastungswerte von deutlich unter 1 mg-N/l bedeuten aus mikrobiologischer Sicht, daß die Nitrifikation in diesem Elbabschnitt substratlimitiert ist. Das bedeutet, bei diesem geringen Ammoniumangebot ist die Abbauleistung der Bakterien bereits erheblich reduziert. In kommunalen Kläranlagen wird von einer optimalen Nährstoffversorgung der nitrifizierenden Bakterien dann ausgegangen, wenn dort Ammoniumkonzentrationen von deutlich über 1 mg/l (bis 10 mg/l) vorhanden sind (KUNZ 1995).

Diese Überlegungen lassen vermuten, daß die Nitrifikation im Hamburger Stromspaltungsgebiet nur eine geringe absolute Menge Sauerstoff verbrauchen kann. Diese Aussage ist nicht gleichzusetzen mit dem prozentualen Anteil der Nitrifikation an der gesamten bakteriellen Sauerstoffzehrung, der, wie weiter unten begründet wird, vermutlich bei ca. 40% liegt.

Für eine Bakterienaktivität auf einem geringen absoluten Leistungsniveau spricht auch die Tatsache, daß der BSB5 in diesem Untersuchungsabschnitt im Vergleich zur oberen Tideelbe deutlich von 7,0 mg/l auf 5,4 mg/l zurückgegangen ist. Die praktisch gleich gebliebenen DOC-Konzentrationen zeigen darüberhinaus, daß im Wasserkörper kein meßbarer Abbau der durch den DOC erfaßten gelösten organischen Stoffe erfolgt ist. Er könnte auch nur dann innerhalb dieses Elbabschnittes mit dem Parameter DOC erfaßt werden, wenn dort größere Mengen leicht abbaubarer organischer Substanzen vorhanden sind. Dies ist offensichtlich nicht der Fall.

Der DOC repräsentiert somit vor allem schwer abbaubare organische Substanzen, z.B. Huminstoffe. Die relativ geringen weiteren Konzentrationsänderungen des DOC im Untersuchungsgebiet (s. entsprechende Datenblätter im im Anhang zu den MATERIALBÄNDEN II a und b) lassen erkennen, daß diese Aussage für die gesamte Tideelbe gilt.

Zur Klärung des Einflusses der bakteriellen Abbauprozesse auf den Sauerstoffhaushalt muß eine Einstufung der bakteriellen Aktivität i. S. v. hoch oder gering vorgenommen werden. Als Maßstab dafür wird hier, in Ermangelung besserer zur Verfügung stehender quantitativer Vergleichsmaßstäbe für natürliche Fließgewässer, der in Kläranlagen dafür übliche Parameter Schlammbelastung (kg BSB5 pro kg Schlammtrockenmasse) verwendet. Er quantifiziert in diesem Fall die an die Schwebstoffe gebundene spezifische Abbauleistung bzw. Sauerstoffzehrung.

Inwieweit tatsächlich meßbare Mengen der im Schwebstoff vorhandenen organischen Substanz von den Schwebstoffbakterien abgebaut werden ist seit längerem Gegenstand einer kontroversen wissenschaftlichen Diskussion. KERNER et al. (1995) vertreten die These, daß insbesondere die dem Schwebstoff zuzurechnenden Algen bevorzugt im Hamburger Elbabschnitt abgebaut werden und dort maßgeblich an der Entstehung von Sauerstoffdefiziten beteiligt sind, während sich aus anderen speziell auf die Analyse der partikelgebundenen bakteriellen Aktivität ausgerichteten wissenschaftlichen Arbeiten keine Hinweise darauf ergeben (s. u. a. BRUNHOEBER 1990, NEHLS 1990, HUMANN 1992).

