Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

2.4.3 Flächengenaue Bewertung des Kriteriums "Anthropogene Prägung"

Für das Landschaftserleben auf der symptomatischen Sinnschicht ist die Art der anthropogenen Prägung der Landschaft von Bedeutung. Die zeitliche Konstanz des Landschaftsbildes gewährleistet den in ihm lebenden Menschen Orientierung und Sicherheit. Landschaftsbildkontinuität bedeutet dann auch Heimatqualität. Gleichzeitig verändert sich durch die menschliche Nutzung die Landschaft und damit auch das Landschaftsbild. Im Verlauf der Entwicklung der Kulturlandschaft entstehen verschiedene anthropogen geprägte Landschaftsbildelemente, immer unter Überprägung älterer anthropogener oder natürlicher Landschaftsbestandteile. Neben der Kontinuität der Landschaftsnutzung im Verlauf der letzten Generationen werden jüngere Überprägungen nach ihrer Verträglichkeit mit der kulturlandschaftlichen Eigenart des Elbtales bewertet (vgl. Kap. 3).

Für die Flächenbewertung wird der Parameter Anthropogene Nutzung definiert. Die aktuelle Nutzung wurde der Karte "Zusammenfassende Darstellung der Biotoptypen" (UVS, Kap. 7.4) entnommen. In einem ersten Bewertungsschritt werden die Biotopobertypen, denen eine anthropoge Nutzung zugrunde liegt, von denen getrennt, die keine anthropogene Nutzung anzeigen. In einem zweiten Bewertungsschritt wird die Kontinuität der anthropogenen Nutzung durch einen Vergleich der Topographischen Karte 1:25.000 aus den Jahren 1880, 1955 und 1996 ermittelt.

Erfassung der aktuellen anthropogenen Nutzung:

Ausgangspunkt dieser Bestandsanalyse ist die Auswertung der Biotoptypenkartierung. Datengrundlage ist die Karte "Zusammenfassende Darstellung der Biotoptypen" (UVS, Kap. 7.4). Die Bewertung erfolgt auf der Ebene der Biotopobertypen. Die Biotopobertypen werden in einem ersten Bewertungsschritt in zwei Bewertungsklassen mit folgenden Flächenwertstufen eingeteilt:

Der Biotopobertyp "Wattflächen ohne Vegetation" wird, abweichend zu der Untersuchung "Naturnähe", im Kriterium "Anthropogene Prägung" nicht berücksichtigt. Abweichend von der Biotoptypenkarte werden Buhnen und Hafenbecken bewertet. In die Beurteilung der anthropogenen Nutzung des Landschaftsbildes gehen Buhnen (sobald es mehr als eine ist) mit der Fläche der Zwischenräume (Buhnenfelder) ein. Das Buhnenfeld wird dann als anthropogen genutzte Fläche dargestellt und bewertet. Ebenso wird die anthropogene Nutzung der Hafenbecken berücksichtigt. Diese Flächen fließen als anthropogen genutzt in die Flächenbewertung mit ein und werden in der Karte entsprechend dargestellt. Die Biotoptypen der Kleingewässer werden in dieser Untersuchung nicht mit bewertet.

Die beiden Grundtypen "anthropogen genutzt" (Flächenwertstufe 2) und "nicht anthropogen genutzt" (Flächenwertstufe 4) bilden die Grundlage für die Erfassung der Veränderung der anthropogenen Nutzung.

Tab. 4: Bewertungsvorschrift für die Einteilung der Biotopobertypen des Parameters "Anthropogene Nutzung" ohne Berücksichtigung von Auf- und Abwertungskriterien

Vorläufige Benennung der Flächenwertstufe Biotopobertypen

Wertigkeit der Flächen-

wertstufe

Alle durch anthropogene Nutzung geprägten Biotopobertypen. Nadelwald, Obere Salzwiese, Untere Salzwiese, Salzwiese der Ästuare, Magerrasen, Anthropogene Sandfläche mit Dünenvegetation, Ruderalflur, Grünland weniger intensiv, Intensivgrünland, Deichrasen, Acker, Obstbau, Offenbodenbereich, Siedlungsflächen, Industrie- / Gewerbegebiet, Verkehrsfläche, Uferbefestigung. (Buhnenfelder, Hafenbecken ergänzt) 2
Alle Biotopobertypen, die keine anthropogene Nutzung aufweisen. Auwald, Laubwald, Auengebüsch, Gebüsch, Küstenwatt mit Vegetation, Brackwasserröhricht, Röhricht und Uferstaudenflur, Sumpf. 4

Erfassung der Veränderung der anthropogenen Nutzung:

Diese zusätzliche Flächenbewertung betrifft nur die aktuell anthropogen genutzten Biotopobertypen, die in Tabelle 4 mit der Flächenwertstufe 2 bewertet sind. Die Flächen der Flächenwertstufe 2 werden anhand ihrer Nutzungskontinuität auf- bzw. abgewertet.

