Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

6.3 Phytobenthos

Das Phytobenthos umfaßt alle die pflanzlichen Organismen, die am Gewässerboden leben. Hierbei handelt es sich sowohl um höhere Pflanzen wie zum Beispiel verschiedene Röhrichtpflanzen als auch primitivere Formen, bis hin zu einzelligen Organismen wie den Kieselalgen. Im Rahmen der vorliegenden UVU werden die Röhrichtpflanzen, die als reine Uferformen den Übergangsbereich von aquatischer zu terrestrischer Flora charakterisieren, den terrestrischen Lebensgemeinschaften zugeordnet (MATERIALBAND VI). Wenn im folgenden von Phytobenthos gesprochen wird, handelt es sich also um Algen, wobei im Elbe-Ästuar die Kieselalgen den weitaus größten Teil dieser Lebensgemeinschaft ausmachen (GÄTHJE, 1991).

Die Primärproduktion in einem Fließgewässer wird bestimmt durch die benthische und planktische Flora. Die Intensität dieser Primärproduktion ist entscheidend für die Selbstreinigungskraft des Gewässers und dessen Sauerstoffversorgung. In den anthropogen stark überformten Flüssen, deren Sauerstoffversorgung über eine natürliche Ufervegetation und über den physikalischen Eintrag über die Wasseroberfläche stark vermindert ist, ist die Primärproduktion (und damit gekoppelt die Sauerstoffproduktion) durch benthische und planktische Algen von besonderer Bedeutung.

Die benthischen Primärproduzenten haben zusätzlich während der Sommermonate eine Bedeutung für die Belüftung der Sedimente (BAILLIE, 1986). In warmen Monaten kann der Sauerstoffbedarf im Sediment höher sein, als die Sauerstoffversorgung durch die Luft.

Das Phytobenthos ist in seiner Ausbreitung in einem durch Ausbaumaßnahmen vertieften Ästuar auf die ufernahen Bereiche beschränkt, da in größeren Wassertiefen die Lichtversorgung für eine positive Primärproduktion nicht ausreicht. Als potentielle Lebensräume können also vor allem die Watt- und Flachwasserbereiche im Ästuar angesehen werden. Die flächenmäßige Ausdehnung dieser Gebiete sowie ihre relative Lage im Salzgradienten des Ästuars bestimmen, welche Bedeutung der Primärproduktion durch das Phytobenthos zukommt.

Die benthische Primärproduktion im Elbe-Ästuar ist etwa doppelt so hoch wie die planktische (KIES et al., 1992). Benthische Algen werden aufgrund von Resuspensionsprozessen, wie sie für tidebeeinflußte Gewässer typisch sind, häufig auch in der Wassersäule gefunden. Nach SHAFFER & SULLIVAN (1988) können bis zu 75% der Diatomeen im Freiwasser resuspendierte benthische Formen sein, ihr Anteil an der Primärproduktion im Fließgewässer wird also eher noch unterschätzt. Die beschriebene Kopplung zwischen Phytobenthos und Wasserkörper ist abhängig von der Morphologie des Ästuars. Eine besonders intensive Kopplung besteht in flachen, gut durchmischten Bereichen, schwächer ausgeprägt ist sie in tieferen Gebieten mit thermischer oder chemischer Schichtung.

Neben ihrer Bedeutung für die Sauerstoffversorgung des Gewässers spielen die benthischen Mikroalgen eine erhebliche Rolle für die Stabilisierung der von ihnen besiedelten Sedimente und für den Transfer von organischer Substanz zwischen Sediment und Wassersäule. Durch ausreichende Sauerstoffversorgung der Sedimente sowie durch ihren eigenen Nährstoffbedarf verhindern die benthischen Algen die Freisetzung von Phosphaten und Ammonium aus dem Sediment, und schließlich sind sie die wichtigste Nahrungsquelle für die benthischen Suspensionsfresser.

Die Verbreitung und Häufigkeit der benthischen Algen in einem Ästuar wird von verschiedenen Faktoren bestimmt. Voraussetzung für eine gut ausgeprägte benthische Flora ist zunächst, daß in ausreichendem Maße Watt- und Flachwasserflächen zur Besiedlung zur Verfügung stehen. Die meisten benthischen Mikroalgen sind schon bei geringen Lichtintensitäten zu effektiver Photosynthese in der Lage und zeigen außerdem bei hohen Lichtintensitäten (wie sie z.B. bei Trockenfall der Watten am Tage auftreten) keine Hemmung der Photosynthese. Ihre Produktionsleistung wird daher vor allem von der Höhenlage des von ihnen besiedelten Gebietes, sowie von dessen Überdeckungszeit bestimmt. Im Bereich des MTnw wird die Produktionsleistung von der zur Verfügung stehenden Lichtmenge kontrolliert, im Bereich des MThw vor allem von der Toleranz der Algenarten gegen Austrocknung (HOPKINS, 1964).

Allgemein wird die Artenzusammensetzung benthischer Algen vom marinen bis zum oligohalinen Bereich als relativ gleichförmig beschrieben. Ein deutlicher Wechsel in der Artenzusammensetzung zeigt sich erst im Übergangsbereich zwischen oligohalinem und limnischem Milieu. Der marine und der limnische Bereich weisen häufig geringere Artendiversität auf und es dominieren nur wenige Arten (MOORE & McINTIRE, 1977).

Die Beschaffenheit der Sedimente wird hauptsächlich durch Korngrößenverteilung, Gehalt an organischer Substanz und Wassergehalt charakterisiert. Diese Faktoren bestimmen auch die Besiedlung der Sedimente durch benthische Algen. Im allgemeinen zeigen Diatomeen eine deutliche Präferenz für schlickige Substrate (DE JONGE, 1985), wie sie in der Elbe vor allem im Bereich der Süßwasserwatten gefunden werden. Messungen zum Chlorophyll-a Gehalt der Sedimente im Längsschnitt des Elbe-Ästuars bestätigen diese Regel (GÄTHJE, 1991).

Während der Überdeckung der Watten mit Wasser bestimmt die Trübung des Wasserkörpers (bzw. sein Schwebstoffgehalt) die Intensität der benthischen Primärproduktion. Hohe Sedimentgehalte vermindern die Eindringtiefe des Lichtes und verringern somit die Primärproduktion. In strömungsärmeren Gebieten bewirken sie außerdem erhöhte Sedimentationsraten, die daraus folgende Überdeckung der benthischen Flora mit Sediment vermindert die Primärproduktion entsprechend der Lichtdurchlässigkeit des sedimentierten Materials.

Ein weiterer, die benthische Primärproduktion kontrollierender Faktor ist die mechanische Belastung der besiedelten Fläche durch wind-, tide- oder schiffserzeugten Wellengang. Im allgemeinen ist die Primärproduktion um so höher, je besser das betreffende Gebiet gegen solche Einflüsse geschützt ist (PLANTE-CUNY & BODOY, 1987).

Im folgenden werden die Auswirkungen des Vorhabens auf die oben beschriebenen Parameter im einzelnen dargestellt.

 

6.3.1 Auswirkungen von Baggerung und Verklappung auf das Phytobenthos

6.3.1.1 Auswirkungen von Baggerungen

Die Baggerungen selbst finden, bis auf die Aushebung der Mergelklappgrube am Mühlenberger Loch (südlicher Fahrwasserrand), im Bereich der Fahrrinne statt, betreffen also den eigentlichen Lebensraum des Phytobenthos nicht direkt.

Während des Baggervorgangs können jedoch vor allem die feinkörnigen Bestandteile des Baggergutes in Suspension gehen, mit der laufenden Welle in andere Bereiche der Tideelbe verfrachtet werden und dort für das Phytobenthos relevante Veränderungen im Milieu bewirken. Wie stark dieser Effekt ist, hängt zum einen von der Beschaffenheit des Baggergutes und zum anderen vom eingesetzten Gerät ab. Während der Baumaßnahme werden zur Vertiefung der Fahrrinne je nach anstehendem Baggergut unterschiedliche Baggertypen eingesetzt. Für die Ausbaggerung von Ton, Schluff und Mergel bzw. Geschiebemergel kommen Eimerkettenbagger zum Einsatz, alle anderen Bodentypen werden mit Hilfe von Hopperbaggern entnommen.

Bei der Entnahme der schwer löslichen, bindigen Bodenarten sind grundsätzlich keine größeren Auswirkungen auf das Phytobenthos zu erwarten, da damit zu rechnen ist, daß Eimerkettenbagger das Baggergut ohne größere Verluste in der Wassersäule in die Klappschuten überführen, so daß mit einer Verfrachtung des Materials im Wasserkörper nicht zu rechnen ist.

Anders stellen sich die Verhältnisse bei den Vertiefungen mittels Hopperbagger mit Überlauf dar. Sie werden grundsätzlich für die Entnahme feineren Materials eingesetzt, wobei es sich nach Angaben der TdV vornehmlich um sandige Sedimente handelt. Dennoch muß davon ausgegangen werden, daß die Sedimente in der Fahrrinne teilweise schlecht sortiert sind (d.h. aus Partikeln sehr uneinheitlicher Korngröße bestehen). Untersuchungen der BfG (1995) im Raum Brunsbüttel/Neufelder Watt zeigten, daß auch die sandigen Sedimente der Fahrrinnensohle einen gewissen Feinkornanteil (Korngröße < 63µm) haben können, der aber nur selten 20 Prozent übersteigt. Die Sedimentcharakterisierungen im Rahmen der vorliegenden UVU (MATERIALBAND III) ergaben, daß zwar in der Fahrrinne Fein- bis Grobsande vorherrschen, eingelagerte Schlickschichten aber durchaus nicht untypisch sind. Während der Baumaßnahme werden Hopperbagger mit Überlauf eingesetzt, d.h. das beim Saugvorgang mit aufgenommene Wasser wird während des Ladevorganges einschließlich des darin suspendierten Feinmaterials über die Laderaumkante abgeleitet. Eine Studie der BfG (KUZ, 1994) zeigt, daß von allen untersuchten Baggertypen Saugbagger mit Überlauf die höchste Schwebstoffbelastung im Gewässer erzeugen.