Da es nicht die Aufgabe dieses Gutachten sein soll, die hier bestehende Kontroverse dadurch weiterzuführen, daß den bereits in der Literatur vorgenommenen Analysen der Daten der Wassergütestelle Elbe zur Schwebstoffzusammensetzung (z.B. Glühverlust und POC; s. BERGEMANN et al. 1996) lediglich eine andere Interpretation dieser Daten gegenübergestellt wird, wurde auf eine eigene Auswertung dieser Schwebstoffparameter verzichtet. Mögliche alternative Erklärungen zur Entstehung des Sauerstoffdefizites in der Unterelbe bei Hamburg, bzw. weitere Faktoren, die daran beteiligt sein könnten, werden jedoch in diesem Kapitel genannt.

Der in den folgenden Absätzen angeführte Parameter "Schlammbelastung" ist in diesem Zusammenhang als ein weiterer, bisher aus der elbespezifischen Literatur nicht bekannter Versuch anzusehen, die Bedeutung der Schwebstoffe für den Stoffumsatz in der Tideelbe abzuschätzen.

Aus der Abb. 63 wird deutlich, welcher Restbelastung in Kläranlagen die für die Elbe errechneten Schlammbelastungswerte (BTS) entsprechen, und welche Anteile die Nitrifikation und der Abbau leicht- und schwerabbaubarer organischer Substanz dann typischerweise an der Sauerstoffzehrung haben. Des weiteren können die Schwebstoffe in der Elbe dahingehend eingeschätzt werden, ob bei der vorhandenen Nährstoffversorgung eine zusätzliche bakterielle Biomasseproduktion (ein Schlamm- bzw. Schwebstoffzuwachs) möglich ist, und wie lange die Schwebstoffe in einer Kläranlage verweilt haben müßten (Schlammalter), um die berechnete Abbauleistung zu besitzen.

In Tab. 19 sind die BTS -Werte für die Schwebstoffe der Tideelbe aufgeführt. Im hier betrachteten Untersuchungsabschnitt ist dieser Wert ca. 0,3 und liegt damit in einem Bereich, wie er für Nitrifikationsschlämme typisch ist. Die bakterielle Sauerstoffzehrung beruht dann, wie aus Abb. 63 ersichtlich ist, zu ca. 30% auf dem Abbau organischer Substanzen (Substratatmung), zu ca. 30% auf der sogenannten endogenen Schlammatmung (Erhaltungsstoffwechsel der Bakterien) und zu ca. 40% auf Nitrifikation.

KERNER et al. (1995) gehen von einem Anteil der Nitrifikation an der Sauerstoffzehrung in Höhe von 20% aus. Dieser Wert gilt nach den Angaben dieser Autoren für eine Ammoniumkonzentration von 0,2 mg-N/l. Entsprechend geringe Ammoniumwerte sind im langjährigen statistischen Mittel z.B. im Untersuchungsabschnitt IV vorhanden. Unter den dort vorhandenen Nährstoffbedingungen ergibt sich aus den korrespondierenden Werten für die Schlammbelastung dann ebenfalls ein Anteil der Nitrifikation an der Sauerstoffzehrung von 20%. Insofern scheint der für die obere Tideelbe aus der Schlammbelastung ermittelte Zehrungsanteil der Nitrifikation von 40% bei den hier zugrundegelegten deutlich höheren Ammoniumkonzentrationen ein realistischer Wert zu sein. Man kann deshalb davon ausgehen, daß die in diesem Elbabschnitt und weiter stromab meßbaren Änderungen der Ammonium- und Nitratkonzentration durch die Nitrifikation bedingt sind.

Vergleicht man die Mittelwerte aus dem gesamten Untersuchungszeitraum von 1980 bis 1993 miteinander, dann erfolgt im Hamburger Stromspaltungsgebiet, je nach Oberwassersituation, ein leichter Rückgang des Ammoniums um 0,2 bis 0,4 mg-N/l und parallel dazu ein Anstieg des Nitrats in gleicher Höhe. Für den Zeitraum nach der Wende ist jedoch anhand der bisher verfügbaren Meßwerte nur der Nitratanstieg erkennbar. Dies liegt vermutlich an der noch zu geringen allgemeinen Datenbasis. So läßt sich z.B. noch nicht die Oberwasserabhängigkeit der Konzentrationswerte nach der Wende statistisch signifikant berechnen.

