5.2.1 Schutzgut Tiere und Pflanzen - aquatische und terrestrische Lebensgemeinschaften
Die Ausprägung des Schutzgutes Tiere und Pflanzen im Untersuchungsgebiet wird natürlicherweise durch die besonderen Gegebenheiten des Tideästuars bestimmt. Die wesentlichen prägenden Faktoren hierbei sind:
- Tidedynamik,
- Salzgehalt und
- Relief.
Diese Faktoren bedingen eine deutliche Gliederung der Lebensbedingungen im Untersuchungsgebiet, die wiederum zu einer Gliederung der Lebensgemeinschaften führt. Zum einen wird das Untersuchungsgebiet in Längsrichtung durch den in Richtung auf die Nordsee zunehmenden Salzgehalt in verschiedene Bereiche gegliedert, die sich mit der Tidedynamik permanent verlagern. Zum anderen führen die, bedingt durch die Tidedynamik, stark schwankenden Wasserstände dazu, daß sich das Gebiet untergliedert in:
- Bereiche aperiodischer Überflutungen (Überschwemmungsflächen),
- Bereiche periodischer Überflutungen (Wattflächen) und
- Bereiche permanenter Wasserbedeckung (Wasserflächen).
Diese Gliederung verläuft quer zur Hauptachse der Elbe (und der Nebenflüsse).
Die Abbildung 14 zeigt in stark vereinfachter Form den Zusammenhang dieser Faktoren mit den zugehörigen natürlichen Lebensgemeinschaften und ihre relative Lage im Untersuchungsgebiet. Insgesamt ist das Untersuchungsgebiet ein System, das in seiner natürlichen Ausprägung durch eine starke Dynamik gekennzeichnet ist. Deshalb sind die Grenzen der oben skizzierten Gliederung aufgrund der großen dynamischen Variabilität der bestimmenden Faktoren fließend. Exakte Abgrenzungen sind in der Realität nicht zu erkennen. Die Lebensgemeinschaften werden darüber hinaus wesentlich durch die jeweilige Nutzung der Flächen geprägt. In Abhängigkeit von diesen Parametern läßt sich folgende Zonierung entlang der Elbe erkennen:
- Der Bereich oberhalb des Hamburger Hafens ist charakterisiert durch Süßwasser und das Vorkommen von Pflanzenarten aus dem kontinental geprägten Bereich der mittleren Elbe.
- Der Bereich des Hamburger Hafens ist stark durch Nutzungen überprägt.
- Unterhalb Hamburgs bis etwa Glückstadt wirkt sich der zunehmende Brackwassereinfluß noch nicht erkennbar auf die terrestrischen Lebensgemeinschaften aus. Die aquatischen Lebensgemeinschaften werden jedoch etwa ab Lühesand durch den zeitweiligen Salzeinfluß geprägt.
- Unterhalb Glückstadts schließt sich der deutlich durch Brackwasser beeinflußte Bereich an.
- Das äußere Ästuar schließlich ist am Nordufer etwa ab Neufeld und am Südufer ab Cuxhaven dem Wattenmeer zuzurechnen.
Abb. 14: Räumliche Verteilung der natürlichen Lebensgemeinschaften des Untersuchungsgebietes in Abhängigkeit von wichtigen Standortfaktoren (schematisch)
Pflanzen
Zur Beschreibung der Pflanzenwelt des Untersuchungsgebietes wurden Untersuchungen zu den beiden pflanzlichen Artengruppen der im Wasser lebenden (aquatischen) Lebensgemeinschaften sowie zu den Biotoptypen und ausgewählten, besonders typischen Artengruppen der im Uferbereich und an Land (terrestrischer Bereich) lebenden Pflanzen durchgeführt.
Folgende Artengruppen wurden zur Erfassung der im Wasser lebenden pflanzlichen Organismen untersucht:
- Phytobenthos (Lebensgemeinschaft der am Gewässerboden lebenden Algen) und
- Phytoplankton (Lebensgemeinschaft der frei im Wasser schwebenden Algen).