KIØRBOE & MØLENBERG (1981) beobachteten in der unmittelbaren Nähe des Einsatzes eines Saugbaggers in sandigem Sediment eine Erhöhung der Schwebstoffkonzentration auf bis zu 5000 mg/l. In 150 m Entfernung war noch eine Erhöhung von über 100 mg/l feststellbar und der Umgebungswert stellte sich erst in einer Entfernung von einem Kilometer von der Baggerstelle ein.

Werden beim Saugvorgang schlickige Sedimente mit aufgenommen, so ist ebenfalls damit zu rechnen, daß in der unmittelbaren Umgebung des Hopperbaggers eine Trübungswolke entsteht, welche mit der Tide in andere Bereiche verfrachtet wird. Bedenkt man weiterhin, daß laut Baumaßnahmenbeschreibung Hopperbagger während des Ausbaus an sieben Tagen in der Woche im Einsatz sein werden, so muß zumindest mit dem Risiko einer Beeinträchtigung des Phytobenthos der Watt- und Flachwasserbereiche in der Nähe des Einsatzortes von Hopperbaggern gerechnet werden, auch wenn laut Gutachten der GKSS (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe) bezogen auf die jeweiligen Untersuchungsabschnitte keine signifikante Erhöhung des Schwebstoffgehaltes zu erwarten ist.

Die Beeinträchtigung in Form eines erhöhten Schwebstoffgehaltes im Wasser ist um so höher einzustufen, je geringer die Grundbelastung des Wasserkörpers mit Schwebstoffen und je höher die Produktivität des betroffenen Gebietes ist. Am höchsten ist danach das Risiko für Untersuchungsabschnitt III, der einerseits im Jahresmittel relativ niedrige Schwebstoffkonzentrationen aufweist, andererseits aber durch eine hohe benthische Primärproduktion gekennzeichnet ist.

Bei Baggerungen in Elbabschnitten mit ohnehin niedrigeren Sauerstoffgehalten (Untersuchungsabschnitt III und IV) besteht zusätzlich das Risiko, daß bei der Freisetzung von potentiell sauerstoffzehrenden Sedimenten die Sauerstoffkonzentrationen noch weiter abnehmen (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe). Hier kommt der benthischen und planktischen Primärproduktion zusätzlich eine entscheidende Bedeutung zu.

Als Baumaßnahme mit dem Risiko einer Beeinträchtigung der phytobenthischen Lebensgemeinschaft muß die Aushebung der Mergelklappgrube im Bereich des Mühlenberger Lochs angesehen werden. Es handelt sich hier um die Entnahme von einer Million m³ Sand mit Hopperbaggern in unmittelbarer Nachbarschaft zu hochproduktiven Flachwasser- und Wattgebieten, die zugleich zu den wichtigsten Jungfisch-Weidegebieten gehören. In die entstandene Grube werden ca. 650000 m³ Geschiebemergel verfüllt. Das natürliche morphologische Geschehen im Sohlbereich soll schließlich zu einer Abdeckung des Geschiebemergels innerhalb etwa eines Jahres führen. Das Ökosystem Mühlenberger Loch wird also mindestens über den Zeitraum von einem Jahr plus Baggerungs- und Verklappungsdauer gestört sein. Um die Auswirkungen einer solchen Störung zu minimieren, sollten zumindest Baggerung und Verklappung unbedingt auf Tidephasen beschränkt werden, in denen die "Fernwirkung" der Maßnahme minimal ist.

 

6.3.1.2 Auswirkungen von Verklappungen

Einschneidendere Auswirkungen auf das Phytobenthos als von den Baggerungen sind von der Verklappung der Sedimente zu erwarten, da diese größtenteils im unmittelbaren Einzugsbereich von Wattgebieten geplant sind.

Es ist davon auszugehen, daß bei der Verklappung von Mergel mit einem relativ hohen Anteil an Feinmaterial (24% bis 45% Ton) ein Großteil des Baggergutes als kompakte Einheit zu Boden sinkt. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß mengenmäßig relevante Feinsedimentanteile während des Absinkens vor allem bei hohen Strömungsgeschwindigkeiten aus dem Baggergut herausgelöst werden und damit eine erhöhte Trübung erzeugen (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen). Dieser Ansicht sind offensichtlich auch die Maßnahmeträger, die schon in der Baumaßnahmenbeschreibung darauf hinweisen, daß die Verklappungen auf der Mergelklappgrube Mühlenberger Loch zur Vermeidung des Schwebstoffeintrages in das Mühlenberger Loch auf bestimmte Tidephasen reduziert werden soll. Es ist zu hoffen, daß sich eine solche auf die Tide abgestimmte Verklappung bei einem (auf der Hamburger Delegationsstrecke) geplanten Einsatz von Eimerkettenbaggern an fünf Tagen in der Woche für jeweils 13 Stunden realisieren läßt.

Über die räumliche Ausdehnung der Schwebstoffbelastung im Wasser bei der Verklappung von sandigen Sedimenten liegen Untersuchungen der AWU (1994) vor. Sie zeigen, daß bei entsprechenden Strömungsgeschwindigkeiten Trübungswolken noch in 1500 m Entfernung von der Klappstelle nachgewiesen werden können. Hierbei erhöht sich die Trübung beim Durchgang der Schwebstoffwolke gegenüber der Grundbelastung um bis zu 25%.

Eine Studie der BfG (1995) zeigt, daß bei der Verklappung von Schlick in einer Wassertiefe von fünf bis sechs Metern eine deutliche Schwebstoffwolke mit Schwebstoffgehalten von z.T. über 1000 g / m³ in 500 Metern Entfernung vom Verklappungsort beobachtet wird. Die höchsten Belastungen entstehen auch hier beim Einsatz von Hopperbaggern mit Überlauf, da diese pro Ladevolumen mehr partikuläres Material ablassen. Erst in einer Entfernung von 6500 m konnte keine Veränderung des natürlichen Schwebstoffgehaltes durch die Verklappung festgestellt werden. Die räumliche und zeitliche Ausbreitung dieser Trübungswolke ist abhängig von der Tide und davon, ob die Verklappung während der Fahrt oder bei Stillstand des Baggers stattfindet. Die stärkste Belastung des Wassers mit Schwebstoffen entsteht nach den o.g. Untersuchungen der BfG bei Verspülung des Materials gegen Ende der Ebbstrom-Phase.

Bei der Verklappung von Sedimenten mit feinen Bestandteilen ist also von einer deutlichen "Fernwirkung" des verklappten Materials auf Gebiete in der unmittelbaren Umgebung der Klappstelle zu rechnen. Der sohlnahe Transport dieser Sedimente und der Ort ihrer Ablagerung lassen sich zwar nicht mit ausreichender Sicherheit prognostizieren (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u.Umlagerungen), müssen aber zumindest als Risiko vor allem für die benthischen Lebensgemeinschaften in Betracht gezogen werden. Dieses Risiko wird im Falle der Verklappung von Sanden geringer sein als bei Ton und Mergel.

Die auf der Revierstrecke des WSA Cuxhaven liegenden Klappstellen dienen zwar bereits heute als Verbringungsort für Baggergut aus der Unterhaltungsbaggerung, es ist aber zu bedenken, daß während des Ausbaus Baggergut aus flächenmäßig großen Gebieten beim Verklappen auf wenige, relativ kleine Bereiche konzentriert wird. Hopperbagger bzw. Klappschuten werden die Klappstellen also mit weit höherer Frequenz anlaufen, als dies normalerweise der Fall ist, und auch die bei der Verklappung anfallenden Sedimentmengen übersteigen das übliche Maß bei weitem. So ist z.B. die ausbaubedingt erwartete Baggergutmenge im Bereich der Revierstrecke des WSA Cuxhaven 2,2 mal höher als die Baggergutmenge, die bei der jährlichen Unterhaltungsbaggerung (gemittelt 1984 bis 1995) anfällt. Es handelt sich bei den auftretenden Veränderungen des Schwebstoffgehaltes also nicht um kurzfristige Schwankungen, wie sie zumindest im Bereich der Trübungszone natürlicherweise typisch sind, sondern um längerfristig anhaltende Belastungen des Gebietes.

Tabelle 6.3.1.1 führt alle Klappstellen auf, von denen Beeinträchtigungen des Phytobenthos erwartet werden. Bezeichnet werden alle die Klappstellen, in deren Einzugsbereich sich Watt- oder Flachwassergebiete, und damit potentiell wertvolle Lebensräume für das Phytobenthos befinden.

Tab. 6.3.1.1: Klappstellen in der Nähe von Flachwasser- und Wattgebieten

Klappstellenbezeichnung
Mergel-Klappgrube Mühlenberger Loch
Südspitze Rhinplatte
Brammer Bank (Alternative zur Aufspülung Pagensand)
Klappbereich der Unterhaltungsbaggerung (Osteriff km A 706)
Neufelder Rinne km A 711
Otterndorf km A 714
Klappbereiche km A 733, 737, 741
Strombauwerk Twielenfleth
Strombauwerk Krautsand
Strombauwerk Hollerwettern-Scheelenkuhlen

 

Einige der geplanten Verklappungen dienen nicht ausschließlich der Verbringung von Baggergut. Die Verklappung von Baggergut dient bei Hollerwettern-Scheelenkuhlen zur Verminderung der Strömungsgeschwindigkeiten im ufernahen Bereich und damit einer Reduzierung der Uferbelastung. Die Verklappungen bei Krautsand und Twielenfleth sollen vor allem Strömung und Geschiebetransportkapazität in der Hauptrinne erhöhen und damit die dort nötige Unterhaltungsbaggerung vermindern. Diese Klappstellen sind in Tabelle 6.3.1.1 als Strombauwerke bezeichnet. Diese Baumaßnahmen sollen nach Möglichkeit einen bleibenden Effekt auf die Stömungsverhältnisse und die damit zusammenhängenden hydrodynamischen Parameter haben (MATERIALBAND 1, Strombaumaßnahmen), sind also als bleibende Veränderungen in der Morphologie des Elbe-Ästuars zu betrachten. Die damit in Zusammenhang stehenden möglichen Efekte für das Phytobenthos werden im Kapitel 6.3.2 (Auswirkungen der veränderten Gewässermorphologie) beschrieben.