Aus Tab. 20 wird erkennbar, daß vor allem die Sauerstoffkonzentrationen bei geringem Oberwasser deutlich niedriger sind als bei hohem Oberwasser. Dieser Trend gibt einen Hinweis darauf, daß der räumliche Schwerpunkt des Nährstoffabbaus weiter stromab liegt. Wie noch gezeigt werden wird, sind die niedrigsten Sauerstoffkonzentrationen im Mittel in den Untersuchungsabschnitten drei und vier vorhanden.

Damit verbindet das Hamburger Stromspaltungsgebiet Bereiche der Tideelbe sehr unterschiedlicher Sauerstoff- und Nährstoffgehalte miteinander: Die obere Tideelbe mit Sauerstoffwerten im Bereich der physikalischen Sättigungsgrenze (bis hin zur Übersättigung) und die Unterelbe mit einer Zone sehr niedriger Sauerstoffkonzentration (Sauerstofftal) im Sommer.

Die hydrologische Sondersituation des Hamburger Stromspaltungsgebietes (s. Kap. 2.1) ist die eigentliche Ursache dafür, daß sich diese beiden Wasserkörper in ihrer Zusammensetzung so deutlich voneinander unterscheiden. Würde der Hamburger Hafen nicht existieren und damit seine Wirkung als hydrologische Barriere entfallen, dann könnten sich beide Wasserkörper bereits in der oberen Tideelbe sukzessive hinsichtlich ihrer Nährstoff- und Sauerstoffkonzentrationen einander angleichen. Die Folge wären sehr viel kleinere Konzentrationsänderungen pro Kilometer Fließstrecke als heute, wo der Konzentrationsausgleich bzw. Vermischungsprozeß beider Wasserkörper auf einer sehr viel kürzeren Fließstrecke stattfindet.

Dieser Vermischungsprozeß konzentriert sich heute auf das Hamburger Stromspaltungsgebiet und den unmittelbar angrenzenden Unterelbeabschnitt, weil praktisch die gesamte Flutwassermenge vom Hamburger Hafen sowie von der Norder- und Süderelbe absorbiert wird. Die dort im Sommer vorhandene Steilheit der Konzentrationsgradienten zahlreicher Wasserinhaltsstoffe beruht deshalb auch auf der besonderen Hydrologie dieses Elbabschnittes.

Die Konzentrationsgradienten bleiben jedoch nur solange bestehen, wie sich die Wasserzusammensetzung in der oberen Tideelbe und in der Unterelbe aufgrund ihrer vollkommen gegensätzlichen Relation zwischen Sauerstoffproduktion und Sauerstoffzehrung über längere Zeiträume voneinander unterscheidet. Diese Situation ist nur in den Sommermonaten gegeben. Wenn die Wassertemperatur im Herbst zurückgeht, gleichen sich beide Wasserkörper in ihren Nährstoff- und Sauerstoffkonzentrationen einander an, und der Konzentrationsgradient verschwindet.

Eine wichtige wissenschaftliche Hypothese über die Ursachen des beschriebenen Rückgangs der Sauerstoffkonzentration im Stromspaltungsgebiet ist die bakterielle Sauerstoffzehrung, die aus dem Absterben und dem Abbau großer Teile der aus der oberen Tideelbe eingetragenen Algenbiomasse resultiert. Speziell zur Klärung dieses Sachverhaltes durchgeführte Untersuchungen im Sonderforschungsbereich 327 "Wechselwirkungen zwischen abiotischen und biotischen Prozessen in der Tide-Elbe" ergaben jedoch keine Anhaltspunkte dafür, daß dieser Absterbevorgang unmittelbar in der fließenden Welle erfolgt und somit direkt zum Rückgang der Algenbiomasse im Längsprofil der Norder- und Süderelbe führt (WOLFSTEIN & KIES 1995). KERNER et al. (1995) gehen davon aus, daß dieses Absterben erst nach einer Sedimentation der Algenzellen im Hamburger Hafen erfolgt und der Rückgang der Sauerstoffkonzentration im Hafenbereich aus der Einmischung von sauerstoffarmem Hafenwasser resultiert.