Zur Erfassung der im Uferbereich und an Land lebenden Pflanzen wurden folgende Lebensraumtypen und Artengruppen untersucht
- Biotoptypen
- gefährdete Pflanzenarten und
- Stromtalmoose.
Die flächendeckende Biotoptypenkartierung bildet die Basis der durchgeführten Untersuchungen im terrestrischen Bereich des Untersuchungsgebietes. Auf dieser Grundlage wurde in der UVS eine "Zusammenfassende Darstellung der Biotoptypen" im Maßstab 1.25.000 erstellt (Karte 7.4 - 2 der UVS) (vgl. beispielhaft Abb. 15). In Tabelle 6 werden die durchgeführten Untersuchungen zu den Pflanzen des Untersuchungsgebietes und deren Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.
Tab. 6: Zusammengefaßte Ergebnisdarstellung der Untersuchungen zu den Pflanzen
Untersuchungsinhalt | Ergebnis | |
Pflanzen im aquatischen Bereich | ||
Phytobenthos | Auswertung verfügbarer Literatur |
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Phytoplankton |
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Pflanzen im terrestrischen Bereich | ||
Biotoptypen | Flächendeckende
Biotoptypenkartierung im Maßstab 1:5.000
- Kartierzeitraum 1993-1996/97 (Schwerpunkt der Kartierungen in 1994) - Kartierung entsprechend dem niedersächsischen Kartierschlüssel für Biotoptypen - in Teilbereichen Übernahme verfügbarer aktueller Kartierungen |
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Gefährdete Pflanzenarten | Flächendeckende Kartierung der gefährdeten Pflanzenarten durch mehrmalige Begehung des gesamten Untersuchungsgebietes |
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Stromtalmoose | Kartierung der
lebensraumtypischen Stromtalmoose auf Hartsubstraten (z.B.
Steinschüttungen) in ausgewählten Bereichen
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Abb. 15: Teilausschnitt der flächendeckenden Biotoptypenkartierung
Tiere
Zur Beschreibung der Tierwelt wurden repräsentative Tiergruppen ausgewählt, die für die untersuchten Lebensräume besonders typisch sind und damit Indikatoren für die lebensräumlichen Bedingungen darstellen. Die untersuchten Tiergruppen spiegeln eine Vielzahl qualitativer, räumlicher und zeitlicher Lebensraumansprüche wider, deren Analyse eine tierökologische Gesamtbewertung des Untersuchungsgebietes ermöglicht.
Zur Erfassung der im Wasser (aquatischer Bereich) sowie im Uferbereich und an Land (terrestrischer Bereich) lebenden Tiere wurden folgende Artengruppen untersucht
- Zoobenthos (Lebensgemeinschaft der am oder im Gewässerboden lebenden Tiere),
- Zooplankton (Lebensgemeinschaft der frei im Wasser schwebenden Tiere),
- Fische,
- Seehunde,
- Brutvögel,
- Rastvögel,
- mausernde Eider- und Brandenten,
- Nacht- und Kleinschmetterlinge sowie
- uferberwohnende Käfer.
Der Schwerpunkt der Untersuchungen zur aquatischen Tierwelt liegt in der Bearbeitung des Zoobenthos, da die geplante Maßnahme direkt in deren Lebensraum (Gewässerboden) eingreift und diese Organismengruppe durch ihre substratgebundene Lebensweise am besten geeignet ist, Veränderungen anzuzeigen. Daneben wurden auch die Lebensgemeinschaften Zooplankton und Fische untersucht, um die aquatischen Lebensgemeinschaft insgesamt zu erfassen. Im Mittelpunkt der Untersuchungen zur terrestrischen Tierwelt stehen die Vögel, weil die terrestrischen Außendeichsflächen aufgrund ihrer hohen Produktivität für diese Tiergruppe eine besondere Bedeutung als Jahres-, Brut-, Durchzugs-, Rast-, Mauser- und Überwinterungslebensraum haben. Begutachtet wurde insbesondere die Situation der Brutvögel, Rastvögel und mausernden Eider- und Brandenten. Seehunde wurden aufgrund ihrer Empfindlichkeit gegenüber Lage- und Größenveränderungen von Sandbänken und Verschiebungen im aquatischen Nahrungsangebot ausgewählt. Als typische Wirbellose der Außendeichsflächen und kleinräumig spezialisierte Bewohner der Röhrichte, Naßwiesen und Spülsäume wurden außerdem Nacht- und Kleinschmetterlinge sowie spülsaumgebundene Käfer untersucht.