 

Die als Alternative zur Aufspülung von Baggergut auf Pagensand angedachte Aufspülung auf der Brammer Bank muß als erheblicher und nachhaltiger Eingriff für das Phytobenthos gewertet werden. Die großflächige Aufhöhung würde das MThw um 1,70 m überragen, durch die so entstehende Insel würden (nach Berechnungen der PL-Nord) ca. 51 ha Tiefwasser-, 60 ha Flachwasserbereiche und 138 ha Wattgebiet unwiederbringlich verloren gehen. Diese Maßnahme kann aus gewässerökologischer Sicht nur abgelehnt werden, da der Tideelbe aufgrund früherer Ausbaumaßnahmen ohnehin nicht mehr allzuviele Bereiche zu Verfügung stehen, in welchen die Primärproduzenten ihre natürliche Funktion für den Stoffhaushalt des Gewässers wahrnehmen können.

 

Im Falle einer Aufspülung des Baggergutes auf Pagensand muß zwar ebenfalls mit erheblichen und nachhaltigen Flächenverlusten gerechnet werden, die verlorene und damit ausgleichbedürftige Wattfläche ist aber nur 2,1 ha groß. Von diesem Wattverlust von 2,1 ha sind 0,3 ha Flußwattröhricht betroffen dessen Bedeutung für das Phytobenthos in Kapitel 6.3.2.5 beschrieben wird.

Die Wirkung erhöhter Schwebstofffrachten im Wasserkörpers auf das Phytobenthos läßt sich grundsätzlich in zwei Faktoren untergliedern. Zum einen verringert sich schwebstoffbedingt die Eindringtiefe des Lichtes und vermindert somit direkt die Photosyntheseleistung sowohl der in der Wassersäule suspendierten als auch der bodengebundenen benthischen Algen. Zum anderen verändern sedimentierte Feststoffe die Lebensbedingungen am Boden.

In Abbildung 6.2.1.1 wird beschrieben, wie sich die Eindringtiefe des Lichtes ins Wasser in Abhängigkeit vom Schwebstoffgehalt verändert. Bei einer Abnahme der euphotischen Zone ("Ein-Prozent-Tiefe") verkleinert sich in den von Wasser überfluteten Bereichen der Wattgebiete entprechend die Fläche, auf denen noch eine positive Primärproduktion möglich ist bzw. nimmt die Primärproduktion entsprechend der verminderten Lichtintensitäten in der Wassersäule ab.

 

Über die Erhöhung der Schwebstoffbelastung bzw. die daraus resultierende Abnahme der Lichttransmission im Wasser bei gröberem Material als Schlick liegen keine quantitativen Informationen vor. Die Tatsache, daß außerdem verschiedene Algenarten unterschiedlich gut an Schwachlicht-Situationen angepaßt sind, erschwert die Quantifizierung der Effekte erhöhter Schwebstofffrachten.

Sedimentieren die Schwebstoffe und lagern sie sich am Boden ab, so überdecken sie die ben-thischen Mikroalgen oder verändern die Eigenschaften des Sedimentes. BOUCHAUD et al. (1979) stellten als Folge der punktuellen Einleitung von Schwebstoffen (durchschnittliche Konzentration 4000 mg/l) in Fließgewässer in drei Kilometern Entfernung vom Einleiter eine Abnahme der Häufigkeit von benthischen Mikroalgen um 54 bis 94% fest. Die Biomasse benthischer Primärproduzenten (gemessen als Chlorophyll-a) nahm in einer Entfernung von 2,6 Kilometern um 49 bis 90% ab. Entsprechend niedriger war auch die Produktionsleistung der Mikroalgen. Die Autoren führten dies auf die Verminderung des ins Gewässer eindringenden Lichtes, aber auch auf die direkte Überdeckung der Organismen sowie die Verstopfung des Lückensystems im Sediment zurück.

Zusammenfassend ist herauszustellen, daß überall dort, wo ausbaubedingt in unmittelbarer Nähe von Flachwasser- und Wattgebieten sandiges Material gebaggert oder verklappt wird, das Risiko einer Beeinträchtigung für die Lebensgemeinschaft Phytobenthos entsteht.

Die Wiederbesiedlung von Sedimenten durch das Phytobenthos erfolgt im allgemeinen relativ schnell. DAVIS & LEE (1983) konnten experimentell zeigen, daß sich nach vollständiger Vernichtung der benthischen Besiedlung im marinen Milieu nach zehn Tagen bei Temperaturen von 12 bis 14 °C die ursprünglich vorhandene pflanzliche Biomasse (gemessen als Chlorophyll-a) wieder eingestellt hatte. Es ist aber nicht damit zu rechnen, daß dem Phytobenthos in der Nähe der geplanten Ausbau-Klappstellen während der Baumaßnahme Regenerationszeiträume von zehn Tagen überhaupt zur Verfügung stehen. Es muß also sowohl aufgrund direkter Schädigung als auch aufgrund der Minderung der Lichtintensitäten in der Wassersäule mit einer Abnahme der benthischen Primärproduktion während der gesamten Ausbauphase gerechnet werden. Damit wird sich die Sauerstoffversorgung des Gewässers, aber vor allem der ufernahen Sedimente verschlechtern. Insgesamt sind die Folgen von erhöhten Schwebstofffrachten in der Wassersäule für das Phytobenthos aber von geringerer Bedeutung als für das Phytoplankton, da das Phytobenthos mit den Wattgebieten einen Lebensraum besiedelt, der zumindest in den Perioden des Trockenfalls nicht von den Schwebstoffen beeinflußt wird (DE WOLF, 1978).

Aus den vorangegangenen Betrachtungen geht hervor, daß die in der Vergangenheit im Rahmen der Unterhaltung der Fahrrinne durchgeführten Baggerungen und wasserbaulichen Umlagerungen schon immer ein Risiko für bestimmte Teile der aquatischen Lebensgemeinschaft dargestellt haben, bisher aber nicht unter diesem Gesichtspunkt betrachtet worden sind.

Aus den Gutachten der BAW-AK zur Hydromechanik (MATERIALBAND I, Tidedynamik) und der GKSS zum Schwebstoffregime (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe) läßt sich entnehmen, daß die ökologische Belastung des Phytobenthos aufgrund ausbaubedingt erhöhter Unterhaltungsbaggerung zumindest in einigen Elb-Abschnitten vorübergehend zunimmt. Diese Aussage trifft für diejenigen Bereiche zu, in denen ausbaubedingt geringere Strömungsgeschwindigkeiten und damit verbunden geringere Transportkapazitäten die Tendenz zu Sedimentation erhöhen. Weiterhin fällt zusätzliches Baggergut überall dort an, wo zunehmende Vertiefung, Verbreiterung bzw. der morphologische Nachlauf den Gefällegradienten an der Fahrrinnenkante gegenüber dem Ist-Zustand erhöht, und damit gravitativ geprägte Abgleitungen von Sedimenten in den Fahrrinnenbereich bewirkt (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen).

Mit einer vorübergehenden Zunahme der Unterhaltungsbaggerung ist demnach im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke zu rechnen. Sofern es sich bei dem anfallenden Baggergut nicht um glaziales Geröll (Einsatz von Eimerkettenbaggern) handelt, besteht auch hier das oben beschriebene Risiko einer Beeinträchtigung der benthischen Primärproduzenten.

Vorübergehend erhöhte Unterhaltungsbaggermengen werden ebenfalls für das Gebiet Elbe-Kilometer (N) 638,9-641, 645-654 und 658-666 prognostiziert. Mit einer entsprechenden Beeinträchtigung der benthischen Mikroalgen auf den Wattgebieten in diesen Bereichen ist zu rechnen.

Die Artenzusammensetzung der phytobenthischen Lebensgemeinschaft wird neben anderen Faktoren auch durch die Sedimentstruktur bestimmt. Verschiedene Arten zeigen Präferenzen für unterschiedliche Sedimenttypen. Die im Bereich der Tideelbe dominierenden Kieselalgen bevorzugen im allgemeinen schlickige Sedimenttypen (DE JONGE, 1985). Es muß zumindest in solchen Bereichen mit Veränderungen der Artenzusammensetzung und Einbußen in der Produktivität gerechnet werden, in denen feinere Sedimente bei der Verklappung mit gröberen überschichtet werden. Dieser negative Effekt der Verklappung der (vornehmlich sandigen) Sedimente läßt sich vermeiden, wenn das Baggergut in Gebieten verklappt wird, in denen sich die Sedimentstruktur ohnehin nicht stark von der des Baggergutes unterscheidet.

Die Freisetzung von Schadstoffen aus Sedimenten während der Baggerungen und Verklappungen und damit einhergehende Schädigungen des Phytobenthos lassen sich nicht quantifizieren.