Da bisher noch keine Quantifizierung der abgelagerten Algenmengen, des daraus resultierenden Sauerstoffverbrauchs in den einzelnen Hafenbecken und der in die Stromelbe eingetragen Mengen sauerstoffarmen Wassers vorliegt, kann der Beitrag der sog. Sekundärverschmutzung zum Sauerstoffdefizit in der Unterelbe noch nicht exakt bestimmt werden. In Fachkreisen unstrittig ist jedoch, daß die zunehmende Wassertiefe und das Schwebstoffregime in der Unterelbe die dortigen Lichtverhältnisse drastisch verschlechtern und dadurch das Algenwachstum hemmen, so daß letztlich der Rückgang der Sauerstoffproduktion für die ungünstige Sauerstoffsituation in den Untersuchungsabschnitten III und IV verantwortlich ist.

An dieser Stelle sei bereits erwähnt, daß der Unterschied im Sauerstoffgehalt zwischen der oberen Tideelbe und dem Bereich des Sauerstoffminimums in der Unterelbe, also die Sauerstoffkonzentrationsdifferenz, trotz des verringerten Ammoniumeintrags aus der Mittelelbe nach der Wende nicht geringer, sondern eher noch größer geworden ist (Tab. 21). Dies könnte ebenfalls ein Hinweis darauf sein, daß die Sauerstoffzehrung in der Unterelbe auch in früheren Jahren nicht allein aus der Vorbelastung der oberen Tideelbe mit gelösten Nährstoffen herrührte, sondern durch Prozesse verursacht wurde und wird, die primär in der Unterelbe lokalisiert oder wirksam sind. Die Sekundärverschmutzung wurde als möglicher Faktor bereits genannt, mögliche andere Ursachen werden bei der Beschreibung der folgenden Untersuchungsabschnitte angeführt.

 

o Untersuchungsabschnitt III:

In diesem Elbabschnitt gehen die mittleren Sauerstoffkonzentrationen im Sommer noch weiter zurück, und zwar um ca. 1 mg/l. Die Sauerstoffsättigung liegt dann nur noch zwischen 50 und 60%, wobei sich die entsprechenden Mittelwerte für die Zeiträume vor und nach der Wende praktisch nicht unterscheiden.

Zudem ist eine weitere Konzentrationsverringerung beim Ammonium, ein Rückgang beim BSB5 und erstmals auch des DOC zu verzeichnen (s. Tab. 22). Der Nitratgehalt nimmt weiter leicht zu, wobei die Zunahme bei allen Vergleichswerten mindestens doppelt so groß ist wie die Abnahme im Ammoniumgehalt. Geht man davon aus, daß die Nitratzunahme allein die Folge der Nitrifikation in der Unterelbe ist, dann wäre dies ein Hinweis auf eine zusätzliche Ammoniumquelle in diesem Elbabschnitt.

Denkbar wären z.B. Ammoniumfreisetzungen aus remobilisierten Sedimenten oder hochkonzentrierten sohlnahen Feststoffsuspensionen. HAHLBROCK & WÜNSCHE (1994) zeigten in Feldmessungen, daß das unter anoxischen Bedingungen im Porenwasser von Sedimenten oder Schlämmen (Feststoffsuspensionen) angereicherte Ammonium tatsächlich durch Resuspension freigesetzt werden kann. Weiterhin weisen die Ergebnisse zur Zeit durchgeführter Verklappungsexperimente mit Hamburger Baggergut (NETZBAND 1996) darauf hin, daß auch bei unterhaltungsbedingten Sedimentumlagerungen mit einem kurzfristigen Eintrag von Ammonium in das Elbwasser gerechnet werden muß.

