Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

7 ZUSAMMENFASSUNG

Für die Genehmigung der Anpassung der Fahrrinne in der Unter- und Außenelbe an die Containerschiffahrt ist eine Umweltverträglichkeitsprüfung im Rahmen des Planfeststellungsverfahrens erforderlich. Die Grundlage hierfür bildet eine Umweltverträglichkeitsuntersuchung (UVU), mit deren Durchführung die Planungsgruppe Ökologie + Umwelt, Hannover/Hamburg im Dezember 1993 beauftragt wurde. Das vorliegende Fachgutachten behandelt als Bestandteil der UVU die Auswirkungen des Vorhabens auf das Schutzgut Landschaft (UVPG ' 2, Abs. 1). Das Schutzgut Landschaft wird in dieser Untersuchung im Sinne von Landschaftsbild (Landschaftserleben) untersucht.

Unter Landschaftsbild wird hier die Gesamtheit der äußeren, sinnlich wahrnehmbaren Erscheinungen in einem durch natürliche und/oder anthropogene Faktoren geprägten Landschaftsraum verstanden inklusive der Beziehungen zwischen dem sinnlich Wahrgenommenen und den damit verbundenen physischen und psychischen Prozessen beim Betrachter. Das Landschaftsbild ist einerseits die Ebene für die emotional-ästhetische Beziehung des Menschen zu Natur und Landschaft, andererseits bietet das Landschaftsbild Anknüpfungspunkte für eigene Erfahrungen, eigenes Hintergrundwissen und den Rahmen für die Beschäftigung mit ökologischen, kulturellen und historischen Zusammenhängen.

Im Rahmen dieses Gutachtens werden die Qualitäten, die die Landschaft für menschliches Erleben bietet, ermittelt, bewertet und auf ihre Gefährdung durch die Maßnahme hin untersucht.

Für die Erfassung der Voraussetzungen, die die Landschaft des Untersuchungsgebietes für das Landschaftserleben bietet, steht eine breite Datengrundlage zur Verfügung. Dabei werden die grundlegenden Informationen über die Ausstattung der Räume mit Landschaftsbildelementen der Karte "Zusammenfassende Darstellung der Biotoptypen" (UVS, Kap. 7.4), Maßstab 1:25.000, entnommen.

Darüber hinaus werden eigene Daten erhoben. So werden die baulichen Großobjekte kartiert und die Landschaftsentwicklung durch den Vergleich Topographischer Karten aus den Zeiträumen um 1880, 1955 und 1995 ermittelt. Die historische Entwicklung der Natur- und Kulturlandschaft wird in Literaturarbeit zusammengefaßt und wesentliche Trends ermittelt. Neben der Beschreibung des natürlichen Zustandes, der Besiedlungsgeschichte und der Veränderungen am Fluß werden in einem literarischen Exkurs auch typische Aspekte des Landschaftserlebens in Vergangenheit und Gegenwart dargestellt (Kap. 3).

Für die Erfassung und Bewertung der Voraussetzungen für das Landschaftserleben in diesem sehr großen und heterogenen Untersuchungsgebiet wird eine differenzierte Methodik entwickelt (Kap. 2). Der Grundansatz ist räumlich-normativ, er analysiert die in der Landschaft vorhandenen materiellen Voraussetzungen für das Landschaftserleben. Mit Hilfe dieser Methodik gelang es, auf der Grundlage der erhobenen Daten flächenscharfe Aussagen für das gesamte Untersuchungsgebiet zu treffen.

Grundlage der Untersuchung sind drei Kriterien, mit denen die Landschaftsbildqualitäten ermittelt werden:

  • Das Kriterium "Raumstruktur und Formenschatz" erfaßt die unmittelbar und unreflektiert wahrgenommene Gestalt der Landschaft. Für dieses Kriterium werden die Parameter "Kammerung" und "Weite" der Landschaft definiert.
  • Das Kriterium "Naturnähe" erfaßt die Ausprägung der naturräumlichen Eigenart und die Erlebbarkeit natürlicher Zusammenhänge. Für dieses Kriterium wird der Parameter "Naturraumspezifität der Biotoptypen" definiert.
  • Das Kriterium "Anthropogene Prägung" erfaßt Ausprägung und Konstanz der kulturlandschaftlichen Prägung. Für dieses Kriterium wird der Parameter "Anthropogene Nutzung" definiert.

Für jedes Kriterium werden vier Qualitätsstufen (Flächenwertstufen) definiert. Die Erfassung und Bewertung des Landschaftsbildes erfolgt für jedes Kriterium in zwei, aufeinander aufbauenden Bewertungsschritten:

Flächengenaue Bewertung: Die Qualitäten der Parameter werden flächengenau und flächendeckend ermittelt. Für alle drei Kriterien wird der aktuelle Zustand in einer Karte im Maßstab 1:50.000 für das gesamte Untersuchungsgebiet dargestellt.