 

6.3.2 Auswirkungen der veränderten Gewässermorphologie und davon abhängiger Parameter auf das Phytobenthos

6.3.2.1 Auswirkungen von Veränderungen der Watt- und Flachwasserbereiche

Im Gutachten zur Hydromechanik (MATERIALBAND I, Tidedynamik) werden als Folge der ausbaubedingten morphologischen Anpassung der Fahrrinne Veränderungen der Tidewasserstände und damit verbunden des Tidehubes prognostiziert. In der Tendenz setzt sich die Veränderung des Tidehubes aus einem Anstieg des MThw und einem größeren Absinken des MTnw zusammen. Dabei sinkt bei für die Elbe typischen Oberwasserabflüssen das MTnw zwischen Cuxhaven und Glückstadt um 2 cm ab. Seine maximale Ausprägung erreicht das Absinken des MTnw mit 7 cm bei St.Pauli. Hier erreicht auch der Anstieg des MThw seinen Maximalwert mit 4 cm. Daraus resultiert in diesem Bereich eine maximale Veränderung des Tidehubes von 10 cm. Oberhalb von St.Pauli nehmen die beschriebenen Effekte wieder ab, bei Geesthacht beträgt die maximale Veränderung des Tidehubes nur noch 5 cm.

Definitionsgemäß ist das Watt in seiner Ausdehnung zum Ufer hin begrenzt durch die MThw-Linie und in seiner Ausdehnung zum Gewässer durch die MTnw-Linie. Eine Veränderung der mittleren Tidestände in der prognostizierten Form bewirkt also eine Zunahme der Wattflächen. Laut Prognose zur Veränderung der Tidedynamik (MATERIALBAND I) handelt es sich um eine Flächenvergrößerung von weniger als 1‰ bezogen auf die gesamte Wattfläche des Untersuchungsraumes

Im Bereich zwischen Brunsbüttel und Lühesand werden sich die Wattgebiete aufgrund des Absinkens des MTnw in Abhängigkeit vom örtlichen Gefälle um einen Streifen von rund 1 m verbreitern. Im Mühlenberger Loch, das als Schlickwatt eine besondere Bedeutung für die benthische Primärproduktion hat, kann sich das Watt um Streifen von 2 bis 5 m verbreitern und im NSG Heuckenlock wird es ebenfalls zu Wattvergrößerungen kommen (MATERIALBAND 1, Tidedynamik).

Der prognostizierte Anstieg des MThw um 2 bis 4 cm bewirkt lediglich Wattvergrößerungen zwischen 4 und 40 cm Breite.

Die Größen von Flachwassergebieten, die im Rahmen der UVU definiert sind als der Bereich zwischen MTnw und MTnw minus 2 m, werden sich in Abhängigkeit vom Gefälle verändern.

Die Prognose zur ausbaubedingten Veränderung der Tidedynamik (MATERIALBAND I) beschreibt zwar einen möglichen Verlust von Flachwasserbereichen aufgrund des Absinkens des MTnw, hält diesen bezogen auf die Gesamtfläche des Untersuchungsraumes aber für so gering, daß auf eine Abschätzung verzichtet werden könne.

Da die Flachwasserbereiche für die aquatischen Lebensgemeinschaften von entscheidender Bedeutung sind, wurde in Zusammenarbeit mit der PL-Nord ein vereinfachtes Schema zur Beschreibung der zu erwartenden Veränderungen entwickelt (Planungsgruppe Ökologie + Umwelt Nord, 1997; Kap. 9.1). Vereinfachend werden folgende drei Falltypen der Veränderung unterschieden:

Typ 1: Durchgängig gleichmäßige Neigung zwischen MTnw und MTnw minus 4 m bedeutet eine Tendenz zur gleichbleibenden Flächengröße bei vollständiger Verlagerung des Flachwassergebietes in Richtung Strommitte.

Typ 2: Flaches Gefälle zwischen MTnw und MTnw minus 2 m mit anschließend steilerem Gefälle zwischen MTnw minus 2 m und MTnw minus 4 m, bedeutet eine Tendenz zur Flächenverkleinerung.

Typ 3: Steiles Gefälle zwischen MTnw und MTnw minus 2 m mit anschließend flacherem Gefälle zwischen MTnw minus 2 m und MTnw minus 4 m, bedeutet eine Tendenz zur Flächenvergrößerung.

Anhand der aktuellen Peilkarten des WSA und der entsprechenden Tiefenlinien wurden alle Uferbereiche zwischen dem Mühlenberger Loch und der Oste-Mündung einem der drei Fall-Typen zugeordnet. Die Auswertung dieser Analyse ergab überschlägig folgende Verteilung der drei Falltypen:

Auf 54% der Uferlänge verändert sich die Größe der Flachwassergebiete nicht (Typ 1), auf 24% der Uferlänge ist mit einer Abnahme der Flachwassergebiete zu rechnen (Typ 2) und auf 22% der Uferlänge ist eine Zunahme der Flachwassergebiete zu erwarten (Typ 3). Diese Abschätzung ermöglicht keine Aussage über die tatsächlich auftretenden Flächenveränderungen, es läßt sich jedoch feststellen, in welchen Gebieten des betrachteten Abschnittes eine Tendenz zur Abnahme der Flachwassergebiete besteht.

Größere Gebiete, in denen eine deutliche Tendenz zur Flächenabnahme der Flachwassergebiete besteht, sind:

- Mühlenberger Loch und Hahnöfer Nebenelbe
- Nordspitze Pagensand
- Nordspitze Schwarztonnensand
- Brammer Bank
- Böschrücken
- Störmündung
- Ostemündung

Außerdem wurden anhand von Peilkarten exemplarisch einige Querschnitte erstellt, um in Abhängigkeit von der tatsächlichen Böschungsneigung und der prognostizierten Absenkung des MTnw zu ermitteln, in welcher Größenordnung die Verluste in den Flachwassergebieten liegen könnten. Tabelle 6.3.2.1 zeigt die Ergebnisse dieser Auswertungen für die einzelnen Querschnitte.

Tab. 6.3.2.1: Breitenverluste der Flachwassergebiete auf exemplarischen Querschnitten in Abhängigkeit von der Geländeneigung und der prognostizierten Absenkung des MTnw

QUERSCHNITT Absinken des MTnw um Breitenverlust
NO-Neßsand (Nordufer) - Strommitte 6,2 cm 16,3 m
Mündung Hahnöfer Nebenelbe - Strommitte 6,2 cm 56,6 m
Mühlenberger Loch - Strommitte 6,2 cm 37,8 m
Brammer Bank 3,2 cm 4,9 m

Wenn sich auch aus den wenigen vorliegenden Daten keine Rückschlüsse auf den tatsächlichen Flächenverlust der Flachwasserbereiche ziehen lassen, so muß doch vermutet werden, daß zumindest in den Bereichen mit maximalen ausbaubedingten Veränderungen des Tidehubes teilweise größere Flächen verloren gehen. Diese mögen bezogen auf die Gesamtfläche des Untersuchungsgebietes klein sein (MATERIALBAND I, Tidedynamik), sind aber ökologisch dennoch von Bedeutung.

Da es sich bei diesen Flächen zudem um die besonders produktiven Flachwassergebiete im limnischen Abschnitt des Untersuchungsraumes handelt, muß auf dieses Risiko besonders hingewiesen werden.

Die Primärproduktion durch das Phytobenthos und damit ihr Beitrag zum Stoffhaushalt der Tideelbe ist abhängig von der Größe der durch die Algen besiedelten Fläche. Wichtigster Lebensraum für die benthischen Mikroalgen sind, wie schon erwähnt, die Wattgebiete und die Flachwassergebiete, wobei die Bedeutung der Flachwassergebiete vor allem von der Trübung des Wassers und somit von der für die Photosynthese zur Verfügung stehenden Lichtmenge abhängt. Allgemein kann also gesagt werden, daß Flachwassergebiete im Bereich stark erhöhter Schwebstoffkonzentrationen, wie sie in der Tideelbe vor allem in der Trübungszone (etwa km (A) 660 - 700) auftreten, von untergeordneter Bedeutung für die benthische Primärproduktion sind.

Damit können Auswirkungen der Tidehubveränderungen auf die Flachwasserbereiche Brammer Bank, Böschrücken und Störmündung im Hinblick auf die Lebensgemeinschaft Phytobenthos vernachlässigt werden.

Eine Vergrößerung von Wattflächen muß mit Einschränkungen zunächst als positiver Effekt der Ausbaumaßnahme für die Lebensgemeinschaft Phytobenthos beschrieben werden. Größere Besiedlungsflächen erlauben im allgemeinen auch eine entsprechend höhere benthische Primärproduktion, deren Bedeutung für den Stoffhaushalt der Gewässers bereits beschrieben wurde. Wie groß diese Erhöhung der benthischen Primärproduktion ist, hängt vor allem davon ab, ob Wattgebiete vornehmlich durch den Anstieg des MThw oder durch das Absinken des MTnw entstehen. Nach UNDERWOOD & PATERSON (1993) gilt, daß der Chlorophyll-a Gehalt, und damit auch die Biomasse, eines Wattgebietes um so höher ist, je geringer der Wassergehalt des Sedimentes ist. Dieser Wassergehalt korreliert üblicherweise mit der Entfernung der betrachteten Fläche vom Ufer. Je höher eine Wattfläche liegt, um so länger fällt sie während der Ebb-Phase trocken und um so niedriger ist der Wassergehalt des Sedimentes. Also sind im allgemeinen die Wattgebiete produktiver, welche durch einen Anstieg des MThw zusätzlich entstehen. Solche Wattflächen, die durch das Absinken des MTnw entstehen, sind als weniger produktiv anzusehen. Entscheidend für die Produktivität eines Wattgebietes ist aber außerdem der dort vorherrschende Sedimenttyp. Allgemein gelten Schlickwatten gegenüber Sandwatten als die produktiveren Gebiete (ADMIRAAL & PELETIER, 1980).