In Tabelle 7 werden die durchgeführten Untersuchungen zu den Tieren des Untersuchungsgebietes und deren Ergebnisse zusammenfassend dargestellt.
Tab. 7: Zusammengefaßte Ergebnisdarstellung der Untersuchungen für die Tiere
Untersuchungsinhalt | Ergebnis | |
Tiere im aquatischen Bereich | ||
Zoobenthos |
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Zooplankton | Auswertung verfügbarer Literatur |
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Fische | Auswertung der umfangreichen vorliegenden Literatur |
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Seehunde |
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Tiere im terrestrischen Bereich | ||
Brutvögel |
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Rastvögel |
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Mausernde Eider- und Brandenten |
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Nacht- und Klein-schmetterlinge | Kartierung der Nacht- und Kleinschmetterlinge mit Hilfe von Lichtfallen an 42 repräsentativen Standorten entlang der Elbe (1993), ihrer Nebenflüsse und der Zwischendeichsflächen (1994) |
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Uferbewohnende Käfer | Untersuchung der Käfer anhand 44 für das Untersuchungsgebiet typischer Fangstellen (wie z.B. Salzwiesen, Grünland, Röhrichte, Marschgräben, Auwälder) zwischen Mai 1993 und Juni 1994, wobei jede Fangstelle mindestens dreimal begangen wurde. |
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Die Ergebnisse der Untersuchungen dokumentieren eindrucksvoll die große Bedeutung des Untersuchungsgebietes für den Arten- und Biotopschutz. In Abbildung 16 werden abschließend die Bereiche dargestellt, denen nach heutigem Stand des Wissens eine besondere Bedeutung für die aquatischen Lebensgemeinschaften zukommt. Berücksichtigt werden dabei Laich-, Aufwuchs-, Nahrungs- und Rückzugsgebiete sowie Bereiche hoher Primärproduktion, die für einzelne Lebensgemeinschaften bzw. für die aquatischen Lebensgemeinschaften insgesamt von herausragender Bedeutung sind. Diese Bereiche sind aufgrund ihrer besonderen Funktionen für die aquatischen Lebensgemeinschaften besonders empfindlich gegenüber Störungen.
Die in der UVU dokumentierten Untersuchungsergebnisse kennzeichnen das Außendeichsgebiet der Elbe trotz jahrhundertelanger Überformung durch den Menschen als einen Großlebensraum von besonderer Bedeutung für den Naturhaushalt. Insbesondere weist das Untersuchungsgebiet im Vergleich mit den eingedeichten Marschenbereichen noch viele gefährdete Arten und hochwertige Biotoptypen auf. Dies gilt insbesondere für die folgenden sechs Bereiche:
- Die Auwälder und -gebüsche der Außendeichsflächen. Sie sind überwiegend sehr wertvoll bzw. von hervorragendem Wert für den Arten- und Biotopschutz.
- Die Küsten-, Brackwasser- und Süßwasserwatten mit und ohne Röhricht oder Queller sind ebenfalls sehr wertvoll bzw. von hervorragendem Wert für den Arten- und Biotopschutz.
- Die Sandstrände sind, soweit sie nicht als kleine vollkommen vegetationslose Sandflächen vor Uferverbauen im Hafen auftreten, ebenfalls sehr wertvoll.