Eine Quantifizierung von Nährstoffeinträgen durch lokale unterhaltungsbedingte Sedimentumlagerungen ist somit durch gezielte Meßprogramme möglich. Für eine quantitative Gegenüberstellung der unterhaltungsbedingten Nährstoff-Freisetzungen und der auf natürlichen Feststoffumlagerungen beruhenden Nährstoffeinträge wäre es jedoch erforderlich, auch die ständigen natürlichen Feststoffverfrachtungen (Feststoffumsatz) in der Unterelbe quantitativ zu erfassen. Aus den Meßdaten der Wassergütestelle Elbe ist jedoch eine derartige Bilanzierung nicht möglich. Sie zeigen aber, in welchen Abschnitten der Unterelbe bei welcher Oberwassersituation besonders hohe Feststoffkonzentrationen vorhanden sind. In Verbindung mit den Ergebnissen von Schwebstoffmessungen im Tiefenprofil und im Tideverlauf kann davon ausgegangen werden, daß dort, wo in der Unterelbe höhere oberflächennahe Feststoffkonzentrationen auftreten, auch der Feststoffumsatz größer ist (s. Kap. 3.3.1).

Die Schwebstoffmeßdaten für den Untersuchungsabschnitt III zeigen, daß die mittleren Konzentrationen im Sommer und Winter ca. doppelt so hoch sind wie im Hamburger Stromspaltungsgebiet. Aus der Tab. 23 wird darüber hinaus deutlich, daß jeweils die höchsten Konzentrationen im Sommer bei niedrigem Oberwasser auftreten und daß diese Maximalkonzentrationen erheblich über den entsprechenden Mittelwerten für den Gesamtzeitraum liegen. Bereits an diesen Meßwerten wird deutlich, wie stark die Schwebstoffkonzentrationen in der Unterelbe schwanken können und wie groß die Feststofftransportdynamik dort wirklich ist.

Als Ursachen für die niedrigen Sauerstoffgehalte in diesem Elbabschnitt werden deshalb die folgenden, an die Schwebstofftransportdynamik gekoppelten Faktoren, angesehen:

 

I. Eine Verschlechterung der Lichtbedingungen für die Algen durch die hohen Schwebstoffgehalte im Wasserkörper.

II. Eine Erhöhung der feststoffgebundenen bakteriellen Biomasse im Wasserkörper durch die dort transportierten großen Schwebstoffmengen.

III. Eine Erhöhung des Nährstoffangebotes durch die bei natürlichen und unterhaltungsbedingten Sedimentumlagerungen stattfindenden Nährstoff-Freisetzungen.

 

Die ungünstigen Lichtverhältnisse führen dazu, daß die aus der oberen Tideelbe eingetragenen Algen nicht in der Lage sind, die aus der Volumenzunahme des Wasserkörpers im Stromspaltungsgebiet und in der Unterelbe resultierende Abnahme ihrer Zellkonzentration durch eine Vermehrung ihrer Zellzahl zu kompensieren, zumal ein großer Teil beider Wasserkörper auch ohne höhere Schwebstoffgehalte aufgrund der großen Wassertiefe bereits lichtlimitiert ist.

Die bei niedrigem Oberwasser im Vergleich zur oberen Tideelbe ca. um den Faktor 6 erhöhte Verweilzeit des stromab transportierten Wasserkörpers fördert damit vor allem die bakterielle Sauerstoffzehrung. Die verweilzeitbedingte Verstärkung der Sauerstoffzehrung (pro Kilometer Fließstrecke) kompensiert damit vermutlich zusammen mit der schwebstoffkonzentrationsbedingten Zunahme an bakterieller Biomasse den aus den BTS-Werten abzulesenden spezifischen Aktivitätsverlust der Schwebstoffe in diesem Elbabschnitt.

Aus dem im Sommer und Winter identischen Mittelwert von 0,13 für die Schlammbelastung ist aus Abb. 63 zu entnehmen, daß im Untersuchungsabschnitt III ca. jeweils 30% der bakteriellen Sauerstoffzehrung auf dem Abbau organischer Substanz und auf Nitrifikation beruhen und bereits 40% auf der endogenen Schlammatmung.