Die Höhe der Produktionsleistung durch das Phytobenthos darf jedoch nicht das einzige Kriterium zur Beurteilung der Folgen der Maßnahme für das Phytobenthos sein. Es ist davon auszugehen, daß die Flächengewinne in den Wattgebieten zumindest teilweise mit einem Verlust der Flachwassergebiete erkauft werden. Im Hinblick auf das Phytobenthos wird also ein produktionsärmeres durch ein produktiveres Biotop ersetzt.

Wie bereits in der Bewertung des Ist-Zustandes des vorliegenden Materialbandes zum Ausdruck gebracht wurde (Kap 5.2), herrscht aber in einem naturnahen Ästuar ein bestimmtes, von den hydrographischen Verhältnissen abhängiges, dynamisches Gleichgewicht zwischen den biotoptypischen Strukturelementen Watt, Flachwasser und Tiefwasser. Im Verlauf dieses Jahrhunderts hat sich, vor allem bedingt durch fortgesetzte Ausbaumaßnahmen das Verhältnis von Watt- zu Flachwasserfläche zunehmend zugunsten der Wattflächen verändert. Dieser Umstand kommt in der Bewertung in Form des neu eingeführten Quotienten von Watt- zu Flachwasserfläche zum Ausdruck. Eine weitere Vergrößerung der Wattflächen auf Kosten von Flachwassergebieten bedeutet eine weitere Entfernung des Systems vom potentiell natürlichen Zustand. Dies kann aus ökologischer Sicht trotz der beschriebenen positiven Effekte für das Phytobenthos nicht gutgeheißen werden.

Die geplanten Strombauwerke bei Hollerwettern-Scheelenkuhlen, Krautsand und Twielenfleth (siehe auch Tab. 6.3.1.1) sind zwar als dauerhafte Veränderungen der Flußmorphologie anzusehen, haben aber keine direkten Folgen für die Größe der Watt- und Flachwassergebiete, da Aufhöhungen lediglich bis zu einer Höhe von NN -4,40 m (entspicht ungefähr MTnw minus 3m) geplant sind. Es entstehen somit keine zusätzlichen Flachwasserbereiche, die dem Phytobenthos als Besiedlungsfläche zur Verfügung stehen könnten (zur Differenzmorphologie siehe auch MATERIALBAND 1, Strombaumaßnahmen, .Abb. 3.18, 3.27 und 3.34).

 

6.3.2.2 Auswirkungen von Veränderungen des Salzgehaltes

Die Verteilung der aquatischen Organismen in einem Ästuar wie der Tideelbe wird neben anderen Faktoren maßgeblich durch die Ausdehnung und Lage des sogenannten Salzgradienten bestimmt. Hierbei handelt es sich um den Bereich des Gewässers, in welchem sich Meerwasser und Süßwasser mischen. Je nach Oberwasserabfluß und Tidegeschehen verändert dieser Bereich sowohl seine Ausdehnung als auch seine Position im Ästuar. Langfristig haben in der Vergangenheit auch anthropogene Eingriffe in die Morphologie des Flusses eine Bedeutung für die Ausprägung des Salzgradienten gewonnen. BERGEMANN (1995) beschreibt die Verschiebung der oberen Brackwassergrenze, definiert als Anstieg des Chloridgehaltes um 30 mg/l über die mittlere Konzentration des angrenzenden Süßwassers, in den Jahren 1953 bis 1994. Es zeigt sich, daß sich bei niedrigen Oberwasserabflüssen (unter 400 m³/s) diese Grenze um bis zu 20 km stromauf verlagert hat. BERGEMANN vermutet, daß zwischen dieser Tatsache und der Vertiefung der Unterelbe von 10 auf 13,5 m unter Karten-Null ein Zusammenhang besteht. In der vorliegenden Untersuchung wurde die obere Brackwassergrenze gemäß ihrer Auswirkungen auf die Gewässerbiologie definiert (Kap. 5.1.4). Der Übergang vom oligohalinen Bereich zum limnischen ist danach die Position im Ästuar, in welcher des Salzgehalt 0,5 ‰ unterschreitet. Diese Grenze liegt heute nach den Modellierungen der BAW-AK (MATERIALBAND I, CD) bereits in Höhe der Wedeler Au bei Elbekilometer (A) 645. Es kann davon ausgegangen werden, daß sich diese Grenze in den letzten 20 Jahren ebenfalls in der von BERGEMANN beschriebenen Größenordnung verschoben hat. Die Untersuchungen zum Ist-Zustand (Kap. 2.6.2) sowie RIEDEL-LORJÉ et al. (1995) konnten diese Verschiebung der Brackwassergrenze auch anhand des Vordringens typischer Brackwasserorganismen in das Ästuar im Verlauf dieses Jahrhunderts belegen.

Die das Phytobenthos der Tideelbe in weiten Bereichen dominierenden Kieselalgen zeigen ein Verteilungsmuster im Längsschnitt, das für Ästuare typisch ist (AMSPOKER & McINTIRE, 1978). Vom marinen (polyhalinen) bis zum oligohalinen Bereich ist das Artenspektrum relativ einheitlich, kleinräumige Unterschiede sind vor allem auf unterschiedliche Sedimentzusammensetzung zurückzuführen. Es handelt sich meist um ursprünglich marine Formen mit hoher Salztoleranz, es existieren nur wenige Arten, die Massenvorkommen aufweisen. Im Übergangsbereich von der oligohalinen zur limnischen Zone findet ein deutlicher Sprung im Verteilungsmuster statt: Es dominieren limnische Formen, die in den anderen Bereichen des Ästuars nicht auftreten, und diese entwickeln teilweise deutliche Massenvorkommen. Diese Arten zeigen bezogen auf die Fläche eine deutliche höhere Produktionsleistung als das Phytobenthos auf den ausgedehnten Wattflächen im polyhalinen Bereich der Elbe (GÄTHJE, 1991). Damit kommt dem oligohalinen und vor allem dem limnischen Bereich der Tideelbe eine besondere Bedeutung für den Sauerstoffhaushalt zu. Die hohe Produktivität dieser Wattgebiete bietet außerdem die Grundlage für die Ernährung einer großen Anzahl von Zoobenthos-Organismen und Jungfischen. Die limnischen Untersuchungsabschnitte I bis III zeigen neben polyhalinen VI und VII die höchsten Individuenzahlen und Biomassewerte des Zoobenthos im Untersuchungsraum (siehe Kap. 2.6.2).

Die Prognose zur Veränderung der Tidedynamik (MATERIALBAND I) ergibt lediglich minimale Veränderungen in der tidengemittelten Salzgehaltsverteilung. Für niedrigen Oberwasserabfluß liegen die lokalen Veränderungen des minimalen bzw. maximalen Salzgehaltes bei ± 0,1 ‰. Dabei liegen die Veränderungen immer unter 0,2 % des jeweils auftretenden maximalen Salzgehaltes. Im weiteren führt der Ausbau zu einer allgemeinen Vergrößerung der lokalen Salzgehaltsvariation, welche aber nicht quantifiziert wird.

Veränderungen dieser Größenordnung können von den benthischen Mikroalgen, die im allgemeinen auch deutlich höhere Salzgehaltsschwankungen ertragen (AMSPOKER & McINTIRE, 1978), toleriert werden.

Die Analyse der Veränderung der maximalen Salzgehalte zeigt aber auch, daß sich die Brackwasserzone, wenn auch im Vergleich zu früheren Entwicklungen nur wenig, weiter stromauf verlagern wird. Dies bewirkt z.B. eine Zunahme der maximalen lokalen Salzgehalte bei Wedel um 0,02‰, bei Stadersand um 0,05‰ und bei Glückstadt um rund 0,1‰. Auch wenn die absolute Erhöhung der Salzgehalte in dieser Größenordnung keine direkte ökologische Auswirkung auf das Phytobenthos hat, spiegeln sie doch die Fortsetzung eines für das Gesamtsystem negativen Trends wider. Es liegen zwar keine quantitativen Angaben darüber vor, um welche Strecke sich die 0,5 ‰-Grenze weiter in Richtung Hamburg verschiebt, die Tendenz zu einer Verkleinerung des limnischen Bereiches der Tideelbe wird aber weiter fortgesetzt. Da dieser Abschnitt des Ästuars wie beschrieben in bestimmten Bereichen eine sehr hohe benthische Primärproduktion aufweist, seine räumliche Ausdehnung aber durch des Wehr in Geesthacht begrenzt ist, muß eine weitere, wenn auch geringe, Verkleinerung als negative Auswirkung der geplanten Fahrrinnenanpassung gewertet werden.

 

6.3.2.3 Auswirkungen von Veränderungen des Schwebstoffregimes

Eines der charakteristischen Merkmale des Elbe-Ästuars ist der relativ hohe Schwebstoffgehalt des Gewässers. Die hohen Schwebstoffkonzentrationen sind zum einen Teil Resultat geologischer und tidedynamischer Verhältnisse, andererseits aber auch anthropogener Natur. Alle Formen der "Kanalisierung" des Gewässers führen automatisch zu Veränderungen im Strömungsregime und diese wiederum bestimmen maßgeblich die Erosions- und Sedimentationsprozesse. Erosion, Resuspension und Sedimentation steuern den Schwebstoffhaushalt, dessen große Bedeutung für das Lichtklima in der Wassersäule und damit für die aquatische Primärproduktion bereits beschrieben wurde. In Bereichen, in welchen Sedimentationprozesse bestimmend sind, werden die Schwebstoffe auch für bodenlebende Organismen zu einem entscheidenden Faktor.

Aus diesem Grund werden in der vorliegenden UVU die Auswirkungen der ausbaubedingten morphologischen Veränderungen auf den Schwebstoffhaushalt prognostiziert (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe).