Flächenaggregierte Bewertung: Um die Bewertung der Voraussetzungen für das Landschaftserleben im Untersuchungsgebiet in der notwendigen räumlichen Genauigkeit durchführen zu können, werden handhabbare Teilflächen abgegrenzt. Zuerst wird das Untersuchungsgebiet in sechs Landschaftsbildräume gegliedert. Die Kriterien dieser Einteilung sind die übergeordneten Landschaftsunterschiede: Breite des Stromes, Lage an der Geest oder in der Marsch sowie der Grad der Bebauung. Um handhabbare Bezugsflächen für die arithmetische Bewertung des Untersuchungsgebietes zu erhalten, werden die sechs Landschaftsbildräume in 84 Landschaftsbildbereiche unterteilt.

Mittels eines arithmetischen Verfahrens werden die im ersten Bewertungsschritt ermittelten Flächenwertstufen auf der Ebene der Landschaftsbildbereiche räumlich aggregiert. Über zusätzliche Auf- und Abwertungsparameter gehen solche Faktoren in die Untersuchung ein, die nicht über ihre Grundfläche wirken. Die Landschaftsbildbereiche werden innerhalb eines fünfstufigen Bewertungsrahmens vergleichend bewertet. Auch im zweiten Bewertungsschritt wird die Trennung in die drei Kriterien aufrechterhalten.

Die Bewertung wird für jedes Kriterium in einer Bewertungskarte (Maßstab 1:100.000) dargestellt. Für alle 84 Untersuchungsbereiche werden Bewertungsbögen (sog. Steckbriefe) angefertigt, die das Erfassungs- und Bewertungsverfahren transparent machen. Die gegenwärtigen Voraussetzungen für das Landschaftserleben werden auf der Ebene der Landschaftsbildräume für alle drei Kriterien zusammengefaßt und erläutert (Kap. 4).

Für die Prognose der Entwicklung der Voraussetzungen für das Landschaftserleben ohne Durchführung der Fahrrinnenvertiefung werden die sonstigen, für das Untersuchungsgebiet geplanten Baumaßnahmen und prognostizierten Veränderungen untersucht (Kap. 5). Als Vergleichszustand dienen die in der flächengenauen Bewertung detailliert ermittelten Qualitäten. Die Auswirkungen auf das Landschaftsbild werden für die drei Kriterien beschrieben und bewertet.

Abschließend werden die Auswirkungen der im Zusammenhang mit der Vertiefung der Fahrrinne der Unter- und Außenelbe vorgesehenen Baumaßnahmen und prognostizierten hydrologischen Prozesse auf das Landschaftsbild untersucht (Kap. 6). Auch hier dienen die in der flächengenauen Bewertung detailliert ermittelten Qualitäten als Vergleichszustand.

Die Auswirkungen der Maßnahme auf die Voraussetzungen für das Landschaftserleben resultieren größtenteils aus der oberirdischen Deponierung des Baggergutes. Für das Untersuchungsgebiet ergibt sich daraus folgendes:

  • Auf dem größten Teil der Flächen des Untersuchungsgebietes werden sich die Voraussetzungen für das Landschaftserleben voraussichtlich nicht signifikant verändern. Als einziger Wirkfaktor betrifft die Änderung des Tidehochwassers große Teile des Untersuchungsgebietes. Ihre landschaftsbildrelevante Auswirkung besteht in der Gefährdung sehr schmaler Röhrichtbestände als strukturierende Elemente der Landschaft.
  • In einem Teilraum ergeben sich durch die Anlage neuer Aufspülungen erhebliche Veränderungen des Landschaftsbildes. Da das Landschaftserleben in kleinräumigen Zusammenhängen stattfindet, relativiert die weitgehende Konstanz im übrigen Untersuchungsgebiet diese Veränderungen nicht. Der Teilraum Pagensand (alternativ: Brammer Bank) wird im Rahmen der Durchführung des Vorhabens erheblich und nachhaltig verändert.
  • Für die Abwägung zwischen den alternativen Baggergutdeponien Spülfeld Pagensand und Aufspülung Brammer Bank werden die jeweiligen, für das Landschaftsbild wirksamen Faktoren gegenübergestellt. Generell ist dabei zwischen den geringeren Verlusten an landschaftsbildrelevanten Qualitäten bei Errichtung der Baggergutdeponie Brammer Bank und der um das sechsfache geringeren Flächeninanspruchnahme des Spülfeldes auf Pagensand abzuwägen. Für beide Maßnahmen sind Varianten mit geringeren negativen Auswirkungen auf das Landschaftsbild denkbar.

Zusammenfassend ist festzustellen, daß die Durchführung der Fahrrinnenanpassung kleinräumig zum Teil erhebliche und nachhaltige Beeinträchtigungen der Voraussetzungen für das Landschaftserleben im Sinne der untersuchten Kriterien bewirken wird.

Der Vergleich der oben beschriebenen Auswirkungen der mit der Fahrrinnenvertiefung verbundenen landschaftsbildwirksamen Maßnahmen sowie der sonstigen Vorhaben mit den kulturlandschaftlichen Prozessen der Vergangenheit zeigt, daß sich der Trend, große Flächen für moderne Nutzungen zu überprägen und damit kulturhistorisch bedeutsame Landschaftsteile und naturnahe Bereiche zu zerstören, auch in Zukunft fortsetzen wird.

Hamburg, im Juni 1997

Planungsgruppe Ökologie + Umwelt Nord

Im Auftrag

Dipl.Ing. Baumann

Dipl.Ing Günzel