Die Entwicklung der anthropogenen Nutzung wird mittels eines Kartenvergleiches erfaßt. Der Kartenvergleich wird auf der Ebene der Topographischen Karte (Maßstab 1:25.000) durchgeführt. Als Bezugszeitpunkte wurden 1880 und 1953/55 ausgewählt. Mit der Preußischen Landesaufnahme wurde 1880 das Kartenwerk der Topographischen Karten begründet. Dies sind also die ältesten, für das gesamte Untersuchungsgebiet einheitlich erhobenen flächengenauen Daten. Flächen, die seit 1880, also seit über einhundert Jahren, in ihrer Nutzung nicht wesentlich verändert wurden, gelten als besonders wertvoll. Flächen, die diese Qualität aufweisen, werden aufgewertet und erhalten somit insgesamt die höchste Flächenwertstufe 1:

  • Aufwertung (-1) (Flächenwertstufe 1): Alle aktuell anthropogen genutzten Flächen, die seit 1880 keine wesentlichen Nutzungsänderungen erfahren haben.

Aus der Analyse der Landschaftsentwicklung des Unterelbegebietes läßt sich für den Zeitraum nach der Sturmflutkatastrophe 1962 eine deutliche Zäsur ableiten (vgl. Kap. 3). In der Folge wurde das Landschaftsbild stark verändert. Zu nennen sind hier die Anlage großer Industriegebiete in der Marsch, die Deicherhöhungen und -verkürzungen und erhebliche Strombaumaßnahmen, wie das Aufspülen von Inseln zwischen Wedel und Glückstadt und das Abdämmen der Alten Süderelbe. Diese Entwicklungstendenz wird auf Basis eines Vergleiches der aktuellen TK 25 und dem letzten vor 1962 erhältlichen Stand der TK 25 aus dem Jahr 1953/55 (im folgenden vereinfacht 1955 genannt) ermittelt und fließt in die Bewertung ein. Anthropogen genutzte Flächen, deren Nutzung seit 1955 wesentlich verändert wurde, werden abgewertet und erhalten somit insgesamt die Flächenwertstufe 3:

  • Abwertung (+1) (Flächenwertstufe 3): Alle aktuell anthropogen genutzten Flächen, die seit 1955 wesentliche Nutzungsänderungen erfahren haben.

Grundlage der Auf- und Abwertung des Flächenparameters "Anthropogene Nutzung" sind die Signaturen der Topographischen Karte. Diese werden im folgenden als Landschaftsbildelemente der Veränderung der anthropogenen Nutzung behandelt. Folgende Flächennutzungen wie sie in der TK 25 dargestellt sind wurden bewertet: Nadelwald, Grünland (Wiese, Weide und Salzwiese), Acker, Obstbau, Sandfläche (Ruderalflur und Heide), Siedlungsfläche (und Garten), Verkehrsfläche, Hafenanlagen (und Gewässer), Industrie und Gewerbe, Deich, Buhnen (und Uferbefestigung). Die Veränderung der Anthropogenen Nutzung der einzelnen Nutzungstypen wurde wie folgt nachvollzogen:

Tab. 5: Übersicht über die Veränderung der Landschaftsbildelemente, die der Bewertung der "Anthropogenen Nutzung" zu Grunde liegen

Landschaftsbild-

element

Aufwertung -1

(Flächenwertstufe 1)

Flächenwertstufe 2

Abwertung +1

(Flächenwertstufe 3)

Nadelwald bereits 1880 vorhanden wie 1955, geringfügige Veränderung der Flächengröße nach 1955 entstanden
Grünland (Wiese, Weide und Salzwiese) bereits 1880 vorhanden wie 1955, geringfügige Veränderung der Flächengröße oder Flureinteilung nach 1955 entstanden oder erhebliche Veränderung der Flureinteilung
Acker bereits 1880 vorhanden wie 1955, geringfügige Veränderung der Flächengröße oder Flureinteilung nach 1955 entstanden oder erhebliche Veränderung der Flureinteilung
Obstbau bereits 1880 vorhanden wie 1955, geringfügige Veränderung der Flächengröße oder Flureinteilung nach 1955 entstanden oder erhebliche Veränderung der Flureinteilung
Sandflächen (Ruderalflur und Heide) bereits 1880 vorhanden wie 1955, geringfügige Veränderung der Flächengröße nach 1955 entstanden
Siedlungsfläche (und Garten) bereits 1880 vorhanden wie 1955, geringfügige Veränderung der Gebäude oder deren Anzahl nach 1955 entstanden oder erhebliche Veränderung der Gebäudegrundrisse
Verkehrsfläche bereits 1880 vorhanden wie 1955, geringfügige Veränderung der Verkehrsfläche nach 1955 entstanden oder erheblich ausgebaut
Hafenbecken (und Gewässer) bereits 1880 vorhanden wie 1955, nur geringfügige Veränderungen nach 1955 entstanden oder erhebliche Veränderungen der Größe der Wasserfläche
Industrie und Gewerbe (auch Hafenanlagen) bereits 1880 vorhanden wie 1955, nur geringfügige Veränderungen nach 1955 entstanden oder erhebliche Veränderung der Gebäudegrundrisse
Deich bereits 1880 vorhanden wie 1955, nur geringe Veränderung nach 1955 entstanden
Buhnen (und Uferbefestigung) bereits 1880 vorhanden wie 1955, nur geringe Veränderung nach 1955 entstanden