Das Modell für die Berechnung dieser Veränderungen baut auf den von der BAW-AK prognostizierten Veränderungen des Strömungsfeldes auf. Die Ergebnisse stellen zwar keine reale Nachbildung der Natur dar, lassen aber Trends bestimmter Veränderungen im Schwebstoffhaushalt erkennen. Eine ausführliche Beschreibung der Ergebnisse liegt für des Spring-Nipp-Szenario (Q0 = 200 - 400 m³/s) vor, welches auch Grundlage für die Bewertung des Ist-Zustandes der aquatischen Lebensgemeinschaften war (Kap. 5.1.2). Eine ausführliche Darstellung erfolgt für fünf Gebiete, in denen die größten wasserbaulichen Veränderungen stattfinden. Es liegen Informationen zur Veränderungen der Schwebstoffkonzentration in der 2m - Deckschicht (für die Primärproduktion maßgeblicher Bereich der Wassersäule) sowie der Bodenbelegung vor. Dargestellt sind jeweils der Ist-Zustand sowie die prognostizierte prozentuale Abweichung vom Ist-Zustand in Prozent. Angaben zu den absoluten Werten der Veränderungen liegen nicht vor und lassen sich aus den grafischen Darstellungen nicht ermitteln.

Überschlägige Betrachtungen der Veränderungen über das Gesamtgebiet erscheinen für die Beurteilung ökologischer Folgen für das Phytobenthos nicht sinnvoll, da nur die Randbereiche des Gewässers als Lebensraum in Frage kommen. Es wird im folgenden also speziell auf Veränderungen in diesen Randbereichen eingegangen.

Generell besteht die Tendenz zu einer Verminderung der Schwebstoffgehalte in der Fahrrinne und einer leichten Erhöhung in den Randbereichen.

Im Bereich des Mühlenberger Lochs (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe Abb SN.1.1.DIFF) nimmt der Schwebstoffgehalt auf 19% der Fläche zu. Am Südostrand des Mühlenberger Loches sind Zunahmen von bis zu 20% , am Nordufer von Schweinesand kleinräumig bis zu 10% prognostiziert. Gerade auf den hochproduktiven Wattgebieten des Mühlenberger Lochs, muß eine Tendenz zur Schwebstoffzunahme in der Wassersäule, auch wenn sie nur während der Überdeckungszeiten wirksam wird, für bedenklich gehalten werden.

Gleiches gilt für den Bereich Wedel (Abb. SN.1.2.DIFF), in dem zwar der Schwebstoffgehalt nur auf 3% der Gesamtfläche zunimmt, wo in der Umgebung der Hetlinger Schanze aber mit Erhöhungen des Schwebstoffgehaltes um bis zu 40% zu rechnen ist.

Im Gebiet Brunsbüttel (Abb. SN 1.4.DIFF) nimmt der Schwebstoffgehalt auf 87% der Fläche zu. Ökologisch bedeutend sind hierbei aber nur die Gebiete am Südufer der Elbe gegenüber des Nord-Ostsee-Kanals. Hier werden großflächig Erhöhungen des Schwebstoffgehaltes um bis zu 10% prognostiziert.

Im Gebiet Cuxhaven (Abb. SN.1.5.DIFF) werden für die Bereiche Medemsand und Kratzsand großflächig Zunahmen des Schwebstoffgehaltes von bis zu 10 % vorausgesagt. Da in Wattgebieten im Einflußbereich der Nordsee aber Umlagerungsprozesse in hohem Maße von Seegang beeinflußt sind, und dieser im Modell nicht erfaßt wird, lassen sich hier die prognostizierten Veränderungen nur schwer interpretieren.

Insgesamt muß mit einer Beeinträchtigung der benthischen Primärproduktion in den Gebieten erhöhten Schwebstoffgehaltes gerechnet werden. Höherliegende Wattgebiete sind von diesen Veränderungen weniger betroffen, da auf ihnen die Überdeckungszeiten vergleichsweise kürzer sind.

Im Mittel wird für das Untersuchungsgebiet keine erhöhte Bodenbelegung prognostiziert. In Bereichen oberhalb Glückstadts kommt es aber als Folge verminderter Überflutungsdauer und verlängerter Flutstromdauer zu erhöhten Sedimentationsraten und damit lokal auch zu erhöhter Bodenbelegung.

Im Gebiet Mühlenberger Loch (Abb. SN.2.1.DIFF) kommt es in den Flachwasserbereichen vor Schweinesand/Neßsand kleinräumig zur Erhöhung der Bodenbelegung um über 40%. Kritischer ist aber die großflächig zunehmende Bodenbelegung in der Hahnöfer Nebenelbe zu sehen. Auch wenn das in diesen Bereichen sedimentierende Material im Tidezyklus wieder vollständig resuspendiert wird, ist aufgrund der Überdeckung benthischer Algen zumindest mit dem Risiko einer Beeinträchtigung der Primärproduktion zu rechnen.

Im Gebiet von Wedel (Abb SN.2.2.DIFF) werden ausbaubedingt Differenzen von über 40% im Bereich des Jachthafens und Differenzen von 20-40% am Nordufer von Hanskalbsand, auf der Wedeler Au sowie in der Hahnöfer Nebenelbe prognostiziert. Da die vor Hanskalbsand und auf der Wedeler Au vorausgesagten Ablagerungsprozesse mit einer dauerhaften Konsolidierung des deponierten Materials einhergehen, ist in diesen Bereichen mit Verlandungsprozessen, also tendenziell mit einem Verlust von Flachwasser- und Wattgebieten, zu rechnen.

Im Bereich von Glückstadt (Abb. SN.2.3.DIFF) treten ausbaubedingt kleinräumig Erhöhungen der Bodenbelegung von bis zu 30% auf der Brammer Bank (km (A) 679) auf. Diese sind von Bedeutung, sofern es sich um dauerhaft deponiertes Material handelt, da eine Verlandung von Wattgebieten allgemein als negativer Trend zu sehen ist. Dem Gutachten (MATERIALBAND II, Schwebstoffe u. gelöste Stoffe) sind keine Informationen hierüber zu entnehmen.

Abschließend muß nochmals betont werden, daß die Ausbaumaßnahme den bereits bestehenden Trend zu erhöhter Belastung der Seitenbereichen der Tideelbe mit Schwebstoffen verstärkt. Diese Entwicklung geht zu Lasten von in der Tideelbe ohnehin zurückgedrängten Flachwasser und Wattgebieten und entsprechend zu Lasten der Prozesse von Primär- und Sekundärproduktion.

 

6.3.2.4 Auswirkungen von Veränderungen der Belastung durch Strömung und Wellen

Organismen der Flachwasser- und Wattbereiche leben in einem Biotop, das durch starke Schwankungen der Umweltbedingungen gekennzeichnet ist. Im Bereich der Tideelbe sind dies vor allem kurzzeitige Veränderungen der Wassertemperatur, des Salzgehaltes, des Lichtklimas (bestimmt durch Trockenfall und Schwebstoffgehalt in der Wassersäule) und mechanische Belastung durch wind- und schiffserzeugten Wellengang. Die benthischen Primärproduzenten zeichnen sich im allgemeinen durch eine große Toleranz gegenüber Veränderungen der beschriebenen Parameter aus. Dennoch bedeuten Schwankungen unter Umständen eine zu starke Abweichung von den optimalen Lebensbedingungen. Reduzierte Produktionsleistung der jeweiligen Lebensgemeinschaft oder sogar eine Veränderung des Arteninventars können die Folge sein. Verschiedenen Autoren beschreiben die Auswirkungen von mechanischer Belastung durch Wellengang auf die benthische Primärproduktion, meistens aber ohne die mechanische Energie zu quantifizieren. PLANTE-CUNY & BODOY (1987) untersuchten Biomasse und Primärproduktion auf einem wellenexponierten und einem geschützten Sandwatt. Die benthische Primärproduktion auf dem geschützten Sandwatt war viermal, die Biomasse der benthischen Algen sogar elfmal höher als im exponierten Gebiet. COLIJN & DIJKEMA (1981) konnten auf einem Querschnitt durch ein Watt eine negative Korrelation zwischen wellenerzeugter Strömung und dem Chlorophyll-a-Gehalt der Sedimente feststellen. Je ufernäher eine Wattstation lag, je länger die Zeit ohne Überdeckung durch Wasser und je geringer die Wellenbelastung, desto höher war der Chlorophyllgehalt der Sedimente.

Viele der auf den Watten lebenden Kieselalgen verfestigen durch die Absonderung von Schleimen das Sediment und verringern dadurch außerdem die auf der Sedimentoberfläche auftretenden Scherkräfte. Sie vermindern so die Resuspension des Sedimentes (DELGADO et al., 1991). Höher liegende Wattbereiche mit einem stärkeren Kieselalgenbewuchs sind also gegen mechanische Belastung zusätzlich geschützt.

Bei Überdeckung der Watten mit Wasser sinkt die benthische Primärproduktion deutlich (HOLMES & MAHALL, 1982) und bei ausreichend hoher Wellenenergie wird das Sediment erodiert und die benthischen Algen geraten in die Wassersäule, wo ihre Produktionsleistung stark vermindert ist. Auf diese Weise "entlaubte" Sedimente tragen nicht zur Sauerstoffversorgung des Gewässers bei.

Aus diesen Gründen müssen in die Prognose alle Parameter mit einbezogen werden, durch welche in folge der Fahrrinnenanpassung die mechanische Belastung der Watten durch Wellen zunimmt. Es liegen Prognosen zur ausbaubedingten Änderung von Strömungsparametern, Seegangsbelastung und schiffserzeugter Belastung vor (MATERIALBAND I).