- Als Besonderheiten sind alte Mauern im Hamburger Hafen wegen ihrer Moos- bzw. Farnbesiedlung von hervorragendem Wert.
- Im Bereich der Zwischendeichsgebiete (z.B. Krautsand, Gauensieker-, Asseler Sand) gibt es prielartige Marschflüsse, die wegen ihrer natürlichen Ufer und ihres natürlichen Verlaufs von hervorragendem Wert für den Naturhaushalt sind.
- Im Mündungstrichter der Ilmenau befinden sich sehr viele Biotope der Wertstufen 1 und 2. Insgesamt ist der ganze Mündungstrichter als sehr wertvoll zu bezeichnen.
Andererseits sind jedoch auch deutliche Verschlechterungstendenzen zu erkennen. So sind in der Vergangenheit z.B. sowohl durch die Intensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung als auch durch das Brachfallen die oft sehr wertvollen extensiv genutzten Flächen stark zurückgegangen. Die Intensivierung der landwirtschaftlich genutzten Außendeichsflächen ist insbesondere unterhalb Hamburgs stark vorangeschritten.
Weit vorangeschritten ist außerdem der großräumige Verlust an periodisch überfluteten Lebensräumen im Bereich der Nebenflüsse und Zwischendeichsgebiete durch die Errichtung von Sturmflutsperrwerken. Die über dem zugelassenen Hochwasserstand liegenden Flächen wandeln sich in für das Binnenland typische Biotoptypen um und gehen den Tieren und Pflanzen der Außendeichsflächen als Lebensraum verloren. Die außendeichs verbleibenden Flächen sind aufgrund ihrer oft geringen Breite vor allem als Rückzugsraum für Tiere (z.B. Kampfläufer) entwertet. Am schleswig-holsteinischen Ufer der Unterelbe existieren bis auf die Vorländer von Neufeld und St. Margarethen, Eschschallen zwischen Krückau und Pinnau sowie Fährmannssand/Juelssand so gut wie keine Außendeichsländereien mehr. Auch auf niedersächsischer Seite haben sie kaum größere Ausdehnung und finden sich nur noch auf dem Belumer Außendeich, dem Allwöhrdener Außendeich und im Ostteil des Asseler Sandes.
Die Unterelbinseln verfügen wegen zahlreicher Aufspülungsmaßnahmen zwar kaum noch über naturnahe, dafür aber über ungestörte Lebensräume. Während die wenigen tief liegenden Teilflächen überwiegend sehr wertvolle Biotope beherbergen, sind durch die künstliche Aufsandung Sekundär-Lebensräume für typische Bewohner der Sandmagerrasen entstanden, die das Elbtal allerdings natürlicherweise nur in geringer Zahl besiedelt haben.
Abb. 16: Bereiche besonderer ökologischer Bedeutung für die aquatischen Lebensgemeinschaften
5.2.1.2 Prognose der ökologischen Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung
Die Tiere und Pflanzen im Untersuchungsgebiet werden bei Verwirklichung des Vorhabens insbesondere durch
- Auswirkungen der Baggerungen
- Auswirkungen der Baggergutverbringung
- Auswirkungen der Änderungen der Tidewasserstände und
- Auswirkungen der Änderung des Salzgehaltes
betroffen.
Auswirkungen der Baggerungen
Die Lebensgemeinschaft des Zoobenthos ist am unmittelbarsten von den geplanten Ausbaubaggerungen betroffen, da direkt in deren Lebensraum, die Sedimente des Gewässerbodens, eingegriffen wird. Mit den Sedimenten werden auch die darin befindlichen Organismen entnommen und das Zoobenthos auf diesen Flächen wird nahezu vollständig beseitigt. Dies gilt unabhängig von der Baggertiefe oder der Menge des entnommenen Materials, da die nur wenige Zentimeter starke belebte oberste Sedimentschicht in jedem Fall entnommen wird. Die Gesamtfläche dieser Baggerbereiche umfaßt 2.240 ha.