Die geringen Sauerstoffgehalte in diesem Elbabschnitt sind deshalb nicht die Folge einer erhöhten spezifischen bakteriellen Aktivität, sondern sie resultieren aus dem dort vorhandenen extremen Ungleichgewicht zwischen biologischer Sauerstoffproduktion und -zehrung. Als möglicher weiterer sauerstoffmindernder Faktor ist noch die biogeochemische Sauerstoffzehrung denkbar. Sie käme dann zum Tragen, wenn anaerobe Sedimente und sohlnahe Feststoffsuspensionen aufgewirbelt werden und dadurch über längere Zeiträume große Mengen reduziertes Eisen und Mangan sowie Sulfid freigesetzt und in den noch sauerstoffhaltigen Wasserkörper eingetragen werden.

Da z.B. Eisen und Mangan in den mikrobiellen Schleimen der Schwebstoffe angereichert bzw. in Form von Oxidhydraten an die Feststoffe gebunden sind, ist eine bakterielle Reduktion dieser Stoffe nicht auszuschließen. Der Aufbau eines aus diesen mikrobiologischen Stoffwechsel-prozessen resultierenden zusätzlichen Sauerstoffzehrungspotentials würde, wie auch die Bildung von Sulfid, besonders dann mit großer Intensität stattfinden können, wenn die Sauerstoffkonzentrationen in der Elbe sehr niedrig sind.

Der mengenmäßige Beitrag der biogeochemischen Sauerstoffzehrung in der Unterelbe wird jedoch von wissenschaftlicher Seite allgemein als sehr gering eingeschätzt, weil die bakteriellen Reduktionsprozesse im Vergleich zur chemischen Oxidation von Eisen und Mangan sehr viel langsamer verlaufen (BERGEMANN et al. 1996). Dadurch kann ein an tidebedingte Sedi -mentations- und Resuspensionsphasen von Sedimenten gekoppelter biogeochemischer Reduktions- / Oxidationszyklus nur kurzfristig erhalten bleiben und nicht über lange Zeiträume in der Elbe Bestand haben.

Es ist deshalb fraglich, ob die vor der Wende vor allem bei niedrigem Oberwasser gemessenen Sauerstoffwerte unterhalb der fischkritischen Grenze von 4 mg/l für Salmoniden und 2 mg/l für Cypriniden auch durch die biogeochemische Sauerstoffzehrung mitverursacht worden sind. Da die fischkritische Grenze heute jedoch nur noch selten unterschritten wird und das Sauerstoffkonzentrationsniveau in der Unterelbe insgesamt deutlich angestiegen ist, hat die biogeochemische Sauerstoffzehrung bei der gegenwärtigen Belastungssituation in jedem Fall nur eine geringe Bedeutung für den Sauerstoffhaushalt der Tideelbe.

Wie bereits bei der Beschreibung des Untersuchungsabschnitts II erwähnt, ergibt sich aus der Differenz zwischen dem mittleren Sauerstoffgehalt in der oberen Tideelbe und in den Abschnitten III und IV heute ein insgesamt etwas höherer Sauerstoffverbrauch in der Unterelbe als in früheren Jahren, obwohl dies aus einem entsprechenden Vergleich der BSB-Werte nicht ersichtlich ist. Vergleicht man diesen Differenzbetrag von im Mittel 3,5 mg/l mit dem früheren Wert von 2,5 mg/l, dann muß davon ausgegangen werden, daß in früheren Jahren das tatsächliche Zehrungspotential in diesem Elbabschnitt nicht immer vollständig zum Tragen kam, und zwar vermutlich, weil die absoluten Gehalte an Sauerstoff dort erheblich geringer waren als heute. Eine Konsequenz dieser Hypothese wäre, daß sich die Wirkung des Zehrungspotentials auf einen größeren Elbabschnitt erstreckt haben müßte als heute. Ein mögliches Indiz dafür könnte die heutige im Mittel geringere räumliche Ausdehnung des Sauerstofftals sein.

