Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt

11 DISKUSSION DER MODELLERGEBNISSE

Frühere Änderungen der Flußmorphologie (Ausbau und Vordeichungen) haben gezeigt, wie stark sich wasserbauliche Eingriffe auf wichtige Tideparameter und folglich auch auf den Feststofftransport auswirken können. Dies ist am Beispiel des 13,5 m-Ausbaus im Statusbericht des Amtes Strom- und Hafenbau über "Die Entwicklung des Hamburger Stromspaltungsgebietes der Elbe von 1950 bis 1994" (SIEFERT 1995) dokumentiert. Allerdings sind, wie aus den Untersuchungen nach der MORAN-Methode hervorgeht (s.a. Kap. 3.5 bzw. DIECKMANN 1996), die durch die früheren strombaulichen Maßnahmen verursachten Sedimentationstendenzen in den Nebenelben nach 1980 zur Ruhe gekommen, und es wurde ein relativ stabiler morphologischer Gleichgewichtszustand erreicht.

Im Vergleich zu den damaligen Änderungen sind die morphologischen Eingriffe bei der hier zu untersuchenden Fahrrinnenanpassung wenig dramatisch. Folgerichtig werden von der BAW-AK für den geplanten Ausbau nur sehr geringfügige Änderungen der Tidewasserstände (typisch 2 - 7 cm) und Strömungsverhältnisse (typisch 2 - 3 cm/s) prognostiziert (MATERIALBAND I). Diese Zahlen sind vor dem Hintergrund der bereits im Ist-Zustand vorhandenen großen Dynamik des Wassertransports mit einem Tidenhub von bis zu 4 m und maximalen Strömungsgeschwindigkeiten bis zu 2 m/s in der Fahrrinne zu sehen, und sie machen deutlich, daß die aktuellen ausbaubedingten Änderungen der das Feststofftransportgeschehen steuernden hydrologischen Parameter nahezu vernachlässigbar sind.

Da die Schwebstofftransportmodellierung - wie bereits in Kap. 2.3 dargelegt - die aus der Modellierung zur Tidedynamik (MATERIALBAND I) resultierenden Strömungsfelder im 50 x 50 m-Gitter verwendet, werden auch hier keine gravierenden Effekte für den weit überwiegenden Teil des Untersuchungsgebietes vorhersagt. Die ausbaubedingten Änderungen der Schwebstoffkonzentration in der 2m-Deckschicht und im wesentlichen auch die der Bodenbelegungen bewegen sich zumeist unter 5%; in dieser Größenordnung werden Änderungen nach Meinung der Gutachter völlig von den natürlichen Schwankungen (durch Oberwasser-, saisonale und Windeinflüsse) überdeckt (s. a. hierzu Statistik von Meßwerten Tab. 45). Interessant ist, daß in Fahrrinnen-Längsprofilen zwar auch kleine (ca. 5%), aber systematische, gegenläufige Veränderungen in der Schwebstoffkonzentration der oberen Deckschicht und in der Bodenbelegung an denjenigen Stellen prognostiziert werden, wo gegenüber der Planungssolltiefe noch Untiefen bestehen. In Randbereichen Mühlenberger Loch, Neßsand, bei Hetlingen und am Südufer gegenüber Brunsbüttel (NOK) treten nach dem Ausbau deutlich höhere Konzentrationen in der 2m-Deckschicht auf (s. Kap. 11.1). Ebenso erhöht sich die Bodenbelegungsdichte lokal an einigen Stellen um die Insel Hanskalbsand/Neßsand und am gegenüberliegenden Nordufer der Elbe, sowie großflächiger in den Wattengebieten des Cuxhavener Bereichs. Generell ist gemäß Modellprognose weder im Bereich der Fahrrinne noch in den Hafenzufahrten (Wedel, Glückstadt, Schleuse Brunsbüttel) mit erhöhter Deposition (> 5%) zu rechnen, was im MATERIALBAND II b diskutiert wird.

Einige Modell-Prognosen, die unter hydrobiologischen und sedimentologischen Aspekten von Interesse sind, seien im folgenden noch einmal kurz zusammengefaßt.

11.1 Schwebstoffgehalte der Nebenelben und Flachwasserbereiche

Im überwiegenden Teil der Nebenelben und Flachwasserbereiche werden keine ausbaubedingten Änderungen prognostiziert: Es wird weder eine generelle Zunahme noch eine Abnahme geben. Kleinräumige Änderungen über 5% werden in folgenden Gebieten erwartet: Im südöstlichen Teil des Mühlenberger Lochs steigt - wie schon in Kap. 10.3.1.2 diskutiert - die Konzentration maximal um 20%, was einem Anstieg um ca. 10 mg/l entspricht. Im nördlichen Teil des Mühlenberger Lochs und im Bereich südlich von Schweinsand steht dem eine Abnahme von 5 bis 10% gegenüber (Abb. 139). Im nördlichen Teil der Wedeler Au fallen die Schwebstoffkonzentrationswerte ebenfalls um 5 bis 10% (Abb. 138). Dagegen wird im Norduferbereich bei Hetlingen eine Zunahme bis zu 40% (20 bis 40 mg/l absolut) erwartet; ebenso muß in den Flachwassergebieten zwischen den Buhnen am Südufer auf der Höhe von Brunsbüttel (Abb. 131) mit einer Schwebstoffzunahme von 5 bis 10% (ca. 30 mg/l absolut) gerechnet werden. Das gleiche gilt für die Buhnenfelder im Bereich des Osteriffs, dort allerdings auf kleinerem absoluten Niveau. Die aus Abb. 127 zu ersehende prozentuale Erhöhung der Konzentration von 5 bis 10% in den Wattgebieten bei Cuxhaven entspricht absolut weniger als 5 mg/l.