Ca. ein Viertel dieser Flächen sind durch intensive Unterhaltungsbaggerungen der vergangenen Jahre so stark vorbelastet, daß die Ausbaubaggerungen vermutlich zu keinen deutlichen Änderungen der Besiedlungsstruktur führen. Die übrigen 1.632 ha werden als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Diese Beeinträchtigungen werden vermutlich nicht dauerhaft wirksam sein, da die geschädigten Flächen wahrscheinlich innerhalb eines Zeitraumes von ein bis maximal drei Jahren nach Durchführung der Ausbaubaggerungen dem Ausgangszustand entsprechend wiederbesiedelt sein werden.
Als Folgewirkung der Querschnittsveränderung im Bereich der Fahrrinne ist abschnittsweise von erhöhtem Unterhaltungsaufwand nach Abschluß der Maßnahme auszugehen, da in Bereichen mit Vertiefungen und/oder Verbreiterungen der Fahrrinne in den ersten Jahren nach dem Ausbau ein erhöhter Geschiebetransport und Sedimenteintrieb von den Flanken zu erwarten sein wird. Diese Bereiche überlagern sich teilweise mit den durch Ausbaubaggerungen erheblich beeinträchtigten Flächen. Die Teilflächen von 278 ha, auf denen sich diese Auswirkungen überlagern, werden aufgrund der daraus resultierenden Langfristigkeit der Auswirkungen als erheblich und nachhaltig beeinträchtigt eingestuft, während die verbleibenden 100 ha als erheblich, aber nicht nachhaltig beeinträchtigt eingestuft werden.
Darüber hinaus wird sich in Teilbereichen von 156 ha der Sedimenttyp der Fahrrinnenböschung verändern. Da hierbei die vorhandene Sanddeckschicht durch bindigen und sehr festen Geschiebemergel ersetzt wird, siedelt anschließend eine arten- und individuenverarmte Zoobenthosgemeinschaft. Die Änderung des Sedimenttyps wird daher als erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigung eingestuft.
Auswirkungen der Baggergutverbringung
Die Verbringung des anfallenden Baggergutes erfolgt im wesentlichen im Gewässer. Auf den betroffenen Flächen kommt es zu deutlichen ausbaubedingten Beeinträchtigungen der Zoobenthoslebensgemeinschaften. Diese Beeinträchtigungen werden vermutlich nicht dauerhaft wirksam sein, da die geschädigten Flächen wahrscheinlich innerhalb eines Zeitraumes von ein bis maximal drei Jahren nach Durchführung der Baggergutverbringung dem Ausgangszustand entsprechend wiederbesiedelt sein werden. Diese 538 ha werden als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Für drei der so eingestuften Klappstellen ist allerdings mit langfristigen Änderungen des Sedimenttyps zu rechnen, so daß hier von deutlich veränderten Milieubedingungen für die Zoobenthoslebensgemeinschaften auszugehen ist. Diese 34 ha umfassenden Flächen werden daher zusätzlich als nachhaltig beeinträchtigt eingestuft.
Das geplante Spülfeld Pagensand nimmt einschließlich der Böschungen eine Fläche von rd. 32 ha in Anspruch. Betroffen sind hiervon im wesentlichen Intensivgrünland (ca. 11 ha), Ackerflächen (ca. 9 ha) und Ruderalfluren (ca. 8 ha). Die von dem geplanten Spülfeld in Anspruch genommene Fläche wird als erheblich und nachhaltig beeinträchtigt eingestuft. Mit der Flächeninanspruchnahme ist auch der Verlust gefährdeter Pflanzenarten verbunden.