Die Strömungsgeschwindigkeiten erhöhen sich durch die Vertiefungen vor allem in der Hauptrinne, wogegen es in den Nebenrinnen und Seitenbereichen eher zu einer Abnahme der Strömungsgeschwindigkeiten kommt. Die geplanten Strombauwerke bei Hollerwettern-Scheelenkuhlen und Twielenfleth zeigen nach den Prognosen in Materialband 1 (Strombaumaßnahmen) lokal begrenzt ähnliche Auswirkungen. Grundsätzlich ist eine Strömungsberuhigung im Lebensraum des Phytobenthos als positive Nebenwirkung der Baumaßnahme anzusehen, sofern sie nicht mit einer Verlandung der entsprechenden Bereich einhergeht. Die Strombaumaßnahme bei Krautsand (MATERIALBAND 1, Strombaumaßnahmen, Variante WSA3, Anlage G1) bewirkt allerdings neben einer Erhöhung der Strömungsgeschwindigkeit in der Hauptrinne auch großflächig stärkere Strömung (Zunahme um 3-9 cm s-1 auf dem Krautsander Watt. Da höhere Strömungsbelastung die Stabilität der Wattsedimente gefährdet, muß diese Tatsache als negativer Nebeneffekt der geplanten Aufhöhungen im Gebiet Krautsand angesehen werden.

In der Außenelbe sind die Auswirkungen der Ausbaumaßnahme auf die Seegangsbelastung auf den Fahrrinnenbereich beschränkt. Für die Unterelbe werden Änderungen der Wellenhöhen im Zentimeterbereich prognostiziert, wobei diese Veränderungen Ufer, Watten und Sände sowie Nebenelben aufgrund von Refraktionseinflüssen meist in gedämpfter Form erreichen. Lediglich im Bereich Pagensand und Stadersand ergeben sich ausbaubedingt Änderungen der Wellenhöhen von 4 cm bzw. 6 cm auch im Uferbereich. Die im Bereich der Hamburger Delegationsstrecke vorausgesagten Änderungen der Wellenhöhen liegen bei maximal 4 cm. Veränderungen der Seegangsbelastung in dieser Größenordnung stellen keine Beeinträchtigung der phytobenthischen Lebensgemeinschaft dar.

Die schiffserzeugte Belastung (MATERIALBAND I) der Ufer wird durch verschiedene Parameter gesteuert. Vergrößerungen der Schiffsbreiten und Schiffstiefgänge, Verkleinerungen des Gewässerquerschnittes und erhöhte Schiffsgeschwindigkeiten vergrößern die Belastung. Strombaumaßnahmen, die den Querschnitt durch Verbreiterung oder Vertiefung vergrößern, mindern die Belastung.

Im Modell der BAW-AK konnte gezeigt werden, daß eine Verbreiterung der die Elbe befahrenden Schiffe (POST-PANMAX-Schiffe 7,7 m breiter als PANMAX-Schiffe) im Bereich der Lühemündung am südlichen Fahrrinnenrand bei 12 kn Schiffsgeschwindigkeit zu Veränderungen des Absunks von 20 cm und Veränderungen der Rückstromgeschwindigkeiten von 10 cm/s kommt. Bei 15 kn Geschwindigkeit betragen diese Änderungen sogar 80 cm (Absunk) bzw. 70 cm/s (Rückstromgeschwindigkeit). Im Bereich des Wedeler Wattes sind die Veränderungen allerdings stark abgeschwächt.

Allgemein werden ausbaubedingte Veränderungen der Belastung durch tideabhängig fahrende Schiffe zumeist erst ab Schiffsgeschwindigkeiten > 12 kn prognostiziert. Die stärksten Auswirkungen werden an der Fahrrinnenkante wirksam, mit zunehmender Entfernung von der Fahrrinne nehmen die Änderungen der Belastung ab.

Bereiche, in welchen sich die ausbaubedingte Zunahme der Belastung auch auf das Phytobenthos auswirken könnte, sind das Gebiet um Pagensand-Süd (km (A) 655) und der Elbabschnitt zwischen Elbkilometer 697 und 718. Im letzteren bewirken vor allem die geplanten Verklappungen in den Buhnenfeldern eine Querschnittsverengung. Bei den vom TDV vorgegebenen Bemessungsgeschwindigkeiten zwischen 11 und 17 kn prognostiziert die BAW-AK dort eine erhöhte Belastung der Buhnenfelder und damit auch für die dort lebenden Organismen.

Sofern die angegebenen Bemessungsgeschwindigkeiten nicht deutlich überschritten werden, sind in anderen Bereichen keine Beeinträchtigungen des Phytobenthos zu erwarten.

 

6.3.2.5 Sonstige Auswirkungen der Fahrrinnenanpassung

- Veränderung der Ufervegetation
In der Artengemeinschaft der bodenlebenden aquatischen Primärproduzenten (ohne höhere Pflanzen) unterscheidet man auf Steinen bzw. festem Untergund (epilithische), auf Schlick (epipelische), auf Sand (epipsammische) und auf Pflanzen lebende (epiphytische) Formen. Unter den Arten dieser vier Gruppen gibt es relativ wenig Überschneidungen. Gerade der Lebensraum der epiphytischen Arten wird aber durch den Ausbau der Tideelbe zunehmend reduziert. Uferverbau, Eindeichungen und Veränderungen des Tidehubes haben die den höheren Uferpflanzen zur Verfügung stehenden Flächen verkleinert. Der durch die Erhöhung der Tidenamplitude bedingte Flächenverlust im Bereich des Flußwatt-Röhrichts wird nach den Berechnungen im Gutachten zur terresterischen Fauna und Flora (MATERIALBAND VI) etwa 27 ha betragen. Mit entsprechenden Verlusten von Lebensraum ist somit auch für die auf diesen Pflanzen lebenden phytobenthischen Organismen zu rechnen. Epiphyten sind in der Lage, ein Zehntel der Produktionsleistung des Röhrichts zu erbringen, auf dem sie leben (GESSNER et al., 1996). Diese Flächenverluste der ohnehin stark reduzierten Ufervegetation müssen als erheblicher und nachhaltiger Verlust von Lebensraum für das epiphytische Phytobenthos beschrieben werden. Mit einer entsprechend niedrigeren Produktionsleistung ist zu rechnen. Diese Entwicklung wird zu Lasten der Selbstreinigungskraft des Gewässers gehen.

- Veränderungen in den Nebenelben und Nebenrinnen
Nebenarme sind wie schon in Kapitel 5.2.1 beschrieben ein wichtiges morphologisches Element eines natürlichen Ästuars. Eine besondere Bedeutung für die aquatischen Primärproduzenten kommt ihnen vor allem aufgrund des milderen Strömungsklimas, der relativ großen Flächenanteile von Flachwasser- und Wattgebieten sowie des besseren Lichtklimas zu. Aus dem Gutachten zur Entwicklung der Nebenelben und Nebenrinnen (MATERIALBAND I) läßt sich entnehmen, daß in der Tideelbe in den meisten dieser Bereiche Sedimentationsprozesse in der Tendenz stärker als Erosionsprozesse sind oder zumindest waren. Zwar lassen sich Zunahmen dieser Tendenz nicht kausal mit bestimmten Baumaßnahmen in der Tideelbe in Verbindung bringen, dennoch muß davon ausgegangen werden, daß die zunehmende Verlandung dieser Gebiete auch anthropogene Ursachen hat. Ein Nachweis für einen rein naturgegebenen Verlandungsprozess läßt sich nicht führen.
Das Überwiegen von Sedimentationsprozessen ist vor allem in den flacheren Bereichen der Nebenelben als Risikofaktor für die aquatischen Lebensgemeinschaften anzusehen, da hier u.U. Flachwassergebiete zu Wattgebieten werden, oder Wattgebiete dem Gewässer vollständig entzogen werden. Für das Phytobenthos ökologisch wichtige Gebiete mit einer solchen Tendenz sind das Mühlenberger Loch, die Hahnöfer Nebenelbe, das Wischhafener Fahrwasser, die Brammer Bank, die Freiburger Zufahrt und der Böschrücken. Im zeitlichen Rückblick ergeben sich in den meisten dieser Gebiete deutliche Rückgänge in den Umsatzhöhen (Menge des sedimentierten Materials plus Menge des erodierten Materials), und in der Bilanz hat die Sedimentation abgenommen. Daraus läßt sich jedoch nicht zwingend ableiten, daß die geplante Fahrrinnenanpassung keinen Einfluß auf den teilweise immer noch bestehenden Trend zur Verlandung der Nebenelben haben wird.
Das geplante Strombauwerk im Bereich Twielenfleth (MATERIALBAND 1, Strombaumaßnahmen, Abb.3.34) führt zu einer Zunahme der Flutstromgeschwindigkeiten in der Hauptrinne um bis zu 9 cm s-1 und zu einer Abnahme der Flutstromgeschwindigkeiten vor der Einmündung der Lühesander Nebenelbe um bis zu 15 cm s-1. Verminderungen der Strömungsgeschwindigkeiten in der Lühesander Nebenelbe selbst werden zwar nicht prognostiziert, es sollte jedoch genau überwacht werden, ob sich durch diese Strombaumaßnahme das Sedimentationsgeschehen in diesem ökologisch wertvollen Bereich nicht verändert.

Aus ökologischer Sicht muß nochmals betont werden, daß das aus wasserbaulicher Sicht sinnvolle Konzentrieren der Strömung in der Fahrrinne den Trend zur Verlandung von wertvollen Stillwasserbereichen (durch Zunahme der Sedimentationsprozesse) eher unterstützt, und damit ein Risiko für die aquatischen Lebensgemeinschaften darstellt.