Inwieweit solche tendenziellen Änderungen in der obersten 2m-Schicht der Wassersäule merkliche Auswirkungen auf die Photosynthese haben können, wird im MATERIALBAND VII behandelt.

11.2 Sedimentations- und Erosionsgeschehen - Austausch Sediment/Schwebstoffe in Flachwasserbereichen und Nebenelben

Die im Modell verwendeten kritischen Werte der Sohlschubspannung für Deposition, Resuspension, Sedimentation und Erosion wurden bei GKSS in Laborversuchen mit Elbsedimentkernen bestimmt (WITTE & KÜHL 1996). Änderungen der mittleren Strömung um 1 cm/s sind in ihren Auswirkungen auf diese Prozesse meßtechnisch nicht nachweisbar und in den Modellergebnissen nicht von den anderen am Schwebstofftransport beteiligten Prozessen trennbar. Daher resultieren die berechneten Veränderungen nicht aus der direkten Wechselwirkung Boden/Wasser, sondern aus einer durch das geänderte Strömungsfeld verstärkten Advektion von Schwebstoff in die genannten Sedimentationsgebiete.

Generell zeigen Gebiete, in denen sich die Strömung verringert, eine zunehmende Sedimentationstendenz. Da aber in den Flachwasserbereichen und Nebenelben laut Gutachten der BAW-AK (MATERIALBAND I ) die ausbaubedingten Änderungen der maximalen im Tidezyklus auftretenden Geschwindigkeiten nur an wenigen Stellen 1 cm/s übersteigen, sind keine flächendeckenden Veränderungen im Erosions- und Sedimentationsgeschehen zu erwarten.

In einzelnen Bereichen kann es aber zu signifikanten Veränderungen der Bodenbelegung kommen. Zum Beispiel wird in der Hahnöfer Nebenelbe eine Zunahme der Deposition prognostiziert (Kap. 10.3.2.2). Dies gilt auch für einen ungefähr 200 m breiten Streifen am Nordufer von Hanskalbsand und auf der gegenüber liegenden Seite Wedeler Au. An diesen Stellen wird eine dauerhafte Ablagerung von Schwebstoffmaterial vorhergesagt. Da sich dort die Bodenbelegungen auf relativ hohem Niveau (500 bis 3000 g/m2) bewegen, bedeuten die berechneten Änderungen von bis zu 40% am Ende eines Spring-Nipp-Zyklus ein Anwachsen um eine Schichtstärke von 1 bis 5 cm bei Annahme einer "fluid-mud-artigen" Konsistenz bzw. von 1 - 5 mm nach der Konsolidierung. Dies könnte lokal begrenzte Auswirkungen auf die Bodenfauna und -flora haben; die biologische Beurteilung ist dem Fachgutachten Hydrobiologie (MATERIAL-BAND VII) zu entnehmen.

In den tieferen Bereichen, speziell in der Fahrrinne, wird das bei Stauwasser am Boden deponierte Material während des folgenden Flut- bzw. Ebbstromes vollständig resupendiert, so daß es zu keiner dauerhaften Sedimentation kommt. Die ausbaubedingten Veränderungen in der Bodenbelegung (s. Kap. 10.3.2) resultieren auch hier aus dem geänderten Schwebstoffangebot durch advektiven Transport und aus der Veränderung des zeitlichen Verlaufs der Strömung innerhalb der Tideperiode, und nicht aus Veränderungen des Erosions- und Sedimentationsgeschehens. Es werden keine ausbaubedingten Erosionsgebiete prognostiziert.

Ausbaubedingte Änderungen der Korngrößenverteilung und der Schadstoffbelastung des Sediments lassen sich aus den Modellergebnissen nicht vorhersagen, da der Schwebstoff im Modell nur durch seine Sinkgeschwindigkeit charakterisiert ist, die wegen der flockigen Struktur des suspendierten Materials, anders als im Sediment, nicht in eine Korngröße umrechenbar ist.

Die regionale Verteilung der Fließgeschwindigkeit im Verlauf einer Tide ändert sich ausbaubedingt in geringem Maße und führt hauptsächlich zu Veränderungen im advektiven Transport. Der Austausch Sediment/Wassersäule wird durch den Ausbau nicht verändert. Auch der in den Ergebnissen der Rechnungen der BAW-AK enthaltene Einfluß von Wind und Oberwasser führt zu keinen ausbaubedingten Änderungen.

11.3 Zeitliche Dynamik der Sedimentumlagerung durch den sohlnahen Sedimenttransport

Wie in Kap. 2.3 ("Parameter und Variablen des Schwebstofftransportmodells") dargestellt, erfolgt der sohlnahe Transport von Material durch Advektion der untersten 5 cm der Wassersäule mit einer Geschwindigkeit, die 20% der vertikal gemittelten Strömungsgeschwindigkeit beträgt. Eine ausbaubedingte Veränderung der zeitlichen Dynamik der Sedimentumlagerung durch den sohlnahen Transport sollte in erster Linie in Änderungen der Bodenbelegung sichtbar werden. Die von dem Modell berechneten geringen Änderungen der Bodenbelegung treten aber ganz überwiegend in strömungsberuhigten Flachwasserbereichen auf, in denen der sohlnahe Sedimenttransport gegenüber dem veränderten Resuspensions- und Depositionsgeschehen unbedeutend ist. Auch ein Einfluß des Oberwasserabflusses ist nicht erkennbar.