Eine weitere Schlußfolgerung aus diesem Tatbestand, der sich noch deutlicher an den einzelnen Längsprofilen der Wassergütestelle Elbe zeigt, die früher und heute während der Zeit minimaler Sauerstoffgehalte in der Unterelbe aufgenommen wurden, ist, daß bei einer Minderung der Sauerstoffproduktion in der oberen Tideelbe auch heute die fischkritische Grenze im Sommer in der Unterelbe regelmäßig unterschritten würde.

 

o Untersuchungsabschnitt IV:

Die Werte für die einzelnen Gewässergüteparameter sind der Tab. 24 zu entnehmen. Die bei der Beschreibung des Abschnittes III gemachten Aussagen und daraus abgeleiteten Schlußfolgerungen treffen insgesamt auch auf diesen Untersuchungsabschnitt zu. Ein Vergleich mit den Sauerstoffkonzentrationen des Abschnitts III zeigt, daß die Sauerstoffverhältnisse vor der Wende in beiden Abschnitten gleichermaßen ungünstig waren, sich aber heute im Abschnitt IV deutlich verbessert haben. Dieser Tatbestand würde die Hypothese über den räumlichen Wirkungsbereich des Sauerstoffzehrungspotentials vor der Wende und heute bestätigen: Während sich früher die Zone niedriger Sauerstoffgehalte bis Glückstadt, also bis zur Brackwasserzone erstreckte, konzentriert sich der Nährstoffabbau heute vermutlich auf den Elbabschnitt von Hamburg bis Lühesand (Abschnitt III).

Für diesen geringeren Wirkungsbereich des Sauerstoffzehrungspotentials in der Unterelbe spricht auch der weitere deutliche Rückgang des BSB5 um 1,5 mg/l und des BTS-Wertes in einen Bereich, in dem die zu erwartende Ablaufverschmutzung einer Kläranlage gegen Null geht (s. Abb. 63). Dieser Wert von 0,06 unterscheidet sich damit kaum noch von den niedrigen Werten aus der Brackwasserzone (s. Tab. 19) und bedeutet, daß die Schwebstoffaktivität in der Tideelbe bei niedrigem Oberwasser bereits im Abschnitt IV ihr Minimum erreicht.

Auch in diesem Elbabschnitt korrespondiert der weitere Rückgang der Ammoniumkonzentration mit einem leichten Anstieg der Nitratgehalte, so daß davon auszugehen ist, daß auch dort die Nitrifikation einen meßbaren Anteil an der Sauerstoffzehrung hat. Legt man den BTS-Wert von 0,06 zugrunde, dann dürften allerdings nur noch ca. 20% der Sauerstoffzehrung auf Nitrifikation beruhen, weitere 20% auf dem Abbau organischer Substanz und bereits fast 60% allein auf dem Erhaltungsstoffwechsel der Schwebstoffmikroflora.

Aufgrund der Tatsache, daß die Brackwasserzone bei geringem Oberwasser bereits in diesen Elbabschnitt hereinreicht, muß jedoch bedacht werden, daß die Konzentrationen der gelösten Wasserinhaltsstoffe zunehmend auch aus der Vermischung mit Nordseewasser resultieren. Sie sind daher nicht mehr nur die Folge eines intensivierten oder verringerten Nährstoffabbaus in der Elbe. Bei der Interpretation der im weiteren Verlauf der Elbe auftretenden Konzentrationsgradienten sind daher, wie auch im Hamburger Stromspaltungsgebiet, hydrologisch bedingte Vermischungsprozesse zwischen Wasserkörpern unterschiedlicher Zusammensetzung, in diesem Fall der Nordsee und der Elbe, zu berücksichtigen.

An den in Tab. 24 aufgeführten oberflächennahen Schwebstoffkonzentrationen ist zu ersehen, daß sich der Abschnitt IV bereits im stromaufliegenden Bereich der Trübungszone befindet. Dies zeigen besonders die höheren Werte bei geringem Oberwasser, einer Abflußsituation, bei der sich die Trübungszone stromauf verlagert. Einen negativen Einfluß auf die Sauerstoff- und Nährstoffsituation hat diese Stromaufverlagerung jedoch nicht.