 

6.3.3 Nullvariante

Die Einschätzung der unabhängig von der Baumaßnahme zu erwartenden Veränderungen des Ökosystems Tideelbe gliedert sich in drei Abschnitte:

- Auswirkungen der zukünftig erwarteten Unterhaltungsbaggerungen
- Auswirkungen der geplanten Baumaßnahmen im Bereich der Bundeswasserstraße Elbe
- Auswirkungen des prognostizierten säkularen Meeresspiegelanstieges

 

6.3.3.1 Unterhaltungsbaggerung- und Verklappung

Nach Einschätzung der Gutachter (MATERIALBAND II, Unterhaltungsbaggerungen u. Umlagerungen) läßt sich im Zeitraum 1979-1993 keine Entwicklung zu erhöhten Unterhaltungsbaggerungen im Untersuchungsgebiet erkennen. Die Höhe der anfallenden Baggermengen sowie die Lage der Stellen, an welchen Unterhaltungsbaggerungen nötig sind, werden vor allem vom Abflußgeschehen bestimmt. Da ohne die Baumaßnahme also nicht mit einer Erhöhung der Unterhaltungsbaggerung gerechnet werden muß, bleibt die Belastung des Phytobenthos unverändert. Die ökologischen Risiken, die für die benthischen Primärproduzenten mit Baggerung und Verklappung einhergehen, sind in Kapitel 6.3.1 ausführlich beschrieben worden. Es wird empfohlen, Verklappungen zu Zeitpunkten der Tidephasen durchzuführen, in welchen die Wirkung der erzeugten Schwebstoffwolke auf einen möglichst kleinen Raum beschränkt bleibt.

 

6.3.3.2 Strombaumaßnahmen

Baumaßnahmen in Ober- und Mittelelbe
Die geplanten Fahrrinnenvertiefungen im tidefreien Bereich der Elbe bewirken zwar kurzfristig erhöhte Schwebstoffgehalte im Bereich der Tideelbe (NEUMANN & WOLF, 1996), es ist jedoch nicht zu erwarten, daß sich diese Schwebstoffbelastung bis in die Bereiche auswirkt, in welchen die benthischen Primärproduzenten von großer Bedeutung sind (vor allem Untersuchungsabschnitt III und IV). Eine Beeinträchtigung des Phytobenthos wird ausgeschlossen.

Baumaßnahmen auf der Hamburger Delegationsstrecke
Die Vertiefung des Freihafens sowie die Verfüllung von Hafenbecken im Zuge der Hamburger Hafenerweiterung haben keine gravierenden Auswirkungen auf das Phytobenthos, da Untersuchungsabschnitt II als Lebensraum für diese Lebensgemeinschaft von untergeordneter Bedeutung ist. Die Verfüllung der Hafenbecken bedeutet jedoch einen Verlust aquatischen Lebensraumes.
Sollten diese Maßnahmen zu einer verringerten Dämpfung des Tidegeschehens im Hamburger Raum führen, so muß nach Kapitel 6.3.2.1 mit Flächenveränderungen in den Flachwasser- und Wattgebieten mit den entsprechenden Folgen gerechnet werden.
Die geplante Öffnung der Alten Süderelbe läßt sich in ihren Auswirkungen nicht prognostizieren. Sicher ist, daß diese Maßnahme das hydrologische Geschehen im Mühlenberger Loch verändern wird, wobei unklar ist, ob diese Veränderung langfristig positive oder negativ sein wird. Das Ausmaß der Störung des Status quo läßt sich schon deswegen nicht einschätzen, weil noch unklar ist, in welcher Weise die Öffnung erfolgen soll. Hydromechanische Modellierungen sowie Berechnungen zu den davon abhängigen Parametern (Tidegeschehen, Strömungskenngrößen, Sedimentation und Erosion) sind nötig, um einen Eindruck von den ökologischen Auswirkungen der Maßnahme zu erhalten. Ohne diese Hintergrundinformationen bleiben Prognosen reine Spekulation.
Der Neubau des Este-Sperrwerks wird während der Bauzeit (1996-1999) zu deutlichen Störungen in den Watt- und Flachwasserbereichen des Mühlenberger Lochs führen, deren Intensität sich aber vor dem Hintergrund der gleichzeitig geplanten Öffnung der Alten Süderelbe nicht einschätzen läßt.
Veränderungen der Deichführung sind für das Phytobenthos ohne Bedeutung.

Baumaßnahmen im Bereich des WSA Hamburg
Keine der geplanten Baumaßnahmen stellt einen Eingriff in den Lebensraum des Phytobenthos dar.

Baumaßnahmen im Bereich des WSA Cuxhaven
Die Maßnahmen zur Sicherung des Osteriff-Stacks gegen rückwärtige Erosion kann während der Bauzeit zu einer Störung der die Watten und Buhnenfelder besiedelnden Organismen kommen. Verschlechterungen der Wasserqualität im unmittelbaren Einzugsbereich werden angenommen. Der Einbau von Natursteinen als Prallwerk verändert die typische Besiedlung der Watten mit epipsammischen (auf Sand lebenden) Phytobenthosorganismen.
Der Ausbau des Amerikahafens Cuxhaven (Mehrzweckumschlagsanlage) hat bereits begonnen, die entsprechenden Umlagerungen von Sand und Schlick und damit die direkte Störung des ökologischen Systems sind abgeschlossen. Dem Gewässer sind jedoch Flächen verloren gegangen. Anmerkungen zu Ersatzmaßnahmen sind der SB4 Studie Nr. 2 (NEUMANN & WOLF, 1996) zu entnehmen.
Die Kurvenabflachung und Breitenreduzierung der Fahrrinne im Bereich des Leitdamms Kugelbake hat keine ökologisch relevanten Folgen für das Phytobenthos.

 

6.3.3.3 Anstieg des Meeresspiegels

Im Zusammenhang mit den zu erwartenden Veränderungen des Klimas mit steigenden Konzentrationen klimawirksamer Gase in der Atmosphäre und steigenden Temperaturen wird eine Erhöhung des globalen Meeresspiegels (MSL) vorausgesagt. In der vorliegenden Betrachtung wird von einem Anstieg des MSL von 25 cm in den nächsten 100 Jahren ausgegangen (SIEFERT & FERK, 1995). Neben dem Anstieg des MSL wird außerdem eine Zunahme der Niederschläge prognostiziert. Diese beiden Faktoren steuern im wesentlichen das zukünftige Tidegeschehen sowie alle davon abhängigen Parameter in der Elbe. Entscheidend für das Phytobenthos wird vor allem sein, wie sich MThw und MTnw entwickeln, und ob sich der Salzgradient und die Trübungszone in ihrer Ausdehnung und Position verändern. Zunächst wird davon ausgegangen, daß durch den Anstieg des MSL der heutige Tidenhub auf ein entsprechend höheres Niveau (hier 25 cm) angehoben wird, und sich außerdem verstärkt in der Tideelbe auswirkt. Nach VON STORCH (1994, zit. SIEFERT, 1995) wird sich bei einem MSL-Anstieg von 50 cm der Tidenhub bei St. Pauli beispielsweise um 15 cm erhöhen. Bei einem Ansteig des MSL um 25 cm ist entsprechend von einer Erhöhung des Tidehubs um 7,5 cm auszugehen. Die Auswirkungen solcher Veränderungen wurden bereits in Kapitel 6.3.2.1 ausführlich erläutert. Grundsätzlich hängt die Größe der Veränderung von der Topographie des betroffenen Gebietes ab. Tidehuberhöhungen vergrößern die Wattflächen, vorausgesetzt, es stehen in Richtung der landseitigen Ausdehnung zusätzliche Flächen zur Verfügung. Am Ufer erfolgt die Ausdehnung der Wattgebiete auf Kosten der Vordeichsländer, deren Größe durch die Deichlinie limitiert ist. Wasserseitig werden aus Wattgebieten Flachwasserbereiche, deren Größe wiederum von der Geländeneigung bestimmt wird. Im Gebiet der Elbmündung muß auch mit Verlusten von Wattgebieten gerechnet werden.

Es ist in diesem Zusammenhang nicht sinnvoll, diese Entwicklung lediglich aus der Sicht der benthischen Kleinalgen zu beurteilen. Für diese Organismen mag eine Vergrößerung von Wattflächen eine positive Entwicklung sein. Es muß aber betont werden, daß ein Fließgewässer gerade auf die Vielfalt aller morphologischen Strukturelemente angewiesen ist, und daher die Überbetonung eines Elementes, sei es Flachwasser, Watt oder Vordeichsland nicht positiv zu sehen ist. Sollten im Zusammenhang mit der beschriebenen langfristigen Entwicklung des MSL keine Deichrückverlegungen in die Planung des Hochwasserschutzes mit einbezogen werden, wird die Tideelbe weiter Vordeichsländer und damit wichtige Überflutungsräume verlieren und sich noch mehr vom natürlichen Zustand entfernen, als dies bisher schon der Fall war.

Die Brackwasserzone wird sich bedingt durch den Ansteig des MSL weiter stromauf verschieben. Dieser Effekt wird jedoch zumindest teilweise durch erhöhte Oberwasserabflüsse kompensiert. KAUSCH (1996b) beschreibt einen Trend zu höheren winterlichen Niederschlägen und trockeneren Sommern. Sollte dieses Szenario für das Abflußgeschehen in der Tideelbe bestimmend werden, so ist damit zu rechnen, daß sich im Winter die Brackwasserzone weiter seewärts verlagert, wogegen sie im Sommer weiter in Richtung Hamburg vordringt als bisher. Der Lebensraum der salztoleranten Organismen würde sich vergrößern, der limnische Bereich dagegen weiter verkleinern. Die prognostizierten Klimaveränderungen und ihre Folgen verstärken offensichtlich die Trends, welche in der Elbe seit Beginn dieses Jahrhunderts durch den Menschen eingeleitet worden sind.