Auswirkungen der Änderungen der Tidewasserstände
Die in der Abbildung 13 als schraffierte Bänder dargestellten Bereiche kennzeichnen die ausbaubedingten Veränderungen der Tidewasserstände, die regelmäßig und häufig eintreten werden und somit für das Ökosystem maßgeblich sind. Für die Prognose werden jeweils die Maximalwerte der Bereiche zugrunde gelegt. Danach betragen die durch die BAW-AK prognostizierten ausbaubedingten Änderungen der Tidewasserstände für die Erhöhung des Tidehochwassers (Thw) maximal 3 bis 4 cm (zwischen dem Wehr Geesthacht und der Elbinsel Pagensand) und für die Absenkung des Tideniedrigwassers (Tnw) maximal 6 bis 7 cm (zwischen der Bunthäuser Spitze und der Elbinsel Lühesand).
Insbesondere die prognostizierten Thw-Erhöhungen haben Auswirkungen auf die Vegetation im Uferbereich, da hier Überflutungsdauer und -höhe als ökologische Standortfaktoren die Lebensräume von Pflanzengesellschaften und damit auch die Lebensraumsituation der Tiere maßgeblich beeinflussen. Selbst kleinste Änderungen der Überflutungsdynamik ziehen merkliche Veränderungen der räumlichen Ausdehnung und Lage von Pflanzengesellschaften nach sich.
Empfindlich gegenüber Veränderungen des Tidehochwassers sind v.a folgende Biotoptypen: Salzwiesen, Röhrichte und Uferstaudenfluren sowie Weidenauwälder und Weidenauengebüsche.
Um eine Abschätzung der zu erwartenden Biotopflächenverluste vornehmen zu können, werden je nach Stärke der prognostizierten Änderung des Thw folgende Flächenverluste der oben aufgeführten Biotope zugrunde gelegt:
- prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen < 1 cm: keine Biotopflächenverluste, da unterhalb des festgesetzten Schwellenwertes
- prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 1 bis 2 cm: Biotopflächenverluste von 2%, jedoch nur für Auwald und Auengebüsch, da nur der für diese Biotope geltende Schwellenwert überschritten wurde
- prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 2 bis 3 cm: Biotopflächenverluste von 3,5% für alle betroffenen Biotoptypen
- prognostizierte maximale Thw-Erhöhungen von 3 bis 4 cm: Biotopflächenverluste von 5% für alle betroffenen Biotoptypen
Salzwiesen werden damit durch die maßnahmebedingten Auswirkungen nicht beeinträchtigt, da die prognostizierten maximalen Erhöhungen der Tidehochwassers im Bereich ihres Vorkommens deutlich unter 1 cm liegen.
Unter Zugrundelegung der Verlustanteile und der prognostizierten Erhöhung ergibt sich insgesamt ein Biotopflächenverlust von 95 ha (betroffen sind ca. 6 ha Auwald, ca. 21 ha Auengebüsch und ca. 68 ha Röhricht/Uferstaudenfluren). Durch die Änderung der Tidewasserstände werden überwiegend wertvolle (z.B. Auengebüsch, Auenwald) und sehr wertvolle Biotoptypen (z.B. Flußwattröhricht) erheblich und nachhaltig beinträchtigt.
Durch den Teilverlust dieser Biotoptypen geht röhrichtbrütenden Vogelarten, Nacht- und Kleinschmetterlingen sowie uferbewohnenden Käfern Lebensraum verloren. Darüber hinaus werden durch höhere Wasserstände potentielle Nistplätze ufernah brütender Vögel (z.B. Wachtelkönig, Säbelschnäbler, Kampfläufer) eingeschränkt. Röhrichtbrütende Vogelarten wie z.B. der Drosselrohrsänger müssen ihre Nester höher im Schilf befestigen, so daß die Nestaufhängungen instabiler werden.