 

o Untersuchungsabschnitt V:

In diesem Elbabschnitt treten im Mittel die höchsten oberflächennahen Schwebstoffkonzentrationen auf. Er umfaßt damit den zentralen Bereich der Trübungszone. Dieser Bereich besonders hoher Schwebstoffkonzentrationen und starker natürlicher Feststoffumlagerungen bewirkt jedoch keine weitere Verschlechterung der Gewässergüte in der Unterelbe (s. Tab. 25). Dies hat vermutlich die folgenden Gründe:

Die Trübungszone erstreckt sich überwiegend auf einen Bereich der Unterelbe, in dem die Wasserqualität durch die Zumischung von Nordseewasser verbessert wird, und die dort akkumulierten Schwebstoffe besitzen bereits ein extrem niedriges Sauerstoffzehrungspotential.

Gemessen am BSB5 ist es ca. nur noch halb so groß wie im Untersuchungsabschnitt III, wo der Sauerstoffgehalt im Sommer besonders gering ist. Die BTS-Werte gehen auf 0,03 zurück, so daß demnach die Schwebstoffmikroflora nur noch eine minimale Restaktivität besitzt. Meßbare Auswirkungen auf den Nährstoffhaushalt sind bei diesem niedrigen Aktivitätsniveau daher auch, trotz des erhöhten Angebotes an schwebstoffgebundener bakterieller Biomasse, nicht zu erwarten.

Aufgrund der in diesem Abschnitt vorhandenen geringen Nährstoffkonzentrationen, der niedrigen bakteriellen Aktivität und der Zumischung von sauerstoffreichem Nordseewasser erhöhen sich daher die Sauerstoffkonzentrationen in diesem Elbabschnitt deutlich. Die Sauerstoffsättigung erreicht heute bereits wieder Werte oberhalb 80% und liegt damit im Mittel um ca. 10% über den Sommerwerten früherer Jahre. Bei den meisten Güteparametern ist jedoch kein statistisch signifikanter Unterschied zwischen den Vergleichszeiträumen der Sommerhalbjahre feststellbar. Lediglich die Ammoniumkonzentrationen waren früher etwas höher.

o Untersuchungsabschnitt VI:

Wie aus Tab. 26 zu entnehmen ist, setzt sich der in Abschnitt V beschriebene Trend einer weiteren Verbesserung der Gewässergüte fort. Die Schwebstoffkonzentrationen gehen im Mittel deutlich zurück und, gemessen am BSB5, verringert sich auch die Aktivität der Schwebstoffmikroflora weiter.

Erstmals sind auch deutlich geringere Nitratkonzentrationen vorhanden, ein Beleg für die in diesem Stromabschnitt bereits erfolgte starke Durchmischung von Elbe- und Nordseewasser. Der Sauerstoff erreicht im Mittel Werte zwischen 80 und 90% seiner Sättigungskonzentration.

o Untersuchungsabschnitt VII:

Die Sauerstoff- und Nährstoffsituation unterscheidet sich, wie der Tab. 27 zu entnehmen ist, dort nur unwesentlich vom Abschnitt VI. Der Sauerstoffgehalt liegt im Sommer und im Winter oberhalb 90% Sättigung. Da auch der BSB5 und der BTS Wert leicht ansteigen, ist davon auszugehen, daß dort bereits wieder eine höhere Aktivität der Schwebstoffmikroflora vorhanden ist.

Eine mögliche Ursache könnte darin bestehen, daß aufgrund der weiter verringerten Schwebstoffgehalte im Wasserkörper die Algenproduktion wieder stärker an Bedeutung gewinnt. In deren Folge würden auch die schwebstoffgebundenen Bakterien besser mit Nährstoffen versorgt werden, und es tragen natürlich auch die größeren Algenzellzahlen selbst bei der Bestimmung des BSB zur Sauerstoffzehrung bei.

Fußnoten:

10.) Den Fötus schädigend.

11.) Zu Mißbildungen während der embryonalen Entwicklung führend.

12.) Krebserzeugend.

13.) Erbgutverändernd.