Die Grenze der anthropogenen Nutzung wurde zwischen 1955 und heute im überwiegenden Teil der Landflächen des Untersuchungsgebietes nicht verändert. Werden heute Flächen anthropogen genutzt, die 1955 noch nicht anthropogen genutzt waren, so werden sie als "anthropogen genutzte Flächen, die seit 1955 wesentlichen Nutzungsänderungen erfahren haben" bewertet. Ehemals anthropogen genutzte Flächen, die zwischen 1955 und 1990 brachfielen, werden, da sie heute nicht anthropogen genutzt sind, als "nicht anthropogen genutzt" bewertet. Veränderungen zwischen verschiedenen nicht anthropogen genutzten Landschaftsbildelementen (z.B. von Schilf zu Wald) werden im Rahmen der Veränderung der anthropogenen Nutzung nicht berücksichtigt, diese Flächen behalten die Flächenwertstufe "nicht anthropogen genutzt".

Der Einfachheit halber werden die durch Auf- bzw. Abwertung der Flächenwertstufe 2 ermittelten Nutzungstypen im folgenden wie eigene Flächenwertstufen (1 und 3) behandelt.

Als weitere Veränderungsaspekte werden anthropogene Überprägungen in Form von Aufspülung, Großobjekt und Deichvorverlegung berücksichtigt. Diese fließen jedoch erst in den 2. Bewertungsschritt (flächenaggregierte Bewertung) ein (vgl Kap. 2.6).

Zusammengefaßt ergeben sich für die Flächenbewertung des Parameters "Anthropogene Nutzung" folgende vier Flächenwertstufen:

Tab. 6: Bewertungsvorschrift für die Flächenwertstufen des Parameters "Anthropogene Nutzung" des Kriteriums "Anthropogene Prägung"

Benennung der Flächenwertstufe Bewertungsvorschriften Wertigkeit der Flächenwertstufe
Historische Kulturlandschaft, unverändert seit 1880 Alle aktuell anthropogen genutzten Flächen, die seit 1880 keine wesentliche Nutzungsänderung erfahren haben 1
Kulturlandschaft, unverändert seit 1955 Alle aktuell anthropogen genutzten Flächen, die seit 1955 keine wesentliche Nutzungsänderung erfahren haben 2
Kulturlandschaft, stark verändert seit 1955 Alle aktuell anthropogen genutzten Flächen, deren Nutzung seit 1955 stark verändert wurde 3
Nicht anthropogen genutzt Alle aktuell nicht anthropogen genutzten Flächen 4

Beispiel für die Flächenwertstufen zeigen die Abbildungen 22 - 29. In der Kriteriumkarte "Anthropogene Prägung" (Maßstab 1:50.000) ist der Flächenparameter "Anthropogene Nutzung" entsprechend der vier Flächenwertstufen flächendeckend dargestellt. Auf der Grundlage dieser Karte findet der zweite Bewertungsschritt, die Bewertung der anthropogenen Prägung des Landschaftsbildes auf der Ebene der Landschaftsbildbereiche (vgl. Kap. 2.6) statt. Die Wertigkeit der Flächenwertstufen ist die Berechnungsgrundlage für die aggregierte Bewertung der Landschaftsbildbereiche. Ebenfalls als Grundlage für den 2. Bewertungsschritt sind in der Karte die Überprägungen in Form der Großobjekte und ihre Wirkungsbereiche, die Deichvorverlegungen und die Aufspülungen dargestellt (vgl. Kap 2.6.4).

Abb. 20: Ausschnitt der Karte "Anthropogene Prägung"

 

Abb. 21: Legende der Karte "Anthropogene Prägung"

Abb. 22: "Historische Kulturlandschaft, unverändert seit 1880" (Hafen)

 

Abb. 23: "Kulturlandschaft, unverändert seit 1955" (Hafen)

 

Abb. 24: "Kulturlandschaft, stark verändert seit 1955" (Hafen)

 

Abb. 25: "Nicht anthropogen genutzt" (Hafen)

 

Abb. 26: "Historische Kulturlandschaft, unverändert seit 1880"

 

Abb. 27: "Kulturlandschaft, unverändert seit 1955"

 

Abb. 28: "Kulturlandschaft, stark verändert seit 1955"

 

Abb. 29: "Nicht anthropogen genutzt"

 

Abb. 30: "Ablaufschema der flächengenauen Bewertung"