Auswirkungen der Änderungen der Salzgehalte
Angesichts der hohen natürlichen Salzgehalte und ihrer Schwankungsbreite in der Brackwasserzone sind die prognostizierten Zunahmen der Salzgehalte von maximal 0,1 0/00 vermutlich unerheblich. Da jedoch Weiden-Auengebüsche sowie alte Weiden und Kopfweiden sich im Bereich St. Margarethen bis Glückstadt und auf dem Außendeichland des Wischhafener Sandes unmittelbar an der Grenze ihres Überlebens befinden, können hier erhebliche Beeinträchtigungen dieser Biotoptypen durch vorhabenbedingte Verschiebungen der Brackwasserzone nicht ausgeschlossen werden. Darüber hinaus sind Umwandlungen von Flußwattröhricht zugunsten Brackwasserröhricht zu erwarten.
Darüber hinaus bestehen eine Reihe von Beeinträchtigungsrisiken, die einzeln betrachtet nicht als erhebliche Beeinträchtigungen eingestuft werden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, daß verschiedene Faktoren in der Summe ihrer Wirkungen lokal zu erheblichen Beeinträchtigungen der Tiere und Pflanzen führen. Verschiedene Teilbereiche des Untersuchungsgebietes, wie z.B. das Mühlenberger Loch und der limnische Bereich der Tideelbe, sind von einer Vielzahl von Risiken betroffen, die sich z.B. über die Nahrungskette oder den biogenen Sauerstoffeintrag auch auf nicht direkt betroffene Tiere und Pflanzen auswirken können.
Durch die Ausbaggerungen, den erhöhten Unterhaltungsaufwand, ökologisch ungünstige Sedimenttypenänderungen, die Baggergutverbringung sowie die Veränderung der Tidewasserstände werden für die aquatischen und terrestrischen Lebensgemeinschaften insgesamt 2.553 ha als erheblich beeinträchtigt eingestuft. Davon werden 595 ha zusätzlich nachhaltig beeinträchtigt.
5.2.1.3 Maßnahmen zur Vermeidung und Minderung, Ausgleich und Ersatz
Terrestrische Lebensgemeinschaften
Zur Minderung der Auswirkungen auf die am Land ansässigen Lebensgemeinschaften sind folgende Maßnahmen denkbar.
In ökologisch empfindlichen Bereichen können schiffswellenbedingte Schäden durch Anpassung der Geschwindigkeiten gemindert oder ganz vermieden werden. Der Flächenverbrauch bei Baustelleneinrichtungen für Spülfelder sollte auf das Nötige begrenzt werden.
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können in der Wiederanbindung von Flächen an das Tidegeschehen, der Extensivierung der landwirtschaftlichen Nutzung und der Entwicklung naturnaher Uferstrukturen bestehen.
Aquatische Lebensgemeinschaften
Durch die nachfolgend genannten Maßnahmen lassen sich die Beeinträchtigungen der im Wasser angesiedelten Lebensgemeinschaften mindern.
Die Beeinträchtigungen können durch Koordination der Baggerungen mit den Lebenszyklen der im Wasser vorkommenden Lebensgemeinschaften gemindert werden. Das bedeutet, daß möglichst in der Zeit von April bis September auf Baggerungen und Verklappungen verzichtet werden sollte, um ein ungestörtes Laichen und Heranreifen der neuen Generationen zu gewährleisten. Durch Reduzierung der Anzahl der Baggerungen lassen sich die Zeiten zur Wiederbesiedlung verlängern. Auf die Nutzung der Baggergutablagerungsfläche "Twielenfleth" sollte während der Laichperiode der Finte (stark gefährdete Fischart) von Anfang Mai bis Mitte Juni verzichtet werden. Vorübergehende Aussparungen von Teilbereichen der Fahrrinnensohle bei den Unterhaltungsbaggerungen ermöglichen eine zügige Wiederbesiedlung.
Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen können in der Sicherung von Flachwasser- und strömungsberuhigten Bereichen bzw. von Bereichen mit Verschlechterungstendenzen, der Verbesserung der Passierbarkeit des Wehres Geesthacht für wandernde Arten, der Entwicklung naturnaher Uferstrukturen sowie der Wiederanbindung ehemals tidebeeinflußter Gewässer an das Tidegeschehen bestehen.